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Wie sehr ich Elisa angehörte, ersiehst Du daraus, daß ich unter all diesen Schwierigkeiten, unter dem Einblick in diese wirren und nicht einmal ganz sauberen Verhältnisse, in denen eben nur ihre eigene Reinheit unantastbar blieb, den Mut nicht verlor, und sich meine Neigung zu ihr nicht verringerte.

Dann aber wurde mir immer deutlicher, daß wir uns gegenseitig ein Martyrium schufen, das länger auszuhalten über Menschenkraft ging, und ich mußte Elisa schließlich vor ein entschiedenes Ja oder Nein stellen.

Das war am 7. November. Ich sagte ihr in aller Zärtlichkeit und Zartheit, aber mit aller Bestimmtheit, daß nun die Entscheidung fallen müsse, daß ich nicht länger wie ein unreifer Knabe schmachten dürfe, daß ich nicht nur eine junge Frau, sondern eine zweite Mutter für meine Kinder heimzuführen habe und daß ich nun morgen alles ins Rechte bringen müsse.

Elisa sah mich, ohne ein Wort der Erwiderung mit dem rührenden Lächeln, das ich bei ihr kannte, an und fragte mich nur:

»Wann kommst du morgen?«

Ich nannte ihr die Stunde und so trennten wir uns. Am andern Tage saß ich auf jenem Dir nun jetzt bekannten kleinen und häßlichen Zimmer des Grand-Hotels und war eben im Begriff, zu Elisa aufzubrechen, als an meine Tür geklopft wurde und auf mein gleichgültiges Herein Elisa bei mir eintrat.

Du kannst Dir mein Erstaunen denken. Mein erster Gedanke, dem ich sofort Ausdruck gab, war, daß sie mich sogleich wieder verlassen und in ihr Haus zurückkehren müsse, um ihren Ruf nicht zu gefährden.

Elisa lächelte.

»Laß das meine Sorge sein, setzʼ dich lieber zu mir und höre zu.«

Ich ergab mich in ihren Willen – wer hätte ihr wohl widerstanden, wenn sie bat?

Noch nie war ihre Zärtlichkeit für mich so groß gewesen, noch nie erkannte ich so voll den ganzen Reichtum ihrer Persönlichkeit als in diesem Gespräch, in dem von Anfang an eine Heiterkeit herrschte, die unsern letzten Unterredungen nur zu sehr gefehlt hatte.

Sie blieb wohl eine Stunde bei mir, und damals war es, als sie froh und anscheinend glücklich ihren Namen und die Worte pour toujours! unter den meinen in den Schreibtisch grub, an dem Du mir geschrieben hast.

Auf einmal ward sie ernst, stand auf, da auch ich mich erhoben hatte, und während in ihre Augen wieder jener geheimnisvoll traurige Ausdruck kam, der mich zuerst betroffen gemacht hatte, sagte sie:

»Es ist sieben Uhr. Um acht Uhr kommt mein Bräutigam. Wir müssen scheiden. Lebe wohl, ich danke dir das größte Glück, das erste, das ich je in meinem Leben genossen habe.«

Sie sagte das alles halb aus wohl erkennbarer Leidenschaft, halb wie eine einstudierte Rolle, dann faßte sie mich, der ich völlig verwirrt und keines Wortes mächtig, dastand, um die Schultern, drückte mir einen Kuß auf den Mund (ich fühle noch die Eiseskälte ihrer Lippen) und hatte das Zimmer verlassen, ehe ich mich noch zu einem Worte, ja nur zu einer Bewegung aufraffen konnte.

Ich mag wohl mehrere Minuten wie in Erstarrung dagestanden haben, dann riß ich mich zusammen, konnte aber nicht den Entschluß finden, ihr nachzugehen, weil ich instinktiv mit völliger Sicherheit empfand: es ist alles vorbei.

Da tat sich die Tür noch einmal auf. Elisa kam herein, fassungslos schluchzend warf sie sich an meine Brust, daß ich das Beben ihres Körpers mitzitternd empfand.

Auch jetzt war mir gleich ihr versagt, zu sprechen. Sie küßte mich wieder und wieder, nun mit durstig heißen Lippen, und dann war sie zum zweitenmal verschwunden – für immer. —

Ich ließ damals alle Geschäfte liegen, denn ich war nicht fähig, irgendeinen sachlich nüchternen Gedanken zu fassen und kehrte auf dem geradesten Wege nach Danzig zurück. Gottlob wart ihr damals noch zu klein, um mich zu beobachten und da ich Verkehr außerhalb meines Hauses seit dem Tode Eurer Mutter noch nicht wieder angeknüpft hatte, so ist wohl niemandem hier in der Heimat mein Schmerz kund geworden.

Zwanzig Jahre ist das nun her und hat all die Zeit wie ein Erlebnis von gestern vor mir gestanden, aber nicht in mir geruht, sondern dies Scheitern einer Hoffnung, die mir so hell aufgegangen war, hat meine Seele bis heute immer in Bewegung gehalten, und ich übertreibe nicht, wenn ich Dir, dem Einzigen, heute gestehe, daß hinter allem Glück, und dessen war viel, und hinter allem Leid und Kummer, die auch nicht ausblieben, diese zwanzig Jahre lang jenes eine unselige Verhängnis stand, das mich damals traf.

Warum nun, so fragst Du, habʼ ich Dich gebeten, diesen Brief zu erwarten und Deinen lange festgestellten Reiseplan zu ändern? Sicherlich doch nicht, um Dir dieses Bekenntnis zu machen, das aus meinem Herzen auch später noch zeitig genug zu Dir gedrungen wäre, daß Du vieles im Wesen Deines Vaters besser verständest.

Ich habe eine Aufgabe für Dich, Friedrich. Du sollst mir sagen, ob Elisa noch lebt, wie sie lebt und wie sie über diese zwei Jahrzehnte hinweggekommen ist.

Ich habe nichts mehr von ihr erfahren. Die Verbindung mit dem Unternehmen ihres Schwagers habʼ ich bei der ersten Gelegenheit unter einem glaubhaften Vorwand abgebrochen und Rostow, wie das Taurische Gouvernement, habʼ ich nie wieder berührt.

Das Gut ihres damaligen Verlobten hieß Noposchnize und lag nur wenige Stunden von Woronesch. Und nun bitte ich Dich, bringe dort in Erfahrung, ob sie noch lebt und wie es ihr in all diesen Jahren ergangen ist. Ich weiß selbst nicht, was ich davon erwarte, aber ich meine, Du wirst mir die Liebe tun und erfüllen, was ich von Dir wünsche.

Du brauchst mir nicht wieder zu schreiben, bis Du mir Nachricht geben kannst. Noch eins, Friedrich. Ich bin Dir schuldig, zu erklären: das Andenken an Deine Mutter hat durch all dieses nicht in mir gelitten. Nicht einen Augenblick ist meine Liebe zu ihr geringer geworden. Wenn ich wieder und wieder jenes düstere Verhängnis, denn anders kann ich es noch immer nicht nennen, als eine schwere Wolke über meinem Leben empfunden habe, so war es gerade der Gedanke an Deine Mutter und an Euch, die sie mir gegeben hat – so war es dieser Gedanke, der mir das Leben lebenswert gemacht hat, und es nicht nur einfach erträglich, sondern trotz allem andern zu einem Besitz gestaltete, für den ich Gott danken muß.

Noch einmal also, tu, um was ich Dich bat und dann schreibe

Deinem treuen Vater.

Friedrich hatte den Brief längst zum zweiten, zum dritten Male gelesen und saß noch immer fast unbeweglich am Fenster seines Zimmers. Er merkte nicht, daß die Dämmerung längst hereingebrochen war und erst, als der Strahl einer gerade unter seinem Fenster stehenden Laterne ihm grell ins Auge fiel, fuhr er zusammen, raffte die beschriebenen Blätter auf und steckte sie in seine Brusttasche. Dann begann er eine rastlose Wanderung zimmerauf, zimmerab, immer längs dem schmalen Läufer, der vom Fenster zur Türe ging. Obwohl er nun das Schreiben des Vaters immer wieder mit den Augen gelesen hatte, fehlte ihm der innere Zusammenhang mit dem Inhalt. Er fuhr sich übers Gesicht, als wäre da etwas wegzuwischen, griff wieder nach der Brust, setzte sich schließlich an den Tisch und sann dumpf vor sich hin, wenn man ein willenloses Treiben in einem undurchdringlichen Nebel, ein Hineinstarren in graues Dunkel mit geschlossenen Augen Sinnen nennen kann.

Was sich endlich nach einer Zeit, für deren Dauer er kein rechnendes Bewußtsein hatte, in Friedrich zuerst loslöste, war eine Empfindung tiefsten Mitleids mit dem Vater, der nun so viele Jahre stumm getragen hatte, was der Jugend schon, geschweige denn einem geprüften Herzen unerträglich scheinen mußte. Nun erst verstand Friedrich vieles, was er bis dahin im Wesen des Vaters nicht begriffen hatte, und um so heißer stieg in ihm das Gefühl einer Dankbarkeit empor, die er bisher nicht genugsam an den Tag gelegt zu haben meinte.

Der Abend und die halbe Nacht vergingen ihm unter solchen Gedanken in wogendem Hin und Her des Herzenstaktes. Erst der nächste Morgen, der kalt und klar in Frost heraufstieg, brachte ihm die Aufgabe ins Gedächtnis, die der Schluß des väterlichen Briefes enthielt. So einfach sie schien, so schwer wurde ihm die Erfüllung. Er war ja schon öfter zu einem oder dem anderen Geschäftsabschluß auf Gütern eingekehrt und hätte leicht unter solcher Begründung auch den ihm genannten Ort besuchen können, wenn er nicht stündlich mehr eine zitternde Befangenheit empfunden hatte vor dem Wiedersehen mit der Frau, deren Handlungsweise er im ungerechten, ungestümen Urteil seiner Jugend als eine schwere Schuld gegenüber dem geliebten Vater, als einen geradezu frevelhaften, schicksalhaften Eingriff in dessen Schicksal fühlte.

Aber wenn ihn schon ohnehin die Ehrfurcht vor des Vaters Wunsch angetrieben hätte, nun ohne Zögern zu tun, was ihm aufgetragen war, so mischte sich jener herben Verurteilung doch noch etwas anderes bei, was ihn nicht freudig, aber mit einer gewissen Begier der neuen Fahrt entgegensehen ließ: Er wollte diejenige kennen lernen, die auf seinen, dritten gegenüber so verschlossenen Vater einen so gewaltigen Eindruck gemacht hatte, und er wollte prüfen, ob es jener möglich gewesen wäre, über die Liebe zu einem solchen Manne hinwegzukommen, sie wieder zu vergessen, während der Mann zwanzig Jahre das Geschick im Herzen trug, dessen schwere Entscheidung damals in jener engen Stube des Gasthofs zu Rostow gefallen war.

Seine Erkundigungen ergaben, daß Noposchnize mit der Eisenbahn nicht zu erreichen war. Die Landschaft war inzwischen völlig verschneit und so konnte Friedrich am nächsten Tage auf einem Schlitten die Fahrt antreten. Er hatte berechnet, daß er gegen Mittag auf dem Gute ankommen und es gegen Abend wieder verlassen würde. Kaum aber lag die Stadt hinter ihm, als ein immer stärker werdender Ostwind ihn belehrte, daß seine Voraussicht falsch gewesen sei. Der schneidende Wind, der ihn zu fester Verwahrung in Pelze und Teppiche nötigte, drückte gegen den kleinen Schlitten und ließ die Pferde auf der glatten Bahn nur langsam weiterkommen. Die rote Glut einer wärmelosen Wintersonne, wie man sie über der unendlichen Ebene Rußlands an solchen Tagen zu sehen bekommt, beleckte bereits das Schneegefild, als das Gutshaus vor ihm auftauchte, ein großer Kasten, dem eine phantastische Laune eine Rokoko-Fassade gegeben hatte. Daneben lagerten sich die niedrigen Hütten des Dorfes, aus denen nur die grüne Kuppel der Kirche mit dem großen goldnen Kreuz weithin sichtbar ragte. Der Schlitten mußte durch das ganze Dorf fahren, um von hinten herum zum Gute zu gelangen. Friedrich sah, daß ein Gasthaus hier nicht zu finden sei, nicht einmal eine elende Schenke, und so mußte er wohl oder übel beim Herrenhause vorfahren und sein Eintreffen zu dieser Stunde, so gut es ging, entschuldigen.

 

Dessen bedurfte es freilich kaum; er hatte eben erst durch einen ländlich gekleideten Diener seine Karte hineingesandt, als bereits ein junger Mann in studentischer Uniform eilig die Treppe hinabkam und ihn bat, näher zu treten. Er wollte Erklärungen über den Zweck des Besuches nicht erst entgegennehmen, führte Friedrich sofort in ein wohl durchwärmtes Zimmer, versprach für den Schlitten sorgen zu wollen, und nötigte den Gast, sich nach der kalten Fahrt zu erwärmen, in einer halben Stunde würde gespeist, er bäte dann, in das Eßzimmer hinabzukommen.

In der durch die lange Reise bewirkten Benommenheit hatte Friedrich alles dessen nicht viel acht und fand sich, dadurch unbefangener gemacht, zur verabredeten Zeit in dem großen Eßzimmer zu ebner Erde ein. In dem Augenblick, als er aus dem Dunkel des Eingangs in den Lichtkreis der großen Öllampe trat, die über dem Eßtisch brannte, fiel ihm der Zweck seines Besuches schwer aufs Herz, und als gleichzeitig der Student, der etwa achtzehn Jahre zählen mochte, wieder zu ihm trat und die eigentümlichen, tiefdunklen Augen auf Friedrich richtete, die von dem hellblonden Haar schön und seltsam abstachen, da durchfuhr es Friedrich wie ein Schlag: Das sind Elisas Augen . . . wußte er sofort: Dies ist ihr Sohn.

Die Türe öffnete sich, und ein Greis trat herein, schritt auf Friedrich zu, sagte nur:

»Ach, unser deutscher Gast!« reichte Friedrich die Hand und nötigte ihn, alle Entschuldigungen abwehrend, zu Tisch. Außer ihnen dreien nahm niemand weiter Platz, und nun erst gelang es Friedrich endlich, den geschäftlichen Grund anzugeben, der ihn angeblich hierher geführt hatte. Der alte Herr nahm die Erklärung ohne weiteres Staunen hin, versprach, am nächsten Tage sich die Offerten des großen Handelshauses vorlegen zu lassen und begann dann ein Gespräch, wie es sich von selbst ergibt, wenn in so abgelegene Einsamkeit ein Fremder aus Westeuropa hineingelangt. Friedrich stand Rede und Antwort, hatte dabei aber genug zu tun, sich auf dem Antlitz des Alten zu orientieren, wie vorher auf dem des Sohnes. Es war ein furchtbares Gesicht, verwüstet und zerfurcht weit über die Jahre des Mannes hinaus, der sein Alter im Laufe des Gespräches beiläufig auf sechzig Jahre angegeben hatte.