Winterfeuer

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Morgen werde ich mir die Wohnungsanzeigen ansehen, sagte er sich, als er in sein Bett stieg und in den Schlaf driftete.

Seine Träume waren eine durchgedrehte Mischung aus Pornos, Paul und der Arbeit. Was seltsam wurde, als sein kurzer Vorstoß in medizinisch angehauchte Pornoclips Kyles Träume inspirierte, sodass er an einem nackten Paul in einem Bett im Pflegeheim eine Prostatauntersuchung durchführte. Wenn er wach gewesen wäre, hätte er diese Fantasie abgewürgt, aber so wachte er mit einem Ständer auf und kam unter der Dusche zu dem sehr hübschen Bild eines nackten Paul Jansen auf allen vieren, der nach Kyles Schwanz bettelte.

Als er herauskam, war seine Mutter in der Küche und kochte Schweinekoteletts fürs Mittagessen. Sie lächelte und murmelte: »Guten Morgen«, als Kyle auftauchte. Im Hintergrund spielte ein Countrysender und Daryl Parks saß mit der Zeitung am Tisch. Kyles Brüder saßen sich gegenüber und hantierten mit ihren Handys herum. Am kleineren Tisch neben der Schiebetür stritten drei von Kyles Nichten und Neffen darum, wer mehr Chicken Nuggets hatte, und versuchten, die Milch der anderen zu verschütten.

Kyle lugte um die Ecke ins Esszimmer und ins Fernsehzimmer dahinter, bevor er seine Mutter mit gerunzelter Stirn ansah. »Wo ist Linda Kay?«

»Ich weiß nicht.« Jane Parks' Tonfall war ein übertriebener Singsang, als sie mit weit aufgerissenen Augen zum Schrank nickte.

Kyle machte eine große Show daraus, sein Kinn zu kratzen und die Stirn zu runzeln. »Oh, nein. Denkst du, sie ist ausgezogen?«

»Schwer zu sagen.« Janes Stimme spielte mit, aber sie wandte ihre Konzentration wieder den Essensvorbereitungen zu.

»Das wäre eine Schande. Letzte Nacht hat es wieder geschneit und ich wollte ein neues Fort bauen. Ein großes Fort.« Er seufzte theatralisch. »Ich schätze, ich werde einfach ein kleines für die Kids bauen.«

Die Tür zum Vorratsschrank öffnete sich, als eine neunzig Kilo schwere Frau strahlend und fröhlich daraus auftauchte. Zunächst hüllte Linda Kay Kyle in ein breites Lächeln ein, bei der ihre Zunge zwischen ihren Lippen hervorzeigte, bevor sie ihre Arme um ihn schlang und ihn drückte. »Reingelegt, kleiner Bruder.«

Kyle erwiderte ihre Umarmung, so gut er konnte, und sein Lächeln war, wenn auch nicht so schön und rein wie ihrs, aufrichtig. »Und wie du mich reingelegt hast. Heißt das, du wirst doch ein Schneefort mit mir bauen?«

Linda Kay kniff ihre Augen zusammen und schüttelte ihren Kopf so heftig, dass ihr braunes Haar in sein Gesicht schlug. »Nein. Ich will einen Drachen machen. Der Feuer spuckt.«

»Einen Feuer spuckenden Drachen?«, wiederholte Kyle, während die Möglichkeiten bereits durch seinen Kopf ratterten.

»Das Feuer wird aus Schnee gemacht, nicht aus dem Propantank«, bemerkte Jane trocken vom Herd aus.

Verdammt. Kyle schnitt eine Grimasse in Linda Kays Richtung. »Unsere Mutter ist eine Spaßbremse.«

Linda Kay lehnte sich mit hinterhältigem Blick vor und flüsterte laut in Kyles Ohr: »Ich schmuggle es aus der Garage.«

»Das wirst du nicht tun, Linda Kay.«

Als Linda Kay schmollte, küsste Kyle ihre Wange. »Wir werden einen Weg finden, damit es cool aussieht. Lass mich schnell was essen und eine Tasse Kaffee trinken, dann legen wir los.«

Linda Kay folgte Kyle um den Tisch, als er eine Kapsel entkoffeinierten Kaffee in die Keurig-Maschine legte, und als er sich über die linke Schulter seiner Mutter beugte, um einen Blick auf sein Frühstück/Mittagessen zu werfen, nahm seine Schwester eine ähnliche Position auf der rechten Seite ein.

Jane seufzte. »Ihr zwei. Könnt ihr nicht noch zehn Minuten warten?«

»Wir haben Hunger.« Linda versuchte, ein Stück Schweinekotelett abzuzwacken, und lachte, als Jane ihre Hand zur Seite schlug.Denn nach fünfundzwanzig Jahren als Kyles Zwilling hatte sie den Dreh raus.

Während sie ihr Täuschungsmanöver ausführte, stibitzte Kyle ein Stück Speck vom Teller neben dem Herd. Er nahm einen Bissen und steckte Linda Kay den Rest heimlich hinter Janes Rücken zu. Als seine Schwester mit einem diebischen Kichern davonflitzte, lehnte sich Kyle gegen die Anrichte und trank seinen Kaffee, während er mit seiner Mutter plauderte.

»Arbeitest du heute Abend?«, fragte sie ihn. »Ich weiß, dass der Schichtplan in letzter Zeit ein einziges Chaos ist, und ich habe den Überblick über deine Wechsel verloren.«

Er nickte. »Die Nachtschicht. Elf bis sieben. Aber morgen habe ich frei, weil ich am Wochenende tagsüber eingeteilt bin.«

Missbilligend schnalzte Jane mit der Zunge. »So unregelmäßige Arbeitszeiten sind nicht gesund für dich. Diese ganzen Nachtschichten sind schon schlimm genug.«

»Irgendjemand muss sie machen. Es gibt aber gute Neuigkeiten.« Er grinste, als er seinen Kaffee beiseitestellte. »Ich hab gehört, Dolorianne denkt darüber nach, in Rente zu gehen.«

Vor Freude hätte Jane beinahe ihren Pfannenwender fallen gelassen. »Oh – heißt das, du kannst ihre Schicht übernehmen? Die regelmäßige Tagesschicht?«

Kyle rollte die Augen. »Gott, ich wünschte, es wäre so. Nein, das würde heißen, ich könnte die Schicht von drei bis elf bekommen, wenn ich will.«

Sie runzelte die Stirn. »Aber, Kyle, mit diesen Stunden kannst du unmöglich wieder zur Schule gehen.«

Nicht das schon wieder. »Mom, ich will kein staatlich geprüfter Krankenpfleger sein. Mir reicht der Krankenpflegehelfer.«

»Aber wenn du staatlich geprüft wärst, wären deine Karrierechancen besser und du würdest mehr Geld verdienen.«

Kyle wollte diese Diskussion nicht zum achtzehnten Mal führen, also wechselte er das Thema. »Wie war dein Treffen gestern?«

Sie strahlte. »Oh, es war wundervoll. Der Ruth Circle und der Hope Circle haben sich in der Kirche getroffen und der Bibliotheksvorstand ist auch vorbeigekommen, sogar Mr. Higgins. Die Benefizveranstaltung findet definitiv statt.«

»Also noch mehr Schlittenfahrten mit anschließendem Tanzball?«

»Nein, dieses Jahr wird es mehr geben. Einen Kunsthandwerksmarkt, eine Eislaufbahn und alle örtlichen Geschäfte werden einen Tag der offenen Tür haben. Und.« Sie stieß ihn mit dem Ellbogen an und wackelte mit den Augenbrauen. »Ich habe ihnen gesagt, dass du Schneeskulpturen machen wirst.«

»Mom.«

»Beschwer dich nicht. Du liebst es, die Skulpturen zu machen, und Linda Kay wird so eine Freude daran haben, dir zu helfen.

»Das ist etwas Besonderes, das ich mit ihr zusammen mache.« Und auf Pauls Eingangsstufen, bis er mich erwischt hat. Kyle stierte in seinen Kaffee. »Werde ich wenigstens dafür bezahlt?«

Sie verpasste ihm einen Klaps, hart genug, um ihn aufjaulen zu lassen. »Kyle David Parks! Natürlich wirst du nicht dafür bezahlt. Alle Gelder gehen an die Bibliothek.« Mit einem Holzlöffel zielte sie auf seine Nase. »Und wenn du bei Gabriel Higgins vorbeischaust, um mit ihm abzusprechen, welche Skulpturen du baust, wag es nicht, das Thema Geld aufzubringen.«

In Notwehr hob Kyle seine Hände hoch. »Werde ich nicht, ich schwöre.«

Besänftigt fügte sie dem Rührei, das sie für Kyle machte, etwas Käse hinzu, weil sie darauf bestand, dass der Mensch Eier zum Frühstück brauchte, wann auch immer er frühstückte. »Es wird etwas ganz Besonderes werden. Es wird Charterbusse von den Cities und Duluth hierher geben, ein Weihnachtsdorf und Rentiere. Dieses Mal gibt es sogar ein Thema. Winter Wonderland.«

Das war weniger ein Thema als ein netter, allgemeiner Titel, aber Kyle würde sich deswegen nicht streiten. »Klingt großartig. Ich werde morgen bei der Bibliothek vorbeigehen. Vielleicht will Linda Kay mitkommen.«

»Wenn es wirklich so schneit, wie vorausgesagt, wird es wunderbar funktionieren. Sie hat vor, nach Eveleth zu gehen, um Kenny zu sehen, und sie wird sich ärgern, wenn das Wetter ihre Pläne durchkreuzt.«

»Okay.« Kyle stieß sich von der Anrichte ab, um Teller und Gläser für den Tisch zu holen, doch seine Mutter ergriff den Saum seines T-Shirts und hielt ihn fest.

»Bei dem Treffen habe ich auch gehört, dass heute Morgen wieder eine Skulptur auf Paul Jansens Veranda stand.«

Kyle schnitt eine Grimasse. Seine düstere Stimmung kehrte mit aller Macht zurück. »Tja, nun, es wird die letzte gewesen sein.«

»Das hoffe ich. Er ist zu alt für dich.«

»Er ist siebenunddreißig, nicht siebzig. Außerdem ist unser Altersunterschied nur um drei Jahre größer als der zwischen dir und Dad.«

Jane schürzte die Lippen und konzentrierte sich darauf, Kyles Rühreier zu würzen. »Ich sage nur, dass ich nicht verstehe, warum du mit niemandem in deinem Alter zusammen sein kannst.«

»Weil die Männer in meinem Alter Idioten sind. Außerdem gibt es im ganzen County nur fünf davon, die für mein Team spielen.« Er drückte seinen Zeh unter eine lose Bodenfliese. »Spielt keine Rolle. Er ist nicht interessiert. Niemand ist interessiert.«

Sie zögerte. »Ich wette, in Duluth gibt es mehr schwule Männer in deinem Alter.« Als Kyle ihr einen verletzten Blick zuwarf, küsste sie seine Wange. »Schmoll nicht. Ich sage nicht, dass du ausziehen sollst. Ich versuche, dir dabei zu helfen, glücklich zu sein.«

»Ich will hier glücklich sein. Wenn ich umziehe, dann in eine Wohnung in der Innenstadt.«

Linda Kay streckte ihren Kopf um die Ecke, von wo aus sie gelauscht hatte. Ihr Gesicht spiegelte den Verrat wider, den er fast begangen hätte. »Du kannst nicht ausziehen!«

»Ich ziehe nicht aus.« Kyle holte einen Stapel Teller aus einem Schrank und reichte ihn ihr. »Ich decke den Tisch und du hilfst mir dabei.«

Sie grummelte, aber sie half trotzdem. Als sie sich zum Essen hinsetzten, lehnte sie sich dicht zu ihm und flüsterte: »Wie war der Schneepenis?«

 

Er schüttelte den Kopf. »Ich wurde erwischt. Und er hat ihm nicht gefallen.«

In einer dramatischen wegwerfenden Geste knickte Linda Kay ihr Handgelenk ab. »Bitte. Kein Geschmack.«

Grinsend lehnte sich Kyle zu ihr und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Ich liebe dich, Linda Kay.«

»Ja, weil ich umwerfend bin.« Sie stahl ein Stück von seinem Speck und zwinkerte ihm auf ihre entzückend unbeholfene Art zu. »Wir werden unserem Schneedrachen einen großen Penis machen.«

»Mom würde einen Anfall bekommen.«

Sie bedachte ihn mit einem Blick, der sagte: Bitte, sei nicht albern. »Natürlich werden wir ihn verstecken.«

Sie hob ihre Hand, damit Kyle sie abklatschen konnte. Kyle tat es, dann aß er seine Rühreier, während seine düstere Stimmung unter Plänen für einen kunstvollen, Eis spuckenden Drachen mit verborgenem Schwanz begraben wurde.

Kapitel 2

Am Morgen, nachdem er den Künstler der Schneepenisse enttarnt hatte, stolperte Paul übernächtigt ins Geschäft und umklammerte einen Kaffeebecher aus dem Gemischtwarenladen. Als Arthur eine abfällige Bemerkung über sein angeschlagenes Äußeres machte, hätte Paul ihn beinahe buchstäblich angeknurrt.

»Wow.« Arthur legte die Stuhlklammer weg, die er in der Hand gehalten hatte, und wandte sich zu Paul um. »Was ist denn mit dir los?«

Paul hatte das Haus in der festen Absicht verlassen, die Klappe zu halten, aber es brauchte nur Arthur, der ihn mit diesem Blick ansah, diesem besorgten, Lass zu, dass ich mich um dich kümmere-Blick, und Paul knickte ein. »Ich habe die Person erwischt, die die Skulpturen macht. Gabriel hatte recht. Es war ein Bewunderer.«

»Was hatte ich?« Gabriel tauchte aus dem angrenzenden Büro auf und hielt eine Keramiktasse in den Händen, über deren Rand das Etikett eines Teebeutels baumelte. Er trug die aufgesetzte Gleichgültigkeit und das zerzauste Aussehen von jemandem zur Schau, der nicht wollte, dass alle Welt wusste, dass er eben noch ausgiebig auf einem Schreibtisch gevögelt worden war.

Paul stellte seinen Coffee-to-go-Becher beiseite und setzte sich auf einen Hocker, während die Niederlage über seine Haut kroch. »Du hattest recht. Die Person, die die Schneepenisse auf meinen Eingangsstufen gebaut hat, hat versucht, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er hat mir auch Grindr-Nachrichten geschickt. Letzte Nacht hab ich ihn getroffen.«

»Und? Wer ist es?«

Arthur schlang einen Arm um Gabriels Taille, als er die Frage stellte. Mit der gleichen unbewussten Zuneigung lehnte sich Gabriel in die Umarmung. Der Anblick der beiden, wie sie so miteinander im Einklang waren, machte Paul gleichzeitig glücklich und bedrückt, besonders nach seinem aktuellen Albtraum.

Paul schnitt eine Grimasse, als er sein Geständnis hervorpresste. »Es ist Kyle.«

Arthur runzelte die Stirn. »Kyle wer?«

»Kyle Parks. Daryls jüngster.«

Arthurs Augen sprangen praktisch aus seinem Kopf. »Kyle Parks? Heilige Scheiße.«

Gabriel legte die Stirn in Falten. »Entschuldigt, was entgeht mir hier? Warum tut ihr zwei so, als wäre es das Ende der Welt? Ist er ein Ex oder dergleichen?«

Entsetzt drehte sich Arthur zu Gabriel. »Natürlich ist er nicht Pauls Ex. Er ist ein Baby. Gott, ist er überhaupt schon aus der Highschool raus?«

Gabriel gab Arthur einen Klaps. »Hör auf zu übertreiben. Ja, er ist etwas jünger als ihr beide, aber das bin ich auch. Und Frankie ebenfalls.«

»Ja, aber er ist – was? Neunzehn?«

»Das bezweifle ich.« Gabriel zog sein Handy hervor und klickte ein paar Apps an. »Laut Facebook ist er fünfundzwanzig.«

»Es ist unmöglich, dass Kyle Parks so alt ist«, beharrte Arthur.

Paul wollte gerade darauf hinweisen, dass PrinceCharming1990 als Beweis angeführt werden konnte, erkannte jedoch, dass das tatsächlich fünfundzwanzig Jahre her war. Was ihn sich älter als je zuvor fühlen ließ. Er rieb seinen Nacken. »Selbst wenn er es ist, ist er immer noch ziemlich jung.«

Gabriel zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin zweiunddreißig. Frankie ist einunddreißig. Was ist so schlimm an den sechs Jahren zwischen uns und Kyle? Besonders da Paul von euch dreien der jüngste ist.«

Diese ganze Unterhaltung ging Paul an die Nieren. Er warf seine Hände in die Luft. »Ich denke nicht auf diese Art an Kyle Parks, egal, wie alt er ist.«

Gabriel neigte den Kopf zur Seite. »Was ist so furchtbar an ihm?«

Paul suchte nach einer anderen Ausrede. »Er ist nicht mein Typ.«

Arthur sah immer noch düster vor sich hin. »Es ist absolut unmöglich, dass er fünfundzwanzig ist.«

»Was ist dein Typ?«, hakte Gabriel nach.

Zum Teufel, wenn Paul das nur herausfinden könnte. »Als er geboren wurde, war ich in der Highschool.«

»Als ich geboren wurde, war Arthur in der dritten Klasse. Keiner von uns ist jetzt noch in der Schule.«

»Er sieht jung aus. Zu jung für mich.« Nur dass Paul jedes Mal, wenn er sich an das anrüchige Grinsen auf Kyles Lippen erinnerte, schwindlig wurde. Dieses Selbstbewusstsein. Sein Strahlen, so atemberaubend und köstlich und… »Er… er… er ist zu feminin.«

Noch bevor Arthur zusammenzuckte, erkannte Paul, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Gabriel richtete sich zu seiner nicht unbeträchtlichen Größe auf und blitzte Paul durch seine Brille an. »Zu feminin. Meine Güte. Mir war nicht bewusst, dass du einen Männlichkeitstest durchführst, Paul.«

»So meinte ich das nicht.« Paul sank nach vorne und stützte die Ellbogen auf seine Knie, damit er seinen Kopf in die Hände stützen konnte. »Ich suche nach Ausreden, weil ich unterm Strich durchdrehe, sexuell an Kyle Parks zu denken. Und er schickt mir Sexnachrichten und baut Erektionen auf meine Veranda.«

»Dann sei ein erwachsener Mann und sag ihm, danke, aber du verzichtest.« Gabriel schnappte sich seine Tasse und kehrte ins Büro zurück.

Paul erhob sich von seinem Hocker, stürzte einen kochend heißen Schluck Kaffee hinunter und schlurfte zur Werkbank.

Arthur schlug Paul auf die Schulter. »Wenn's dir hilft, ich dreh durch und hinter mir ist er nicht mal her.«

»Er ist wirklich nicht mein Typ.« Seine Wangen färbten sich rot, als er auf die Arbeitsfläche starrte. »Ich meine, was, zwei Passive?«

»Du musst deinen Instinkten folgen. Nur weil ihr die letzten zwei schwulen Männer in Logan seid, heißt das nicht, dass ihr Tanzpartner werden müsst. Es gibt andere Städte.« Arthur zwinkerte. »Wir werden jemanden für dich finden. Mach dir keine Sorgen.«

Mach dir keine Sorgen.

Warum Paul das so sehr gegen den Strich ging, konnte er nicht sagen, doch das tat es.

Wahrscheinlich, weil sie ihm das schon seit einem Jahr sagten. Wahrscheinlich, weil sie so taten, als gäbe es irgendwo ein geheimes Fass voller schwuler Männer, das sie aufbrechen konnten. Paul wusste es besser.

Es war nicht fair. Die anderen hatten sich zu Paaren zusammengefunden und nicht einer von ihnen war auf der Suche gewesen, als sie ihren Mister Right getroffen hatten. Eigentlich hatten sie alle der Romantik entsagt. Wenn Paul auch nur für eine Sekunde glauben würde, dass nicht danach zu suchen das Wundermittel war, würde er es tun. Ehrlich gesagt, in letzter Zeit hatte er überhaupt nicht versucht, sich zu verabreden.

Nur dass die Magie der Weihnacht nicht für ihn gewirkt hatte, weil er niemanden gefunden hatte. Und dennoch wollte er es immer noch. Er wollte es immer.

Es war dunkel, als er nach Hause fuhr, und es schneite wieder. Dicke, große Flocken, deren kristallene Form er auf der Windschutzscheibe erkennen konnte, bevor der Enteiser sie wegschmelzen ließ. Er redete sich ein, durch die Stadt anstatt nach Hause zu fahren, weil er am Supermarkt anhalten wollte, doch er hielt nicht an. Er stoppte auch nicht am Spirituosenladen. Er fuhr den ganzen Weg bis zum nördlichen Ende von Logan, wo sich das Pflegeheim wie eine behagliche Oase gegen die Bäume abzeichnete.

Vom Verstand her wusste er, dass er Kyle aufgrund der Anordnung der Räume und der Fensterläden, die gegen die Zugluft geschlossen waren, nicht sehen konnte, aber dennoch saß Paul da. Um sich das üblichere Bild von Kyle in den Kopf zu setzen, nicht das, bei dem Kyle verrucht aussah.

Aber Kyle war nicht zu sehen. Vielleicht war er gar nicht bei der Arbeit.

Paul fuhr nach Hause. Er parkte seinen Pick-up in der Garage, aber er hatte noch nicht die Tür geschlossen, bevor Edna Michealson den Kopf aus der Hintertür ihrer Seite der Doppelhaushälfte steckte.

»Paul?« Sie kuschelte sich in ihren Hausmantel und zog die Nase kraus. »Dem Himmel sei Dank. Ich dachte schon, Sie würden nie mehr nach Hause kommen. Die Gehwege sind eine Katastrophe. Ich hätte mich auf dem Weg zum Briefkasten beinahe umgebracht.«

So schlimm war es um die Gehwege nicht bestellt, aber sie hatte recht, sie mussten freigeräumt werden. Eigentlich war er nur für seine Seite des Grundstücks verantwortlich, aber wer auch immer von Ednas Sohn angestellt worden war, um sich um ihre Seite zu kümmern, vernachlässigte seinen Job ziemlich stark.

Paul griff nach der Schneeschaufel und dem Eispickel, die er in der Garage aufbewahrte. »Ich werde mich sofort darum kümmern, Mrs. Michealson.«

Sie wickelte ihren Hausmantel enger um sich und hob ihr Kinn, womit sie anerkannte, dass er zwar seine Pflicht erledigte, sich jedoch das Recht herausnahm, ihm zu sagen, dass er ihr schlecht nachging. »Sie sollten damit nicht bis zur Dunkelheit warten. Dann können Sie das Eis nicht sehen.«

Normalerweise schaffte Paul es, ihre Gehässigkeit an sich abprallen zu lassen, doch heute Abend fiel es ihm schwer, sie nicht persönlich zu nehmen. »Ich werde es morgen Früh noch einmal überprüfen, wenn Sie das beruhigt. Ich werde auch etwas Sand und Salz verstreuen, falls sich die Luft weit genug erwärmt, dass es funktioniert.«

Sie lächelte nicht, sondern sah ihm nur weiterhin bei der Arbeit zu. Als er sich jedoch ihrem Treppenabsatz näherte, sah er, wie sich Scham in ihre Entrüstung mischte. »Morgen werde ich Hans anrufen und ihm sagen, dass er jemand Besseres finden muss, der meine Gehwege freiräumt. Es tut mir leid, dass das immer Ihnen zufällt.«

Lustig, dass alles, was Paul von ihr gewollt hatte, ein wenig Anerkennung war, doch dass sie ihm jetzt nur noch leidtat. Er stützte sich kurz auf den Eispickel, um sich von seiner Anstrengung zu erholen. »Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich kann einspringen, bis Sie jemand Neues gefunden haben. Es macht mir nichts aus zu helfen, aber ich bin nicht immer zu den besten Zeiten verfügbar.«

Edna wandte ihren Blick ab. »Danke schön. Das ist sehr nett von Ihnen.«

»Nicht im Geringsten. Ich bin einfach ein guter Nachbar.« Paul sah sie zittern und runzelte die Stirn. »Ich denke, Sie sollten wieder reingehen. Nicht, dass Sie sich eine Erkältung holen. Machen Sie sich wegen der Wege keine Sorge. Ich kümmere mich darum.«

Mit einem weiteren Danke schön verschwand sie im Haus. Er schaufelte ihren und seinen eigenen Weg frei. Sobald er ebenfalls ins Innere geflüchtet war, holte er eine Tiefkühlmahlzeit aus der Gefriertruhe und tippte die erforderliche Zeit in die Mikrowelle ein. Er warf die Weihnachtsromanze an, bei der er gestern eingeschlafen war.

Ähnlich wie das Mikrowellenessen war der Film nichts Besonderes. Doch sie erfüllten beide ihren Zweck, um den Schmerz in seinem Bauch zu beseitigen. Das, sagte er sich, war besser als nichts.

Am nächsten Morgen stand auf seinen Eingangsstufen keine Schneeskulptur. Was eine Erleichterung hätte sein sollen. Nur dass es ihn sich hauptsächlich wünschen ließ, er könnte sich abermals einen Film ansehen, anstatt zur Arbeit zu gehen.

***

Wie vorhergesagt, war Linda Kay aufgebracht, dass sie nicht nach Eveleth gehen konnte. Irgendwann entschied sie, dass es ein angemessener Ersatz war, mit Kyle in die Bibliothek zu gehen, aber nicht, bevor er nicht auch noch ein Mittagessen springen ließ.

»Ich wollte meinen Freund sehen«, beschwerte sie sich, während Kyle sie im Schneckentempo durch den wehenden Schnee fuhr.

Kyle hielt seine Aufmerksamkeit auf die Straße gerichtet. Der Schneepflug war bereits durchgefahren und er hatte es nicht weit, dennoch würde er nicht riskieren, mit dem Auto im Graben zu landen, insbesondere mit Linda Kay an seiner Seite. »Hey, wenigstens hast du einen.«

Sie seufzte schwer. »Gibst du Mister Humorlos auf?«

»Er hat ziemlich unglücklich ausgesehen, als er entdeckt hat, dass ich mit ihm flirte, also ja, ich bin raus.«

 

»Er ist ein Idiot. Du bist der beste Mann, den er im ganzen Bundesstaat finden kann. Du bist witzig, klug und gutaussehend und du bist nett. Warum ist er so wählerisch?«

Kyle verkniff sich die Erwiderung, dass sie doch Paul fragen sollte. Linda Kay würde ihn beim Wort nehmen und zum Reparaturgeschäft marschieren, um genau das zu tun, sobald sie aus dem Wagen ausgestiegen war. »Schwer zu sagen.« Mit einer Hand zerzauste er sich die Haare. »Vielleicht hätte ich mir die Haare nicht färben sollen.«

»Wenn er dich wegen deiner Haare nicht mag, ist er ein noch größerer Arsch.«

Ironischerweise hatte sich Kyle für Fuchsrot entschieden, weil Pauls berüchtigtster Ex ein echter Rotschopf war. Obwohl diese Erinnerung vielleicht alles nur noch schlimmer machte.

In der Bibliothek ging es geschäftig zu, was Kyle zunächst überraschte, aber was gab es während eines Schneesturms sonst in einer kleinen Stadt zu tun? Die meisten liehen sich Filme aus, aber viele Familien mit Kindern waren in der Kinderabteilung, in der gerade eine Vorlesestunde endete. Kyle lungerte zwischen Gabriel Higgins' Schar bewundernder Fans herum und wartete darauf, dass sich der Ansturm legte, doch als der Bibliothekar Kyle entdeckte, lächelte er, winkte ihm zu und eiste sich los.

»Danke, dass du vorbeigekommen bist. Gehen wir in mein Büro.«

Der Lärm aus dem Hauptsaal der Bibliothek wurde gedämpft, als sich die Tür hinter ihnen zu dem kleinen Zimmer schloss.

Kyle setzte sich auf den Stuhl mit dem Rücken zur Tür, wie Gabriel ihn angewiesen hatte. »Mom sagte, du willst für die Benefizveranstaltung Schneeskulpturen?«

Gabriel winkte diese Idee ab, als er sich setzte. »Oh, falls wir Schnee haben werden und du die Zeit dazu hast, ja, gerne. Wie ich Corrina mehrmals gesagt habe, braucht die Bibliothek keine Benefizveranstaltung, aber ich stimme zu, dass das Ereignis der Stadt Glanz verleiht und wahrscheinlich die Wirtschaft ankurbelt. Ich würde deine Hilfe beim Design sehr gerne annehmen, wenn du nichts dagegen hast. Arthur und Paul können alles bauen, was sich der Bibliotheksvorstand und der Stadtrat erträumen, aber sie werden es nicht besonders schön machen. Ich habe gehört, dass du ein ziemlicher Künstler in der Highschool warst, also habe ich gehofft, dass du bereit wärst, wieder in diese Rolle zu schlüpfen.« Seine Lippen bogen sich nach oben. »Und falls wir Schnee haben, wissen wir bereits, dass du ein Talent für Schneeskulpturen hast. Allerdings sollten wir sie aus Rücksicht auf die jüngeren Teilnehmer lieber jugendfrei gestalten.«

Kyle verzog das Gesicht. »Er hat es dir erzählt.«

»Hat er.« Gabriel lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. »Aber warum ziehst du so ein Gesicht? Du gibst doch sicherlich nicht auf.«

Gabriel stand auf seiner Seite? »Du hast leicht reden. Du hast sein Gesicht nicht gesehen, als er mich erwischt hat.«

»Oh, nicht du hast ihn erschreckt. Aber er – und Arthur, seltsamerweise – haben sich in den Kopf gesetzt, dass du zu jung bist. Was mich amüsiert, weil ich nur ein wenig älter bin als du. Du hättest Arthurs Gesicht sehen sollen, als ich vorgeschlagen habe, dass du und ich stattdessen zusammen sein sollten, wenn der Altersunterschied so eine große Rolle spielt, weil wir näher beieinander sind.«

»Ich bin es so leid, dass mich jeder für ein Kind hält. Ich kann nicht glauben, dass Paul auch so denkt. Es sollte mich nicht überraschen, aber das hält mich nicht davon ab, enttäuscht zu sein.«

»Also ist es nicht einfach ein Streich? Du hast Gefühle für ihn?«

Kyle rutschte auf seinem Stuhl hin und her, doch Gabriel machte keine Anstalten zuzulassen, dass er sich aus dieser Befragung herauswand. »Und wenn ja? Hast du noch weitere Einwände, wenn nicht mein Alter?«

»Ich habe überhaupt keine Einwände – es sei denn, dies ist nur ein Spiel für dich. Paul ist auf der Suche nach einem Partner. Einem langfristigen Partner.« Gabriel seufzte. »Und obwohl ich es weiß, dass es nicht stimmt, habe ich stets das Gefühl, als hätte ich ihm einen Strich durch seinen Notfallplan gemacht. Also werde ich es mal so formulieren. Solltest du Grindr-Köder auslegen und Penisse auf seine Veranda setzen, weil du gelangweilt bist und dir einen Spaß daraus machst, Logans letzten Junggesellen zu schnappen, dann betrachte dieses Abenteuer bitte als abgeschlossen. Sollte allerdings mehr als das dahinter stecken…« – sein Lächeln funkelte praktisch – »… dann wäre ich glücklich, dich bei der Ausarbeitung von Phase zwei deiner Kampagne zu unterstützen.«

Kyles Augen wurden riesig. »Du würdest mir helfen? Ernsthaft? Warum?«

»Weil ich dich mit deiner Schwester gesehen habe. Ich weiß, dass du sagen wirst: Aber sie ist mein Zwilling, natürlich kümmere ich mich um sie, aber nicht jeder fünfundzwanzigjährige Mann würde einer jungen Frau mit Down-Syndrom so viel Zeit und Aufmerksamkeit schenken. In der Öffentlichkeit umgibst du dich mit einer flirtenden, frechen Aura – was dir bei deinem Altersproblem nicht weiterhilft, wie ich anmerken möchte –, aber darunter bist du herzensgut und loyal. Im Umgang mit Linda Kay bist du ein vollkommen anderer Mensch. Ein umwerfender Mensch. Natürlich möchte ich das für Paul. Aber zuerst möchte ich wissen, warum. Zum Teil, weil ich neugierig bin, aber auch, weil deine Antwort mir dabei helfen wird herauszufinden, wie ich dich unterstützen kann.«

Kyle starrte die Ecke des Schreibtischs des Bibliothekars an, als der seine Ansprache beendete. »Na ja, selbstverständlich weiß ich nicht, ob wir funktionieren würden. Aber ich hatte immer das Gefühl, als könnten wir funktionieren. Es hat angefangen… okay, das ändert nichts an der Altersgeschichte, aber als ich in der Mittelschule war, habe ich ihn gesehen… und er war so perfekt. Einmal hat er mich angelächelt und mir aufgeholfen, als ich auf einer vereisten Fläche auf meinem Arsch gelandet bin, und damit war mein Typ klar. Ich wollte immer große, blonde Männer mit leicht gelockten Haaren. Als ich in Duluth gelebt hab, hab ich auf dem Community College Paul-Klonen nachgejagt. Dann bin ich zurückgekommen, hab mich eingelebt und…«

Kyle sah zu Gabriel auf. »Du bist nicht der Einzige, dem aufgefallen ist, dass Paul eine echte Beziehung will. Ich wusste, dass Arthur nicht der Richtige für ihn ist, also hab ich abgewartet. Andauernd hab ich versucht, Marcus' oder Arthurs Aufmerksamkeit zu erregen, weil ich dachte, dass ihn das vielleicht eifersüchtig machen oder wenigstens dazu bringen würde, mich zu sehen, aber das war ein Reinfall. Als er und Arthur sich getrennt haben und Arthur sich auf dich eingeschossen hat… tja, da dachte ich, jetzt oder nie. Aber noch immer konnte ich ihn nicht dazu bringen, mich überhaupt zu bemerken. Also hab ich versucht, ihn online zu verführen. Ich hab ihm ein paar Sexnachrichten geschickt, aber das war alles. Ich hatte nie den Mut, ihm zu sagen, wer ich bin. Eines Tages auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hat es geschneit und ich bekam diesen verrückten Drang, einen Penis auf seine Veranda zu bauen. Ich weiß nicht, warum oder was ich dachte, dass das bringen würde, aber das hat mir mehr Aufmerksamkeit eingebracht als alles andere, also hab ich damit weitergemacht. Ich dachte, vielleicht ködere ich ihn langsam und mache eine große Enthüllungsnummer draus – aber dann hat er mich erwischt. Und ist zurückgeschreckt.«

»Nicht vor dir. Vor der Vorstellung von dir.«

Kyle schnaubte. »Warum ist das besser?«

»Weil du ihm immer noch zeigen kannst, wer du bist. Dein wahres Ich, nicht das Kind, von dem er immer noch denkt, dass du es bist – oder der affektierte Geck, den du nach außen trägst.«

Kyle richtete sich auf. »Ich bin kein Geck.«

»Ich weiß. Hör auf, vor ihm so gekünstelt zu tun, damit er es auch sehen kann.«

Kyle blinzelte. »Ich tu nicht gekünstelt.«

Gabriel knickte auf klischeehafte Art sein Handgelenk ab und begann zu lispeln. »Darling, jedes Mal, wenn ich dich in der Öffentlichkeit sehe, gibst du du dich wie Carson Kressley.« Als Kyle irritiert die Stirn runzelte, rollte Gabriel die Augen. »Queer Eye for the Straight Guy. Sieh es dir auf YouTube an.«