Hochschullehre variantenreich gestalten

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2Die Problemsituation – der Dreh- und Angelpunkt von PBL
2.1Bedeutung der Problemsituation in PBL

Die Problemsituation hat einen direkten Einfluss auf verschiedene Faktoren im PBL-Lernprozess und trägt darum eine zentrale Rolle:

➤Probleme erzeugen eine Lücke zwischen dem Vorwissen und dem benötigten Wissen für die Lösung des Problems und steuern daher das Lernen. Zumbach (2003, S. 23) spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Konflikt zwischen Ausgangszustand und gewünschtem Endzustand, der als Katalysator für den weiteren Wissenserwerbsprozess wirkt.

➤Probleme erhöhen die Motivation für die Lernmaterie, insbesondere weil sie für das spätere Studium, den Beruf und das Leben relevant sind.

➤Probleme beinhalten zentrale theoretische und praktische Aspekte der Ausbildung in einem bestimmten Gebiet.

➤Oft gibt es mehrere Lösungen für das Problem. Diese ermöglichen, die Lerninhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

In der Praxis erweist sich die im Folgenden thematisierte Problemauswahl und -gestaltung als eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von PBL-Modulen und -Lehrgängen. So meinen Oliver und Omari (1999, S. 9): «The problem selection proved to be perhaps the most challenging and most influential component of the learning activity.»

2.2Arten von Problemsituationen

Bezüglich der Arten von Problemsituationen muss zunächst geklärt werden, was ein Problem kennzeichnet und wodurch es sich z.B. von einer Aufgabe unterscheidet. Ein Problem hat drei grundlegende und charakteristische Aspekte: einen Anfangszustand, einen Zielzustand und das nicht unmittelbare Gelingen der Überführung des Anfangszustandes in den Endzustand. Dörner (1987, S. 10) spricht von einem Problem, wenn eine Person «sich in einem inneren oder äußeren Zustand befindet, den sie aus irgendwelchen Gründen nicht für wünschenswert hält, aber im Moment nicht über die Mittel verfügt, um den unerwünschten Zustand in den wünschenswerten Zielzustand zu überführen». Im Gegensatz dazu definiert sie Aufgaben als «geistige Anforderungen, für deren Bewältigung Methoden bekannt sind». Problem und Aufgabe unterscheiden sich also darin, ob jemand über Mittel und Verfahren verfügt, einen Ausgangszustand in einen gewünschten Zielzustand zu verändern. Dies ist je nach Erfahrung der Lernenden verschieden, und dementsprechend können Sachverhalte für eine Person ein Problem darstellen, die für andere lediglich eine Aufgabe sind.

Problemsituationen können aufgrund verschiedener Kriterien differenziert werden: Nach der geförderten Wissenskategorie (Schmidt & Moust 2000), auf Grundlage von Lernzielstufen (Euler & Hahn 2004), nach der Strukturiertheit des Problems (Jonassen 2000) oder nach dem Informations- und Sicherheitsgrad (Dörner 1987). Diese Ansätze ermöglichen es, Problemsituationen gemäß den theoretischen Modellen zu kategorisieren. Für die Entwicklung von Problemsituationen in der Praxis ist von Bedeutung, welchen Aufforderungscharakter die Problemsituation hat. In der unten stehenden Tabelle sind die diesbezüglichen Problemtypen aufgeführt. Tendenziell nimmt die Strukturiertheit und der Informations- und Sicherheitsgrad mit dem Problemtyp ab, und bezüglich Lernzieltaxonomie werden höherwertige Lernziele angestrebt.


Abbildung 3: Problemtypen für Problem-based Learning

Ein Erklärungsproblem ist die Beschreibung eines Sachverhalts oder eines Phänomens, zu der eine Erklärung in Form eines zugrunde liegenden Prozesses, eines Mechanismus oder eines Prinzips erforderlich ist. Erklärungsprobleme aktivieren das Vorwissen der Lernenden, fördern das Aufstellen und Überprüfen von Hypothesen und die Elaboration am Sachverhalt (hypothetisch-deduktives Vorgehen).

Beispiel (Ökonomie): Eine Unternehmung veröffentlicht ihren Jahresabschluss mit erheblichem Verlust und kündigt einen großen Stellenabbau an. Am gleichen Tag steigt der Aktienkurs um fünf Prozent.

Bei Diagnoseproblemen geht es darum, Abweichungen vom Sollzustand, das heißt nicht funktionierende Teile eines Systems, wieder operational zu machen. Dieser Problemtyp wird häufig in der Medizin eingesetzt. Die Abweichungsdiagnose und die Entwicklung eines Lösungsansatzes, einer Behandlung in der Medizin, erfordern ein vertieftes Verständnis der Wirkungsweise des fehlerhaften Systems und zusätzlich strategisches Wissen für das Vorgehen bei der Fehlersuche und -behandlung. Diagnoseprobleme sind häufig schlecht strukturiert, weil Fehler und ihre wahrgenommenen Erscheinungsformen in rückgekoppelten technischen und biologischen Systemen unterschiedliche Ursachen haben können.

Beispiel (Ökonomie): In einem frei zugänglichen und nutzbaren Gewässer ist der Fischbestand stark zurückgegangen (Allmendeproblem).

Bei Entscheidungsproblemen muss eine Option aus einer Auswahl von konkurrierenden Alternativen gewählt werden. Die Entscheidung wird häufig durch Zielkonflikte erschwert. Während bei Diagnoseproblemen häufig ein rationaler Diagnose- und Lösungsprozess möglich ist, der zu einer allgemein anerkannten Lösung führt, liegen bei Entscheidungsproblemen häufig subjektive Zielvorstellungen und Werthaltungen vor, die keine richtige oder falsche Lösung zulassen, sondern je nach Kriteriengewichtung zu unterschiedlichen Lösungen führen. Beim Entscheidungsprozess kommt dementsprechend der Auswahl und Gewichtung der Entscheidungskriterien eine große Bedeutung zu. Entscheidungsprobleme fördern die Reflexion über Konsequenzen von Handlungen und Entscheidungen. Zu den Entscheidungsproblemen können auch moralische Dilemmata gezählt werden, bei denen subjektive Einschätzungen und persönliche Entscheidungen aufgrund von Werthaltungen eine maßgebliche Rolle spielen.

Beispiel (Ökonomie): Die Firma X muss sich für einen von drei möglichen Standorten entscheiden.

Beispiel (Ökonomie): Aufgrund eines Nachfrageeinbruchs müssen Sie einen Mitarbeiter entlassen. Es stehen zwei Personen zur Auswahl: Eine junge, alleinstehende, qualifizierte, produktive Mitarbeiterin und ein langjähriger Mitarbeiter, Familienvater von drei Kindern, mit nachlassender Leistungsfähigkeit. Wie entscheiden Sie sich? (Moralisches Dilemma)

Bei Strategieproblemen müssen strategische Ziele in einem bestimmten Kontext mit verschiedenen Taktiken erreicht werden, häufig unter Zeitdruck und in einer sich verändernden Umgebung. Beispiele dafür sind das Fliegen von Kampfjets, Einsätze in der Notfallmedizin oder auch das Unterrichtsmanagement in einer schwierigen Klasse. Bei Trainingsmaßnahmen kommen häufig Simulationseinrichtungen zur Anwendung.

Beispiel (Ökonomie): In der Rolle des Zentralbankers führen Sie die Geldpolitik Ihres Landes für die nächsten vier Jahre. Momentan befinden wir uns in einer Boomphase.

Bei Designproblemen wird eine konstruktive Erzeugung bei häufig unklar abgegrenzten Rahmenbedingungen und vagen Zielen verlangt. Designprobleme sind typisch für die Ingenieurswissenschaften und stehen im mit PBL verwandten Project-based Learning im Vordergrund. Bei ihnen sind verschiedenste Lösungen mit unterschiedlichen Lösungswegen möglich. Dies heißt auch, dass die Beurteilung der Korrektheit der Lösung schwierig ist. Es gibt keine richtigen oder falschen Problemlösungen, mittels Bewertungskriterien kann jedoch die Qualität der erzeugten Produkte beurteilt werden.

Beispiel (Ökonomie): Sie machen sich selbstständig im Bereich X. Die zur Finanzierung angefragten Banken fordern einen Businessplan.

Lernende mit wenig Erfahrung behandeln eher einzelne Problemtypen dieser Taxonomie und im fortgeschrittenen Studium dann komplexere Problemsituationen, die Kombinationen der oben stehenden Problemtypen darstellen. Beim Problem-based Learning werden klassischerweise Diagnoseprobleme in Form einer schriftlichen Fallbeschreibung bearbeitet. Oftmals wird von Abweichungen vom Sollzustand ausgegangen, die behoben werden müssen. In einem PBL-Curriculum ist aus motivationspsychologischer Sicht eine Variation des Problemtyps jedoch sinnvoll. Insbesondere Entscheidungsprobleme haben sich in der Praxis als höchst motivations- und lernförderlich herausgestellt.

2.3Gestaltung von Problemsituationen

Obwohl sich die Problemsituation als zentraler Faktor des PBL-Lernprozesses erwiesen hat, gibt es wenige empirische Ergebnisse bezüglich des Zusammenhangs zwischen den Charakteristiken von Problemsituation und dem daraus resultierenden Lernerfolg. Aus theoretischer und praktischer Sicht können aber zentrale Aspekte bei der Gestaltung von effektiven Problemsituationen identifiziert werden:

➤Authentizität aus Sicht der Lernenden: Authentizität meint, sich bei der Formulierung von Problemen auf die Sichtweise der Lernenden zu konzentrieren. Konkret bedeutet dies, dass eine lebensnahe Situation (aktuelle oder zukünftige Berufs- oder Alltagssituationen) außerhalb der schulischen Lernumgebung zur Formulierung eines Problems herangezogen werden soll: ein offenes Problem, eine Kontroverse oder eine Entscheidungssituation. Aus lernpsychologischer Sicht wird damit die für die Lerneffektivität wichtige Sinngebung und Verankerung in einer Anwendungssituation unterstützt. Für Dozierende ist dieser Schritt oft mit einem Paradigmenwechsel verbunden: ein Wechsel von der Umsetzung von vorgegebenen Lerninhalten (obwohl diese natürlich immer noch stattfindet) zu lebensnahen, persönlich relevanten Situationen mit hoher intrinsischer Lernmotivation.

 

➤Formale Struktur der Problemformulierung: Die formale Struktur einer Problemformulierung sollte möglichst keinen Aufgabencharakter oder keine konkreten Arbeitsaufträge enthalten. Aufgaben wie auch Arbeitsaufträge beeinträchtigen die Grundidee des PBL, in dem die Lernenden u.a. gefördert werden sollen, selbstständig Lernziele resp. -fragen zu entwickeln. Falls möglich, sollte das Problem als Geschichte außerhalb der üblichen Lehrer-Schüler-Beziehung konzipiert werden. Die Darbietung und der Erwerb von Wissen im Rahmen einer narrativen Struktur können das Verständnis von Problemen fördern, den Behaltenseffekt erhöhen sowie die Anwendung von Wissen und Können verbessern.

➤Fachbegriffe als Bausteine von Wissensstrukturen: Fachbegriffe bilden die Bausteine für Wissensstrukturen und sollten deshalb in die Formulierung von Problemstellungen wenn möglich einbezogen werden. Aus didaktischer Perspektive lässt sich damit das Problem auch gut inhaltlich eingrenzen.

➤Lernfelder statt Lerninhalte: Im Hinblick auf die oben genannten Aspekte Authentizität, lebensnahe und narrative Struktur sowie Wissensstrukturen ist die Ausrichtung auf Lernfelder entscheidend. Lebensnahe Situationen beziehen sich nur in seltenen Fällen auf ein Fachgebiet, weshalb die Lernfelder fächerübergreifend festgelegt werden sollten. Ist dies von den institutionellen Rahmenbedingungen her gesehen nicht möglich, sollten die Lernfelder zumindest inhaltsübergreifend definiert werden.

➤Kontext der Problemstellung: Der Kontext der Problemstellung ist für das Eintauchen in eine lebensnahe Lernumgebung von großer Bedeutung. Einerseits wird damit das einheitliche Verständnis der Problemsituation in der Gruppe verbessert, andererseits hilft der Kontext den Lernenden, aus den hemmenden schulisch geprägten Lernsituationen auszubrechen. Innerhalb des Kontextes haben Lehrende die Möglichkeit, das Problem mithilfe interessanter Zusatzbemerkungen attraktiv zu gestalten, was die Motivation der Lernenden entscheidend verbessern kann. Aus lernpsychologischer Sicht bietet der Kontext zudem nützliche Verankerungsmöglichkeiten für das neue Wissen.

➤Angemessene Komplexität: Die Problemsituation soll für die Lernenden eine Herausforderung darstellen, das heißt komplex sein und so, dass die Lernenden für die Problemlösung kein bestehendes Modell oder bekannte Algorithmen einsetzen können. Die Komplexität eines Problems hängt von der Anzahl der Faktoren, Funktionen und Variablen, die in ihm eine Rolle spielen, der Art der funktionalen Beziehung zwischen diesen Charakteristiken und der Stabilität dieser Charakteristiken über die Zeit ab (Jonassen 2000). Das Komplexitätsniveau kann von einfach bis komplex reichen. Bei komplexen Problemen müssen mehrere kognitive Handlungen und Schritte zur Lösung ausgeführt werden. Daher belasten komplexere Probleme das Arbeitsgedächtnis stärker; falls ein Problem zu viele Bestandteile enthält, kann es auch zu einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses führen und verunmöglichen, das Problem zu lösen (Sweller 2009). Auf der anderen Seite stimuliert ein zu einfaches Problem den Lernprozess nicht, weil es die Lernenden nicht herausfordert. Die Passung zwischen dem Anforderungsgrad der Problemstellung und den studentischen Voraussetzungen (Vorwissen, kognitive Leistungsfähigkeit) ist daher sowohl aus kognitions- als auch aus motiva­tionspsychologischer Sicht von zentraler Bedeutung. Das Problem sollte eine Brücke schlagen zwischen dem Vorwissen und den zu erarbeitenden relevanten Konzepten und Prinzipien des Wissensgebietes, das heißt in der Zone des proximalen Wissens (Vygotsky 1978) liegen. Der Komplexitätsgrad einer Problemsituation hängt auch mit der Problemstrukturierung zusammen. Es ist bekannt, dass gut strukturierte Probleme effektiv sein können für die Demonstration von einfachen Regeln, Konzepten oder Prozeduren (Weiss 2003). Werden jedoch höherwertige Lernziele wie das Lösen von beruflichen oder gesellschaftlichen Problemen angestrebt – wie das mit PBL vielfach der Fall ist –, sollten die Problemsituationen nicht zu stark strukturiert werden. In der unten stehenden Tabelle ist dargestellt, wie die Problemstrukturierung dem Expertise-Level der Lernenden angepasst werden kann. Da das Kompetenzniveau der Lernenden im Laufe der Zeit ansteigt, muss auch der Schwierigkeitsgrad der Pro­blemsituationen dementsprechend angepasst werden.


Abbildung 4: Form von Problemsituationen in Abhängigkeit vom Expertise-Level der Lernenden

3Lernen in Kleingruppen – die Achillesferse von PBL
3.1Bedeutung des Lernens in Kleingruppen in PBL

Eine Charakteristik von PBL ist, dass ein bedeutender Teil des Lernprozesses in kleinen Lerngruppen betreut durch einen Tutor stattfindet. Dieser Form von Kooperativem Lernen werden sowohl kognitive als auch sozial-affektive Vorteile zugeschrieben: Durch sachbezogene Diskussionen und Konflikte setzen sich die Lernenden mit unterschiedlichen Sichtweisen auseinander, bilden neue Beziehungen zwischen Konzepten und überdenken und klären den eigenen Standpunkt. Sie werden sich auch ihrer Wissensdefizite bewusst und entwickeln elaboriertere Erklärungen für die Problemsituationen. Das Lernen in Kleingruppen soll dazu beitragen, dass die Lernenden zu einem tieferen Verständnis der zu bearbeitenden Themen gelangen. Auf der anderen Seite soll die Vielfalt der interpersonalen Beziehungen auch zu einer Erweiterung und Ausdifferenzierung der sozialen und kommunikativen Kompetenzen (prosoziales Verhalten, Teamfähigkeiten etc.) sowie der Persönlichkeitsentwicklung (positives Selbstkonzept, Fähigkeit zur Selbstregulierung) führen.

Die Forschung zu Kooperativem Lernen hat gezeigt, dass zahlreiche Be­dingungen erfüllt sein müssen, damit Kooperatives Lernen zu den gewünschten Resultaten führt. Insbesondere ungünstige gruppendynamische Prozesse (Konrad & Traub 2005; Salomon & Globerson 1989) können die Lerneffektivität von Lerngruppen erheblich beeinträchtigen.

➤Freerider-Effekt (Trittbrettfahrereffekt): Gruppenmitglieder reduzieren den Arbeitseinsatz in der Annahme, dass die anderen (talentierteren oder motivierteren) Gruppenmitglieder die Arbeit erledigen werden. Dieser Effekt tritt insbesondere dann auf, wenn die Erfüllung oder Güte einer Aufgabe hauptsächlich von der Leistungsfähigkeit der kompetentesten Gruppenmitglieder abhängt (z.B. Erstellung des Abschlussberichtes eines Projektes). In solchen Situationen kommt es häufig vor, dass sich weniger kompetente Gruppenmitglieder zurückhalten oder auch von den anderen Gruppenmitgliedern ignoriert werden. Bei Aufgabenstellungen, deren optimale Erledigung vom Einsatz aller Gruppenmitglieder abhängt (z.B. Bergsteigen in Gruppen), tritt dieser Effekt weniger häufig auf. Zusätzlich wurde festgestellt, dass der Trittbrettfahrereffekt in größeren Gruppen häufiger vorkommt.

➤Sucker-Effekt: Dieses auch als «Ja-bin-ich-denn-der-Depp»-Effekt bekannte Phänomen ist eine Reaktion auf den Trittbrettfahrereffekt. Falls z.B. bei einer Partnerarbeit das eifrige Teammitglied begreift, dass es einen großen Teil der Arbeit verrichtet, wird es sich bei der nächsten Arbeit weniger anstrengen, um nicht ausgenutzt zu werden. Dieser Effekt tritt unabhängig davon auf, ob der zunächst motivierte Partner davon ausgeht, dass der andere mehr leisten kann, aber nicht dazu bereit ist, oder ob der andere aufgrund mangelnder Fähigkeiten tatsächlich nicht fähig ist, mehr zu leisten. In beiden Fällen verlieren die Gruppenmitglieder die Motivation, und die Gruppe bleibt unter ihrem Leistungspotenzial.

➤Ganging up on the task: Teammitglieder handeln bei einer Aufgabe, für die sich nur ein Gruppenmitglied interessiert, den Arbeitseinsatz aus. Sie lösen ihren Konflikt, indem sie sich auf einen minimalen Arbeitseinsatz einigen. Das interessierte Gruppenmitglied kann entweder die Aufgaben der anderen auch noch übernehmen oder kooperieren und sich der geringen Arbeitsmoral der anderen anpassen.

➤Matthäus-Effekt: Dabei sucht sich jedes Gruppenmitglied diejenigen Anteile an der Gruppenarbeit aus, die es am besten bewältigen kann. Dadurch spezialisieren sich die Studierenden noch mehr, und es entstehen Lerndefizite in einzelnen Bereichen.

➤Gruppenarbeit-nein-danke-Phänomen: Dieser Effekt tritt häufig als Folgeerscheinung von Problemen beim Kooperativen Lernen auf. Durch die Schwierigkeiten mit kooperativen Lernformen sinkt die Akzeptanz solcher Lernformen, und die Lernenden sind nicht mehr bereit, sich freiwillig auf diese einzulassen.

Die genannten Effekte beziehen sich allgemein auf das Zusammenarbeiten in (Lern-)Gruppen. Auch im Rahmen von problemorientierten Lernumgebungen treten in der Praxis häufig Probleme beim Kooperativen Lernen in Kleingruppen auf. Dysfunktionale Gruppen werden denn auch als Achillesferse von PBL bezeichnet. Da die Arbeit in tutoriellen Lerngruppen ein zentrales Element von PBL ist, haben Probleme bei der kooperativen Zusammenarbeit in Gruppen wesentlichen Einfluss auf die Produktivität und Effektivität dieser Lernumgebung. Bei der Gestaltung von PBL-Lernumgebungen muss darum den unten aufgeführten Bedingungen für die Gestaltung effektiver studentischer Zusammenarbeit besondere Beachtung geschenkt werden.

3.2Gestaltung effektiver studentischer Zusammenarbeit

Auf der Basis theoretischer Kooperationsmodelle (Slavin 1995; Cohen 1994) können günstige Bedingungen für Kooperatives Lernen abgeleitet werden:

➤Kooperative Lernziele: Die Lernziele sollten nur durch Zusammenarbeit in der Gruppe erreicht werden können. Dies trifft zu, wenn zur Bearbeitung der Aufgaben oder zur Lösung der Problemsituationen den Lernenden spezifische, nur ihnen zugängliche Ressourcen (z.B. Fertigkeiten, Unterlagen usw.) zur Verfügung stehen, die koordiniert werden ­müssen.

➤Spielraum für Entscheidungen: Die Lernumgebung sollte Spielräume für selbstständige Entscheidungen zulassen.

➤Gemeinsame Verantwortung für das Lernen in der Gruppe: Falls die Studierenden erkennen, dass sie ihre eigenen Lernziele am besten erreichen, wenn die anderen Gruppenmitglieder ebenfalls erfolgreich sind, stehen sie in einer Beziehung positiver Interdependenz, und sie sind motiviert, sich gegenseitig zu unterstützen.

➤Individuelle Verantwortlichkeit: Um negative Effekte beim Lernen in Gruppen (wie z.B. Trittbrettfahren) zu vermeiden, dürfen die Gruppenprodukte nur das Mittel zum Zweck sein, individuelles Lernen in Gang zu bringen. Was für die Belohnung der Gruppe zählen muss, sind die individuellen Lernerfolge bei der Arbeit am gemeinsamen Gruppenprodukt.

Insbesondere der letzte Punkt scheint für eine effektive studentische Zusammenarbeit zentral zu sein. Häufig sind Ursachen von hemmenden Faktoren nämlich auf ein Assessment-System zurückzuführen, das nicht mit dem Lernprozess in tutoriellen Gruppen kongruent ist (Kapitel 4). Daneben ­können auch folgende Maßnahmen zu einer besseren Gruppenkohäsion führen:

➤Kleine Lerngruppen bilden: In kleinen Lerngruppen (4–5 Lernende) sind seltener dysfunktionale Gruppenprozesse festzustellen.

➤Längere Zusammenarbeit in den Lerngruppen: Es ist eine positive Wirkung auf die Gruppenkohäsion festzustellen, wenn die Gruppen über längere Zeit zusammenarbeiten. Die Studierenden fühlen sich unter diesen Bedingungen gegenseitig mehr verpflichtet, als wenn Gruppen alle paar Wochen wieder neu zusammengesetzt werden.

➤Zusammenarbeit in der Gruppe thematisieren und regeln: Gruppenprozesse und nicht akzeptable Verhaltensweisen werden thematisiert, und die Lerngruppen verfassen Gruppenregeln zur Zusammenarbeit (siehe die Beispiele unten).

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