Sagenbuch der Stadt Erfurt

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17. Vom Seelenbad.

Da im Jahre 1348 ein großes Sterben unter Menschen und Vieh war und der S. Laurentiustag allein 1500 Opfer forderte, geschah es, daß die Jugend eine solche Sterbenslust überkam, daß sie mit Lachen und Händeklatschen dahinstarben. Ein Mägdlein von 12 Jahren, das mit dem Tode rang, sah lachend und freudenvoll zum Himmel auf und als es von seinen Eltern nach dem Grunde seiner Freudigkeit gefragt wurde, da sprach das Kind: „Ei, seht ihr nicht den Himmel offen und so unzählig viele, schöne Lichter hinauffahren? Es sind die Seelen der selig Sterbenden und damit ihr sehet, daß ich wahr rede, so werde ich diese Nacht sterben und meine liebe Mutter wird mir in dreien Tagen nachfolgen!“ Nun nannte das Kind noch mehrere Personen und sagte auch die Zeit, in der diese sterben würden und es geschah. Nach Ziegler.

In Erfurt dauerte die Pest vier Jahre und da von der großen Zahl der Gestorbenen alle Kirchen und Kirchhöfe erfüllt waren, so begrub man nun die Leichen zu Neuses auf dem Dionysius-Kirchhof und es wurden daselbst in elf Gruben 12.000 Menschen begraben.

Dem Elende zu steuern, veranstalteten die Donherren das S e e l e n b a d. Es standen nämlich unter dem Dom vor der Badestube hinter dem Berge (vor dem ehemaligen Leihhaus) drei Würztröge. In diese schütteten die Domherren Wein und brockten Semmeln hinein, daß alle Elenden kommen und sich stärken möchten. Da strömten nun die armen Leute in großen Schaaren mit allerlei Gefäßen herzu und reichten sie den Geistlichen. Die Domherren aber standen mit Kellen in den Händen bei den Trögen und gaben Jeglichem eine Kelle voll in sein Gefäß. Dies nannte man das Seelenbad.

Nach Falkensteins Chr. S. 226.

18. Vom Judensturm.

Tausend, dreihundert achtundvierzig, als die Pest wüthete, begab es sich, daß verhältnismäßig weniger Juden als Christen starben. Daher viel auf die Kinder Israels ein furchtbarer Verdacht, der ihnen Wehe und Noth brachte. Längst waren sie der allgemeinen Verachtung Preis gegeben, in alle Welttheile und Erdenwinkel zerstreut und der Wucher, womit sie sich oft an den Gütern der Christen bereichert haben sollten, hatte ihnen viele Feinde erweckt. Schon unter des Thüringer Landgrafen Albrechts Herrschaft waren sie in der Stadt Weißensee der Ermordung eines Knaben beschuldigt worden, den sie mit allen Martern der Kreuzigung geschlachtet haben sollten. Jetzt wurden sie angeklagt, aus Rache gegen die Christen, die Brunnen und Quellen vergiftet zu haben. Daher sollte nun, wie man behauptete, die furchtbare Seuche gekommen sein, die sich von Stadt zu Stadt fortwälzte. Dies Gerücht war das Losungszeichen zu einer allgemeinen Judenverfolgung, die noch grausamer, als sie im Jahre 1147 im Rheingau, und in den Jahren 1237, 1298, 1338 in mehreren anderen Gegenden Deutschlands wüthete. Als man in den Brunnen wirklich Wahrzeichen und Säcklein mit Gift fand, ward den Juden das Geständniß einer schwarzen That durch Folterqual erpreßt, an der sie wohl unschuldig sein mochten, und im ganzen Thüringer Lande ein Blutbad unter ihnen angerichtet. In Erfurt allein büßten 9000 ihr Leben ein. Es geschah aber dort und in andern Städten Thüringens, daß gar viele Juden, um dem Tode von Christenhänden zu entgehen, sich in ihre Häuser einschlossen, diese anzündeten, und sich mit den Ihrigen sammt allen Schätzen verbrannten, wodurch manchen Städten großer Brandschaden geschah, andere aber sich von ihren Oberherrn harte Bestrafung zuzogen. Wenige von dem Volke Israels blieben verschont von der Pest und der Wuth der Menschen.

Nach Döring.

Kurze Zeit darnach trug sich folgende Begebenheit zu, welche Avigdor Caro, ein berühmter jüdischer Dichter, so beschreibt: Ich habe vernommen von meinem Vater, meinem heiligen Lehrer, daß im Jahre 112 (1351 n. Chr.) einige Jahre nach dem Verhängniß, in der Nähe Erfurts ein Dorf übrig geblieben (entweder Alach oder Bindersleben, in welchen bedeutende jüdische Gemeinden waren, oder Capellendorf, wohin sie der Erzbischof von Mainz verwiesen), in welchem die Feinde nicht gewüthet.

In diesem Dorfe wohnte ein frommer und gelehrter Greis, der in hohem Alter starb. Dreißig Tage nach seinem Tode kam derselbe zu einem ausgezeichneten Erfurter Weisen und es dünkte dem Letzteren, als wenn der Verstorbene in Sterbegewändern vor ihm stände und ein kleines Buch im Arme hielt. Da sprach der Fromme zu ihm: „Bist du nicht der Mann, den wir kürzlich begraben haben?“ Der Gefragte antwortete: „Du hast recht gesprochen, ich bin es!“ „Und was für ein Buch hast du in der Hand?“ Dieser: „Es ist der Psalter. Ich bin gekommen, um dich alles Ernstes zu bewegen, daß du die Bewohner meines Ortes ermahnst, diesen zu verlassen und ihr Leben zu retten; denn das Unglück ist über sie verhängt und darum mögen sie flüchten in die Gemeinden! So lange ich lebte, habe ich viele Jahre hindurch in jeder Woche den ganzen Psalter ausgebetet. Kraft dieses Gebetes lebten sie bis jetzt in Frieden und sind errettet worden. Jetzt aber haben sie ihren Schatten verloren.“ – Als der Morgen anbrach, war das Gemüth des Erfurter Weisen unruhig und er schickte einen Boten mit einem Warnungsschreiben an jenen Ort. Einige fürchteten die Worte des Frommen, flohen und waren gerettet. Andere, die an dem Eintreffen des Unglücks zweifelten und dort blieben, traf die Hand Gottes und sein Verhängniß schwer. Als das mein Vater vernahm, unterließ er nicht, in jeder Woche den Psalter auszubeten.

Aus dem Buche Emek hamalch S. 15, übersetzt und mitgetheilt von Herrn Dr. Jarascewsky.

19. Wahrzeichen einer Hungersnoth.

Zur Zeit einer Hungersnoth waren an der Kirche zu Neuschmidtstedt, so wie an der Moritzkirche zu Erfurt, wie alte Chroniken berichten, Wahrzeichen zu sehen. Die Groschenbrote waren damals so klein, wie heutigen Tages die Pfeffernüsse; sie hatten nur einen Zoll im Durchmesser und jedes gab nur einen einzigen Bissen. In dieser Größe waren an den genannten Kirchen diese Brötchen zu ewigem Gedächtniß in Stein gehauen worden.

Zur Erinnerung einer anderen Hungersnoth wurden am S. Markustage Brötchen, so groß wie ein Taubenei gebacken, die man Markusbrötchen nennt. Sie sollen an die große Theuerung erinnern, die im Jahre 1369 Erfurt und ganz Thüringen heimsuchte. Damals kostete ein gothaischer Malter Korn eine und eine halbe Mark fein Silber.

Nach Falkenstein.

20. Die Sage von der Gründung der Karthause.

Südlich von der alten (innern) Stadt Erfurt, außerhalb der Zwingerbefestigung, gegenüber der Hamsterburg, dehnte sich ein flaches berastes Land aus, welches die W o l f s w e i d e genannt wurde. Diesem Platz hatte sich ein Baumeister im Auftrage des frommen Priesters Orthinus genähert, um zu erforschen, ob hier wohl gute Gelegenheit sei, ein Kloster zu bauen. Der Baumeister überlegte lange und konnte nicht zu einem Entschlusse kommen. Als er so sinnend saß, überkam ihn eine große Müdigkeit und er schlief ein. Da geschah es nun, daß ein schöner Jüngling an seine Seite trat, ihn freundlich anschaute und auf den Platz wies, den er bebauen sollte. Als der Baumeister erwachte, war die Erscheinung verschwunden. Er wußte nun, wo er das Kloster bauen sollte und sagte oftmals: „Ein Auge wollte ich missen, wenn mir die Lichtgestalt zu sehen noch einmal vergönnt wäre! Vom h. Bonifazius weiß die Sage Aehnliches zu berichten. Als derselbe die Kirche zu Ohrdruf zu bauen sich entschlossen hatte, wurde ihm durch eine Erscheinung der Ort dazu bezeichnet. Und weil der Erzengel Michael ihm selbst erschien, nannte er das Gotteshaus auch nach ihm die S. Michaeliskirche. Die Karthause führte den Namen Mons S. salvatoris und war dieser Name wohl von dem Gründer des Klosters mit Bezug auf einen Berg auf dem Eichsfelde, der nahe an der hessischen Grenze liegt, gewählt worden. Der Berg aber heißt der Hülfensberg*) und wurde so genannt, weil Gott daselbst in allerlei Nöthen der Menschheit um Hülfe angerufen wird. Noch jetzt ist der Berg ein viel besuchter Wallfahrtsort, der namentlich in der Pfingstzeit fromme Beter aus nah und fern heranlockt. Schon den heidnischen Vorfahren war der Berg heilig gewesen und Bonifazius hatte hier viel zu schaffen, Göttereichen zu fällen und Altäre zu zerstören. Noch heute erinnern die Bonifaziuskapelle, die der Apostel den Deutschen an der Stelle, auf welcher vordem der Götze Ruffo verehrt worden war, erbaut haben soll und der Bonifaziusbrunnen an jene Zeit. Immer war es frommer Pilger Sitte, an den Gnadenorten milde Gaben nieder zu legen und so ergab sich derselbe zu beträchtlichem Besitzthum. Ein Drittel aller Spenden ward dem Geistlichen, der droben den Gottesdienst besorgte, überlassen. So kam einer dieser Pfarrherren zu großem Gut und beschloß, als es mit seinem Leben zu Ende gehen wollte, seinen ganzen Besitz zu Ehre Gottes und seiner Seele zum Besten zur Erbauung einer Karthause zu verwenden. Der Vollstrecker des bezüglichen Testamentes war der obenerwähnte Orthinus, ein Propst zu Dorla.

Nach Hogel.

21. Vom Siechenhaus.

Getrieben von der mächtigen Liebe, entführte einst ein Reiter, der am Hofe des Grafen von Gleichen in Remde diente, eine Jungfrau aus dem gräflichen Zimmer der Frauen. Er setzte sie hinter sich auf sein Pferd und kam in der Nacht vor dem Löberthor an. Da man ihm aber nicht öffnen wollte, sah er sich genöthigt, im nahe gelegenen Siechenhause ein Unterkommen zu suchen. Hier ward er aufgenommen. Er band sein Pferd an einen Zaun und trat mit seiner Geliebten in das Zimmer der Siechen. Diese entbrannten in wilder Leidenschaft, als sie sahen, daß das Mädchen schön war, tödteten den Reiter und vor großer Bedrängniß gab auch das Mädchen den Geist auf. Darauf verscharrten sie beide im losen Boden. Als aber am Morgen gleichische Dienstmannen, von Remde entsendet, die Entflohenen suchten und vom Thorwart hörten, daß sie wohl am T h o r gewesen aber nicht eingelassen worden wären, ritten sie vor das Siechenhaus. Hier erhielten sie auf ihre Anfrage verneinende Antwort. Doch während die Siechen die Ankunft der Flüchtigen leugneten, wieherte das Pferd, das noch am Zaune stand. Man erkannte es, drang in das Haus, nahm die Uebelthäter gefangen, holte Rathsherren herbei und untersuchte in aller Strenge den Sachverhalt, und die böse That wurde offenbar.

 

Hierauf ließ man den erschlagenen Reiter sammt seiner Braut ehrlich auf dem Kirchhofe bei S. Thomä bestatten; das Siechenhaus aber mit Holz umlegen und es sammt den Siechen, die sich dieser gottlosen That schuldig gemacht hatten, zu Asche verbrennen. An der Stätte, wo dieses geschehen, wurde ein Steinkreuz errichtet, welches auf einer Seite einen Reiter, auf der andern eine knieende Jungfrau zeigte, wie solches noch auf alten Prospecten der Stadt Erfurt zu ersehen ist. Die Unthat trug sich, wie die Falkenstein’sche Chronik meldet, im Jahre 1388 zu.

22. Vom Mönchskreuz.

Unweit des Waldschlößchens auf dem alten Steiger – auf der Wagd, wie man sonst sagte, steht ein alterthümliches Steinkreuz von schöner gothischer Form. Vor Zeiten war die arnstädter Straße sehr breit und das Kreuz stand mitten in derselben. Die 1838 gebaute, schmale Kunststraße führt östlich am Kreuz vorbei, der Chausseegraben trennt es von derselben und das aufgeschossene Gebüsch verbirgt es zum Theil dem Auge des Wanderers. Auf der der Straße abgewendeten Seite des Kreuzes sieht man in vertieften Umrissen die Gestalt eines mit einer Kutte bekleideten Geistlichen in knieender Stellung und eine vielen Beschauern unlesliche Schrift. Aus Beiden mag nun die Sage, die hier mitgetheilt werden soll, entstanden sein.

Als im Jahre 1472 am 19. Juni die Stadt Erfurt von dem schrecklichen „großen Brande“ heimgesucht wurde und Niemand wußte, aus welchen Ursachen das Unheil gekommen, glaubten Viele, es wären als ein Strafgericht Gottes die Flammen aus der Erde geschlagen. Andere maßen die Schuld derselben der Geistlichkeit bei, die zur Strafe für die Ermordung eines Priesters den Gottesdienst niedergelegt hatte und machten Miene, dieselbe zu erwürgen. Noch Andere dachten an der Stadt Feinde und bald wollte man einen verdächtig aussehenden, verkommenen Mönch gesehen haben, der durch das Löberthor flüchtend, das Weite suchte. Man eilte ihm nach und sah ihn auf der Höhe des alten Steigers, wie er da saß und sich an dem gewaltigen Flammenmeere weidete. Bei Annäherung der Leute floh er, wurde aber an der obenbezeichneten Stelle gefangen genommen und zur Stadt gebracht, wo er später seiner geistlichen Würden entkleidet, und dem Feuertode überliefert wurde. Die Hinrichtung erfolgte derselben Sage nach auf dem Platze, wo man ihn ergriff und so habe man zum immerwährenden Gedächtniß daselbst besagtes Kreuz errichtet. Der Mönch war der aus dem Kloster Schulpforte entlaufene Cisterzienser Dietrich Becker oder Burkardi, der von der Stadt Feinde Apel Vitzthum um Geld gedungen war, Erfurt zu verderben. Er wurde nach verbürgten Nachrichten nicht hier, sondern in Sachsen gefangen genommen und das Kreuz verdankt einer ganz andern Begebenheit seine Entstehung, wie die Majuskelinschrift: Hic est occisus magister henricus de Sybeleiben sacerdos (Hier wurde getödtet Magister Heinrich von Siebeleben, der Priester) es beweist. Nach den neuesten Forschungen tödtete Graf Heinrich von Schwarzburg im Jahre 1313 den Canonicus der Severikirche Henr. de Siebeleben an dieser Stelle. Aus welchen Gründen und unter welchen Umständen es geschah, ist nicht zu ermitteln gewesen, doch scheint das Kreuz zur Sühne des Mordes errichtet worden zu sein.

23. Burkardts Raben.

Nachdem der Mönch Burkardt dem Henker übergeben war, führte ihn dieser vor den Graden vor Gericht und sprach über ihn sein Urtheil. Dann führte er ihn in den Fahrweg, band ihn an eine Säule und riß ihn 21mal mit glühenden Zangen, so daß man ihn in den Leib sehen konnte und fragte ihn und sprach: Herr, erbarmet es euch nicht, daß ihr die zwei Stifter sammt andern Gotteshäusern so erbärmlich verderbt habt? Nein, antwortete der Schelm, sondern es jammert mich, daß nicht vollends das Peterskloster auch in Grund abgebrannt ist. Wann das geschehen wäre, wollte ich desto lieber sterben. So ward er vor die Stadt geführt und mit noch zweien andern, die ihm geholfen hatten, auf einen Holzstoß gesetzt. Derselben einer war ein Schneider. Dem hatte der Mönch nicht mehr, denn einmal zu essen gegeben, da er ihm Wache hielt, als er bei S. Veit das Feuer selbst angelegt. Als man den Mordbrenner aber angebunden hatte, kamen viel großer, schwarzer Raben herzugeflogen. Die sahe der Mönch und sprach: „Da kommen meine lieben Engel, die wollen mich holen.“ Also stand er, und ward mit den zweien lebendig verbrannt. Darnach bekam man seiner Gesellen noch vier, die mußten auch ins Feuer und soll einer von dieser Rotte in einen Gasthof zu Naumburg gekommen sein und des Nachts im Schlafe geschrieen haben: Ach du armes Erfurt! Woraus man gemuthmaßet, er möchte das Feuer selbst angelegt haben, und hat er’s, da man ihn ergriffen, bald bekannt. Zwei aber kamen davon.

Hogel S. 64.

24. Johannes von Hagen. (Ab Indagine.)

In den Jahren 1440 – 75 lebte ein Mönch in der Karthause zu Erfurt, der wegen seines außerordentlichen Fleißes und seiner großen Gelehrsamkeit großen Ruhm erlangt hatte. Sein Name war Johannes von Hagen auch de Indagine. In seinem 25. Lebensjahre wurde er Karthäuser. Im Kloster setzte er die auf hiesiger Universität begonnenen Studien mit unermüdlichem Eifer fort. Die Sage erzählt von ihm, daß er, da ihm nach der Regel seines strengen Ordens kein Licht in die Zelle verabfolgt wurde, die Butter und das Fett, welches man ihm zur Speise reichte, sammelte und es in einer kleinen Lampe verbrannte. So war es ihm möglich, bis tief in die Nacht hinein zu schreiben und zu studiren. Die Zahl der von ihm verfaßten Werke soll sich auf 500 belaufen.

(Th. Vaterlandskunde VI. 848 Falkensteins Chr.)

25. Schülerstreich aus Tüngers Zeit.

Von Augustin Tünger aus Endingen, welcher in Erfurt studirte und am 17. November 1467 unter dem Rectorate des Juristen Stein von Jena immatriculrt wurde, sind viele lustige Geschichten aufgezeichnet worden, aus welchen wir hier eine mittheilen wollen.

Meister Hans von Coburg, ein Meister der hohen Schule zu Erfurt, hatte im Keller ein ausgezeichnetes Faß edlen Weines, an welchem er alle Zapfen abbauen ließ, damit ihm Niemand darüber gehen möchte. Oben an das Faß schrieb er: „Hie ist nit Zapf!“ Die Schüler aber, als sie das gewahr wurden, schlichen sich in den Keller und zapften das Faß an dem hintern Boden an. Sie schrieben: „Hie ist Zapf!“ an das Faß und tranken es nach und nach aus. Als nun der Meister Besuch seiner Freunde bekam, schickte er den Knecht zum Keller, Wein zu holen. Aber der Knecht versuchte sich umsonst an dem leeren Faß und als der Herr nun selbst zum Fasse ging und es genauer in Augenschein nahm, fand er den Zapfen mit der Schrift, die anzeigte, wo man an dem Fasse den Wein lassen sollte.

26. Martin Luther und Alexius.

Freundlich war der Himmel im Juli 1503, so erzählt die Sage, und der auf der Universität zu Erfurt studirende junge Martin Luther wandelte mit seinem Freunde Alexius nach Stotternheim, als er plötzlich in dessen Nähe von einem schweren Gewitter übereilt wurde. Der Blitz streckte den Freund an seiner Seite todt nieder und vom Schrecken des Todes umgeben, faßte Luther den Entschluß, Mönch zu werden und in das Augustiner-Kloster zu gehen.

(Andreä’s Geschichte des Dorfes Stotternheim, Linkes Reisegeschichte II. Aus einer alten Handschrift. Cod. chart. bibl. doc. gothae 4. Pag. 239.)

Nach einer anderen Lesart soll Luther mit seinem Freunde über die Cyriaksburg hinaus gelustwandelt sein und im Brühler-Felde sei der Letztere vom Wetter erschlagen worden.

Den Entschluß Luthers, ins Kloster zu gehen, wollen Andere in der ebenso unverbürgten Nachricht finden, daß er eines Tages seinen Freund, den er besuchen wollte, erschlagen im Bette liegend gefunden habe.

27. Junker Gorg am Sybillenthürmchen.

Richtet man den Blick unweit des Brühler-Thores nach der Heerstraße von Gotha, so sieht man eine mittelalterliche Betsäule, die das Sybillenthürmchen genannt wird. Ein frischer grüner Rasen breitet sich bei demselben aus, schattige Bäume laden zur Ruhe ein, und der Wanderer weilt hier gern, um sich zu erfrischen und zu säubern, bevor er das Stadtthor durchschreitet.

Einstens ruhte hier ein Trupp reisiger Reiter, die eben die Landstraße herab kamen, um sich für den Einzug in die Stadt zu rüsten. Sie kamen weit her. Auf dem Wege zwischen Eisenach und Erfurt hatte sich ein junger Rittersmann zu ihnen gesellt und war mit ihnen bis nach Erfurt geritten. Am Sybillenthürmchen drehte dieser sein Pferd und gab ihm die Sporen, indem er ausrief: Lebt wohl ihr Herrn, ich bin der Dr. Luther!

(Mündlich mitgetheilt von Herrn Molsdorf.)

Ein anderes Mal war Luther in der Verkleidung als Junker Görg aus seinem Verstecke wieder nach Erfurt geritten und wagte es in der Stadt, um zu Mittag zu speisen, im Gasthause zur hohen Lilie einzukehren. Er hatte einen Lanzenknecht bei sich, der ihm immer zur Seite war. Als Luther während der Mahlzeit gelegentlich seine Tischnachbarn nach der neuen Lehre frug und darüber nicht eben erwünschte Auskunft erhielt, konnte er sich nicht enthalten, hitzig zu disputiren. Sein Knappe erschrak darüber und aus Furcht, er möchte verrathen werden, nahm er ihn eiligst auf die Seite, brachte ihn aufs Pferd und bald darauf glücklich wieder zum Thore hinaus.

Möllers alte Geschichten.

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