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Eine Stimme aus dem Grabe

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IV

Der Montag war schon beinahe vergangen, und noch hatte der Zustand des alten Pastors sich nicht gebessert. Im Gegentheil, er war viel schwächer und elender geworden, und im Dorfe verbreitete sich das niederschlagende Gerücht, daß er wohl kaum die Nacht noch überleben würde, wenn nicht eine glückliche Wendung eintreten sollte.

Nikolaus Bol war diese zwei Tage hindurch beinahe beständig in seiner Kammer geblieben. Denn das Fieber hatte ihn von Neuem ergriffen, was seine Hausgenossen sich leicht erklären konnten, nicht allein aus dem Schrecken, der Jeden im Dorfe bewältigt hatte, sondern mehr noch aus dem tiefen Schmerz, den der Unterlehrer an den Tag legte; hatte er den alten Herrn doch immer so herzlich lieb gehabt, und seit jenem unglücklichen Vorfall in der Kirche beinah’ nichts gethan, als weinen.

Eben war Nikolaus heruntergekommen, um an der Abendmahlzeit Theil zu nehmen; man wartete noch auf den Schulmeister, der heute länger als gewöhnlich ausblieb. Seine Frau sprach indessen über die schwere Erkrankung des Pastors, und Nikolaus vermochte nur durch Seufzer zu antworten, er that sich sichtlich Gewalt an, seine Thränen zurückzuhalten.

Als endlich der Lehrer heimgekehrt war und sich mit den Uebrigen zu Tisch setzte, sagte er bekümmert:

»Mit unserm guten Pastor geht es noch immer bergab; wenn nicht bald eine günstige Wendung eintritt, wird unser Dorf ein großes Leid treffen.«

»Ist es denn wirklich ein Schlaganfall?« fragte die Frau.

»Nein, durchaus nicht.«

»So kommt es wohl durch den Schrecken?«

»Auch das nicht.«

»Was für eine Krankheit hat er denn eigentlich?«

»Gar keine Krankheit.«

»Das ist doch sonderbar; wie kann man nur krank sein ohne Krankheit?«

»Ich will dir sagen, was ich damit meine, Frau. Was sich am vorigen Sonntag zugetragen hat, ist wohl geeignet, stärkere Nerven wie die eines alten Greises aufzuregen und zu verstören. Der Pastor ist der Ansicht, daß jener verhängnißvolle Brief durch Gottes Zulassung herniedergekommen ist, aus dem Himmel, wo nun die Seele des Brauers den Lohn ihrer Tugenden und guten Werke genießt; was ihn aber vorzüglich quält, ist die Unsicherheit, das Geheimnißvolle des ganzen Vorganges. Der Gedanke daran brennt wie Feuer in seinem Herzen, und verzehrt seinen Geist.«

»Und was hältst Du denn von der Sache?«

»Ja, Frau, ich weiß auch nicht, was ich davon denken soll; bei Gott dem Allmächtigen ist eben Alles möglich, dennoch möchte ich in diesem Fall meine eignen Vermuthungen nicht von der Hand weisen, trotz der bestimmt ausgesprochenen Ansicht unseres Pfarrherrn. Wer weiß, vielleicht hat ein uns unbekannter Mensch einen geheimen Groll gegen Herrn Spoormans im Herzen getragen, und ihn endlich aus Haß ermordet? Ein solcher könnte dann den Brief verfaßt haben, um das Gericht auf die falsche Fährte zu bringen; es stand ja darin, daß fremde Strauchdiebe die grauenvolle That begangen hätten . . . Weinen Sie doch nicht so bitterlich, Nikolaus; es wäre gewiß ein großes Unglück, wenn wir unsern guten Hirten verlieren müßten, aber die Thränen können einmal nichts daran ändern, und machen Sie nur noch leidender und kränker. Armer Mensch, Sie sind gar zu weichherzig . . .«

»Weißt Du« was ich denke?« unterbrach ihn die Frau. »Die Bauern haben einen unüberwindlichen Abscheu davor, vom Gericht als Zeugen vorgeladen zu werden, besonders in einer so argen Mordgeschichte. Da wäre es ja möglich, daß irgend einer die Leiche unter der Brücke entdeckt, und dann den Brief geschrieben hätte, um also den schrecklichen Fund zu offenbaren und selbst unerkannt zu bleiben.«

»Aber wie sollte dann der Brief in das Kirchenbuch kommen?«

»Das ist ja leicht gethan; es geben so viele Leute durch die Sakristei, die Sänger vom Sankt Cecilienverein, der Kirchenvorstand, die Mitglieder der Armencommission und noch verschiedene außerdem. Wer weiß ob der Verfasser des Briefes das von ihm angewandte Mittel, die Auffindung der Leiche zu veranlassen, nicht etwa gar zweckmäßig und geistreich fand, und ob er sich nicht selbst an dem allgemeinen Erstaunen zu weiden dachte.«

»Ach Gott, es gibt freilich in unserm Dorfe Leute genug, die sich für klug und besonnen halten, und doch traurige Dummköpfe sind, . . . ja dumm genug, um durch ihre tollen Einfälle einem ehrwürdigen Priester den Todesstoß zu geben . . . Gehen Sie zu Bette Nikolaus, diese Geschichten regen Sie zu sehr auf . . . Dennoch scheinst Du mir auf dem Holzwege zu sein, Frau.«

»Das ist wohl möglich, sogar wahrscheinlich; ich spreche auch nur meine Vermuthungen aus; aber wer kann wissen, ob nicht doch etwas Wahres zu Grunde liegt.

»Wenn es so wäre, Frau, und ich den schnöden Einfaltspinsel kennte, dann würde ich eilends zu ihm geben, ihn anflehen, ihn nöthigen Falls kniefällig bitten: »mach dein Vergehen wieder gut, lauf zum Pastor, bekenne deine Schuld, erlöse ihn von dem marternden Zweifel, das wird seine Rettung sein; thust du es nicht, so wird Gott dich strafen, als den Mörder des besten aller . . .«

Seine eifrige Rede wurde hier unterbrochen, durch das Eintreten eines Arbeitsmannes der zu ihm sagte:

»Küster, der Bürgermeister läßt Euch rufen, Ihr sollt sofort mit mir gehen, die Sache scheint Eile zu haben.«

»Ich komme schon,« sagte der Lehrer aufstehend, wendete sich dann zu Nikolaus, der sich weinend vom Tische entfernt hatte, und drückte ihm theilnehmend die Hand.

»Ja, mein junger Freund, legen Sie sich schlafen,« sagte er, meine Frau wird für Sie sorgen. Das Weinen nützt nichts, beten Sie lieber für unsern armen Pastor.«

Nikolaus stieg die Treppe hinauf, und der Lehrer folgte seinem Begleiter auf die Straße.

Dieser sagte ihm dann, daß der Bürgermeister sich in der Pastorat befinde, wo auch die Herren vom Gericht aus der nächsten Stadt sich versammelt hätten, um die sonderbare Sache in all ihren Einzelheiten zu untersuchen. Man scheine der Ansicht zu sein, daß der Mörder, oder vielmehr die Mörder, im Dorfe selbst wohnen müßten, ein entsetzlicher Verdacht ruhe sogar auf dem Sohn des Ermordeten, Isidor Spoormans, zwei Gensdarmen seien bereits zur Brauerei gegangen, um ihn zu verhaften und zu bewachen.

Als der Lehrer das Zimmer betrat, wo die Herren vom Gericht, und der Doktor um das Bett des Kranken versammelt waren, gewahrte er zu seiner großen Freude, daß es mit diesem bedeutend besser zu gehn schien, denn er beantwortete die an ihn gerichteten Fragen mit vollem Bewußtsein und mit ziemlich lauter Stimme.

Auch der Arzt, und nach ihm der Lehrer, hatten ein kurzes Verhör zu bestehen, doch wußten sie nichts anzugeben, das in irgend einer Weise Licht in die Sache gebracht hätte.

Da ging plötzlich die Thür auf, ein Jüngling mit bleichem Gesicht und verworrenem Haar sprang ins Zimmer, sank vor dem Bette auf die Kniee und rief, indem er flehend die Hände zum Himmel erhob:

»Verzeihung, Verzeihung! Ich bin der Schuldige!«

»Nikolaus Bol? Sie der Mörder? Gerechter Gott!« schrie der Lehrer!

»Nein, nein, der Mörder nicht, aber schuldig dennoch!« stöhnte Nikolaus, unter heißen Thränen. »Ach Herr Pastor vergeben Sie mir, haben Sie Erbarmen mit einem Verirrten! Ich hatte am Montag das Gelübde vor Ihnen abgelegt, nicht nach Meerhout zu gehen, . . . und ich bin doch gegangen, und bin dort geblieben, bis elf Uhr in der Nacht. Als ich zurückkehrte, erschreckte mich nahe bei der hölzernen Brücke das Flöten von Räubern; ich verbarg mich im Gehölz und hörte vor Entsetzen halb todt an der Erde liegend, wie die Räuber Jemanden ermordeten, in dem ich seiner Stimme nach, den Brauer erkannte; weiter vernahm ich daß sie seine Leiche ins Wasser werfen, und mit Kräutern und Pflanzen zudecken wollten . . . Ich wagte nicht, Anzeige davon zu machen, weil ich das Gebot des Pfarrherrn, und mein Gelübde, mit Füßen getreten. Ach, und als Christ konnte ich auch nicht übers Herz bringen, meinen Nebenmenschen ohne Begräbniß in geweihter Erde zu lassen. Deßhalb schrieb ich den Brief, und legte ihn in das Kirchenbuch. Durch die Ohnmacht des Pastors auf dem Predigtstuhl geängstigt, nahm ich in der Sakristei den Brief wieder fort, und brachte ein anderes ähnliches Blättchen an seine Stelle. Ach Herr Pastor, ich bin ein Esel, ein Rindvieh, ein entsetzlicher Dummkopf, aber um Himmelswillen Verzeihung, Verzeihung!«

Und mit zitternder Hand überreichte er dem alten Herrn ein bläuliches Blatt Papier.

Der Kranke empfing es mit einem dankbaren Blick zum Himmel und einem erfreuten Lächeln in den Zügen; war doch die Vernichtung des Zweifels, der ihn so lange gequält, der erste und entscheidende Schritt zur Genesung.

Nikolaus, der seine Begnadigung in den Augen des Pastors zu lesen glaubte, sprang entzückt auf und rief:

»O Sie gütiger Herr, Gott wolle Ihnen vergelten, Ihre Gnade ist zu groß!«

Einer der Herren vom Gericht aber faßte ihn in demselben Augenblick rauh bei der Schulter, und sagte in barschem Ton:

»So ist es nicht gemeint, junger Mann, Sie sind unser Gefangener! Was zum Kukuk! da haben Sie durch eine falsche Unterschrift beinahe einen Mord angerichtet, und glauben nun so wohlfeilen Kaufs loszukommen? Ins Zuchthaus sollen Sie, und das lebenslänglich!«

»In’s Zuchthaus? Ich in’s Zuchthaus?« stotterte der arme Mensch halb todt vor Schrecken, während er zurücksprang und auf einen Stuhl niedersank.

Plötzlich hörte man in diesem Augenblick von der Straße aus eilige Hufschläge erschallen, die vor der Pastorat Halt machten; gleich darauf trat ein Gensdarm in's Zimmer und sagte, militairisch grüßend:

»Ich habe den Herren die Meldung zu machen, daß die Mörder gefunden, und in den Händen des Gerichtes sind; zu Herenthal wurden sie gefaßt, als sie die Uhr des Brauers zu verlaufen suchten; es sind ihrer drei, davon der Eine, nachdem sie verhaftet waren, ein ausführliches Geständniß abgelegt. Sie sind Landstreicher, wie jetzt nur zu viele die hiesige Gegend durchziehen.

 

Nikolaus, der von dieser Nachricht seine Erlösung hoffte, rief jetzt flehend:

»Ach, lassen Sie mich geben, Gnade, Gnade einem Verirrten!«

»Keine Gnade,« gab man zur Antwort; »in’s Gefängniß ohne weitere Umstände.«

Der arme Hilfslehrer sank auf die Kniee, kroch mit gefaltenen Händen zu den Füßen des Ersten der Gerichtsherren und stöhnte:

»Ach Herr, um Gotteswillen, haben Sie Erbarmen mit meinem Schicksal! Lassen Sie mich nicht in’s Gefängniß führen! Ich habe schweres Unrecht gethan, aber nur ans Unverstand, ich bin ein ehrlicher Mensch! Im Gefängniß werde ich sterben, deßhalb lassen Sie mich frei, oder tödten mich lieber sofort! . . . Ach Herr Pastor, Ihnen allein habe ich Leid verursacht und Schaden zugefügt. Helfen Sie mir aus der Noth, Sie haben ja selbst gesagt, es gibt Verzeihung für jeden Sünder, der bereut!l«

Der gute alte Herr verwendete sich voll Mitleiden für den armen Nikolaus; er sei unzurechnungsfähig und habe nicht gewußt was er that; durch sein freiwilliges Bekenntniß sei das begangene Unrecht größtentheils gesühnt, und so wünsche er, der Pastor innig, daß dem reuigen Büßer Vergebung werde.

»Nun denn, danken Sie es der Fürsprache Ihres guten Hirten,« sagte der Richter, »Sie sind frei, doch hoffe ich, daß Sie die Lehre des heutigen Tages nicht so bald vergessen werden.«

»Ach Dank, tausend Dank Ihnen, Herr Pastor; ich will für Sie beten, meine Seele wird Sie segnen bis zum Tode!« rief Nikolaus Bol mit Thränen der Rührung und Freude. »Vergessen Sie meinen Fehltritt, und glauben Sie dieses Mal meinem Gelöbniß: Nie in meinem Leben sehe ich wieder ein Mädchen an!«