Winterfeuer

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Kapitel 4

Eigentlich war Kyle ein ganz anständiger Kerl.

Das hatte Paul schon seit Jahren gewusst. Bevor Marcus' Mutter gestorben war, war Kyle einer der nettesten Pfleger im Pflegeheim gewesen, der Mimi dabei geholfen hatte, sich an jedes bisschen Würde zu klammern, das sie bekommen konnte, ehe Alzheimer ihr alles genommen hatte. Jeder wusste, dass er im Umgang mit seiner Zwillingsschwester großartig war. Außerdem war er freundlich. Und ja. Er war süß. Paul hatte Augen im Kopf und es war ihm aufgefallen, wie einem so etwas nun mal auffiel.

Aber es war schon das zweite Mal in Folge, dass Paul beobachten konnte, wie Kyle… nun, nicht im Feenland umherstolzierte, um es offen zu sagen. Frankie machte stets selbstironische Bemerkungen über seine feminine Seite, die Marcus meistens verteidigte, aber bei Kyle war es anders.

Zum Abschied benutzte er oft, vor allem im Pflegeheim, diesen Singsang-Tonfall auf eine Art, die besagte: Hier bin ich und benutze zum Abschied diesen Singsang-Tonfall. Er ging nie auf die Straße, ohne wie eine schwule Schaufensterpuppe auszusehen, was in einer winzigen Stadt in den North Woods verdammt merkwürdig war. Selbst seine OP-Kleidung schaffte es irgendwie, verflucht schwul auszusehen, und zwar nicht, weil sie mit Regenbögen übersät war.

Irgendwie war alles an Kyle auf fabelhafte, glitzernde Art schwul.

Um ehrlich zu sein, hatte Paul lange vermutet, dass Kyle das absichtlich machte. Und auch wenn er versuchte, darüber hinwegzusehen, konnte er es nicht.

Heute Abend war all das extrem heruntergefahren, obwohl es immer noch da war. Im Reparaturgeschäft schälte sich Kyle aus seinem dicken, strahlend blauen Parka und dazu passender Strickmütze, Schal und Fäustlingen. Darunter kamen ein eng anliegender, grauer Pullover und ebenso enge Jeans zum Vorschein.

Wenn Paul sich vorstellen wollte, wie Kyles Hintern geformt war, musste er das nicht länger tun. Doch die sonstigen affektierten Gesten blieben aus. Kein Trillern, kein flirtender und doch geschlechtsloser Hüftschwung. Als er den Deckel seiner Styroporschachtel aufklappte, ja, da tat er es mit einem eleganten, grazilen Schwung. Während er aß – auch wenn er in seiner Hektik, Essen in den Magen zu bekommen, beinahe ungeschickt war –, war der feminine Anflug in seinen Bewegungen nicht zu leugnen.

Allerdings schienen diese Gesten natürlich zu sein. Sie passten zu dem Mann vor Paul.

Zum ersten Mal seit praktisch immer sah Paul Kyle an und gab zu, dass vor ihm tatsächlich ein Mann saß. Kein Kind, das Spielchen spielte, mit Paul flirtete und ihm ein komisches Gefühl gab. Gabriel hatte immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass Kyle nicht so jung war, wie Arthur und Paul ständig behaupteten – und endlich konnte Paul das sehen.

Kyle, der Pauls Starren bemerkte, errötete und griff mit derselben Anmut nach einer Serviette. »Sorry, hab ich Kartoffelreste im Gesicht? Ich hätte nicht so schnell essen sollen.«

Hatte er nicht, doch Paul konnte nicht zugeben, warum er ihn angestarrt hatte. »Nur ein wenig, aber du hast es schon erwischt.« Er fühlte sich schlecht, weil er gelogen hatte, also berührte er reumütig seinen Bart und Schnurrbart. »Keine Sorge, ich bin sicher, an mir bleibt mehr hängen als an dir, bis ich fertig bin.«

Sehnsüchtig betrachtete Kyle Pauls Bart. »Ich versuche dauernd, mir einen Bart wachsen zu lassen, aber es sieht furchtbar aus. Nach ein paar Wochen ist da immer noch nicht mehr als unschöner Flaum.«

Paul stand kurz davor zu sagen, dass Kyle ein Bart nicht stehen würde, doch dann meldete sich seine Vorstellungskraft und… Gott, mit den gefärbten Haaren würde Kyle Arthur verdammt ähnlich sehen, bevor der an Muskeln und Gewicht zugelegt hatte.

Mit einem Räuspern konzentrierte sich Paul auf seinen Hamburger.

Wieder wischte sich Kyle über den Mund und schnitt eine Grimasse. »Habt ihr irgendwo Plastikbecher? Ich hab im Café nicht dran gedacht, was zu trinken mitzunehmen.«

Beschämt über seine Unhöflichkeit stand Paul auf. »Entschuldige. Wir haben Limo und Bier in dem kleinen Kühlschrank. Worauf hast du Lust?«

»Kein Problem. Ich hol mir Leitungswasser aus dem Badezimmer.«

Paul war ziemlich sicher, dass Kyle keinen Schluck Wasser aus der Leitung trinken wollen würde, sobald er einen Blick ins Badezimmer des Geschäfts geworfen hatte. »Wir haben keine sauberen Becher. Ich kann über die Straße zum Gemischtwarenladen gehen und irgendwas in Flaschen kaufen.«

»Keine Umstände. Limo oder Bier ist okay.«

Sie durchstöberten den Kühlschrank, in dem Mountain Dew, Red Bull und Fat Tire zur Auswahl standen.

Kyles Blick wanderte zwischen dem Angebot hin und her und er biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe, als er versuchte, die Stirn nicht in Falten zu legen.

Paul schloss den Kühlschrank und griff nach seiner Jacke. »Ich bin gleich zurück.«

»Nein, ich gehe.« Kyle flitzte zu seiner eigenen Jacke und schlüpfte hinein. »Tut mir echt leid. Ich bekomme Herzrasen, wenn ich zu viel Koffein trinke, und Bier ist nicht mein Ding.«

»Ich komme mit dir.« Paul zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. »Die bescheidene Auswahl ist ja meine Schuld.«

»Na ja, du konntest nicht wissen, dass du Gesellschaft bekommst.« Er zog die Mütze über seine Ohren.

Es war dieselbe Strickmütze, die Kyle in der Nacht getragen hatte, als Paul ihn beim Bau des Schneepenis erwischt hatte. Um zu überspielen, dass er Kyle erneut eingehender betrachtete, sagte er: »Schöne Mütze.«

»Danke.« Kyles Wangen röteten sich. »Die hab ich gemacht.«

Paul hob die Augenbrauen und hielt beim Anziehen seiner Handschuhe inne. »Im Ernst?«

»Während der Nachtschicht gibt es eine Menge Leerlauf. Inzwischen bin ich mit den Nadeln ziemlich schnell und ganz verrückt danach, Wintersachen zu stricken.« Er zog einen der Ohrenschützer zurück. »Ich hab das Äußere gestrickt und ein Futter aus Fleece eingenäht. Das ist so warm.«

Das konnte sich Paul vorstellen. »Das wäre praktisch beim Jagen.«

»Ist es. Ich habe Mützen und Kragen aus Fleece für meinen Vater und meine Brüder genäht. Sie haben alle die Augen darüber verdreht, bis sie sie ausprobiert haben. Jetzt erwarten sie, dass ich neue mache, wenn ihre abgetragen sind.«

»Das ist nett von dir. Ich hab einen Winter lang versucht, die Jungs zum Stricken zu bewegen. Die zwei konnten nicht einmal Maschen aufnehmen und am Schluss hatte ich ein durchhängendes, längliches Rechteck, das mit Löchern gespickt war.«

»Oh, es ist gar nicht so schwer, wenn man erst mal den Dreh raus hat. Wenn du willst, kann ich es dir irgendwann mal zeigen.«

Zusammen überquerten sie die Straße zu dem kleinen Gemischtwarenladen. Die ältere Frau im Dienst murmelte ihnen ein Hallo zu, als sie eintraten. Kyle entschied sich für eine Sprite und Paul nahm eine Zweierpackung Schokoladencupcakes. Als sie zurückgingen, bemerkte Paul jedoch, dass in ihnen Koffein enthalten war. »Sind die okay?«

»Oh, ja. Es geht nur um Kaffee, Cola und Energy Drinks. Wenn ich aufwache, trinke ich entkoffeinierten Kaffee und Schokolade esse ich den ganzen Tag über.« Er wirkte verlegen. »Sorry. Das ist die einzige Sache, bei der ich anstrengend bin. Na, das und Bier. Obwohl ich Cider trinke.«

»Jeder hat so was. Frankie wird schlecht, wenn er rotes Fleisch isst. Gabriel mag keinen schwarzen Kaffee. Arthur würgt bei Kokosnuss.«

»Was ist mit dir?«

»Erdnussbutter und Schokolade. Einzeln liebe ich sie, zusammen mag ich sie nicht.«

Das Lächeln stand Kyle. »Vermerkt. Keine Reese's für Paul.«

Sie beendeten die Mahlzeit und als Paul die Cupcakes auspackte, sah Kyle sich um. »Hast du schon angefangen, die Rahmen zu bauen?«

»Rahmen?«

»Für die Buden im Winter Wonderland.« Kyle gestikulierte herum. »Kleine Hütten, hat Corrina gesagt. Sechs Stück. Raum für Händler auf dem Platz. Für die soll ich die Vorlagen entwerfen.«

Paul verzog das Gesicht, als er einen Cupcake hinüberreichte. »Um ehrlich zu sein, habe ich noch keine Einzelheiten darüber gehört.«

»Laut Gabriel ist das normal. Der Bibliotheksvorstand bekommt wilde Ideen, normalerweise sehr spät, und alle kämpfen darum, die Lücken zu füllen.« Kyle nahm einen Bissen vom Cupcake und wischte sich dann anmutig über den Mund, als er zu Ende kaute. »Er meinte, wir sollten ruhig machen, was immer wir für machbar halten, und falls das nicht in ihre gottgleichen Visionen passt, wird er sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.«

»Wie groß sollen diese Hütten sein?«

Kyle nippte an seiner Sprite und wirkte nachdenklich. »Na ja… zunächst einmal müssen sie alle auf den Platz passen. Und ich für meinen Teil denke, dass sie groß genug sein sollten, um einen Heizlüfter unterzubringen. Ehrlich gesagt wäre es besser, wenn sie geschlossen wären. Selbst wenige Stunden sind eine lange Zeit, wenn man in der Kälte steht.«

»Das sind viele Bauarbeiten in sehr kurzer Zeit. Und eine Verschwendung, wenn wir eingeschneit werden und niemand kommen kann.«

Kyle rieb sein Kinn. »Ich weiß nicht, warum sie es nicht wieder in der alten Turnhalle der Schule veranstalten.«

Paul konnte Vermutungen anstellen. »Corrina will, dass es größer wird, besser. Die Turnhalle der Grundschule ist letztes Jahr bei diesem Ereignis schon an ihre Grenzen gestoßen. Sie will weiter ausbauen.«

»Ich würde ja sagen, vertagen wir das, bis ich mehr Informationen habe, aber ich befürchte, wenn ich Corrina um Erklärungen bitte, wird sie es in ihrem Versuch zu beschreiben, was sie will, noch mehr aufbauschen.«

Paul musste zustimmen. »Weißt du, letztes Jahr schien es, als hätten Marcus und Frankie viel von der Organisation übernommen. Marcus' Freunde Ed und Laurie haben Tanzkurse gegeben. Und Frankie hat die Stylisten gekannt. Viele von Gabriels Freunden sind auch hochgekommen. Vielleicht sollten wir uns alle sechs auf einen Topf Chili bei Arthur oder so treffen. Ich kann fragen, ob sie dieses Wochenende Zeit haben.«

 

Kyle zuckte zusammen. »Sorry, abends arbeite ich und Samstag gehört sozusagen Linda Kay, jedenfalls der Teil, den ich wach bin. Aber ich könnte am Sonntag vorbeikommen, bevor ich um sieben zur Arbeit muss.«

»Klar. Ich rede mit den Jungs und sag dir Bescheid.«

Nachdem sie die Cupcakes aufgegessen und den eigentlichen Grund ihres Zusammentreffens auf Sonntag verlegt hatten, sollte Paul anbieten, Kyle zu seinem Auto zu bringen, damit er nach Hause fahren konnte. Stattdessen starrte er Kyle abermals an und wurde dabei ein weiteres Mal erwischt.

Unsicher berührte Kyle seitlich seine Haare. »Warum siehst du mich die ganze Zeit so an? Du gibst mir das Gefühl, als wäre mir ein Horn gewachsen.«

Paul suchte fieberhaft nach einer Ausrede, was irgendwie dazu führte, dass er die Wahrheit gestand. »Du bist heute Abend anders.«

Kyle runzelte die Stirn. »Anders als was?«

»Anders als du sonst bist. Obwohl wir vorher nicht viel miteinander geredet haben.«

Abgesehen von den hauptsächlich einseitigen Sexnachrichten.

Paul räusperte sich. »Also, äh… Schablonenkunst und Schnee…zeug. Mir war nicht klar, dass du so kunstbegeistert bist.«

Kyle nickte und entspannte sich ein wenig. »Ich war schon immer kreativ. In der Schule habe ich mehr Skulpturen gemacht als gemalt.«

»Du bist gut. Deine Schneepenisse waren… lebensecht.«

Kyle bedachte Paul mit einem weiteren Seitenblick, als wollte er fragen: Warum sprichst du das an? »Es macht mir Spaß, Skulpturen aus Schnee zu bauen. Linda Kay bekommt jedes Mal eine, wenn es schneit. So, wie dieser Winter verläuft, werden wir auf ein Feld ausweichen müssen, um sie alle zu beherbergen.«

»Wie hast du sie so schnell gemacht? Die auf meiner Veranda?«

»Oh, ich bin ziemlich geschickt, wenn es um Schwänze geht.«

Die Bemerkung wurde in Kyles gekünstelter Stimme vorgetragen, aber statt alberner Affektiertheit war sie wie ein Peitschenknall. Es überraschte Paul und brachte ihn dazu, sich ein wenig aufzurichten. Kyle errötete nicht, sondern starrte Paul nur in Grund und Boden.

Paul versuchte, sich wieder zu beruhigen, doch Kyles scharfer Blick und das geistige Bild von Kyle, der geschickt mit Schwänzen war, entwaffnete ihn. Er griff nach einer vertrauten Wand. »Ich… Tut mir leid. Ich wollte nicht wieder damit anfangen.«

Kyle schürzte die Lippen, als er aufstand. Er griff nach seiner Jacke. »Ich sollte langsam zurück.«

Paul erhob sich ebenfalls. »Kyle, so meinte ich das nicht.«

Kyle wischte das mit einer Handbewegung beiseite, ein sanfter Schwung eines zarten Handgelenks. »Es reicht. Botschaft angekommen. Ich werd nicht mehr mit dir flirten, auch nicht zum Spaß.«

Paul eilte ihm nach und versperrte ihm den Weg. »Hör zu. Du bist ein toller Kerl.«

»Aber du bist nicht interessiert, ich weiß. Ich hab einen verdammten Scherz gemacht.«

»Es liegt nicht daran, dass ich nicht interessiert bin. Aber du bist zu –«

In Kyles Augen blitzte für einen winzigen Augenblick eine Warnung auf, bevor seine Hand vorschnellte und sich auf Pauls Mund legte. Als Paul zurückstolperte, folgte Kyle ihm, bis Paul mit dem Rücken gegen die Tür gepresst war.

»Kein Wort mehr.« Verärgert starrte Kyle auf ihn herunter – herunter, ja, weil er ein wenig größer war als Paul, allerdings eindeutig weniger als halb so breit. In diesem Augenblick schien das keine Rolle zu spielen.

»Sag nicht, dass ich jung bin. Sag nicht, dass du alt bist. Sag kein Scheißwort, weil ich es nicht hören will. Das ist erniedrigend für uns beide. Ich hab schon festgestellt, dass du nicht interessiert bist. Ich bin ein großer Junge – ganz erwachsen – und ich bin darüber hinweg. Meiner Meinung nach lässt du dir dabei mehr entgehen, weil ich aus verschiedenen Quellen gehört hab, dass ich absolut versaut im Bett bin. Vielleicht nicht ganz so heftig wie Arthur, aber das hat für dich ja nicht unbedingt funktioniert, richtig?«

Als Paul zusammenzuckte, ließ Kyle ein Grinsen aufblitzen, bei dem sich Pauls Magen vor Verlangen zusammenzog.

»Bitte, halt mich nur für einen kindlichen Twink, der dir den Arsch unter die Nase hält, in der Hoffnung, dass er es von einem süßen Teddybären besorgt bekommt.« Das Grinsen verblasste und ließ lediglich wildes Verlangen zurück. Kyle streichelte Pauls Gesicht nicht, doch er konnte schwören, dass er allein von dem intensiven Blick des Mannes vor sich kribbelig wurde. »Ich bin kein Kind, ich kann nichts für mein Aussehen und falls ich dich je in ein Zimmer mit Bett bekomme, wäre es nicht mein Arsch, der am nächsten Morgen wund ist.«

Paul konnte nicht sprechen. Sein Atem ging in unregelmäßigen, abgehackten Stößen. Als sich sein Schock gelegt hatte, fühlte er sich immer noch wie gelähmt – aber vor Lust, nicht vor Angst. Das kann nicht richtig sein, wiederholte sein Verstand immer wieder, nur dass er Kyle anstarrte, ihn wirklich ansah, und ziemlich sicher war, dass sein Verstand falsch lag.

Außerdem argwöhnte Paul anhand der Art, wie Kyle sich dichter zu ihm lehnte – ein heißblütiger Krieger, der seine Beute in die Ecke drängte –, dass er kurz davor stand, geküsst zu werden. Zu seiner Überraschung war er bereit, geküsst zu werden. Von Kyle Parks. An der Rückseite der Tür zu seinem Geschäft. Ein wütender Ich werd's dir zeigen-Kuss, der Pauls Innerstes bereits zum Schmelzen gebracht hatte.

Doch in der letzten Sekunde hielt Kyle inne. Er wich zurück und wandte den Blick ab. Dann zog er den Reißverschluss seiner Jacke zu und fischte mit bebenden Händen seine Mütze und die Fäustlinge aus seinen Hosentaschen.

»Ich… ich sollte gehen.«

Geh nicht. Das war verrückt, also schluckte Paul die Worte hinunter. »Ich fahr dich.«

Kyle zerrte sich die Mütze über sein Haar. »Schon okay. Ich laufe.«

Nein, das war verrückt. »Bis zum Café sind es mehr als anderthalb Kilometer und draußen sind es minus zwölf Grad.«

»Perfekt.« Kyle wickelte den Schal um sein Gesicht und salutierte Paul mit einem dicken Fäustling. »Schreib mir wegen Sonntag.«

Er schob Paul zur Seite und öffnete die Tür. Paul sah ihm nach, wie er durch den fallenden Schnee in die dunkle Nacht hinausstapfte.

Sobald Kyle außer Sichtweite des Ladens war, rief er Corrina an, wurde jedoch zur Mailbox weitergeleitet. Er legte auf, dachte darüber nach, einfach durchzuhalten und zu laufen, und knickte dann doch ein und rief Gabriel an. »Tut mir leid, wenn ich dich störe, aber bist du noch in der Stadt? Falls ja, besteht die Chance, dass ich dich dazu überreden kann, mich zu meinem Auto zu fahren?«

»Ja, und sicher – aber wo bist du und warum brauchst du einen Chauffeur? Hast du Probleme mit deinem Auto?«

»Ich laufe von Pauls und Arthurs Geschäft zum Café. Es ist ein langer Weg und ich friere.«

»Bin gleich da.«

Gabriel tauchte in einem grünen Nissan auf, der ein wenig schlitterte, als er im tiefen Schnee bremste.

Kyle stieg ein, nachdem er so viel Schnee wie möglich von sich geklopft hatte. »Vielen Dank.«

»Ich bin sogar ganz froh, dass du angerufen hast.« Gabriel blinzelte durch die dicken Schneeflocken auf seiner Windschutzscheibe, die ihn offensichtlich beunruhigten. »Ich habe die Zeit vergessen und nicht auf das Wetter geachtet. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass Arthur noch nicht angerufen hat, um mich auszuschimpfen. Andererseits babysittet er Thomas und die Mädchen, also hat er möglicherweise nicht den Luxus, darauf zu achten, was draußen passiert.«

Gabriel warf Kyle einen Seitenblick zu, bevor er sich wieder auf die Fahrt durch den Schnee konzentrierte. »Also. Erklär mal, warum ich dich hier abhole.«

»Weil Corrina mir gesagt hat, dass ich Paul nicht küssen soll. Ich bin ziemlich sicher, dass der Kuss darin geendet hätte, ihn auf der Türschwelle zu vögeln, also bin ich weg.«

»Warum hat sie dir gesagt, dass du ihn nicht küssen sollst? Und warum um alles in der Welt hast du darauf gehört?«

Kyle legte den Kopf in den Nacken, um an die Decke zu starren. »Ich weiß es nicht. Zweimal wäre ich fast umgedreht. Schätze, ich dachte, dass sie mit dem Café recht hatte, also sollte ich ihr vielleicht vertrauen.«

»Was war mit dem Café?«

Den Rest der Fahrt verbrachte Kyle damit, Gabriel von der Verabredung zum Abendessen, Corrinas Treffen der Red Hat Society und der intimen Mahlzeit zu zweit im Laden zu erzählen. Außerdem brachte er ihn auf den neuesten Stand der Pläne zum Winter Wonderland. »Im Grunde haben wir entschieden, dass wir nicht verstehen, was Sache ist, und Paul will nachfragen, ob wir uns alle Sonntagnachmittag irgendwo treffen können. Alle heißt er, ich, du, Arthur, Marcus und Frankie. Er sagt, dass ihr das Chaos vom letzten Jahr auf die Reihe bekommen habt, also könnten wir das dieses Jahr vielleicht wiederholen.«

»Das sollte klappen. Ich werde mit Arthur sprechen.«

»Nein, nicht. Paul wird euch fragen. Tu so, als wärst du überrascht.«

Gabriel lächelte. »Sicher. Dann erklär mir jetzt, wie du fast Sex auf einer Türschwelle gehabt hättest.«

»Er hat mich immer wieder angestarrt. Anfangs dachte ich, ich hätte was im Gesicht, und er hat das auch gesagt, aber jetzt mache ich mir Gedanken. Laut ihm war ich heute Abend anders. Ich versteh immer noch nicht, inwiefern, weil er nur als sonst gesagt hat. Das nervt, weil ich vor allem nervös und verlegen war, aber dann hat er mich angesehen, als würde er endlich begreifen, dass ich ein Mann bin. Und dann hat er ausgesehen, als würde er mir gleich wieder sagen, dass ich zu jung bin, und irgendwie bin ich dabei auf ihn losgegangen.«

»Interessant. Fahr fort.«

»Na ja, ich hab ihm gesagt, dass ich nicht zu jung bin, hab gesagt, dass er sich am nächsten Tag eine neue Matratze kaufen und einen Eisbeutel auf seinen Hocker im Laden legen kann.«

Gabriel lachte und der entzückende Klang hallte im Inneren des Wagens wider. »Ich wünschte, dass sie eine Überwachungskamera im Laden hätten. Ich würde zurückspulen, nur um sein Gesicht zu sehen.« Er sah zu Kyle hinüber. In seinen Augen tanzte der Schalk. »Bist du wirklich so durch und durch aktiv?«

Eine seltsame Unterhaltung, die er da mit seinem örtlichen Bibliothekar führte. Kyle beschäftigte sich mit einem losen Faden an seinen Fäustlingen. »Nur weil ich schlank bin und feminin wirke, heißt das nicht, dass ich mich für jemanden vorbeugen will.«

»Nein, und ich wollte dich nicht in eine Schublade stecken. Ich wollte sagen, dass es mich überrascht, aber wenn ich so darüber nachdenke, vielleicht doch nicht. Wenn du ihm diese Seite von dir gezeigt hast, verstehe ich, was Paul meint, wenn er sagt, du bist anders.«

Sie erreichten jetzt das Café, bei dem kaum noch ein Fahrzeug auf dem Parkplatz stand. Gabriel lenkte den Wagen neben Kyles. Als Kyle seinen Sicherheitsgurt löste, drehte Gabriel sich mit einem Lächeln zu ihm um. »Ich denke, du und ich sollten einander besser kennenlernen. Frankie auch. Wenn wir uns am Sonntag zusammensetzen, wovon ich jetzt natürlich noch nichts weiß, sollten wir einen Zeitpunkt ausmachen, wann wir drei Duluth unsicher machen können.« Er wackelte mit den Augenbrauen. »Oder vielleicht sogar die Cities. Wir könnten ein paar frühe Weihnachtseinkäufe erledigen.«

Kyle war seit Ewigkeiten nicht in Minneapolis gewesen. »Das klingt großartig.«

Gabriel zwinkerte ihm zu und scheuchte ihn gutmütig zur Tür hinaus. »Na los. Fahr vorsichtig, okay?«

»Du auch«, sagte Kyle und eilte aus dem Auto.

Für den Weg nach Hause brauchte er fünfzehn Minuten länger und als er in die Garage bog, stieß er einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Als er den Schnee von seinen Stiefeln stampfte und seine Sachen im Vorraum aufhängte, tauchte Linda Kays besorgtes bebrilltes Gesicht im Fenster auf. Als er die Tür öffnete, zog sie ihn in eine feste Umarmung und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust. »Kyle David, du hast mich halb zu Tode geängstigt. Du hättest schon vor Stunden zuhause sein müssen.«

Kyle erwiderte ihre Umarmung und gab ihr einen Kuss aufs Haar. »Tut mir leid, Süße. Ich wollte dich nicht aufregen. Ich war auf einem Date.«

Sie hob das Gesicht, während Neugier die Sorge daraus vertrieb. »Oh? Mit wem?«

 

Kyles Mundwinkel hoben sich. »Paul.«

Ihr Gesicht verzog sich zu ihrem wunderbaren, schielenden Lächeln. »Du Teufel. Hast du es bis zur Third Base geschafft?«

»Ich hab's nicht mal bis zur ersten geschafft. Ich mache einen auf schwer zu kriegen.«

Linda Kay ließ ihn los und rollte die Augen. »Tja, das muss eine Premiere sein. Funktioniert es?«

Kyle erinnerte sich daran, wie Paul ihn angesehen hatte, den Rücken gegen die Tür gepresst. »Vielleicht.«

»Dann halt deinen Reißverschluss geschlossen, Kumpel.« Sie nahm seine Hand und zog ihn in Richtung Küche. »Feiern wir das mit heißem Kakao und Marshmallows.«

Kyle folgte ihr mit einem Lächeln und dem warmen Gefühl, geliebt zu werden und zu Hause zu sein. »Klingt toll.«

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?