Hochschullehre variantenreich gestalten

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5.2Zur Beurteilung

Es ist entscheidend, dass die Beurteilung nicht erst am Ende, sondern den Arbeits- und Lernprozess begleitend stattfindet. Für Feedbacks sind Beobachtungen der Lehrenden, aber auch der anderen Gruppen oder anderen Studierenden von Interesse. Aus solchen Beobachtungen und Peerevalua­tionen können Hilfestellungen resultieren, sie sollen wenn möglich aber auch in die endgültige Beurteilung einfließen. Die folgende Tabelle listet einige Evaluations­kriterien auf:


Abbildung 6: Beurteilung für Gruppenmitglieder (nach Dubs 1995, S. 301)

Wichtig ist außerdem, dass nicht nur die Gruppenleistung, sondern auch Einzelleistungen der Studierenden beurteilt werden. So wissen die Gruppen, wer besondere Unterstützung braucht, und die weniger leistungsstarken Studierenden müssen sich nicht damit abfinden, dass die anderen Gruppenmitglieder ihre Arbeiten übernehmen. Bei der begleitenden Beurteilung sollten inhaltliche sowie gruppendynamische Prozesse lösungsorientiert besprochen und für zukünftige Vorhaben nutzbar gemacht werden (z.B. durch entsprechende Einträge ins Lernjournal). Für die abschließende Beurteilung bewährt sich die Kombination von Einzel- und Gruppenleistungen, zum Beispiel so, dass für die in der Gruppe erbrachten Leistungen Extrapunkte vergeben und zu den individuellen Ergebnissen addiert werden.

6Schlussgedanken

Der «ideale Raum» für Kooperatives Lernen hat bewegliche Tische, die für die Gruppenarbeit zusammengeführt werden können. Tafeln oder Flipcharts an drei oder vier Wänden ermöglichen zudem eine Rundumkommunikation, die entstandenen Produkte können aufgehängt, diskutiert und begutachtet werden. Falls Computer verwendet werden, ist darauf zu achten, dass eine kommunikative Situation gewahrt bleibt. Es empfiehlt sich, die Geräte kreisförmig anzuordnen, sodass die Studierenden während der Arbeit miteinander sprechen können und nicht Rücken an Rücken oder in einer Reihe nebeneinandersitzen,

Wissen ist kein Gegenstand, der von Person zu Person verschoben wird, sondern ein sich im ständigen Fluss befindlicher Prozess mit komplexen Abläufen. Seine Bedeutung wird sozial verhandelt. Auch für den Tertiärbereich mangelt es nicht an einer Vielzahl kooperativer Lernmethoden (Konrad & Traub 2001, S. 70 ff.). Das Wissen um die Methoden allein ist aber zu wenig. Es braucht eine tiefer gehende Reflexion – auch unter Einschluss der Studierenden – darüber, unter welchen Bedingungen sich Wissen entwickeln kann.

Mittels Kooperativen Lernens werden neben fachlichem Wissen auch wichtige überfachliche Qualifikationen im sozialkommunikativen Bereich gefördert (Beitrag von Tanner), auf die die Studierenden im späteren Berufsleben aufbauen können. Durch die Zusammenlegung unterschiedlicher Perspektiven kann zudem neues, innovatives Wissen entstehen. Kooperatives Lernen beabsichtigt, möglichst alle Studierenden in die Arbeit zu involvieren, ermöglicht aktive Beteiligung und schafft Lernsituationen zur Kommunikation und Interaktion. Kooperatives Lernen gibt Gelegenheit, zu erfahren, dass der Umgang mit Differenz durch Kommunikation konstruktiv wird. Eine Lehre, die Kooperative Lernsettings systematisch und reflektiert integriert, schafft wichtige Grundlagen für (Langzeit-)Studierendenteams, die problem- und fallbasiert oder auch forschungsorientiert Lernen sollen.

Literaturverzeichnis

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Claude Müller Werder Problem-based Learning erfolgreich gestalten
1Einführung in Problem-based Learning
1.1Geschichte des Problem-based Learning

Die Vorstellung, dass Lernen in konkreten Situationen stattfindet und sich auf das Vorwissen und die Erfahrungen der Studierenden stützen soll, hat in der Pädagogik eine lange Geschichte. Sie findet sich schon in der maieutisch-­sokratischen Dialogführung im Menon-Dialog. Dieser problemorientierte Lernansatz wurde von verschiedenen Erziehungswissenschaftlern wie z.B. von Dewey, Bruner oder Wagenschein aufgenommen und weiterentwickelt. Problem-based Learning im engen Sinne hat seinen Ursprung an der McMaster-Universität in Hamilton, Kanada, im Jahre 1969. Der Bau eines neuen Spitals und einer medizinischen Hochschule ermöglichte Howard Barrows die Entwicklung und Implementation von problemorientiertem Lernen nicht nur als spezifische instruktionelle Methode, sondern als Philosophie für die Gestaltung eines ganzen Curriculums. Statt traditionelle Vorlesungen in einzelnen Fachbereichen zu besuchen, lernten die Studierenden anhand interdiszipli­närer klinischer Fälle in Teams von acht Studierenden, wobei sie von einem Tutor, in der Regel einem ausgebildeten Mediziner, unterstützt wurden.

Die Beschreibung der Medizinausbildung von Barrows und Tamblyn (1980) und erste Forschungsresultate bezüglich der Lerneffekte, die PBL-Absolvierenden eine höhere Motivation, bessere Problemlösungsfähigkeiten und Selbstlernkompetenzen bescheinigten (Barrows & Tamblyn 1976), führten zu einem steigenden Interesse an diesem neuen Lernansatz und zur Einführung von PBL an verschiedenen medizinischen Fakultäten. Die Universitäten Maastricht in den Niederlanden (ab 1975) und Newcastle in Australien (ab 1978) gehörten zu den Ersten, die das McMaster-Modell adaptierten und ihre eigenen PBL-Programme entwickelten. Diese Universitäten hatten in der Folge neben McMaster einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung und wissenschaftliche Evaluation von PBL-Studiengängen. An der Universität Maastricht wurde beispielsweise die Prozessstrategie des 7-Step («Siebensprung») entwickelt (Schmidt 1983), die an vielen Hochschulen angewandt wird. Andere medizinische Fakultäten übernahmen nicht das traditionelle McMaster-Modell, sondern passten das Modell ihren spezifischen Verhältnissen an. Die Harvard Universität z.B. entwickelte 1985 einen hybriden Ansatz; Studierende besuchen neben PBL-Kursen eine gewisse Anzahl traditioneller Vorlesungen. Ausgehend von diesen Pionieruniversitäten hat sich PBL in den letzten zwanzig Jahren weltweit und in praktisch allen Wissensdomänen verbreitet. Die hohe Akzeptanz von Problem-based Learning zeigt sich auch darin, dass dieser Lernansatz von einer Reihe internationaler Organisationen empfohlen und gefördert wird.

1.2Merkmale des problembasierten Lernens

In traditionellen Unterrichtsformen dienen Probleme hauptsächlich zur Anwendung bereits vermittelten Wissens. Die Lernenden müssen bereits vor der Problembearbeitung über das zur Problemlösung notwendige Wissen und Können verfügen. Im Unterschied dazu erarbeiten die Lernenden bei problemorientierten Lernumgebungen Wissen und Können im Prozess der Problembearbeitung (generatives Problemlösen). Lerneinheiten beginnen beim problembasierten Lernen darum nicht, wie das in traditionellen Unterrichtsformen häufig geschieht, mit längeren Phasen der Wissensvermittlung, sondern mit der Konfrontation mit einer Problem- und Entscheidungssituation. Die Problemsituationen entsprechen konkreten Herausforderungen der (zukünftigen) Berufspraxis oder des privaten Alltags und werden möglichst authentisch gestaltet. Die Problemsituationen sind darum auch – so wie es im Berufsalltag häufig der Fall ist – komplex, das heißt, sie enthalten für die Problemlösung nicht benötigte oder auch gegensätzliche Informationen. Lebensnahe Informationen (Video, Tondokumente, Internet etc.) erhöhen die Identifikation mit der Situation. Ziel des Einstiegs ist es, dass die Lernenden eine erste, wenn auch noch allgemeine Gesamtsicht einer Thematik gewinnen sowie für die nachfolgende Erarbeitung motiviert werden. Sie sollen das komplexe Problem selbstständig identifizieren, in Teilprobleme gliedern sowie das Wissen und Können bestimmen, das notwendig ist, um die Teilprobleme umfassend zu analysieren, zu verstehen und zu bearbeiten. Zudem müssen die für die Problemlösung notwendigen Schritte definiert werden. Die Lernenden müssen mithin Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen (selbstgesteuertes Lernen).

 

Im Anschluss daran wird das konkrete Wissen erarbeitet und zusammengetragen, um die definierten Probleme und Fragen zu lösen bzw. zu beantworten. Für die Wissenserarbeitung und -anwendung werden Quellen (Lehrbuch, Lexika, Internet etc.) erschlossen und vielfältige Denkstrategien (Problemlösungs- und Entscheidungsstrategien, kritisches und vernetztes Denken) eingesetzt. Dabei werden die Prozesse des Denkens und Lernens immer wieder kritisch bewertet (Fremdevaluation und Selbstevaluation), überdacht und gegebenenfalls korrigiert. Problembasiertes Lernen trägt damit neben dem Erwerb von im Kontext der Problemsituationen stehenden fachlichen Kompetenzen auch zur Förderung von überfachlichen und metakognitiven Kompetenzen bei. Während der ganzen Phase der Wissenserarbeitung und Wissensanwendung ist es wichtig, immer wieder den Bezug zum Einstieg herzustellen, damit die Bedeutung und Funktion des «theoretischen» Wissens anhand der «praktischen» Problemsituation deutlich wird. Durch die Verankerung des erworbenen Wissens in einem bestimmten Anwendungsfeld verhindert problembasiertes Lernen das in der Unterrichtspraxis häufig beklagte Phänomen des trägen Wissens, also eines Wissen, das erworben wird, aber nicht angewendet werden kann.

Im dritten Schritt wird das Wissen verallgemeinert, indem vielfältige Übungs- und Anwendungsaufgaben gelöst werden. Mit anderen Worten: Das erworbene Wissen wird in vielfältigen und variierten Problemsituationen flexibilisiert und somit transferfähig gemacht. Die Anwendungsorientierung wird vielfach allein mit der Bearbeitung einer Problemsituation in problembasierten Lernumgebungen noch nicht erreicht, sondern macht weitere Transferaufgaben notwendig. Zusätzlich muss das in problembasierten Lernumgebungen erworbene Wissen in den Bezugswissenschaften verortet werden, um das nötige Orientierungswissen zur Verfügung zu stellen. Dies kann beispielsweise in Überblick verschaffenden Vorlesungen oder Seminaren geschehen, welche das problembasierte Lernen sinnvoll ergänzen.


Abbildung 1: Konzept von problemorientierten Lern­umgebungen

In Abbildung 1 ist das Grundkonzept von problembasierten Lernumgebungen schematisch dargelegt. Unter dem Leitprinzip der Problemorientierung sind in den letzten Jahrzehnten verschiedene Methoden des Lernens und Lehrens entstanden, die durch unterschiedliche Anteile der Lernsteuerung durch die Lernenden (Selbststeuerung) resp. die Lehrkraft (Fremdsteuerung) gekennzeichnet sind (Reinmann & Mandl 2006, S. 639):

Beim Case-based Learning wird im Laufe des Lernprozesses mit Fällen gearbeitet. Es sind vier Formen zu unterscheiden:

➤Bei den Lecture-based Cases dienen Fallbeispiele als Anker oder Beispiele für nachfolgende Informationen.

➤Bei Case-based Lectures wird die Darbietung von Inhalten an einem Fall ausgerichtet.

➤Bei der Case Method werden exemplarische Fälle zusammen mit Problemen und ihren Lösungen präsentiert und diskutiert.

➤Bei der Modified case-based Method werden verschiedene Lösungsalternativen eines einzelnen Falles präsentiert und diskutiert.

Beim Case-based Learning überwiegt der instruktionale Anteil im Vergleich zu den aktiv-konstruktiven Leistungen seitens der Lernenden. Beim Project-based Learning wird ein einzelnes Problem vorgegeben, das zumeist eine konstruktive, produzierende Lösung erfordert. Neben dem Erwerb des notwendigen Wissens steht dabei die kreative Lösung im Zentrum des Lernprozesses. Projektorientiertes Lernen bietet die größten Freiheitsgrade für die Lernenden und misst den Konstruktionsleistungen der Lernenden im Vergleich zu den Instruktionsangeboten des Lehrenden ein größeres Gewicht zu. Beim Problem-based Learning im engeren Sinne findet der Prozess der Pro­blembearbeitung hauptsächlich in kleinen, tutoriell unterstützten Lerngruppen statt. Diese von Howard Barrows an der McMaster-Universität entwickelte Form des problembasierten Lernens versucht, eine Balance von Instruktion und Konstruktion herzustellen.

1.3Lernzyklus des Problem-based Learning

Problem-based Learning im engeren Sinne ist ein fokussiertes, experimentelles Lernen rund um die Erforschung, Erklärung und Lösung von bedeutsamen Problemstellungen. Die Studierenden arbeiten möglichst selbstgesteuert in kleinen, von Dozenten resp. Tutoren betreuten Gruppen. Neben dem namensgebenden Lernen mit Problemen sind demnach noch weitere Faktoren zen­tral, wie das Lernen in Kleingruppen, die Betreuung durch einen Tutor sowie das selbstgesteuerte Lernen (Barrows 1996, S. 5–6). Barrows (2005) meint denn auch, ein besserer Begriff als Problem-based Learning für seinen Lernansatz sei «student-centered, problem-based, inquiry-based, integrated, collaborative, reiterative learning».

Der Lernzyklus des Problem-based Learning im engeren Sinne kann als iterativer Prozess beschrieben werden. Zu Beginn wird den Studierenden die Problemsituation präsentiert. Sie analysieren das Problem, indem sie die relevanten Fakten des Szenarios identifizieren. Haben sie das Problem erfasst, stellen sie Hypothesen bezüglich möglicher Lösungen auf. Ein wichtiger Aspekt dieses Schrittes ist die Identifizierung von Wissensdefiziten in Bezug auf das Problem. Bis zu diesem Schritt arbeiten die Studierenden in kleinen Gruppen, unterstützt von einem Tutor. Die Wissensdefizite bilden dann die Lernziele für die Selbststudienphase. Nach dem individuellen Aufarbeiten der Wissens­defizite wird das neu erworbene Wissen angewendet, und die Studierenden evaluieren ihre Hypothesen bezüglich dessen, was sie gelernt haben. Am Ende des Problemzyklus reflektieren die Studierenden über das erworbene allgemeine theoretische Wissen.

Der oben aufgeführte Lernprozess bildet auch die Vorlage für den methodischen 7-Step (auch Seven Jump oder «Siebensprung» genannt). Der 7-Step ist eine generelle Prozessstrategie, welche die Studierenden bei der Problembearbeitung und Wissensgenerierung nutzen. Obwohl in vielen PBL-Anwendungen praktisch immer von sieben Schritten gesprochen wird, gibt es häufig Unterschiede bei ihrer Interpretation und operationalen Konkretisierung. Die am häufigsten in der Praxis eingesetzte Variante ist die an der Universität Maastricht entwickelte und verwendete Version (Schmidt 1983). In Abbildung 2 sind die einzelnen Schritte und ihre Ziele im Überblick dargestellt. Zu beachten ist, dass die Studierenden alle Schritte außer dem sechsten Schritt (Einzelstudium) in der von einem Tutor betreuten Kleingruppe bearbeiten.


Abbildung 2: PBL-Prozessstrategie «Siebensprung» im Maastrichter Modell

1.4Ziele von Problem-based Learning

Ausgangspunkt für die Entwicklung von Problem-based Learning war die Erkenntnis, dass Studierende zwar über viel Wissen verfügen, dieses aber in Anwendungssituationen nicht nutzen können. PBL zielt darauf, dieser Kluft zwischen Wissen und Handeln entgegenzuwirken, also träges Wissen zu verhindern. Studierende sollen insbesondere besser in die Lage versetzt werden, Theoriewissen in praktischen Urteils- und Anwendungssituationen nutzbar zu machen. Mit PBL sollen Studierende (Barrows & Kelson 1995, vgl. auch Norman & Schmidt 1992)

➤umfassendes und flexibel anwendbares Wissen erwerben;

➤sich effektive Problemlösekompetenzen aneignen;

➤Kompetenzen im Bereich selbstgesteuertes, lebenslanges Lernen erlangen;

➤effektive Zusammenarbeit erlernen und

➤intrinsisch motiviert für das Lernen werden.

Inwieweit Problem-based Learning diese Ansprüche erfüllt, ist offen, da die bisherigen Meta-Evaluationen und Reviews zu PBL ein uneinheitliches Bild zeigen (Übersicht in Hattie 2009; Müller 2007). Die Charakteristiken von PBL prädestinieren diese Lernform aber insbesondere zur integrativen und ganzheitlichen Förderung der (beruflichen) Handlungskompetenz (Fachkompetenzen sowie Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen) mit Schwerpunkt auf sozialen (Teamfähigkeit) und kommunikativen Kompetenzen. Diese Stärken korrespondieren in hohem Maß mit den Anforderungen der heutigen Wissensgesellschaft, in der Sozial- und Selbstkompetenzen immer mehr Bedeutung zukommt (Gassmann, Perez-Freije & Enkel 2006). PBL hat damit das Potenzial, als integratives Grundmodell für studentenzentriertes, vertieftes und ganzheitliches Lernen (explizite Förderung von Sachkompetenzen wie auch Sozial- und Selbstkompetenzen) zu dienen und dessen Implementation an Hochschulen wesentlich zu erleichtern und zu fördern.

In diversen Erfahrungsberichten wird betont, dass die Entwicklung und Implementation von PBL-Lernumgebungen anspruchsvoll und aufwendig ist; PBL ist kein didaktischer Selbstläufer. In den nachfolgenden Kapiteln wird auf die Gestaltung der Problemsituation, das Lernen in Kleingruppen sowie das Assessment detaillierter eingegangen. Abschließend werden die zentralen Aspekte bei der Gestaltung von PBL-Lernumgebungen aus Sicht der Dozierenden behandelt und diese in Form einer Checkliste zusammengefasst.