Der eingemauerte Mann

Текст
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Lange aber sah ich immer nur den Erfolg und kam mir vor wie ein Zauberkünstler.

Könnt Ihr verstehen, meine Teure, dass mir der Erfolg meiner Briefe allmählich auf die Nerven ging? Solange ich in den Zwanzigern war, wurden sie offenbar noch als romantische Grußbotschaften eines poetisch veranlagten Helden entgegengenommen, als hervorragendes, aber noch irgendwie normales, Liebeszeichen. Als ich aber die Dreißiger erklommen hatte und mich in einem Alter befand, wo kein Mensch mehr für irgend etwas Zeit hat und am wenigsten für Briefe, wo die Handschriften der Erfolgreichen bereits zu verkümmern beginnen, wo Frauen nicht mehr viel von den Männern erwarten als die Bestätigung dessen, dass sie gefühllose geile Böcke sind, als ich in diesem Alter war und immer noch meine Briefe schrieb, kannte das Entzücken der Frauen kein Halten mehr. Ich hatte das Gefühl, durch meine Briefe zum wandelnden Anachronismus zu werden. Wo kein Mensch mehr schrieb, wo alles nur noch telefonierte, schrieb ich mit leichter Hand seitenlange Briefe. Wie rührend. Wie liebenswert. Ich glaube es war ganz egal, was ich schrieb, Hauptsache es schrieb einer, das war schon toll genug. Diese wunderbaren Briefe! Glaubt mir, ich konnte das Lob nicht mehr hören. Bloß, weil kein Schwein mehr vernünftige Briefe schrieb, hatte ich den großen Erfolg. Ich deckte mit meinen Briefen das poetische Defizit frustrierter Frauen. So war es wohl. Ich will aber nicht wegen meiner Briefe geliebt werden, sondern wegen mir. Bestehe ich nicht aus Fleisch und Blut? Ich hatte das Gefühl, meine Teuerste, dass einigen Frauen meine Briefe wichtiger waren als meine Anwesenheit. Nahm man mich nur in Kauf, um sich den Briefeschreiber zu bewahren? Dieser völlig unüberprüfbare Verdacht ließ mich nicht los. Ich begann auf meine eigenen Briefe eifersüchtig zu werden.

Nachtrag nach unserem Telefongespräch:

Ich möchte der geläufigen Unterstellung trotzen, dass Poeten immer nur ins Papier hineinlieben – alles nur sublimierte Sehnsucht am Schreibtisch und nicht die Hitze der wirklichen Sehnsucht in den Adern. Der hier schreibende rasende Verehrer gehört nicht zur Gattung der Schreibtischtäter. Natürlich drosselt ein so schönes Kapitel wie gestillte Sehnsucht und befriedigtes Verlangen den erotischen Schub des Literaten. –

Erfüllung aber sollte kein Grund sein, sich nur noch den zweifelhaften Wonnen der unrealisierbaren Liebe hinzugeben. Die Liebe und die Liebschaften müssen nur frisch, überraschend und kompliziert genug sein, dann geben sie den Stoff für das Schreiben – und ich hoffe der gute alte Körper kommt auch nicht zu kurz dabei.

Es umschlingt Euch herzlich

Euer treuer Verehrer

P.S.:

Telefonnummer, echter Name des Verfassers und Arbeitgeber klebten auf einem separaten gelben Zettel unten rechts, dessen Inhalt ich aber aus Persönlichkeitsrechten hier nicht näher erwähnen möchte.

Mara ist hingerissen vor Entzücken. Während des Lesens amüsieren sie einige Stellen, andere lassen sie vor Glück fast zerspringen.

Voll konzentriert nimmt Hanno jeden Gesichtsausdruck und jede Betonung seiner Teuersten war.

Nach dem Lesen sagt Mara zu Hanno: „Dankeschön“, steht vom Tisch auf, geht zu ihm, der auf dem Sofa sitzt, und gibt ihm spontan einen dicken Kuss auf den Mund. Hanno sagt noch, dass er Mara dies alles doch im Treppenhaus nicht hätte sagen können.

„Stimmt“, pflichtet Mara ihm bei, „und den Brief kann ich immer wieder lesen.“

Maras jüngerer Sohn Julian (19 J.), der noch im Haus wohnt, kommt während des Lesens ins Wohnzimmer; und Mara macht beide miteinander bekannt. Dann zieht Julian sich in sein Zimmer zurück.

Nun taucht er wieder auf und Mara sagt, dass sie in die Stadt wollen.

Julian folgt ihnen bis vor die Tür.

An der Gartenpforte weist Mara noch auf Schmutz am Pfosten hin und Hanno sagt zu Julian: „Du kannst alles gemacht haben und noch mehr, das sieht keiner, aber das kleine Wenige, was du vergessen hast, das wird bemerkt.“

Wie selbstverständlich gehen sie Hand in Hand zu Hannos Auto, und Julian sieht ihnen scheinbar zufrieden nach.

Hanno bemerkt, dass er zwar nie lügen würde, aber jetzt musste er seiner Frau nicht so ganz die Wahrheit sagen.

Hanno will in Ruhe mit Mara reden.

Er parkt sein Auto, und sie gehen Hand in Hand durch die Innenstadt, aber schon komisch, dass so viele Lokale noch geschlossen haben. Dann entdecken sie eines mit Biergarten und Hanno küsst erfreut Mara auf den Mund.

Das schlechte Gewissen seiner Frau gegenüber nagt schon an ihm und er mag sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn Bekannte ihn in Begleitung einer attraktiven Frau sehen würden und er sagt: „Ja gut, das wäre, was es will, also dich kennenzulernen und das Andere eben, dass ich Gefahr laufen muss, gesehen zu werden.“

Mara will wissen, wie lange Hanno schon verheiratet ist und er sagt: „Seit 1995.“

Das kann Mara kaum glauben und meint erstaunt: „Ich dachte, dass du schon zwanzig Jahre verheiratet bist.“ Er: „So alt bin ich doch noch gar nicht.“ Mara bekommt einen Schreck wegen des Alters und fragt nach: „Wie alt warst du denn, als Ihr geheiratet habt?“

„Siebenundzwanzig, also bin ich dreiunddreißig und meine Tochter ist fast vier. Ich weiß, dass du älter bist, aber das ist mir völlig egal. Ich liebe dich. Da ist doch das Alter egal, und wenn du achtzig wärest. Na ja, vielleicht doch etwas viel, oder sechzig. Ich liebe dich. Dabei hält er Maras Hände und streichelt sie liebevoll. So einen Mann hat sie in ihrem ganzen Leben noch nicht erlebt, so was von lieb. Mara kann sein Alter einfach nicht glauben und er zeigt ihr seinen Personalausweis. „Nein, das darf doch nicht wahr sein; ich habe überhaupt keine Chance. Ich bin schon fünfzig und du dreiunddreißig, verheiratet mit Kind. Das ist doch völlig aussichtslos. Ich kann und will nicht mehr kämpfen, das habe ich mein ganzen Leben lang getan.“

„Du brauchst auch nicht zu kämpfen und du hast sogar große Chancen. Wegen des Alters treffen wir jetzt eine Vereinbarung, sage mir bitte, wenn ich zu jung für dich bin und ich sage dir, wenn du zu alt für mich bist. Ich habe mit deinem Alter keine Probleme und du?“

„Nun ja, eigentlich habe ich mit deinem Alter auch keine Probleme.“

„Schließe jetzt deine Augen.“

Hanno streichelt ihr Gesicht und fragt danach. „Was hast du gefühlt?“

„Wie gut es deine Frau hat; ich beneide sie.“

„Ja, sie hat es so gut. Bis Pfingstmontag war ich der Meinung, dass meine Ehe okay sei, aber von dem Moment an, als ich dich in der Sauna gesehen habe, weiß ich es nicht mehr, denn dich liebe ich.“

Mara steckt ihre Hand in den Ärmel seines Hemdes und streichelt die Haut seiner Arme bis ihre Hand seinen Bauch erreicht.

Hanno: „Du weißt, was jetzt passiert? Ich kann jetzt nicht aufstehen. Verändere dich nicht; bleib so wie du bist; sei einfach nur du selbst. So habe ich dich kennengelernt und so liebe ich dich.“

Hanno stellt Mara Fragen und schreibt ihre Antworten, ohne dass Mara es sehen kann, auf einen Bierdeckel, den er jetzt umdreht.

Nachdem Mara geantwortet hat, dreht Hanno den Bierdeckel wieder auf die andere Seite.

„Komisch“, bemerkt Mara, das sind ja meine Antworten. Wie kann das angehen?“

„Ich kann dich verstehen und habe das Gefühl dich schon sehr ewig zu kennen.“

Eigentlich wollten sie noch etwas essen, aber die ganze Aufregung hat jeglichen Hunger auf Essbares vertrieben.

Hanno: „Ich möchte dich noch einmal so sehen wie in der Sauna.“ Mara hat Bedenken, dass er sie für ein leichtes Mädchen halten könnte und nur seinen Jagdtrieb befriedigen würde wollen.

Das sagt sie zu Hanno, als sie das Lokal verlassen, und er antwortet: „Ich fahre dich jetzt nach Hause, überlege es dir auf dem Weg, aber ich kann auch warten.“

Vor Maras Haus steigt Hanno wie selbstverständlich aus dem Auto aus, und sie gehen ins Haus.

Im Wohnzimmer nimmt Hanno auf dem Sofa Platz, Mara setzt sich auf sein Bein und Hanno sagt: „Mir ist, als ob ich dich schon ewig kenne.“

„Mir geht es genauso. Du, sag mal, weißt du noch, was du gestern gegen 11 Uhr gemacht hast?“

„Ich hatte mich eine Viertelstunde ins Klo eingeschlossen, weil ich Angst hatte, dass man es mir ansehen würde und Fragen stellen könnte.“

Mara: „Zur gleichen Zeit habe ich ganz stark an dich gedacht und total intensiv.

Ist das Telepathie?“

„Muss wohl so sein.“

Sie schmusen inniglich und können es vor Sehnsucht kaum noch aushalten. Wie von Geisterhand getrieben landen sie im Schlafzimmer, ziehen sich gegenseitig küssend aus. Nackt nebeneinander liegend stellt Hanno fest: „Es ist schon schön, nur neben dir zu liegen. Mir ist, als ob ich dich schon ewig kenne.“

Voller Zärtlichkeit streichelt Hanno Mara, die ihn ebenfalls streichelt bis sie es beide nicht mehr aushalten und Mara ihn endlich spüren möchte. Immer wieder fragt Hanno: „Liebst du mich auch wirklich, denn ich liebe dich so sehr.“

Mara: „Ja, ich will dich mit Haut und Haaren.“

Er: „Ich bin kein Mann der schnellen Entschlüsse, aber ich bin süchtig nach dir. Du schmeckst so gut und riechst so gut, deine Haare, deine Haut, deine ganze Art. Ich liebe dich.“

„Ich will dich aber deiner Familie nicht wegnehmen.“

Hanno: „Ich stehe jetzt neben mir. Wenn ich es schaffe, komme ich am Freitag wieder, aber ich habe eine Menge Termine.“

Im Weggehen will er noch einmal von Mara hören, dass sie ihn liebt.

„Ich liebe dich, mein Herzblatt, komm gut nachhause.“

 

Dann schließt sich die Haustür.

Mara steht jetzt alleine im Hausflur, friert, fühlt sich leer, ist glücklich und traurig zugleich. Sie bleibt ganz still im Wohnzimmer sitzen und trinkt ein Bier.

Dann geht sie schlafen und weint, weil alles so aussichtslos ist, sie will keine Ehe zerstören und spricht mit sich selber: „Ich will trotzdem hoffen, aber auf was? Wunder geschehen, was für Wunder? Egal, nein, nicht egal. Ich liebe ihn und würde ihn gerne für mich alleine haben, weiß aber, dass das nicht geht.“

Mit langen Selbstgesprächen und von Tränen gestreichelt schläft Mara irgendwann ein.

Hanno fühlt sich innerlich zerrissen

Während der Nacht und den ganzen nächsten Tag spürt Mara in sich und überall Hanno. Sie kann das Geschehene gar nicht fassen und ist überwältigt. Sie denkt laut: „Könnte es doch unser Leben lang so bleiben. Ich würde alles dafür tun.“

Mittags 13.30 Uhr steckt sie immer noch taumelig vor Glück in ihrem Schlafanzug. Sie ist froh, dass sie Urlaub hat. So kann Mara dem dringenden Bedürfnis ihres Innern nachgeben und noch einmal jede gewesene Sekunde mit ihrer großen Liebe gedanklich durchleben, um das Erlebte etwas zu verarbeiten.

So langsam macht Mara sich doch noch tageslichttauglich und versucht sich mit Arbeit abzulenken, indem sie ihre weiße Pforte und die Pfosten noch einmal streicht.

Natürlich sind ihre Ohren so was von gespitzt, um ja nicht Hannos Anruf zu verpassen, denn es könnte ja sein, dass seine vielen Termine ihm doch noch Raum für einen kurzen Anruf lassen, aber ihr Telefon will und will nicht klingeln.

„Na gut“, denkt Mara, „vielleicht ist ein Tag Ruhe auch nicht schlecht, damit sich alles erst einmal auf beiden Seiten etwas setzen kann.“

Als am nächsten Tag Hanno immer noch kein Lebenszeichen sendet, macht sich Mara Sorgen, dass ihm oder seiner kleinen Tochter etwas passiert sein könnte. Möglich sogar, dass der Krieg schon ausgebrochen ist, aber keiner hingeht … haha, aber in seiner Position ist doch viel möglich.

Nur mit erzwungener Konzentration schafft es Mara, ihre Tasche für den Wochenendausflug mit Freunden nach Schwerin zu packen. Maras Nerven liegen blank, aber sie versucht alles, um in den nötigen Schlaf zu kommen.

Immer wieder redet sie sich ein, dass sie kein Recht auf ihn hat und ihn nicht begehren darf, weil er verheiratet ist und zu seiner Familie gehört.

Trotz allem fühlt sie in sich drin, dass er sie liebt und für sein Schweigen Gründe haben wird. Mara will stark sein.

Die fast durchwachte Nacht ist schnell vorüber und 6.15 Uhr klingelt ihr Wecker. Nun zack, zack und fertigmachen, denn gleich wird sie abgeholt.

Mara begreift diese Fahrt nach Schwerin als eine Art Flucht vor ihren Gefühlen, denn es wird sie ablenken. Andererseits würde sie auch gerne beginnen, einen Roman über Hanno und sich zu schreiben, denn sie fühlt gerade ihre schon voll aufgeplatzte Schreibader. Auf verschiedenen Zetteln schreibt sie quasi beim Hin- und Herlaufen alles auf, was ihr gerade in den Sinn kommt.

Vom Frühstück bekommt sie nur einen Bissen herunter und packt das restliche Butterbrot ein.

Nun sieht sie das Auto des Kollegen vor der Tür und sputet sich herauszukommen.

Im Autoradio hört sie: „Good night my love, it’s hart to die … The stars we could reach, were just starfish on the beach.“ Von wem ist denn dieses Lied? Dann fällt ihr ein, dass dieser Lyrik-Song-Text von Terry Jacks ist mit dem Titel „Seasons in the sun“. Dieser etwas traurige und melancholische Text passt heute gut zur Stimmung, in der sich Mara gerade befindet. Sie inhaliert die Worte, denkt an Hanno und lebt ihren Schmerz aus, indem sie beim Treffpunkt bittet, doch noch bis zum Ende des Liedes im Auto zu bleiben und das bei voller Lautstärke.

Auf der gesamten Wegstrecke scheint es ihr gerade, dass der NDR lauter Songs spielt, die ihre Seele berühren. Dabei singt Mara mit und gestikuliert mit ihrem ganzen Körper bis sie plötzlich in Tränen ausbricht, weil sie nicht mehr kann und sagt: „Verzeiht, es geht mir heute nicht gut, habe wohl ’nen Kaffeeschock vom vielen Kaffee heute, der mir offensichtlich auf den Magen geschlagen ist.“ Während der ganzen Fahrt lösen sich in Mara Trauer- und Glücksgefühle ab. Als sich der Himmel mit Wolken wie Wattebüschel zuzieht, bekommt Mara das Gefühl, als würden diese sie mit ihrer Zartheit streicheln; und ihre Seele beruhigt sich.

Plötzlich scheint aller Kummer verflogen, Mara fühlt sich wieder geliebt und ist glücklich. Sie steuern einen Parkplatz an, als sich gerade eine Regenwolke über sie entleert. Mara geht raus in den Regen, singt was ihr gerade so einfällt und tanzt mit sich selbst dazu. Das tut ihr so was von gut; und sie tanzt und singt und singt und tanzt glücklich im Regen. Dabei ist es ihr völlig egal, was andere denken könnten; sollen sie doch alle mit ihren verkniffenen Gesichtern und ihren unterdrückten Gefühlen auf der Strecke bleiben. Mara genießt diese Minuten und merkt wie gut es ihr tut. Sie will so sein, wie sie ist und so bleiben; nein eine angepasste Langweilerin, das ist nichts für sie.

Schwerin entpuppt sich als hübscher Ort. Mara versüßt sich den Aufenthalt durch diverse Frustkäufe, damit sie das Gefühl hat, sich Gutes zu tun und von Hanno ablenkt. Am Abend stellt sie sich vor, dass es Hanno sicher viel schlechter gehen würde als ihr und bestimmt eines Tages alles gut werden würde.

Das Wochenende nimmt mit vielen Schönen und auch unschönen Dingen seinen Lauf.

Etwas entspannt, aber völlig kaputt, kommt Mara wieder in Niendorf an der Ostsee an und ist froh, in ihrer Wohnung und alleine zu sein.

Hanno hat sich leider nicht gemeldet und ist auf seinem Handy auch nicht zu erreichen.

Mara hängt zwar durch, aber tröstet sich immer wieder mit seinem Liebesbrief und dass es das ja nicht gewesen sein kann.

Endlich, am Montagnachmittag, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter: „Ich hasse Anrufbeantworter, spreche nur drauf, weil ich beweisen will, dass ich angerufen habe.“

Zunächst einmal macht es Mara glücklich, denn nun weiß sie, dass er noch lebt, aber mehr auch nicht. Sie zermartert sich den Kopf, ob er wohl seiner Frau alles erzählt hat und sie jetzt einen Abschiedsbrief bekommen würde? Ja, den würde sie doch wohl erhalten und er nicht einfach so aus ihrem Leben verschwinden. Dann hört sie im Radio: „Erst sprichst du von Liebe, dann machst du ‘ne Fliege.“

„Irgendwie alles schei…“, sagt Mara zu sich und „morgen rufe ich ihn an.“

Immer wieder zermartert sich Mara ihren Kopf, was der Grund sein könnte, warum sie schon eine Woche nichts von Hanno gehört hat. Sie versucht ihn anzurufen, aber erfolglos. Am Abend gegen 20 Uhr klingelt endlich das Telefon und eine Stimme sagt: „Na, du Unerreichbare!“

Mara: „Hanno, endlich.“

„Habe es nicht mehr ausgehalten; rufe von zuhause aus an, kann nicht lange sprechen, werde noch verrückt.“

„Ja, ich werde auch schon wahnsinnig“, hört Mara sich reden. „Mach bloß kein Scheiß oder so ähnlich und rufe nicht bei mir zuhause an. Liebst du mich noch?“

„Ja, es ist alles so schrecklich ohne dich. Würde dich so gerne verwöhnen und glücklich machen. Schon fast zwei Jahrzehnte bin ich Single, aber so ein Mann wie du ist mir noch nicht begegnet. Wenn ich dich nicht bekomme, bleibe ich alleine, weil es so einen Mann wie dich nur einmal gibt und ich alle mit dir vergleichen würde. Ich glaube einfach nicht, dass dir jemand ebenbürtig sein könnte.“ Hanno ist total begeistert. „Gleich kommt meine Frau, ich lehne hier am Fenster und schaue auf die Tür. Leg du auf, ich kann es nicht.“ Sie beteuern ihre Sehnsucht und Liebe und Hanno fragt: „Wann kann ich dich morgen erreichen?“

„Kannst mich am Vormittag in der Praxis anrufen“, sagt Mara und gibt ihm diese Telefonnummer. „Oh, ich muss schnell den Speicher am Telefon löschen, damit meine Frau nichts merkt. Du weißt schon, was du tun sollst und dabei an mich denken?“

„Liebe dich, liebe dich über alles.“

„Freu dich auf morgen und auf meinen Anruf. Ich liebe dich so sehr.“

Mara schäumt über vor Glück und nicht zu bremsender Sehnsucht nach Hanno. Mit einem großen Badetuch liegt sie auf dem Sofa und ruft ständig: „Hanno, Hanno, ich bekomme nicht genug von dir.“ Es will einfach kein Ende nehmen. Alles ist klitschnass. Mara trinkt ein Glas Rotwein um runterzukommen und geht ins Bett. Immer wieder spürt sie dieses unersättliche Verlangen nach Hanno und es gibt kein Halten mehr. Irgendwann schläft Mara ein und erwacht mit nassem Schlafanzug und nassem Handtuch. „Oh, Hanno, wie soll das nur weitergehen.“

Um 10 Uhr ruft Hanno in der Praxis an und erklärt Mara alles. Um 14 Uhr ruft er noch einmal an, als Mara zuhause ist und sagt ihr, dass seine Tochter krank sei; und sie würden am Wochenende zu den Eltern nach Itzehoe fahren. Sein Vater wohnt um die Ecke und bei dem würde er auch schlafen. „Zur Zeit kann ich nicht mit meiner Frau schlafen, dazu liebe ich dich zu sehr. Ich werde mir Ausreden einfallen lassen. Noch habe ich die Kopfschmerzkarte nicht ziehen müssen, weil meine Frau noch nicht nachgefragt hat.“ Hanno sagt, dass er seine Frau und Mara liebt und zwischen zwei Stühlen mit seinen Gefühlen sitzt. Er weiß noch nicht, für wen er sich entscheiden wird. Mara will keine Ehe zerstören und tröstet sich damit, dass Hanno sich gar nicht in sie verliebt haben könnte, wenn er in seiner Ehe glücklich wäre, denn die Gefühle, die er plötzlich und völlig unerwartet wie aus heiterem Himmel für Mara empfunden hat bei ihrem Anblick, waren ihm bis dahin fremd, denn das steht ja in seinem Liebesbrief.

Mara sagt sich, dass sie Hanno auf keinen Fall bedrängen wird, aber er soll und will ja auch ihre Gefühle wissen. Ja, auch sie hat ein Recht darauf glücklich zu sein.

Am nächsten Tag ruft Hanno aus der Telefonzelle an und sagt: „Ich hatte solche Angst, dass du es dir am Wochenende anders überlegt haben könntest. Hast du Sehnsucht? Ich gebe dir so viel ich kann, mehr geht zur Zeit nicht. Da sind nur noch vierzig Pfennig auf der Karte, die ich mit dir vertelefonieren will. Sag mir noch einmal, dass du mich liebst. Das war jetzt unsere erste Karte. Wie arbeitest du morgen?“ Dann ist die Leitung still und Hanno weg, weil die Karte leer ist.

Seit dem Kennenlernen sind nun zwei Wochen vergangen, in denen es Tage ohne Anruf von Hanno gab und dann wieder Telefonate voller Liebe und Glückseligkeit. Es ist eben nicht so einfach mit einem verheirateten Mann, aber dann dieser Anruf am Montag, den 18. Juni um 9.30 Uhr, in der Praxis und Hanno sagt:“ Ich kann es nicht mehr aushalten und muss dich unbedingt heute Abend sehen. Ich bin auch nur ein Mensch. Lass uns irgendwo treffen, auch wenn es nur für eine halbe Stunde ist. Ich liebe dich und liebst du mich auch wirklich? Mit dir verstehe ich mich auf einer anderen Ebene. Mit dir ist alles anders als zuhause, auch anders als mit allen anderen Frauen. Könnte 18.30 Uhr bei dir sein, ist das okay?“

Mara schwelgt nur so im Glück.

Um 13.40 Uhr noch ein Anruf von Hanno: „Es ist nicht der Sex, der mich zu dir zieht, den kann ich woanders schneller bekommen und bräuchte nicht all dieses auf mich zu nehmen. Es ist das Verstehen.

Nein, zuhause habe ich keinen Mangel, meine Frau will ja, aber ich kann zur Zeit nicht mit ihr schlafen, weil ich nicht will, denn ich liebe dich und fühle mich zu dir hingezogen. Ist es dir denn auch wirklich ernst mit mir oder habe ich nur die Funktion eines Callboys?“

„Nein, natürlich nicht, denn ich kann keinen Sex ohne Liebe, was wohl bei vielen Männers anders sein soll, da sie besser Liebe vom Sex trennen könnten.“

„Ich möchte dich streicheln, deinen Nacken massieren und mit dir schlafen, denn ich bin auch nur ein Mann und habe seit unserem ersten Date am 6. Juni enthaltsam gelebt.“

„Ich will aber nicht das Sahnehäubchen für deine Ehe sein.“

„Nein, das bist du auf keinen Fall, denn ich liebe dich total. Muss jetzt zum Chef und freue mich auf heute Abend.“

Schnell vergeht der Nachmittag und Mara eilt in ihre Wohnung, duscht, macht sich bereit, und schon klingelt es an der Haustür.

Da steht Hanno vor ihr und strahlt sie wieder an wie am allerersten Tag ihrer Begegnung in der Sauna und Mara sagt: „Lass dich ansehen. Schön, dass es dich gibt.“

„Schön, dass es dich gibt.“

„Freue mich, dass du da bist.“

„Und ich erst mal.“

Sie umarmen und küssen sich liebevoll.

 

Mara: „Will jetzt ein Foto von dir machen.“

„Ich sehe heute nicht gut aus.“

„Du siehst immer gut aus; und ich würde dich auch lieben, wenn du voll Matsch wärest.“ Hanno: „Du hast mich noch nicht mit Matsch gesehen.“

„Okay, ein Foto.“

„Ich will mehr.“

„Nein später, komm jetzt. Ich liebe dich.“ Voller Sehnsucht umarmen sie sich liebevoll und landen wie selbstverständlich im Schlafzimmer, wo sie sich gegenseitig voller Begierde ausziehen.

Dann bittet Mara, dass Hanno sich auf ihre Seite des Bettes legt, damit sie später noch seinen Geruch hat. Hanno: „Ich habe dich nur einmal betrogen mit mir selber und dabei an dich gedacht. Ich habe mich für dich aufgehoben und die ganze Zeit nicht mit meiner Frau geschlafen, was mir ganz schön schwergefallen ist, aber ich wollte es so, weil es dir doch beim letzten Mal so wichtig war, dass du mir vertraust. Diese Entbehrungen bringe ich dir heute als Geschenk mit, was doch viel mehr wert ist als Blumen oder andere Geschenke, weil es mir echt schwergefallen ist.“

Mara fehlen vor Überraschung die Worte, aber sie ist überglücklich und beide beteuern sich ihre Liebe. Was für ein Mann! Er deckt ihre Füße zu, damit ihr nicht kalt wird während er sie streichelt und sie hingebungsvoll verwöhnt.

Hanno trinkt genüsslich das für ihn köstlichste Getränk aus seiner Traumfrau heraus. Mara genießt ihn ebenfalls und sagt, dass das eine Mahlzeit wäre, denn sie hätte bislang nur zwei Äpfel gegessen, wobei er meint: „Dann hast du mehr als ich gegessen, denn ich habe noch gar nichts gegessen. Mittags habe ich durchgearbeitet, um früher Feierabend machen zu können, weil ich zu dir wollte.“ Unheimlich glücklich liegen sie nebeneinander bis Hanno den großen Wecker entdeckt und fragt: „Geht der richtig?“

„Ja.“

„Dann habe ich noch fünf Minuten, fünfundvierzig wären besser. Nun aber schnell anziehen“, sagt er während Mara ihm seinen verschwitzen Rücken mit ihrem Nachthemd trocknet.

Eben noch ein Schluck Wasser und los. „Stopp“, sagt Hanno, „da sind doch noch die beiden Briefe von dir, die ich mitnehmen will. Nach dem Lesen kommen sie zu meinen Unterlagen.“

„Ich liebe dich“, sind seine letzten Worte, dann fällt die Tür ins Schloss.

Bei Mara bleibt sagenhafte Glückseligkeit gepaart mit einer merkwürdigen Leere, weil der Mann, den sie über alles liebt und für den sie seine Traumfrau ist, wieder weg ist.

Als sie am nächsten Tag telefonieren, beichtet Mara ihm, dass sie mit einer Freundin telefoniert hat und ihr gesagt hat, dass sie für ihn ihr Reihenhaus verkaufen würde und das schon nach effektiv insgesamt sechs Stunden des Kennens. Jetzt ist Hanno sprachlos.

Noch am nachfolgenden Tag zehrt Hanno von vorgestern.

Hanno hat immer wenig Zeit; und so kommt es, dass sie sich ein paar Tage nicht persönlich am Telefon erwischen und nur Liebesbotschaften hinterlassen können.

Am 25. Juni, dem 22. Tag ihrer heimlichen Beziehung, können sie endlich wieder ausgiebig telefonieren und bestätigen sich die Ernsthaftigkeit ihrer Liebe und Beziehung. Hanno will versuchen noch in dieser Woche zu kommen.

Gleich einen Tag später ruft Hanno an und sagt, dass er solche Sehnsucht hat und am nächsten Tag kommen möchte.

Aber jetzt führt Mara Regie und verwöhnt ihren Hanno nach Strich und Faden.

Sie lieben sich wieder zwei Stunden lang, in denen Hanno immer wieder wissen will, ob Mara ihn auch wirklich liebt und es nicht nur ein Verliebt- oder Verknalltsein ist und Mara sagt: „Ich liebe dich mit Haut und Haar, bis zum Mond und wieder zurück“, worauf Hanno bestätigt, dass er sie mindestens genauso sehr liebt, wie sie ihn und feststellt: „Ich stehe neben mir.“

Er bittet Mara um ein Nacktfoto und ihren Duft in einem Taschentuch.

„Wo willst du das denn lassen?“

„Mir fällt schon etwas ein.“

Dann muss er wieder zu seiner Familie; und Mara empfindet diese plötzliche Leere und dass Hanno der Mann ihres Lebens ist.

Am nächsten Tag wartet Mara vergeblich auf einen Anruf von Hanno. Da geht ihr dieser Satz, den Hanno gestern auch noch sagte, durch ihren Kopf: „Ich werde dich nie vergessen.“ Zwar ahnt sie, warum er es sagte, aber wie hat er es wirklich gemeint?

In der Nacht träumt sie von Hanno, dass er mit dem Auto seiner Frau an ihrem Haus vorbeifährt ohne zu wenden und weg ist er.

Sie hofft nur, dass das kein schlechtes Zeichen war, aber eine Traurigkeit macht sich in ihr breit. Als sie ihn am nächsten Tag anruft, hat er keine Zeit. Na ja, er arbeitet eben viel.

Sie ist aber froh, dass sie kurz seine Stimme hören kann und ihn der Blitz doch nicht getroffen hat.

Dann kommt das Wochenende ohne einen Mucks von Hanno; na ja, ist eben Familie angesagt.

Endlich am Montag 11.09 Uhr eine Nachricht auf Band: „Hallo, ich bin es. Ich probiere es zumindest, dich zu erreichen. Wenn du kannst, ruf mich doch heute ab 13 Uhr an, aber von 15 bis 17 Uhr bin ich vermutlich nicht am Arbeitsplatz.

Als Mara ihn um 13.15 Uhr anruft, hört sie, dass er Arbeit über Arbeit hat, die diese Woche fertig werden muss. Auch am Wochenende hat er sich Arbeit mit nach Hause genommen und bis nachts gearbeitet.

Am Freitag war gerade der Chef da, als Mara anrief.

Vom Wochenende hat er quasi nichts gehabt. Während er mit seiner Tochter Brötchen holte, mal eben aus dem Auto steigen und anrufen, das läge ihm nicht.

Mara sagt ihm, dass sie sich aber darüber gefreut hätte.

Hanno meint, dass er, wenn er wieder zu Mara käme, nur mit ihr reden wollte und was unternehmen, denn das sei in der Vergangenheit zu kurz gekommen. Er will wissen, ob es Mara recht sei: „Ja, sonst ist es ja nur eine Bettgeschichte; trotz meiner großen Sehnsucht nach dir, habe auch schon daran gedacht.“

„Aber ich habe es ausgesprochen; das verbuche bitte auf mein Konto.“

Als Mara am nächsten Tag Hanno um 16.30 Uhr anruft, freut er sich total, auch darüber, dass sie ihn vermisst. Sie telefonieren lange und als Mara sagt, dass ihre Batterie leer sei, versuchen sie es mit Telefonsex. Er bittet Mara, für eine halbe Stunde ihre Unterhose auszuziehen und an ihn zu denken, um ihre Batterie etwas aufzuladen. Mara ist erstaunt, auf was für Ideen Hanno kommt.

Er selbst würde jeden Morgen eine Viertelstunde früher aufstehen als sonst, um mit sich und seinen Gedanken an Mara alleine sein zu können und ganz viel an Mara denken. Auf der Arbeit hat er den Gedichtband von Echtermeyer, worin er liest, wenn es ihm schlecht geht. Das Gedicht über die Liebe liest er Mara vor und will es ihr kopieren. Er will Bilder für Mara zusammenstellen, und sie soll sich überraschen lassen.

Mara ist davon angetan, dass Hanno so sensibel und lieb ist. Sie bestätigen sich gegenseitig ihre Liebe, aber dann ruft die Pflicht.

Natürlich ist sich Mara bewusst, dass Hanno sehr genau alles abwägen wird und dass es schwer ist, gegen die jahrelange Liebe zu seiner Frau anzukommen oder eben gar nicht.

Hanno hat ihr aber immer wieder gesagt, dass die Liebe und das Verstehen zu Mara anders gelagert sind. Sie hat sich Tarot-Karten gelegt, die ihr dieses zwar bestätigt haben, aber auch, dass sie es schaffen würden. So greift Mara nach jedem Strohhalm.

Бесплатный фрагмент закончился. Хотите читать дальше?