Einführung in die Managementlehre

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Stakeholder:

Der Schlüssel zur Beziehung mit der Umwelt oder den jeweiligen Umweltsphären sind die Anspruchsgruppen (s. Kap. 6.3.2). Stakeholder oder Anspruchsgruppen sind Akteure (z. B. Individuen oder Organisationen), die in der Umwelt tätig sind und über die Beziehung mit der Organisation einen eigenen Anspruch an diese stellen. Die Mitwirkung von Anspruchsgruppen (z. B. Mitarbeitende, Kunden, Kapitalgeber, Lieferanten oder auch der Staat) ist für das Überleben des Unternehmens erforderlich. Wichtigste Aufgabe des Managements ist es, den Zusammenhalt der Anspruchsgruppen zu sichern (vgl. Bleicher, 1991) und dabei auch Zielkonflikte zwischen den Anspruchsgruppen zu moderieren. Wenn z. B. in einer Krisensituation wie einer Pandemie das Unternehmen wirtschaftlich unter Druck gerät, muss das Management entscheiden, wie weit es den Ansprüchen der Mitarbeitenden auf Erhalt der Arbeitsplätze entgegenkommen kann, ohne dabei andere Ansprüche (z. B. von Lieferanten, die an der Zahlungsfähigkeit interessiert sind) allzu stark zu gefährden. Weil die Anspruchsgruppen in ihre jeweilige Umweltsphäre eingebettet sind, repräsentieren sie diese. Umweltverbände stehen für die natürliche Umwelt; Kapitalgeber, Lieferanten und Kunden für die wirtschaftliche Umwelt; der Staat und die Medien für die gesellschaftliche Umwelt. Für eine Organisation dienen entsprechende Beziehungen dazu, über die Anspruchsgruppen die notwendigen Ressourcen zu erschliessen. Dank Medienarbeit kann die eigene Reputation gestärkt werden, dank Beziehungen zu Investoren wird finanzielles Kapital erschlossen. Gute Kundenbeziehungen sind wesentlich für den [20] Verkauf der Produkte und Dienstleistungen und stabile Kontakte zu Zulieferern sind zentral für die zuverlässige Bereitstellung von Komponenten dieser Produkte und Dienstleistungen.

Interaktionsthemen:

Interaktionsthemen (s. Kap. 6.3) sind die Themen, die eine Organisation mit ihren Anspruchsgruppen verhandelt, und betreffen deren Wechselbeziehung zu den jeweiligen Umweltsphären. So geht es um natürliche Ressourcen, wenn ein Unternehmen ein Ausbauprojekt verfolgt und dafür mehr Land braucht. Es geht um Normen oder Werte, wenn mit Mitarbeitenden über Führungsprinzipien und die zukünftige strategische Ausrichtung verhandelt wird. Um die Anliegen und Interessen des Staates im Verhältnis zu Kapitalgebern geht es bei Themen wie einer Aktienrechtsrevision, bei der die Stimmrechte einzelner Aktionärskategorien neu geregelt werden.

Prozesse:

Prozesse können als eine Abfolge von Aktivitäten definiert werden (s. Kap. 1.5.2). Im Zentrum einer Unternehmung stehen als primäre Prozesse die Geschäftsprozesse (s. auch Bieger, 2019). Die Geschäftsprozesse beinhalten Leistungserstellungsprozesse (die eigentliche Produktion des Unternehmens), Leistungsinnovationsprozesse und Kundenprozesse, bestehend aus Kundenakquise-, Kundenbindungs- und Reputationsprozessen. Die Managementprozesse beinhalten die Prozesse, die zur Steuerung des «Systems» Unternehmen und seiner Beziehungen zur Umwelt dienen. Diese erfordern Kompetenzen und Techniken der Kommunikation und Entscheidungsfindung (s. Kap. 2.2). Unterstützungsprozesse sind Funktionen, die indirekt Geschäftsprozesse unterstützen (z. B. Prozesse des Finanzmanagements und des Personalwesens).

Entwicklungsmodi:

Weil sich die Umwelt selbst fortlaufend weiterentwickelt, sind auch die Organisationen permanent gefordert. Bei den Entwicklungsmodi (s. Kap. 3.7) wird grob zwischen zwei Typen organisationaler Veränderung unterschieden: Beim Modus der Optimierung wird der laufende Betrieb kontinuierlich verbessert, beim Modus der Erneuerung wird der Status Quo grundsätzlich in Frage gestellt. Optimierung bedeutet Verbesserung im Rahmen bestehender Strukturen, während Erneuerung auch die Veränderung dieser Strukturen beinhaltet. Eine Produktionslinie in der Automobilindustrie kann z. B. in Bezug auf Durchlaufzeiten schrittweise durch die feinere Abstimmung der einzelnen Fertigungsschritte (Schleifen, [21] Kleben, Lackieren, usw.) verbessert werden. Sie kann aber nur mit einem erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand grundsätzlich und tiefgreifend verändert werden, z. B. auf eine neue Antriebstechnologie wie Elektroantrieb angepasst und umgestellt werden. Häufig geschehen Wechsel zwischen diesen beiden Modi. Wenn ein Wertschöpfungssystem neu konfiguriert wurde (Erneuerung), braucht es nachfolgend eine Phase der Optimierung und dafür strukturelle Stabilität. Im Management laufen die beiden Modi oft parallel. Es gilt, Entscheide zur Optimierung und gleichzeitig zur Infragestellung des Bestehenden zu treffen.

Ordnungsmomente:

Die Ordnungsmomente sichern die notwendige Grundordnung in Form einer Governance, einer durch die Strategie vorgegebenen Entwicklungsrichtung, einer auf die Umsetzung der Strategie ausgerichteten Organisationsform und eines durch die Kultur definierten Normen- und Wertsystems.

– Die Governance (s. Kap. 5.6) stellt die Voraussetzungen für Management- und Strategiefähigkeit durch eine geeignete Zwecksetzung der Unternehmung, durch Managementressourcen, eine Kompetenzordnung und Prozesse sicher. Die Governance regelt Rollen, Rechte und Pflichten des Managements und legt die normative Ausrichtung, also Vision und Mission einer Organisation, fest (Rüegg-Stürm & Grand, 2020).

– Eine Strategie (s. Kap. 3.2) kann nur erstellt werden, wenn klar ist, was der langfristige Zweck einer Organisation ist. Bei einer Sportinfrastrukturstätte sollte z. B. klar sein, ob sie ein Gesundheits- oder ein Freizeitunternehmen ist. Das definiert die Suchfelder für die Strategie (z. B. für neue Produkte). Ziel der Strategie ist die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Dazu werden strategische Erfolgspositionen innerhalb des Unternehmens («insideout», z. B. Kernkompetenzen) oder ausserhalb («outside-in», z. B. Marktpositionierungen) erschlossen.

– Die Struktur (s. Kap. 4.2) einer Organisation hat sich nach den strategischen Erfolgspositionen auszurichten, entsprechend denen die Prozesse zu definieren und mit dem Ziel der optimalen Unterstützung der Strategie zu gestalten sind (vgl. Osterloh & Frost, 1996). Definiert ein Unternehmen etwa als zentrale strategische Erfolgsposition die Fähigkeit, Serviceprozesse möglichst optimal an Kundenbedürfnisse anzupassen, dann stehen kundenorientierte Dienstleistungsprozesse im Vordergrund und die Organisation hat sich als primäres Ordnungskriterium nach [22] Kundengruppen auszurichten, möglicherweise indem die Hauptabteilungen nach Kundengruppen definiert werden.

– Zwischen Struktur und Kultur (s. Kap. 4.6) gibt es eine Wechselbeziehung. So führt eine stark hierarchische Organisation zu einer Kontrollkultur, die ihrerseits wieder auf die Funktion der Organisation zurückspielt. Die Kultur muss wiederum konsistent oder mindestens kompatibel sein mit dem Unternehmenszweck.

Aus diesen Überlegungen und der Logik des SGMM folgend, lässt sich eine Liste (Abbildung 1-2) von Grundaufgaben des Managements ableiten, die in jeder Organisation zu erfüllen sind.


Abbildung 1-2: Grundaufgaben des Managements

Quelle: angelehnt an Rüegg-Stürm und Grand (2020)

1.3 Entwicklung der St. Galler Management-Modelle

Die vorgestellte aktuelle Version des SGMM steht in einer etwa 50-jährigen Tradition, welche Management über mehrere Generationen systematisch weiterentwickelt hat. Ausgangspunkt ist der Anspruch, ein «Leerstellengerüst für Sinnvolles» (Ulrich & Krieg, 1972) zu schaffen. Als solches «Gerüst» bietet das SGMM eine Struktur, um Problemstellungen einordnen zu können und damit z. B. eine Diskussion zu erleichtern. Wie jedes Modell ist es ein vereinfachtes Abbild der Realität, das für den entsprechenden Zweck geeignet konkretisiert werden muss.

1.3.1 SGMM der ersten Generation

[23] Schon beim ersten SGMM steht anfangs der 1970er-Jahre die Leitidee im Vordergrund, «nicht ein rezepthaftes Vermitteln von Wissen, sondern ein offenes Angehen von Problemen» zu ermöglichen (Ulrich & Krieg, 1972, S. 9). Das Modell basiert auf einer Betriebswirtschaftslehre, bei der Unternehmen als Systeme modelliert werden. Dabei wird das Systemdenken beschrieben als ganzheitliches, prozessorientiertes, interdisziplinäres, analytisches, synthetisches und pragmatisches Denken (Ulrich & Krieg, 1972). Damit wird dem integrativen Denken Rechnung getragen, wobei ein funktions- und disziplin-übergreifendes Herangehen an Fragestellungen der Praxis erleichtert werden soll.


Abbildung 1-3: SGMM der ersten Generation: Führungsmodell, Umweltmodell, Unternehmensmodell

Quelle: Ulrich und Krieg (1972, S. 20, 27, 31)

 

[24] Das Modell besteht aus drei Teilen: Dem Unternehmensmodell, dem Umweltmodell und dem Führungsmodell (Abbildung 1-3). Ziel ist es, die Führung zu unterstützen, indem die Unternehmung als produktives sowie technisches System dargestellt und ein Instrument zur Analyse bereitgestellt wird.

Im Unternehmensmodell werden folgende fünf Elemente genauer analysiert (Ulrich & Krieg, 1972):

– Die Umwelt der Unternehmung (Anspruchsgruppen, Umweltsphären)

– Die Märkte und Marktleistungen (Beschaffungs- und Absatzmärkte, Ressourcen und Marktleistung)

– Die Funktionsbereiche (Vollzugsbereich, Versorgungsbereich, Führungsbereich)

– Die Gestaltungsebenen (technologische, ökonomische und soziale Gestaltungsebene)

– Die Strukturierung der Aufgaben – repetitive und innovative Aufgaben (Bewahrung und Erneuerung)

Das Umweltmodell mit den Umweltsphären und Anspruchsgruppen hat in dieser Form bestand bis zum heutigen SGMM.

Im Bereich der Unternehmensführung (Führungsmodell) werden drei Gliederungskriterien verwendet (Ulrich & Krieg, 1972):

– Führungsstufen (Unternehmenspolitik, Planung, Disposition)

– Führungsphasen (Ziele, Mittel, Verfahren)

– Führungsfunktionen (Entscheiden, In-Gang-Setzen, Kontrollieren)

Diese Strukturierungsansätze finden sich in ähnlicher Form auch in den nachfolgenden Generationen des SGMM. Dabei wird das Modell immer wieder an aktuelle Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre und Herausforderungen des Managements angepasst.

1.3.2 SGMM der zweiten Generation

Die zweite Generation des SGMM (Bleicher, 1991) wird unter dem Titel «Das Konzept integriertes Management» präsentiert. Der ganzheitliche Ansatz von Ulrich und Krieg (1972) wird betont und das «integrierte» Management explizit adressiert. Dabei soll das SGMM der zweiten Generation «den Anforderungen eines Paradigmenwechsel hin zu einem Führungsverständnis, das sich mit der gestiegenen Komplexität und [25] der Dynamik bewusst auseinandersetzt», gerecht werden (Bleicher, 1991, S. 147). Anfang der 1990er-Jahre ist die Zeit der neuen Weltordnung mit dem Zusammenbruch des ehemaligen Sowjetsystems und der Planwirtschaft. Wichtige technologische Erneuerungen werden (z. B. im IT-Bereich) absehbar. So werden in der zweiten Generation die damals diskutierten Systemebenen (vgl. Schwaninger, 1988), die normative, die strategische und die operative Dimension eingeführt (Abbildung 1-4).


Abbildung 1-4: SGMM der zweiten Generation: normative, strategische und operative Ebene der Unternehmung

Quelle: Bleicher (1991)

1.3.3 SGMM der dritten Generation

Das SGMM der dritten Generation (Rüegg-Stürm, 2003) entsteht im Hinblick auf die anstehende Neukonzeption des Studiums an der Universität St. Gallen als Grundlage für ein Lehrbuch für die einführende Betriebswirtschaftslehre (Dubs, Euler & Rüegg-Stürm, 2004, S. 8). Die zentralen Themen entsprechen im Wesentlichen denjenigen der vorangegangenen und bereits im ersten St. Galler-Management-Modell identifizierten Dimensionen (Abbildung 1-5):

– [26] Die Umweltsphären

– Die Anspruchsgruppen

– Die Interaktionsthemen (Ressourcen, Normen und Werte, Anliegen und Interessen)

– Die Ordnungsmomente (Strategie, Struktur, Kultur)

– Die Entwicklungsmodi (Optimierung, Erneuerung)

Entsprechend den neueren Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre wird diese ergänzt durch eine prozessorientierte Sicht (vgl. auch Porter, 1985; Osterloh & Frost, 1996) als Ablösung der funktionalen Sicht mit einer Unterscheidung in Geschäftsprozesse, Managementprozesse und Unterstützungsprozesse sowie einer Betonung der Kommunikation für die Bewältigung der Managementaufgaben.


Abbildung 1-5: Kernvisualisierung des SGMM der dritten Generation

Quelle: Rüegg-Stürm (2003, S. 22)

1.3.4 SGMM der vierten Generation

[27] Die vierte Generation des SGMM (Rüegg-Stürm & Grand, 2017) wird verstanden als «erneuter Versuch für die Reflexion, Diskussion und Bearbeitung der Komplexität, mit der sich die Management-Praxis heute konfrontiert sieht, eine Sprache und einen Ordnungsrahmen zu entwickeln» (Rüegg-Stürm & Grand, 2017, S. 7). Management wird dabei definiert als reflexive Gestaltungspraxis zur Unterstützung unternehmerischer Aufgaben und Herausforderungen. Damit ergänzt die vierte Generation die Prozessorientierung der dritten Generation um das Moment der systematischen Reflexion und fortlaufenden Gestaltungsarbeit als Kern von Management. Ein zentraler Grund liegt in der zunehmenden Komplexität, Ungewissheit und Dynamik der heutigen Welt. Dies verlangt von Führungskräften, Entscheidungen unter Bedingungen mit Ungewissheit, Dynamik und Komplexität zu treffen und dabei die möglichen Folgen der eigenen Entscheidungen einzubeziehen.

Die einleitend skizzierte (s. Kap. 1.2) aktuelle, vierte Generation des SGMM (Rüegg-Stürm & Grand, 2017) wird mit einem ergänzenden Arbeitsinstrument operationalisiert (Rüegg-Stürm & Grand, 2020). Dieses umfasst in seiner Aufgabenperspektive (Abbildung 1-1) dieselben sechs Schlüsselkategorien wie die dritte Generation (Umweltsphären, Stakeholder, Interaktionsthemen, Prozesse, Ordnungsmomente und Entwicklungsmodi) und enthält in seiner Praxisperspektive vier weitere Schlüsselkategorien:

– Wertschöpfung (Ausdifferenzierung, Ressourcenkonfiguration, Wertschöpfungsprozesse, Entscheidungspraxis, Beziehungskultur)

– Orientierungsrahmen (Operative, strategische und normative Orientierung)

– Management-Praxis (Manager-Communities, Gestaltungsplattformen, Gestaltungspraktiken, Reflexionssprache)

– Umwelt (Umweltsphären, Stakeholder und Existenzbedingungen)

Diese jüngste Publikation zum aktuellen SGMM (Rüegg-Stürm & Grand, 2020) versteht sich als Ergänzung zum wissenschaftlichen Grundlagenbuch (Rüegg-Stürm & Grand, 2017) im Sinn eines didaktisch aufbereiteten Arbeitsinstruments und einer Reflexionshilfe für eine vertiefte Auseinandersetzung mit Management.

1.4 Integratives Management

[28] In der St. Galler Tradition ist es zentral, Management integrativ zu verstehen. Integratives Management kann definiert werden als Gestaltung und Führung einer Organisation als zweckorientiertes soziotechnisches System, wobei wesentliche Spannungsfelder und Zielkonflikte bewusst und verantwortungsvoll behandelt werden (Bieger et al., 2021). Zu diesen Spannungsfeldern und Zielkonflikten gehören die unterschiedlichen Perspektiven von einzelnen Unternehmensfunktionen, aber auch unterschiedliche Erwartungen von Anspruchsgruppen oder die Abwägung zwischen kurzfristiger operativer und langfristiger strategischer Sichtweise und insbesondere eine integrierte Wahrnehmung aller Führungsaufgaben (von Analyse über Planung bis Kontrolle). Management-Modelle sollen als vereinfachte Abbilder einer komplexen Realität Verantwortliche bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben zu unterstützten.

1.4.1 Ursprünge des integrativen Verständnisses von Management

Wenn ein neues Produkt entwickelt werden soll, braucht es das Zusammenspiel von Marketing (Einbringen der Kundenbedürfnisse), Entwicklung, Produktion, Finanzen und Controlling (Sicherstellung der notwendigen Investitionen) und Compliance (Sicherstellung der Einhaltung von Regeln und Gesetzen). Zur Vorbereitung einer Unternehmensübernahme hingegen braucht es für die Bewertung und «Due Diligence» (sorgfältige Prüfung des Übernahmeobjekts) Fachpersonen aus Finanz und Compliance, für die Ausarbeitung der Verträge Rechtskompetenz und für die begleitende interne und externe Verständigung Kommunikationskompetenz. Diese beiden Beispiele zeigen, dass für die Lösung von Managementaufgaben auf jeder Stufe eine integrative Sichtweise notwendig ist. Dies betrifft nicht nur die einzubeziehenden Kompetenzen und damit verbunden die unternehmerischen Funktionsbereiche, sondern auch die Beurteilung der Wirkungen des eigenen Handelns auf die verschiedenen Umwelten und Anspruchsgruppen. Ausserdem gilt es, kurzfristige und langfristige Folgen zu berücksichtigen, womit bereits drei Dimensionen (Funktionen, Anspruchsgruppen, Zeithorizonte) einer integrativen Denkweise angesprochen sind.

Entsprechend gehen verschiedene Autoren der klassischen Managementforschung, z. B. Mintzberg und Drucker, von einem integrativen Ansatz aus. Drucker beschreibt z. B. in seinem 1946 erschienenen Buch «Concept of the Corporation» das Management (erstmals) als [29] spezifisches Organ, das spezifische Tätigkeiten mit spezifischen Verantwortungen ausführt (Drucker, 1993). Der Aufstieg von Management als Disziplin ist in seiner Sicht die wohl wichtigste Entwicklung des 20. Jahrhunderts: «In this century, society has become a society of organizations. Every major social task in this society is being performed in and through large, managed institutions» (Drucker, 1973, S. 545). Auch andere Wissenschaftler fokussieren sich auf Management als entscheidendes und handelndes Organ respektive Akteur. So beschreibt Mintzberg in seiner beachtenswerten Arbeit, wie Management die Vielfalt der parallelen Aufgaben bewältigt. Auf Grund einer Beobachtungsstudie kommt er zum Schluss, dass Manager Probleme wie Jongleure kurz in den Händen halten, bearbeiten und dann wieder zur Weiterbearbeitung in den Umlauf bringen (Mintzberg, 1991, S. 33).

Auch in der St. Galler Managementforschung hat die Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Managements als handelndes Organ eine lange Tradition. So schreiben Ulrich, Krieg und Malik (1976), dass der Zweck der Betriebswirtschaftslehre darin bestehe, «handelnden Menschen das in bestimmten Problemsituationen benötigte Wissen zur Verfügung zu stellen» (S. 135).

Im Sinne der Zweckdienlichkeit steht in der Management-Forschung für lange Zeit «Relevance» (Lebens- und Zweckdienlichkeit) vor «Rigor» (wissenschaftliche Fundierung), bis die Betriebswirtschaftslehre selbst auch einen stärkeren wissenschaftlichen Ansatz zu suchen beginnt. Ab den 1950er- und 1960er-Jahren werden jene Stimmen lauter, die auch in der Managementlehre die in den anderen Sozialwissenschaften übliche theoretische Fundierung fordern (Gulati, 2007, S. 776; vgl. auch Gordon & Howell, 1959; Pierson, 1959). So orientiert sich die Forschung verstärkt an sozialwissenschaftlichen Grundlagen und Theorien (z. B. aus der Ökonomie oder aus der Soziologie). Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung von Strategien basierend auf «Industry Ecomonics» wie den Skalen- und Verbundeffekten. Damit einher geht auch eine Ausdifferenzierung der Managementforschung, wie sie in verschiedenen Disziplinen zu beobachten ist. Verstärkt orientiert sich die Forschung an einzelnen Funktionen und Subdisziplinen. So entwickelt sich z. B. das Marketing zu einem eigenständigen Forschungsgebiet innerhalb der Betriebswirtschaftslehre, wobei innerhalb des Marketings wiederum eigene Gebiete wie Customer Insight oder Brand Management quasi als Subdisziplinen mit eigenen Forschungsgemeinschaften entstehen.

Diese Orientierung an der Wissenschaftlichkeit ermöglicht zwar eine stärkere Mikrofundierung von Erkenntnissen, erschwert aber eine [30] tiefere Problemorientierung (Nickerson & Argyres, 2018). So entwickelt z. B. die Marketingforschung immer differenziertere Erklärungen für Konstrukte und Theorien wie die wahrgenommene Fairness oder den wahrgenommenen Kundenwert. Für wesentliche Fragen der Praxis wie die Gestaltung eines integrierten Marketingmix wird in der Praxis jedoch immer noch auf Konzepte aus den 1980er-Jahren wie das Dominanz-Standard Modell zurückgegriffen (vgl. Kühn, 1985).