Jeremy

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Jemand trat neben ihn und riss ihn aus seinen Gedanken. Er hob den Kopf und sah in das abgespannte Gesicht seines Vorgesetzten. Die Abteilung hatte in letzter Zeit alle Hände voll zu tun gehabt. „Hi Jim. Irgendwelche Erkenntnisse?“ fragte Sean Bauer, Direktor der Abteilung für „Stufe 1 Angelegenheiten“ beim FBI. „Erkenntnisse? Nein leider. Ich kann derzeit nur mit neuen Problemen dienen“ sagte Jim. Der Direktor schob seine Brille ein Stück nach oben und gähnte verhalten. „Dachte ich mir. Übrigens … der Kleinstadtbulle – aus Deerfield wo diese Frau gebissen wurde – der könnte auch noch Schwierigkeiten machen. War früher in New York beschäftigt. Lässt angeblich selten locker. Falls er euch in die Quere kommen sollte, dann gib mir Bescheid. Wir wären dann gezwungen ihn aus dem Verkehr zu ziehen.“ Beaver runzelte die Stirn. „Wir können doch nicht…“. Bauer unterbrach ihn schroff. „Wofür hältst du das hier? Wir sind kein Terroristenverein. Natürlich fügen wir ihm keinen ernsthaften Schaden zu. Eine Versetzung, eine Suspendierung. Das Übliche eben.“ „Entschuldige.“ Jim rieb sich die Augen. „Ich bin wohl schon zu lange auf den Beinen und werde langsam paranoid. Es macht mir einfach Sorgen, dass dieser Sedros wieder aufgetaucht ist. Es fällt mir schon schwer zu begreifen, dass dieses Wesen an die 3000 Jahre alt sein soll.“ Die Finger des Direktors hatten sich bei der Erwähnung des Namens sichtlich verkrampft. „Wir müssen den Griechen finden. Bevor er neue Anhänger um sich schart. Wir müssen ihn ein für alle Mal beseitigen. Verstehst du? Egal was es kostet.“ Sean Bauer wandte sich ab und entfernte sich mit schnellen Schritten. „Wunderbar. Jemanden finden, der mehr Erfahrung hat als wir alle zusammen“ murmelte Jim. „Paul! Susan! Durchleuchtet die Archive und gebt mir alles, was ihr über Alexis Sedros finden könnt. Außerdem brauche ich alles was zur Person Jeremy Mahone vorliegt.“ Vielleicht konnten nackte Daten die Leere die in seinem Kopf herrschte füllen. Er hatte einfach keinen Ansatzpunkt. Jim stützte den Kopf wieder auf die Hände. Er machte dort weiter wo er aufgehört hatte. Sein Blick richtete sich auf die Tischplatte. Sedros töten. Wie stellte Sean sich das vor? Der Grieche war viel stärker als die einfachen Vampire mit denen sie es sonst zu tun hatten. An die sie sich heranwagten besser gesagt. Niemand war verrückt genug, sich mit den Anführern anzulegen. Nicht wenn es nicht unumgänglich war. Meistens verloren dabei eine Menge Menschen ihr Leben.

Maria erwachte von einem schabenden Geräusch. Sie öffnete die Augen und sah... nichts. Es war dunkel. Was war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte? Sie hatte den Laden abgeschlossen und war zu ihrem Wagen gegangen. Dann waren zwei Typen aufgetaucht und sie hatte versucht so schnell wie möglich abzuhauen. Aber irgendwas war schief gegangen und die beiden hatten sie erwischt. Dann war da nur noch Dunkelheit. Sie hatte nicht die geringste Ahnung wo sie sich befand, aber sie war Sicher, dass sie Glück im Unglück gehabt hatte; dass sie nur einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte, der sie bewusstlos hatte werden lassen und den beiden furchterregenden Männern Gelegenheit gegeben hatte ihr die Wagenschlüssel und die Handtasche zu stehlen. Verbrechen kamen in Deerfield eigentlich nie vor, aber dennoch wusste sie, dass sie nicht auf einem anderen Planeten lebten, in Sicherheit vor allem Bösen. Gut, dann hatte es eben einen Überfall gegeben und sie war das Opfer gewesen; sie würde irgendwann darüber hinwegkommen, wenn auch der Weihnachtszeit für eine Weile ein bitterer Beigeschmack anhaften würde. Sie öffnete die Augen konnte aber nichts von ihrer Umgebung erkennen; es war stockdunkel. Für einen Moment war sie erstaunt, dass sie keinerlei Schmerzen spürte, vergaß den Gedanken aber sofort wieder. Es interessierte sie vielmehr, wo sie war. Ein Teil von ihr war nervös, wie ein verängstigtes Tier, das fühlte, dass nicht alles so war wie es sein sollte. Sie fragte sich woher diese Nervosität kam... bis sie den Arm in die Dunkelheit ausstreckte. Ihre Hand stieß gegen ein Hindernis, das nicht da sein sollte; nicht so nah jedenfalls. Ein Kofferraum vielleicht? Haben die Typen mich in den Kofferraum geworfen und vielleicht... oh Gott wie schrecklich... entführt? Wohin? Warum? Wie komme ich hier wieder raus? Sie folgte ihrem ersten Impuls und schrie nach Hilfe. Der Schrei klang seltsam dumpf, als würde er einfach verschluckt; jedenfalls anders, als sie sich das in einem Kofferraum vorgestellt hatte. Eine dünne Schicht aus Blech konnte doch nicht eine solche Wirkung entfalten; oder etwa doch? Die Erkenntnis, dass sie keine Ahnung hatte steigerte ihre Nervosität noch. Ihre Finger tasteten immer hektischer über das Hindernis, dass sich anfühlte wie... Holz? Seit wann war der Deckel eines Kofferraums aus Holz? Sie war doch wohl nicht in einer Kutsche entführt worden? Sie konnte nicht anders; sie musste kichern. Ein gepresster, irgendwie klagend klingender Laut. Sie musste hier heraus. Sie presste die Handflächen gegen das Hindernis und spannte ihre Muskeln. Das Ding über ihr bewegte sich keinen verdammten Millimeter. Ihre Arme begannen zu schmerzen und sie gab keuchend auf. Panik kroch aus den Untiefen ihres Bewusstseins hervor und stemmte sich gegen die Vernunft, die verhinderte, dass sie sich in eine wild um sich schlagende, kreischende Irre verwandelte. Während sie fieberhaft über eine Lösung für ihr Problem nachdachte gewann die Panik rasend schnell an Boden. Es gab keinen Weg hier raus; nicht wenn ihr nicht jemand half. Sie begann wieder nach Hilfe zu rufen. Lauter und immer lauter, bis ihre Stimme nur noch ein Krächzen war und ihr die Ohren wehtaten. Es hatte keinen Sinn. Wenn da draußen jemand war, dann schien er sie nicht zu hören. Stunden schienen zu vergehen, oder Tage. Ihre Sinne vernebelten sich zusehends und nahmen ihr jegliches Gefühl für das Vergehen von Zeit. Die Wände die sie umgaben schienen langsam aber stetig noch näher zu kommen. Bald würde ihr kaum noch Luft zum Atmen bleiben. Atmen. Das Wort hallte einige Male in ihrem Kopf wieder, so wie etwas wichtiges, das man vergessen hatte und das einem plötzlich wieder einfiel. Wann hast du zuletzt Luft geholt? Ihre Brust hob und senkte sich, aber es fühlte sich seltsam an, wie etwas an das man aus reiner Gewohnheit tat, ohne es zu müssen oder zu wollen. Sie begriff, dass etwas ganz und gar nicht so war wie es sein sollte, abgesehen davon, dass sie in einer verdammten Kiste gefangen war, aber sie konnte sich nicht auf den Gedanken konzentrieren. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie kraftlos gegen das Holz über ihr trommelte, oder mit ihren Fingernägeln darüber kratzte, als könnte sie sich auf diese Weise befreien. In diesen Momenten übernahm ihr Verstand die Kontrolle und zwang sie aufzuhören sich selbst zu verletzen. Allerdings behielt die Vernunft nie besonders lange die Oberhand und sie verwandelte sich immer wieder rasend schnell zurück in ein verängstigtes Tier. Dass die Phasen in denen sie klar denken konnte immer kürzer wurden machte ihr Schicksal wenigstens etwas leichter zu ertragen. Trugbilder ersetzten die Wirklichkeit und brachten sie fort aus der Dunkelheit. Ohne den stärker werdenden Durst der in ihrer Kehle brannte wäre sie vielleicht nicht mehr aus der Welt in ihrer Phantasie zurückgekehrt. So aber begannen ihre Gedanken mehr und mehr um das zu kreisen, nach dem sie ein immer stärkeres Verlangen verspürte. Am Anfang war es einfach nur Durst, aber nach einiger Zeit fühlte sie sich, als wäre sie tagelang ohne Wasser durch die heißeste Wüste des Planeten geirrt. Durst; übermächtiger, verzehrender Durst. Aber da war noch etwas. Irgendetwas an dem Verlangen war anders als alles, was sie jemals zuvor empfunden hatte. Da war etwas wildes, ungezähmtes, das ihr fremd war. Dieses Etwas verstärkte den Drang sich aus ihrem engen Gefängnis zu befreien. Sie stemmte die Hände gegen die hölzerne Decke über ihr und schrie ihre Wut hinaus, als sie erneut nichts ausrichten konnte. Noch einmal spannte sie ihre Muskeln und warf all ihre Kraft in die Waagschale. Es knackte vernehmlich und gleich darauf rieselte ein Wenig... Erde?... auf sie herab. Etwas von dem Zeug blieb an ihren Lippen kleben und sie konnte gar nicht anders, als es zu schmecken. Es war tatsächlich Erde. Man hat dich lebendig begraben. Der Gedanke war ganz plötzlich da gewesen. Natürlich. Nur ein Idiot hätte die Fakten einfach ignorieren können. Dunkelheit, ein enges, hölzernes Gefängnis, Erde die auf einen herabrieselte, wenn man den Deckel beschädigte. Das hier war ein verdammter Sarg, der tief unter der Erde steckte. Man hatte sie für tot gehalten und... Sie hatten sie beerdigt! Weißt du das mit Sicherheit? Es war ein kläglicher Versuch die Wahrheit zu leugnen. Es gab keine andere Möglichkeit als die, dass sie unter der Erde lag; zumindest fiel ihr keine ein. Sie war auch nicht die erste der das passierte. Sie hatte in irgendeiner Zeitschrift gelesen, dass hin und wieder Menschen für tot erklärt wurden, die es ganz und gar nicht waren. Vielleicht war sie nach ihrem Unfall beinahe klinisch tot gewesen; die Lebenszeichen so schwach, dass man sie bei den üblichen Untersuchungen nicht feststellen konnte. Aber wie lange konnte jemand in diesem Schwebezustand zwischen Leben und Tod verharren. Wenn man sie beerdigt hatte, musste sie seit mindestens zwei oder drei Tagen für tot gehalten worden sein. War es möglich, dass sie so lange in einer Art Koma gelegen war? Sie wusste es nicht und sie hatte auch keine Ahnung, wie die Schuldmedizin dazu stand. Sie lag hier und war ganz offensichtlich nicht tot, also musste es möglich sein. Jeremy! Zum ersten Mal seitdem sie aufgewacht war dachte sie an ihn. Die Frage wie er es aufgenommen hatte, dass seine Frau tot war nistete sich in einem dunklen Winkel ihres Verstandes ein und streckte immer wieder die Fühler aus. Er wusste nicht, dass sie in Wahrheit noch lebte und wenn sie hier nicht herauskam würde er es auch niemals erfahren. Noch einmal versuchte sie mit aller Kraft den Deckel vor ihren Augen aufzustemmen. Dass sie erneut kläglich scheiterte machte sie beinahe rasend. Sie wollte nicht einsam in einem verdammten Sarg unter der Erde sterben. Es war absurd und auch überaus makaber, eine Mischung die sie in einer anderen Situation sicher erheitert hätte, aber sie konnte nicht lachen. Was sich wie ein Witz anhörte, war ihre Realität, und die war keineswegs lustig. Wer wusste schon, wann hier wieder jemand vorbeikommen würde, der sie schreien hören mochte? Und wie sollte sie feststellen, ob gerade jemand da war und ob er oder sie ihre Schreie durch die Decke aus Erde, die man über sie gebreitet hatte überhaupt hören konnte? Was wenn... war da eben ein Geräusch? Sie streckte sich, soweit es ihr Gefängnis zuließ und versuchte die bleierne Schwere zu vertreiben, die sich ihrer immer stärker bemächtigte. Es fiel ihr immer schwerer sich zu bewegen; und ihr war schrecklich heiß. Sie fühlte sich als hätte sie plötzlich Fieber bekommen. Ihre Augen begannen zu brennen, ihre Zunge fühlte sich an wie Sandpapier und hinter ihrer Stirn begann es zu pochen. Sie stöhnte gequält währen ihre Hände kraftlos über die Wände ihres Gefängnisses strichen. Dann war es vorbei; so schnell wie es gekommen war. Die Hitze, die Schmerzen, alles war verschwunden als wäre es nie da gewesen. Nur ihr Mund fühlte sich immer noch trocken an. Sie lag still da und hörte erneut das Geräusch, das sie schon vorhin für einen Moment wahrgenommen hatte. Ein Schaben und rasseln; als würde jemand... graben. Sie riss die Augen auf und begann gegen den Deckel aus steinhartem Holz, der sie gefangen hielt zu trommeln. Und sie schrie. Irgendetwas, sinnlose Geräusche, die sich nicht zu Worten zusammenballten. Ihr verstand schrumpfte zu einem winzigen, kaum wahrnehmbaren etwas zusammen, das sich in einer Ecke ihres Verstandes zusammenkauerte und zusah, wie das Tier die Herrschaft übernahm. Das Tier das vor dem Blackout, aus dem sie in diesem Loch aufgewacht war, nicht da gewesen war. Vielleicht war es auch nur nie aus seinem Versteck hervor gekrochen, weil es keinen Grund dazu gegeben hatte. Ihr Leben war perfekt gewesen; bis zu dieser Nacht, in der sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Das hatte alles verändert. Da war dieser übermächtige Durst, ein wildes Tier das in ihrem Kopf lebte und die Tatsache, dass alle die sie geliebt hatte sie für tot hielten. Das Schaben und Kratzen über ihr wurde lauter und lenkte sie von den wenigen Gedanken zu denen sie noch fähig war ab. Ihre Hände trommelten ohne ihr Zutun wie zwei eigenständige Lebewesen weiter gegen das Holz über ihr. Nur ihre Schreie waren verstummt. Ihre Stimme verweigerte den Dienst. Klonk. Etwas prallte mit einem metallischen Geräusch gegen ihr Gefängnis und schabte darüber hinweg. Wer immer es auch war, der das Grab aushob hatte es fast geschafft. Warum sollte jemand deine Leiche ausgraben? Die Frage blieb unbeantwortet. Der Sarg wurde immer öfter von Schlägen und Stößen erschüttert, bis es schließlich ansatzlos still wurde. Dann, nach einer scheinbaren Ewigkeit prasselte Erde auf den Deckel und gleich darauf prallte etwas wuchtig dagegen. Es knirschte und das Holz bekam Risse. Es überraschte sie, dass sie das in völliger Finsternis erkennen konnte. Die Erkenntnis dass sie seit einiger Zeit soviel von ihrem Gefängnis sah als würde helles Mondlicht durch irgendwelche Ritzen herein dringen verwirrte sie für einen Augenblick. Es war absolut dunkel, das konnte sie, so absurd es auch klang deutlich sehen. Wie sieht man Finsternis? Wieder krachte etwas gegen den Deckel über ihr und dieses Mal wurden die Risse, die das Holz durchzogen tief genug, dass tatsächlich das Licht des Mondes durchschimmerte. Für einen Moment brannte die schwache Helligkeit in ihren Augen wie Feuer. Sie blinzelte verwirrt. Was ist mit dir los? Vorsichtig hob sie erneut die Lider, doch diesmal blieb das Brennen aus. Das Licht das durch die Spalten drang war kraftlos und bleich; kaum stark genug um gegen die Dunkelheit im Inneren des Sarges anzukommen. Plötzlich wurde es von einem Schatten verdunkelt. Oh verdammt! Instinktiv presste sie den Hinterkopf in den gepolsterten Stoff auf dem sie lag. Weiter zurückweichen konnte sie nicht; so sehr sie es auch wollte. Krachend und knirschend barst das Holz über ihr und überschüttete sie mit einem Hagel aus Splittern und Spänen. Sie kniff die Augen zusammen um sich vor dem Gröbsten zu schützen und starrte durch den schmalen Spalt zwischen den Lidern nach oben. Sie wolle sehen, wer sie aus ihrem Gefängnis befreit hatte. Über ihr stand breibeinig eine Gestalt, die sie nicht genau erkennen konnte, aber sie wusste sofort, dass es nicht Jeremy war. Sie war eine Ewigkeit mit ihm zusammen gewesen und kannte alles an ihm besser als er selbst. Der Schemen war größer und irgendwie... kräftiger... männlicher als Jeremy. Zu ihrem Entsetzen wühlte der Gedanke sie auf und ließ Bilder in ihrem Kopf entstehen. Du bist keine solche Frau! Aber vielleicht war sie es doch? Der mahnende Gedanke fühlte sich schal an; er hatte keine Substanz. Jeremy. Jeremy. Ganz egal, wie oft sie sich den Namen vorsagte spürte sie dennoch eine Anziehung, die von dem Schemen über ihr ausging; von einem Mann, den sie nicht einmal sehen konnte. Du kannst wohl kaum noch tiefer sinken; vernarrt in einen Kerl, der dich aus einem Grab zerrt und den du noch nicht mal richtig erkennen kannst. Immerhin; er hatte ihr das Leben gerettet. Das war nichts was jeden Tag geschah. Das Stockholm-Syndrom. Das ist so etwas wie das Stockholm-Syndrom. Die Erklärung klang gut, aber sie glaubte sie selbst nicht. In Wahrheit unterschied sie offenbar nichts von den anderen Frauen, über die sie nie ein gutes Wort verloren hatte; Frauen die ihre Männer wegen eines schönen Körpers oder Geld betrogen. Und jetzt? Jetzt verfiel sie einem gesichtslosen Schatten, der sie aus einem Sarg holte. Wäre die Situation nicht so absonderlich gewesen, hätte sie vielleicht darüber lachen können. Eine Hand streckte sich ihr entgegen und wartete geduldig darauf ergriffen zu werden. Sie leistete der stummen Aufforderung folge; es gab ohnehin nichts, was sie sonst hätte tun können. Kühle, kräftige Finger schlossen sich um ihre und zogen sie mit erstaunlicher Kraft aus dem Loch, in dem man sie verscharrt hatte. Taumelnd versuchte sie das Gleichgewicht zu halten nachdem die Hand sie losließ. Ihre Augen hatten sich noch immer nicht an die Helligkeit des Mondlichts und einer Handvoll Straßenlaternen gewöhnt und ließen sie nach wie vor nur Formen und grelle Farben erkennen. Der Mann der sie befreit hatte stand vor ihr und schien sie abwartend anzusehen. Soviel zumindest konnte sie erkennen. „Wer...“ sagte sie und wurde von einer sonoren, Stimme, die etwas in ihr in Schwingung versetzte, das sie schon lange vergessen geglaubt hatte. „Ich bin jemand der dir helfen kann.“ Helfen? Wobei helfen? Ihre Verwirrung wuchs. „Ich kann dir helfen dich zurecht zu finden. Vieles wird neu für dich sein“. Wovon spricht der Kerl? Kann er deine Gedanken lesen? Sie blinzelte und versuchte das Gesicht zu erkennen, das zu der Stimme gehörte. Sie wollte sehen, wer der Mann war, der ihr seine Hilfe bei etwas anbot, von dem sie nicht einmal wusste was es war. Tatsächlich gewann der Schemen an Substanz und die Züge eines markanten Gesichts schälten sich aus dem diffusen Nebel aus Formen und Farben. Dunkle, beinahe schwarze Augen, der Schatten eines bläulich schimmernden Bartes und die gebräunte Haut eines Mannes, der aus südlichen Gefilden stammte. Gutaussehend dachte sie zusammenhanglos. Aber da war noch etwas; etwas das sie nicht sehen, aber spüren konnte. Von ihrem Retter ging etwas aus, das sie noch nie so stark bei einem anderen Menschen wahrgenommen hatte; urtümliche Kraft, absolute Selbstsicherheit und eine Aura von Macht. Er war wie einer der jungen Männer aus den Filmen von denen heranwachsende Mädchen in einsamen Nächten träumten; und doch auch ganz anders. „Du wirst es gleich verstehen“ sagte er. Die Stimme schien irgendetwas tief in ihrem Inneren in Gang zu setzen. In ihrem Magen explodierte ein greller Schmerz und in ihren Ohren pochte das Blut, als würde es ihre Adern sprengen wollen. Ihr wurde unerträglich heiß und ein Schwindelgefühl erfasste sie von einem Augenblick auf den anderen. Keuchend sank sie auf die Knie und presste die Stirn gegen die Erde als der Schmerz in ihrem Magen stärker wurde. Noch nie zuvor hatte sie etwas Ähnliches gespürt. Kreatürliche Angst fegte all ihre Vernunft beiseite. Sie wollte trinken; ihre Zähne in weiches Fleisch... Was zum Teufel ist los mit dir? Sie versuchte den Gedanken festzuhalten, aber er entglitt ihr genauso schnell wie er gekommen war und hinterließ eine irgendwie angenehme Leere; und schrecklichen Durst. Ohne es zu wollen spannte sie alle Muskeln an und warf sich auf ihren Retter. Zumindest wollte sie es. Trotz der erstaunlichen Schnelligkeit mit der sie sich bewegte war sie zu langsam. Der Mann war von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr da wo er hätte sein sollen. Sie taumelte noch einige Schritte vorwärts und blieb schließlich verwirrt stehen. Sie begriff nicht, wie es möglich war, dass sie sich so schnell wie eine Figur aus einem Comic bewegen konnte. Noch weniger verstand sie, warum ihr Befreier ihr dennoch mit einer Leichtigkeit hatte ausweichen können, als hätte er es mit einer alten Frau zu tun. „Ich sagte doch, dass ich dir vieles beibringen kann.“ Die Stimme, die so sehr wie die eines gesetzten Professors klang machte sie rasend und ließ den Sinn der Worte verschwimmen. Erneut stürzte sie sich auf ihn und war auch dieses Mal viel zu langsam. Ihr Versagen fachte die Wut in ihrem Inneren nur noch stärker an. Gleichzeitig wurde der Durst größer, der in ihrer Kehle brannte. Ohne es zu bemerken knurrte sie wie ein Raubtier, das einer Bedrohung gegenüber stand. Etwas schloss sich hart wie Klammern aus Stahl um ihre Handgelenke und hielt sie fest. Ihr Befreier stand hinter ihr, wo sie ihn nicht erreichen konnte. Sie versuchte sich herum zu werfen, aber gegen die überlegene Kraft dieses seltsamen Mannes kam sie nicht an. „Ich bin nicht dein Feind. Wenn du aufhörst gegen mich zu kämpfen, dann zeige ich dir, wie du den Durst stillen kannst, der dich quält“ flüsterte er ihr ins Ohr. Als sie versuchte den Kopf zu drehen, um ihn mit ihren Zähnen zu erreichen presste er ihre Handgelenke zusammen, bis ihre Knochen bedenklich knackten. „Lass das lieber sein!“ Seine Stimme klang jetzt schneidend und kalt wie Eis. Sie begriff, dass sie dabei war eine Grenze zu überschreiten, hinter der der Tod lauerte. Das Feuer der Wut wurde schwächer, bis nur noch schwelende Glut zurück blieb. Ihre Gedanken wurden klarer und hörten auf wild durcheinander zu wirbeln. Nur der Durst blieb. Sie spürte wie der Mann in ihrem Rücken ihre Handgelenke los ließ und einen Schritt zurücktrat. Noch einmal spürte sie den übermächtigen Impuls herumzuwirbeln, ihn anzugreifen und ihre Zähne in sein Fleisch zu schlagen das ist krank und das weißt du auch aber sie verzichtete auf einen Versuch, der ohnehin nur scheitern konnte und der sie das Leben kosten konnte in das sie eben erst zurückgefunden hatte. Sie ließ die Schultern hängen und starrte ins Leere. „Was ist mit mir geschehen?“ fragte sie mit kaum hörbarer Stimme. „Komm mit mir und ich zeige es dir.“ Lautlos tauchte er wie hingezaubert neben ihr auf und streckte die Hand aus. Maria ergriff sie und schloss ihre Finger um die seinen. “Du hast schrecklichen Durst” sagte er mit sanfter Stimme. Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. Sie wollte antworten, aber sie konnte es nicht. Irgendetwas schnürte ihr die Kehle zu und ihr gesamter Körper schien plötzlich von innen heraus zu verbrennen. Sie versank in wohliger Dunkelheit.