Die Rentenberatung

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2.3 Zur Rendite der gesetzlichen Rente – heute und in der Zukunft

Die Rentenreformen der letzten Jahre haben parallel zu den kritischen ökonomischen Rahmendaten zu einer Verminderung der durchschnittlich ausgezahlten Altersrenten geführt. Auswirkungen auf die Höhe der Rente haben sich durch die bei vorzeitigen Altersrenten eingeführten Rentenabschläge ergeben. So mussten z.B. Frauen der Geburtsjahrgänge 1945 bis 1951 bei der vorzeitigen Altersrente für Frauen ab dem 60. Lebensjahr einen Abschlag von 18 Prozent hinnehmen. Dies galt ebenso für Versicherte der Jahrgänge 1942 bis 1945, die eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit erhielten. Im Jahr 2011 mussten von den Versicherten, die erstmals eine Altersrente bezogen („Rentenzugänge"), rund die Hälfte Rentenabschläge in Kauf nehmen. Seit 2012 setzt sich der Trend zu weniger Renten mit Abschlägen durch. So sank der Anteil reduzierter Altersrenten (Männer und Frauen bundesweit) 2020 sogar auf 22,5 Prozent. Mit verantwortlich dafür ist der Einstieg in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährige Versicherte ab dem 63. Lebensjahr. Aber auch das Hinausschieben des Rentenbeginns spielt eine Rolle.

Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag bei Männern in den alten Bundesländern – vor Abschlag – lag hier bei 1266,00 € im Monat. Die Altersbezüge wurden im Durchschnitt um 116,00 € gekürzt aufgrund durchschnittlich 25,4 Abschlagsmonaten.

Auch die drastischen Einschnitte durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz infolge der Nichtberücksichtigung von weiteren Schul- bzw. Hochschulzeiten und bezüglich der Anrechnung der ersten Berufsjahre zeigen jetzt schon deutliche Spuren. Falls Schul- oder Hochschulzeiten – aber keine Berufsfachschule – in den Versicherungsverlauf aufgenommen worden sind, werden sie bei einem Rentenbeginn ab 01.01.2009 nicht mehr rentensteigernd berücksichtigt. Die vor 01.01.2006 in Betracht kommende höchste Bewertung beläuft sich auf 0,75 Entgeltpunkte (EP) pro Jahr, für drei Jahre also 2,25 EP; multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert am 01.07.2020 in Höhe von 34,19 € ergeben sich rund 76,93 € an fehlender monatlicher Rente.

Mit der Frage der RenditeRendite der Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung haben sich bereits 1997 die Autoren Ohsmann/Stolz (Mitarbeiter des Referates für Entwicklungsfragen der Sozialen Sicherheit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA –, jetzt DRV Bund, Berlin, s. Veröffentlichung in DAngVers. 02/04) befasst. Seinerzeit ergaben sich Renditen in Abhängigkeit vom jeweils betrachteten Modellfall zwischen 5,3 Prozent (ledige Männer, Rentenzugang mit 65 Jahren) und 7 Prozent (ledige Frauen, Rentenzugang mit 60 Jahren).

Für alle berechneten Modellfälle sind BarwerteBarwerte für den Zeitpunkt des Rentenbeginns bestimmt worden, d.h., die Beiträge zur Rentenversicherung wurden bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns aufgezinst und die Rentenzahlungen werden – bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns – abgezinst. Die Berechnungen der BfA zur Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen sich auf Modellfälle, bei denen typisierende Annahmen bezüglich Versicherungsverlauf und Rentenbezugszeit getroffen werden. Es wird von Versicherten ausgegangen, die 45 Jahre lang durchschnittlich verdient und entsprechende Beiträge bezahlt haben. Diese Versicherten beziehen ihre Rente für einen Zeitraum, der für jeden Modellfall der durchschnittlichen Lebenserwartung zu Rentenbeginn entspricht.

Tatsächlich werden bei den Renditeberechnungen nicht die gesamten eingezahlten Beiträge den erwarteten (Alters-)Rentenzahlungen gegenübergestellt, sondern nur 80 Prozent der Beiträge. Dies hat seinen Grund darin, dass nur etwa 80 Prozent der Rentenbeiträge zur Finanzierung der Altersrenten verwendet werden; die restlichen 20 Prozent dienen der Absicherung des Erwerbsminderungs- und des Todesfallrisikos des Versicherten während der Erwerbsphase (in diesen Fällen müssten Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrenten gezahlt werden) sowie der Finanzierung von Rehabilitationsleistungen. Bei der realitätsgerechten Berechnung der Rendite der Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung ist deshalb auch nur von jenem Beitragsanteil auszugehen, der tatsächlich (im Durchschnitt) für die Altersrenten verwendet wird. Nur so ist im Übrigen auch ein Vergleich mit den Renditen anderer Formen der Alterssicherung möglich, die häufig auf die reine Geldleistung im Alter beschränkt sind und bei denen eine Absicherung der Erwerbsminderungs- und Todesfallrisiken während der Erwerbsphase oder der Kosten von Rehabilitationsmaßnahmen nicht erfolgt.

Die seit 1997 vollzogenen zahlreichen Rechtsänderungen vom Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz bis zum Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz, die – einschließlich der erläuterten Rentenabschläge – eine Senkung des Rentenniveaus in die Wege geleitet haben, waren für die DRV Bund Anlass, die Renditeberechnung zu aktualisieren. Die vorgelegte interne Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung für Rentenzugänge in den Jahren 2012 bis 2040 sieht für den Renteneintritt bei Männern immer noch eine Rendite von 3,2 Prozent und bei Frauen von 3,8 Prozent vor. Grundsätzlich können aber auch längerfristig alle Versicherten mit einer jährlichen Rendite von rund 3 v.H. rechnen.


Interne Rendite in der gesetzlichen Rentenversicherung für Rentenzugänge in den Jahren 2013 bis 2040 Standardrente auf Basis von 45 Versicherungsjahren mit Durchschnittsverdienst, Renteneintritt mit 65 Jahren (Pflichtbeiträge von 1967 bis 2012 Rentenanpassungen und Lebenserwartung nach Rentenversicherungsbericht 2011
Rentenbeginn Rendite für Männer ledig * Rendite für Frauen
01.01.2012 3,2 Prozent 3,8 Prozent
01.01.2020 3,1 Prozent 3,6 Prozent
01.01.2030 3,0 Prozent 3,4 Prozent
01.01.2040 3,0 Prozent 3,4 Prozent
* Aufgrund der sich ggf. ergebenden Hinterbliebenenrente entspricht die Rendite für verheiratete Männer in etwa der Rendite für Frauen Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund

Abbildung 4:

Beispiele zur Renditeberechnung der gesetzlichen Rente

Diese positive Perspektive ändert sich auch nicht, wenn – wie derzeit in der stufenweisen Umsetzung begriffen – das Renteneintrittsalter auf das 67. Lebensjahr angehoben wird. Wie zuvor dargestellt, ist gleichzeitig von einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung auszugehen. Auch 2021 ist als generelle Renditeaussage für die gesetzliche Rente ein Satz von etwas über 3 Prozent aktuell!

Kapitallebensversicherung im Rückwärtsgang

Dieser Rendite gegenüber steht der mehrmals abgesenkte Garantiezins im Jahr 2021 auf jetzt 0,25 Prozent (!) für alle Neuabschlüsse einer kapitalbildenden Lebensversicherung und einer privaten Rentenversicherung. Dieser garantierte Zinssatz ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Versprachen die deutschen Versicherer in den 1990er Jahren teilweise noch vier Prozent, so bekommt ein Kunde beim aktuellen Abschluss einer klassischen Lebensversicherung oder Rentenversicherung nach zuletzt 0,9 Prozent nun maximal noch 0,25 Prozent gewährleistet.

Außerdem sollen Versicherte bei Kündigung oder regulärem Ablauf nicht mehr zur Hälfte an Bewertungsreserven bei festverzinslichen Wertpapieren beteiligt werden. Für Kunden des privaten Versicherungsgewerbes sind das nach Ansicht von Verbraucherschützern keine guten Nachrichten. Alle Betroffenen mit einer Kapitallebensversicherung, einer Riester-, Rürup- oder privaten Rente bzw. einer betrieblichen Altersversorgung über eine private Versicherung müssen befürchten, auf wichtige Teile ihrer Überschussbeteiligungen zu verzichten. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft ab 01.01.2018 wird dies mit der neuen Absicherungsform „Pay and forget“ – also keine Garantie für das eingezahlte Kapital im Leistungsfall – noch verstärken.

2.4 Rendite-Plus durch weitere Regelleistungen

Um zu der für einen Versicherten individuell geltenden persönlichen Rendite aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gelangen, muss aber das gesamte Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung betrachtet werden. Nach § 23 SGB I stehen den rentenversicherten Personen und bei bestimmten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen auch ihren Familienangehörigen insgesamt folgende Leistungen zur Verfügung:

 

 Heilbehandlung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und andere Leistungen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen,

 Präventionsleistungen für Personen im erwerbsfähigen Alter,

 Renten wegen Alters und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind,

 Renten wegen Todes,

 Witwen- und Witwerrentenabfindungen,

 Beitragserstattungen,

 Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung,

 Leistungen für Kindererziehung.

2.5 Verfahrensgrundsatz: Ohne Antragstellung keine Leistung

Leistungsansprüche jedweder Art sind durch eine formale Antragsstellung rechtzeitig geltend zu machen. In der gesetzlichen Rentenversicherung existiert das Antragsprinzip. Dies bedeutet, ohne einen Antrag (entweder schriftlich, mündlich, telefonisch oder per E-Mail – aber nach formloser Willenserklärung immer unter Verwendung der offiziellen Antragsformulare) wird keine Leistung festgestellt und ausgezahlt. Es gibt von diesem Prinzip nur zwei Ausnahmen: 1.) Umwandlung einer Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersrente u n d 2.) Umwandlung einer kleinen Witwenrente in eine große Witwenrente wegen Vollendung des 47. Lebensjahres der Witwe. Bei diesen Ausnahmen handelt der Rentenversicherungsträger von Amts wegen. Entsprechende Regelungen findet man in § 115 SGB VI. Nach § 115 Abs. 6 SGB VI haben die Rentenversicherungsträger allgemein verbindliche Richtlinien zu Hinweispflichten der Rentenversicherungsträger gegenüber den Versicherten zu erstellen. Danach sind die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Eine Verletzung der Hinweispflicht kann in einzelnen Fällen zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen.

Für die Prüfung von Rentenansprüchen ist es wichtig zu wissen, dass

 Rentenansprüche auch mit Zeiten der Kindererziehung, der Pflege von Angehörigen oder mit Zeiten des Wehr- und Zivildienstes – um nur einige wichtige Tatbestände zu nennen – entstehen können,

 bei der Rentenberechnung z.B. Zeiten der Fachschulausbildung oder der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen, Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Krankheit mit Leistungsbezug, bei Schwangerschaften Zeiten der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz berücksichtigt werden,

 Rentenleistungen unter Berücksichtigung der Lohnentwicklung in der Regel dynamisch steigen,

 es für dieselben Beiträge gleich hohe Leistungen für Männer und Frauen gibt und

 unter bestimmten Voraussetzungen Grundrentenzuschläge zur Rente geleistet werden.

2.6 Grundsätzliches zur Versicherung und Finanzierung in der gesetzlichen Rentenversicherung

Ein gigantischer Haushalt ist zur Erfüllung der Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlichen. Im Wesentlichen werden die Mittel hierfür durch Beiträge in Höhe von über 233 Milliarden € und den Bundeszuschuss in Höhe von nahezu 92 Milliarden € (Stand 2019) aufgebracht.

Der überwiegende Anteil der Beiträge immerhin fast 221 Milliarden entfallen hierbei auf die Beiträge, die auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gezahlt werden. Die aktuellen Beschäftigungszahlen von 44 Millionen Menschen stellen hier ebenfalls einen Spitzenwert dar.

Die von den versicherungspflichtigen zu leistenden Rentenversicherungsbeiträge sind ein Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag beinhaltet die Beiträge zur

 Krankenversicherung,

 Pflegeversicherung,

 Rentenversicherung und

 Arbeitslosenversicherung.

Die Abführung der Beiträge erfolgt im Lohnabzugsverfahren an die zuständige Krankenkasse oder die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See/ Minijobzentrale (Einzugsstelle).

Mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden die Aufwendungen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung abgedeckt. Allein in der Rentenversicherung stehen derzeit Ausgaben in Höhe von 325 Milliarden zu Buche. Für 21,0 Millionen Rentner und Rentnerinnen in der BRD müssen u.a. Rentenzahlungen in Höhe von 291,4 Milliarden (Stand 2019) erbracht werden.

Die Berechnung der entsprechenden Beiträge in den einzelnen Sozialversicherungszweigen ist in den hierfür jeweils gültigen Regelungen des maßgebenden SGB – Sozialgesetzbuch – geregelt. Die Regelungen für die Krankenversicherung sind im SGB V, die der Pflegeversicherung im SGB XI, die der Arbeitslosenversicherung im SGB III und die der Rentenversicherung im SGB VI zu finden.

Abbildung 5:

RV in einer Baumdarstellung

Nach § 157 SGB VI werden die Beiträge zur Rentenversicherung nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben. Dies ist in der Regel das Bruttoarbeitsentgelt.

Für die Berechnung von Beiträgen werden somit folgende Faktoren benötigt:

 Beitragssatz (Vomhundertsatz),

 Beitragsbemessungsgrundlage sowie

 Beitragsbemessungsgrenze (BBG).

Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können somit nach der folgenden Formel berechnet werden:

Beitrag = Beitragsbemessungsgrundlage (bis zur BBG) x Beitragssatz

2.6.1 Beitragsbemessungsgrundlage

Die Beitragsbemessungsgrundlage ist dabei jedoch nur bis zu einer gewissen Obergrenze, der Beitragsbemessungsgrenze, zu berücksichtigen. In bestimmten Fällen wird der Beitragsberechnung an Stelle des Arbeitsentgeltes ein Mindestwert -die Bezugsgröße- als Beitragsbemessungsgrundlage zu Grunde gelegt. Die Bezugsgröße nach § 18 SGB IV ist ein Rechenwert in der Sozialversicherung und bestimmt sich aus dem Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.

Abbildung 6:

Beitragsbemessungsgrundlage

2.6.2 Beitragssatz

Der Beitragssatz wird durch Rechtsverordnung festgesetzt (§ 160 SGB VI) und beträgt derzeit 18,6 Prozent (Stand 2021) der Beitragsbemessungsgrundlage.

Die Höhe des Beitragssatzes orientiert sich maßgeblich an der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolohn- und Gehaltssumme der beschäftigten Arbeitnehmer. Der Beitragssatz ist dabei so zu bemessen, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen aller Pflichtversicherten zusammen mit dem Bundeszuschuss und den sonstigen Einnahmen alle zu erwartenden Ausgaben der Rentenversicherungsträger decken.

Die genauen Maßgaben für die Festsetzung des Beitragssatzes sind gesetzlich in § 158 SGB VI normiert.

2.6.3 Beitragsbemessungsgrenzen

Bei der Beitragsberechnung wird die Beitragsbemessungsgrundlage nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) berücksichtigt (§ 159 SGB VI). Die Beitragsbemessungsgrenze bildet somit die Obergrenze für die Beitragsberechnung. Die Werte der Beitragsbemessungsgrenze sind in der Anlage 2 zum SGB VI aufgeführt.

Weitere Einnahmen kann die Rentenversicherung auch durch die Zahlung von Beiträgen für „Sonstige Versicherte“ nach § 3 SGB VI verzeichnen. Hier fallen durch die Beitragszahlung für z.B. Sozialleistungsbezieher wie Krankengeldbezieher, Arbeitslosengeldbezieher etc. oder auch für Pflegepersonen insgesamt weitere 9,1 Milliarden € an Beitragszahlungen an. Insbesondere der Zweig der Pflegeversicherung stellt aufgrund der Altersstruktur in der BRD einen dynamisch wachsenden Versicherungszweig dar.

2.7 Die Pflegeversicherung (Elftes Buch – SGB XI)

Das jüngste Kind der Sozialversicherung, die Pflegeversicherung wurde am 01.01.1995 als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eingeführt.

Pflegebedürftigkeit kann jeden Menschen jedes Alters treffen. Eine Absicherung gegen dieses Risiko gibt die Pflegeversicherung.

Für alle gesetzlich und privat Krankenversicherten gilt eine automatische Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung. Privat Krankenversicherte müssen jedoch eine Pflegeversicherung privat abschließen.

Die Pflegeversicherung finanziert sich durch Beiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber größtenteils paritätisch bezahlen.

Die Art der Pflege, der Pfleggrad und die Dauer der Pflegebedürftigkeit bestimmt, welche Leistungen Pflegebedürftige von der Pflegeversicherung erwarten können.

Der Pflegebedürftige hat die Möglichkeit selbst zu wählen, wie und von wem er gepflegt werden soll. Ob professionelle Fachkräfte oder pflegende Angehörige die erforderliche Pflege durchführen, kann die zu pflegende Person somit selbst entscheiden. Oberstes Ziel ist es dabei, den pflegebedürftigen Menschen so weit als möglich, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Rund 3,4 Millionen pflegebedürftige Menschen erhalten Leistungen durch die Pflegeversicherung. Davon werden 2,6 Millionen Menschen zu Hause versorgt und 800.000 in entsprechenden Heimen gepflegt. Von den 2,6 Millionen Menschen die zu Hause gepflegt werden, werden rund 1,76 Millionen allein durch Angehörige und die restlichen 830.000 zusammen mit ambulanten Pflegediensten gepflegt. Dies zeigt Pflege findet hauptsächlich zu Hause in den Familien statt.

Alle wichtigen Regelungen und Voraussetzungen zur Pflegeversicherung sind im Elften Buch – SGB XI – des Sozialgesetzbuches zu finden.

Seit dem 01.01.2017 beträgt der Beitragssatz zur Pflegeversicherung 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, bei Kinderlosen 3,3 Prozent. Somit zahlen Kinderlose einen um 0,25 Prozent höheren Beitrag als diejenigen mit Kindern. Die Gründe für die Kinderlosigkeit spielen hierbei keine Rolle.

Ausgenommen von dem Beitragszuschlag sind nur Mitglieder die vor dem 01.01.1940 geboren sind, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres sowie Bezieher von Arbeitslosengeld II.

Zur nachhaltigen Stärkung der Pflegeversicherung werden seit dem 01.01.2015 die Einnahmen in Höhe von 0,1 Beitragssatzpunkten in einen neu eingerichteten Pflegevorsorgefond abgeführt. Dieser Fond soll die Finanzierung der Pflegeversicherung auch in Zukunft sicherstellen.

2.7.1 Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit

Nach § 14 SGB XI ist pflegebedürftig, wer „gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweist und deshalb der Hilfe durch andere bedarf.“

Ein Antrag auf Pflegeleistungen ist bei der Pflegekasse, die Teil der Krankenkasse ist, zu stellen. Die gesetzlich vorgeschriebene Bearbeitungsdauer für Anträge auf Pflegeleistungen beträgt 25 Arbeitstage. Über den Grad der Pflegebedürftigkeit hat der Medizinische Dienst (MDK) der Krankenkasse oder unabhängige Gutachter in Form einer Begutachtung zu entscheiden. Der Gutachter des Medizinischen Dienstes legt anhand der nachfolgenden 6 Module die Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person fest.

 Modul 1: Mobilität

 Modul 2: Geistige und kommunikative Fähigkeiten

 Modul 3: Verhaltensweise und psychische Problemlagen

 Modul 4: Selbstversorgung

 Modul 5: Selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – sowie deren Bewältigung

 Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Für jedes Modul wird in der Regel anhand eines Punktwertes der Grad der Selbständigkeit der pflegebedürftigen Person festgestellt. Dies Punkte fließen mit unterschiedlicher prozentualer Gewichtung zu einem Gesamtpunktewert zusammen, der dann einem der möglichen Pflegegrade 1–5 nach § 15 SGB XI zugeordnet werden kann (siehe Tabelle).

 

Modul 1 Modul 2 Modul 3 Modul 4 Modul 5 Modul 6
Punkte Modul 1 Punkte Modul 2 Punkte Modul 3 Punkte Modul 4 Punkte Modul 5 Punkte Modul 6
Höherer Wert aus Modul 2 oder 3 ist maßgebend
Gewichtung 10 Prozent Gewichtung 15 Prozent Gewichtung 40 Prozent Gewichtung 20 Prozent Gewichtung 15 Prozent
G E S A M T P U N K T E
12,5 – unter 27 27 – unter 47,5 47,5 – unter 70 70 – unter 90 90 – 100
Pflegegrad 1 Pflegegrad 2 Pflegegrad 3 Pflegegrad 4 Pflegegrad 5

Soweit eine Pflege zu Hause möglich ist, hat der Pflegebedürftige die Wahl zwischen ambulanten Pflegesachleistungen, Pflegegeld oder der Kombinationsleistung aus ambulanten Pflegesachleistungen und Pflegegeld.

Ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI werden für die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme eines Pflegdienstes für körperbezogene Pflegemaßnahmen, pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung bis zu einem vorgeschriebenen Höchstbetrag übernommen.

Maßgebend für die Höhe der Pflegesachleistung ist der vorliegende Pflegegrad.