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Und während das Gespräch weiterging und der Gutsbesitzer zwischen zwei Gläsern Schnaps gelegentlich zynische Witze über großstädtische Dinge und über die Freuden seiner eignen Jugend einfließen ließ, saß Friedrich da in einem Schauer des Mitgefühls für die arme Frau, die sein Vater einst geliebt hatte und die an diesen Mann gefesselt gewesen war – wie lang?

Wie lange? Denn wo Elisa, die Mutter des Studenten, des einzigen Kindes des Hauses – auch das hatte das Gespräch ergeben – war, darüber hatte er noch nichts vernommen, und obwohl eine Frage nach der Hausfrau nur taktvoll gewesen wäre, verbot eine innere Stimme Friedrich, sie zu stellen.

Friedrich empfand allmählich, daß dem Studenten des Vaters Art dem Fremden gegenüber peinlich war. Der Student hatte wohl schon öfter erfahren müssen, wie leicht es war, die Natur des Vaters, die nichts zu verstecken pflegte, zu durchschauen, und wurde stiller und stiller, nachdem er die Zurückhaltung des Gastes bemerkt hatte.

Die Tafel war zu Ende. Ein Diener trug Lichte und Zigarren in einem Nebenzimmer auf, setzte die Teemaschine daneben, und das Gespräch wurde fortgesetzt, gefiel aber offenbar dem Hausherrn, der von dem Besuche etwas anderes erwartet hatte, so wenig, daß er sich nach kurzer Zeit mit einem Gruße zurückzog, der merkbar weniger höflich war als die Bewillkommnung.

»Gutʼ Nacht, Georg,« rief er dem Sohne zu, ohne ihm zum Abschied mehr als einen Wink mit dem Kopfe zu gönnen.

Und damit war er verschwunden.

Zum zweitenmal in diesen kurzen Stunden hatte Friedrich jenes aufzuckende Gefühl voller Erkenntnis und voller Schmerzen. Georg also hieß der Student, der junge Mann, der Elisas Augen hatte, der ihr Sohn war und dem sie den Namen seines Vaters, des Einstgeliebten, gegeben hatte.

Es herrschte ein befangenes Schweigen zwischen den beiden jungen Männern, die sich nun in der Nähe des gewaltigen Kachelofens gegenüber saßen.

Friedrich sah Georg von unten herauf an und empfand noch einmal die eigentümliche Schönheit dieses Jünglingskopfes, über dem jetzt eine Art unglücklicher Trotz und zugleich eine tiefe Schwermut lag. Und er war nicht erstaunt, als Georg trotzdem ein ganz gleichgültiges Gespräch anfing, weil er von sich, aus eigener Erfahrung wußte, daß die Seele aus dem Zwange dunkler Gewalt heraus sich zuerst lieber in gleichgültiges Scheinleben hineingerettet, als daß sie an die Oberfläche steigen ließe, was sie am tiefsten bewegt.

Aber allzulange dauerte es nicht, und wieder lag jenes beklommene Gefühl um die beiden jungen Menschen, bis Friedrich aus einem natürlichen Bedürfnis der Ablenkung heraus aufstand und zu einigen Bildern schritt, die die Wand ihm gegenüber einnahmen. Und wie er vor den großen Frauenkopf trat, der in der Mitte aus einem Rahmen von mattem Golde leuchtete, da entfuhr es ihm, ehʼ er das Wort bedenken konnte:

»Ihre Mutter!«

Aber auch der andere, Georg, kam in diesem Augenblick nicht zu kühler Überlegung, wen er vor sich hatte. Und als ob dies Wort: »Mutter!« ein Sesam-öffne-dich gewesen wäre, brach es aus ihm heraus, er schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte ohne Fassung.

Schon aber war Friedrich bei ihm. Er legte dem Weinenden, Jammernden die Hände auf die Schultern, wortlos, selbst den Tränen nahe.

Die stumme Berührung wirkte auf den jungen Menschen mehr, inniger als es eine Frage, ein Ausdruck der Teilnahme gekonnt hätte. Er sah mit einem rührenden Blick zu Friedrich auf, der nur wieder das eine Gefühl hatte: die Augen, die Augen; dann zog er ihn auf den Sessel neben sich. Als ob Georg auf diese Gelegenheit nur gewartet hätte, sprach er sich aus, wie die Jugend sich noch aussprechen kann, wild, regellos, aufrichtig, aus allen Tiefen empor. Keine Silbe der Verwunderung darüber, daß jener die Mutter sofort erkannt hatte. Kein Wort des Befremdens für das Mitgefühl des heute zum erstenmal gesehenen Gastes, nur der Jammer einer unterdrückten, in ihrem Edelsten gekränkten Natur, die sich einmal offenbaren will.

»Meine Mutter war aus Belgien. Sie war hierher gekommen, weil ihre Verwandten eine Fabrik hier irgendwo im Besitze hatten, ich weiß nicht wo, denn wir sind mit der Familie ganz auseinandergekommen. Ich weiß auch nicht, weshalb sie meinen Vater geheiratet hat . . . .«

Georg machte eine Pause.

Wie zart, dachte Friedrich, daß er nicht weiter spricht, um seinen Vater nicht anzuklagen. Er hatte aus den Zügen und dem Benehmen des Alten in Verbindung mit dem, was sein Vater ihm geschrieben hatte, genug herausgelesen.

»Meine Mutter war sehr unglücklich hier, und wenn sie es mit wundervoller Geduld trug, so habe ich doch, ich glaube schon als ganz kleines Kind, gewußt, wie es um sie stand. Aber trotzdem hat sie Noposchnize nie verlassen, die Verwandten nie besucht, keinen Verkehr mit der Nachbarschaft unterhalten und sich nur mit mir beschäftigt. Vor acht Jahren, als ich zehn Jahre alt war, ist sie gestorben. Sie war nicht krank, sie ist langsam dahin gegangen, geschwunden. Ich weiß es noch deutlich, wie ich an ihrem Bette stand und in ihren Augen las, woran sie starb. Nur als sie mich küßte und segnete, kam es noch einmal über sie wie ein furchtbarer Jammer, und sie sagte in ihrer französischen Muttersprache zweimal leise, schluchzend, aber ich verstand es wohl:

›Nun bleibst du allein!‹

Seitdem bin ich ganz allein,« schloß der junge Mensch, und die tiefe Schwermut, der echte Schmerz, der über ihn kam, standen in traurigem Gegensatz zu dieser jugendlichen Gestalt, zu dieser bunten Uniform. Wieder lastete Schweigen in der Stube. Der Wind ging laut draußen. Im Ofen knackte es, die Teemaschine summte.

Durch dies alles wurde den beiden die Stille nur deutlicher.

Wortlos gingen sie auseinander. —

Friedrich schlief in dieser Nacht wenig. Immer wieder ging es ihm durch den Kopf: Sie ist tot und dieser ihr Sohn ist unglücklich. Werde ich hier, so fragte er sich, in eine neues Schicksal hineingerissen, da ich nur Bericht bringen sollte, wie ein altes ausklang? —

Am andern Morgen war die geschäftliche Besprechung mit dem alten Herrn schnell beendet; Friedrich wußte sie so zu lenken, daß sie ergebnislos blieb. Er erbat die Erlaubnis, den Garten durchstreifen zu dürfen, dessen Wege, wie er morgens vom Fenster aus gesehen hatte, ein paar Bauern vom Schnee gereinigt hatten. Der Student schloß sich ihm an. So schritten sie durch die weiße Einsamkeit, ohne mit einem Wort auf den gestrigen Abend zurückzukommen.

Friedrich sah sich immer wieder suchend um, schließlich ließ er die Blicke über den Kirchhof streifen, der hart neben dem Park lag, aber nur armselige Holzkreuze zeigte.

Wieder war ein instinktives Einverständnis zwischen den beiden jungen Leuten. Denn Georg antwortete, ehe noch der stumme Gedanke laute Frage geworden war:

»Meine Mutter ist nicht hier begraben, sie ruht auf dem römisch-katholischen Kirchhof in Rostow.«

Friedrich war nicht erstaunt, daß der andere seine Gedanken wußte, aber nun sprang aus ihm die Frage heraus, mit der er in der Nacht gerungen hatte:

»Kann ich Ihnen helfen? Wollen Sie mit mir nach Deutschland kommen?«

Ein freudiges Licht ging über des Jünglings Züge. Er schüttelte Friedrich die Hand; aber als ob er auch darauf vorbereitet wäre, antwortete er ganz fest:

»Nein, ich danke Ihnen. Dringen Sie nicht in mich, ich bleibe hier, trotz allem. Meine Mutter ist tapfer gewesen und geblieben. Ich darf nicht schwächer sein als sie.«

Er drückte ihm noch einmal die Hand, und es wurde kein Wort zwischen ihnen gewechselt, bis nach der Rückkehr zum Gutshaus der Schlitten vorfuhr und Friedrich mitnahm.

Mit dem nächsten Zuge fuhr er von Woronesch dem Süden zu. Er traf am Morgen in Rostow ein und fragte sich sofort nach dem Kirchhof durch. Der Wärter erzählte ihm auf sein Befragen, daß hier in der Tat jene Frau beerdigt wäre, obwohl sie, wie es das russische Gesetz verlangt, vor ihrer Ehe zum russischen Glauben übergetreten sei. Aber man hätte ihr diese Ruhestätte gewährt. Er wollte Friedrich zum Grabe begleiten, dieser lehnte aber ab. Er fand sich allein zwischen den schneebeladnen Kreuzen hindurch, bis er vor einer schwarzen Marmorplatte stand, auf der nur das eine Wort eingegraben war:

Elisa

Er verstand den Sinn der Aufschrift, die weder den Namen, der ihr nicht mehr gehörte, noch den des Gatten wiedergeben sollte.

Beim Wegwischen des Schnees hatte Friedrich am Rande der Grabplatte ein paar Efeublätter entdeckt, die unter der Winterhülle grün und frisch geblieben waren.

Von denen pflückte er eins, barg es beim Brief des Vaters und brachte es mit seiner Antwort, statt einer Antwort dem Vater nach Deutschland.