Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie

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4.2Therapeutisch wirksame Kommunikation ist bedürfnisorientiert

Den Leitlinien, aber auch einer ärztlich-therapeutischen Grundhaltung entsprechend, sollte es selbstverständlich sein, sich an den Bedürfnissen des einzelnen Patienten zu orientieren. Menschen mit einer Krebserkrankung machen aber leider sehr häufig andere Erfahrungen. In unserem Modell empfehlen wir als eine der Brillen, mit denen wir Patienten betrachten, eine Bedürfnisbrille. Patientenzentriertheit ist garantiert, wenn es gelingt, die individuellen, aktuellen, mittelfristigen und langfristigen Bedürfnisse der Patienten, ihr Gesund- und Kranksein, im Auge zu behalten. Die Bedürfnisbrille ermöglicht auch einen einfühlsamen, verständnisvollen und konstruktiven Umgang mit Gefühlen. Diese können als Signale betrachtet werden, die auf Bedürfnisse hinweisen.

Da sich die Bedürfnisse im Verlauf einer Erkrankung verändern, werden wir bei den einzelnen Wegstrecken im Verlauf der Erkrankung immer wieder auch auf phasenspezifische Bedürfnisse eingehen und sie mit den auftretenden Gefühlen in Beziehung setzen.

Wir werden ein Modell der vier emotionalen Grundbedürfnisse vorstellen: Bindung und Verbundenheit, Autonomie, Kompetenz und Orientierung (Abschn. 5.3.1, S. 61 f.) Sie dienen als Raster zur Suche nach Unerfülltem sowohl bei Patienten als auch ihren Behandlern. Zugleich regt die Bedürfnisbrille zum Perspektivenwechsel an, zur Umfokussierung von Problemen und Symptomen auf Wünschenswertes und Ressourcen. Gemeinsam kann immer wieder nach Möglichkeiten gesucht werden, auf eine Balance der Bedürfnisse zu achten und die Spielräume zu deren Erfüllung zu bemerken und auszuschöpfen.

Die Bedürfnisorientierung bezieht sich auch und insbesondere auf die Art und Weise, wie Betroffene über ihre Krankheit informiert und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden wollen. Diese Umsetzung wird anhand des SPIKES- und NURSE-Modells diskutiert (Abschn. 5.5.1). Die Bedürfnisorientierung bezieht sich nicht nur auf die angestrebten Ziele der Behandlung, sondern auch auf deren Prozessqualität. Sie bezieht sich schlussendlich darauf, auch das Lebensende – so weit wie möglich – den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Angehörigen entsprechend zu gestalten (Abschn. 10.2, S. 334). In unserem Stufen- oder Pyramidenmodell bezeichnen wir das als die gemeinsame Erarbeitung und Einigung auf einen objektiv angemessenen und subjektiv möglichst befriedigenden Gesamtbehandlungsplan und dessen gemeinsame Modifikation je nach Krankheitsverlauf (Abb. 2, S. 53).

4.3Therapeutisch wirksame Kommunikation ist beziehungsorientiert – Resonanz

Kommunikation und Beziehung bedingen einander. Die Art und Weise der Kommunikation gestaltet die Beziehung; zugleich wird die Art der Kommunikation durch das Beziehungsangebot und die Haltung der Beteiligten beeinflusst. Eine evidenzbasierte Medizin fokussiert auf möglichst wissenschaftlich fundierten, nachgewiesenermaßen wirksamen Interventionen bei definierten Krankheiten und »Störungen«. Dabei bleiben Arzt und Patient als Personen und ihre Beziehung im bereits erwähnten Dreieck zwischen Arzt, Patient und dessen Krankheit (Kap. 3) zumindest konzeptuell unberücksichtigt. In unserem Plädoyer für eine resonanzbasierte Medizin wählen wir die aus Physik und Musik stammende Metapher der Resonanz für eine beziehungsorientierte Medizin: Ein Klangkörper schwingt in seiner Eigenfrequenz und bringt einen anderen zum Mitschwingen. Dessen Schwingung wirkt wieder auf den ursprünglichen Klangkörper zurück. Es entsteht Resonanz (Abb. 1).

Abb. 1: Spontane Skizze zu interpersonaler Resonanz (MEH 1995) mit »inneren Harfen«, deren Saiten in Resonanz miteinander schwingen

Das Bild des Klangkörpers macht deutlich, dass ein resonanzbasiertes Vorgehen auch einer körperlichen und emotionalen Resonanzbereitschaft und Schwingungsfähigkeit des Behandlers bedarf, einer bewussten, verkörperten Präsenz und der Bereitschaft, sich für eine begrenzte Zeit auf professionelle Weise als ganze Person zum Wohl des Patienten zur Verfügung zu stellen. Es bedarf darüber hinaus auch der Fähigkeit der Behandler, sich selbst immer wieder zu zentrieren und auf die persönliche Eigenschwingung einzustimmen. Diese eigene Erdung, Zentrierung und Einstimmung auf sich selbst ist Ausgangspunkt und Endpunkt des Zyklus, der als Trias von Präsenz, Einstimmung auf den Patienten und Resonanz beschrieben wurde (Siegel 2012; siehe S. 105 u. 174). Im Bereich der Achtsamkeit finden sich einfache Übungen, diese Fähigkeiten zur Präsenz zu kultivieren.

Präsenz ist charakterisiert durch eine Haltung grundsätzlichen Wohlwollens dem Patienten gegenüber und dem Wunsch, dessen Leiden so weit wie möglich zu lindern. In diesem Sinne beschreiben wir sie als mitfühlende Präsenz. Indem die Behandler ihre Patienten als Mitmenschen betrachten, begegnen sie ihnen auf Augenhöhe. Indem sie sich ihrer eigenen Endlichkeit bewusst sind, ist ihnen auch klar, dass sie letzten Endes »im gleichen Boot« sitzen. Zugleich sind sie sich der Rolle gewahr, aus der heraus sie die Begegnung mit ihren Patienten gestalten. Der Begriff einer mitmenschlichen und mitfühlenden Professionalität beinhaltet dieses Rollenbewusstsein. Auch dazu zeigt die Achtsamkeitspraxis Wege auf, indem sie einen »Metaarzt« (S. 182) kultiviert. Der Metaarzt achtet darauf, diese Intentionen und die mit ihnen verknüpften höchst anspruchsvollen Übungsfelder nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu trägt auch eine Bewusstheit über jene Anteile seiner Gegenübertragung bei, die zwar in der Resonanz mit dem Patienten auftauchen, aber ihre Ursprünge in der eigenen Lebensgeschichte haben (S. 354 f.).

Gerade angesichts der existenziellen Bedrohung im Rahmen onkologischer Erkrankungen erscheint uns neben der Unterstützung der Patienten beim Kampf gegen die Krankheit und für all das, was das Leben lebenswert macht, die Rolle eines »Begleiters ein Stück des Weges« (Ebell 2008b) von entscheidender Bedeutung. Dessen Gegenwart führt Patienten aus Isolation und Entfremdung. Sie ermöglicht ihnen, aus Kampf- und-Flucht-Zuständen mit verständlichen Vermeidungszielen in Zustände größtmöglicher Sicherheit und Gelassenheit umzuschalten. Nur dann können realistische Hoffnungen auftauchen und angemessene Annäherungsziele angestrebt und erreicht werden. Denn nicht erst, wenn alles der Medizin Mögliche getan und alles Wichtige gesagt ist, wird die mitmenschliche Präsenz des begleitenden Arztes oder Therapeuten zu einer bedeutsamen Ressource für Gesundung und Heilung (Rousseau 2010; vgl. S. 171 ff.).

4.4Therapeutisch wirksame Kommunikation fördert den Perspektivenwechsel von Vermeidungszielen zu Annäherungszielen

Zentraler Bestandteil therapeutisch wirksamer Kommunikation ist ein Perspektivenwechsel. Wir verstehen darunter die Umorientierung des Patienten von Vermeidungszielen hin zu Annäherungszielen, eine Lenkung seiner Aufmerksamkeit von dem, was er nicht will, zu dem, was er anstrebt und ihm guttut. Die konkrete Umsetzung dieses Perspektivenwechsels durchzieht alle Anwendungen des Pyramidenmodells, er wird auf dessen zweiter Stufe näher erläutert (Abschn. 5.6).

Zur Umorientierung des Patienten müssen auch die Behandler den Fokus ihrer Aufmerksamkeit entsprechend verändern. Dazu bedarf es entsprechender handlungsleitender Konzepte. Die vier für uns dabei hilfreichsten Modelle sind:

•die mit der Salutogenese verknüpfte Vorstellung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums

•das »beidäugige Sehen«, das neben den Problemen auch Ressourcen in den Fokus nimmt

•Resilienz

•das Konzept des Aufblühens und des posttraumatischen Wachstums.

Perspektive der Salutogenese: Gesundheits-Krankheits-Kontinuum und Kohärenzsinn

Krebserkrankungen stellen eine dichotome Kategorisierung in gesund oder krank radikal infrage. Das Erleben der Betroffenen schwankt zwischen gesund und krank, und oft fühlen sie sich gleichzeitig irgendwie krank und gesund. Oder das subjektive Gefühl, gesund bzw. krank zu sein, und die »objektiven« Befunde der Krankheit klaffen in die eine oder andere Richtung weit auseinander.

Diesem Erleben kommt am ehesten die Beschreibung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums nahe (Antonovsky 1997). Gemäß diesem Modell bewegen wir uns zeitlebens zwischen den Extrempolen gesund und krank hin und her. Die Medizin versucht, Patienten vom Krankheitspol zu entfernen, indem sie die Krankheit und ihre Symptome bekämpft. Dies kann aber ebenso geschehen, wenn sich Patienten auf ihr Gesundsein konzentrieren. Der in unserem Modell angestrebte Perspektivenwechsel sucht nach allem, was dazu beitragen kann, sich dem Gesundheitspol anzunähern – und seien es »nur einige Millimeter«.

 

Als zentralen gesundheitsförderlichen Faktor fand Antonovsky (1997) eine überdauernde innere Haltung, die er als Kohärenzsinn (»sense of coherence«) bezeichnete, der sich aus drei Komponenten zusammensetzt: Verstehbarkeit (»comprehensibility«), Handhabbarkeit (»manageability«), und Sinnhaftigkeit (»meaningfulness«) – aus dem Gefühl zu verstehen, was vorgeht, dem Gefühl, die sich stellenden Herausforderungen handhaben zu können, und dem basalen Gefühl, dass sich ein Engagement lohnt und sinnvoll ist. In diesem Bereich gibt es Überschneidungen mit den Bedürfnissen von Kompetenz und Orientierung (S. 61 f.).

Beidäugiges Sehen: Ressourcen und Probleme in den Blick nehmen

»Gesundheitsziele« erfüllen subjektiv bedeutsame Bedürfnisse. Um sich ihnen anzunähern, gilt es, zieldienliche Ressourcen zu finden, zu aktivieren oder zu schaffen. Wir beschreiben den sich an Ressourcen orientierenden Perspektivenwechsel als beidäugiges diagnostisch-therapeutisches Sehen (Fürstenau 2002; siehe S. 68 f.). Dieses ermöglicht es auf flexible Weise, mit dem einen Auge die Probleme und gleichzeitig mit dem anderen Auge die Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen zu sehen. Zwinkernd kann man das eine oder das andere Auge verschließen, um sich jeweils dem Blick mit dem anderen zu widmen. Man kann pendelnd zwischen beiden Perspektiven wechseln. Der gleichzeitige Blick mit beiden Augen aus unterschiedlichen Positionen macht Stereosehen und damit räumliches Wahrnehmen möglich. In einer biopsychosoziospirituellen Praxis können Probleme, vor allem aber auch Ressourcen, auf vier Ebenen gesucht und gefunden werden: der körperlichen, der psychischen, der sozialen (und kulturellen) sowie der spirituell-religiösen Ebene (Abschn. 5.4).

Resilienz

Zur Bewältigung unvermeidlicher Leidenszustände kann man die Resilienz stärken, spätestens, wenn man mit der Bekämpfung von Krankheit und Symptomen an seine Grenzen stößt. Insofern zielt die Psychoonkologie auch immer auf eine Stärkung von Widerstands- und Abwehrkräften, auf ein »Gedeihen trotz widriger Umstände« (Welter-Enderlin u. Hildenbrand 2016).

Aus einer bindungsorientierten neurowissenschaftlichen Sicht (»affiliative neuroscience«) beruht Resilienz auf drei Prinzipien (Feldman 2020): Der Plastizität (»plasticity«) im Sinne der Regulations- und Anpassungsfähigkeit, der Einbettung von Menschen in soziale Systeme (»sociality«) und der spezifisch menschlichen Fähigkeit zur Bedeutungsgebung (»meaning«), also der Fähigkeit, auch Widrigkeiten, Leiden und traumatischen Erfahrungen Sinn zu geben. Hierbei kommen Spiritualität und Religion eine bedeutende Rolle zu. Auf der neurobiologischen Ebene werden drei resilienzfördernde Komponenten beschrieben: die Synchronisierung biologischer und verhaltensbezogener Rhythmen (»biobehavioral synchrony«), das Oxytocinsystem und das »soziale Gehirn« (»affiliative brain«).

Synchronisierungsprozesse stehen im Mittelpunkt eines resonanzbasierten Vorgehens. Entspannung in einer Sicherheit gebenden therapeutischen Beziehung ist ein weiterer Eckpfeiler. Dabei werden über eine Aktivierung des Parasympathikus (Abschn. 7.3.1) und die Ausschüttung von Oxytocin Erholung und Heilungsprozesse möglich (Abschn. 8.4.3, S. 293). Von den vielen als resilienzfördernd erkannten Einflüssen stellen wir die Beziehungsfaktoren in den Vordergrund: Menschen, die verlässlich und wertschätzend für einen da sind, die Ressourcen und Potenziale erkennen, an einen glauben und zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Posttraumatisches Wachstum und »Aufblühen«

Neben der Bekämpfung von Krankheit und der Förderung von Gesund-sein trotz der Krankheit beschreibt die positive Psychologie noch ein Phänomen jenseits von Krankheit und Gesundheit, das sie als Aufblühen (»flourishing«) bezeichnet. Es erscheint paradox, dass sich durch das Auftreten einer lebensbedrohlichen Krankheit neben allen Einschränkungen auch Freiheitsspielräume und Möglichkeiten eröffnen, die vor der Erkrankung undenkbar gewesen wären. Die Erinnerung an die Endlichkeit des Lebens setzt oft Kräfte frei, Dinge zu beenden oder neu zu beginnen. Seitens der Betroffenen kann sich entfalten und aufblühen, was bis dahin zurückstehen oder im Verborgenen bleiben musste.

Den Blick von den Verlusten hin zu den durch die Krankheit möglichen positiven Aspekten, ja Gewinnen, zu lenken, ist die vierte Form des Perspektivenwechsels, den wir anregen. Das Konzept eines posttraumatischen Wachstums weist in diese Richtung (Abschn. 9.3.4). Betätigungen, die zum Aufblühen führen, sind häufig dadurch charakterisiert, dass sie in einem gewissen Maße zur Erfüllung aller vier Grundbedürfnisse (Abschn. 5.3.1) beitragen und als sinnvoll erlebt werden.

Ein Aufblühen kann durch eine Erweiterung der Aufmerksamkeit und den damit verbundenen Aufbau von Ressourcen erklärt werden. Durch positive Emotionen angetrieben, kommen Prozesse in Gang, die sich als eine spiralförmige Aufwärtsbewegung beschreiben lassen. In Zuständen positiver Gefühlslagen erweitern sich die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung. Diese Öffnung ermöglicht es, wohltuende Aspekte der Realität, Ressourcen und neue Handlungsspielräume wahrzunehmen oder zu entwickeln, die ansonsten nicht zugänglich sind. Die Integration dieser Ressourcen führt wiederum zu positiven Emotionen und einer zunehmenden Weitung der Aufmerksamkeit. Selbstverstärkende Rückkopplungsmechanismen werden erneut zum Motor der Aufwärtsbewegung (Fredrickson 2004).

Sicherheit als Voraussetzung für einen Perspektivenwechsel in diesen vier Dimensionen

Ein Perspektivenwechsel wird möglich, wenn es gelingt, jene Sicherheit zu gewinnen, die zum Ausstieg aus dem über die Stressachse aktivierten psychophysiologischen Kampf-Flucht-Modus notwendig ist. Eine resonante, Sicherheit vermittelnde therapeutische Beziehung kann dazu beitragen. Die Bindungsforschung hat gezeigt, dass eine Aktivierung des Social-Engagement-Systems (Porges 2019; siehe S. 172) Explorationsverhalten und damit eine Umschaltung von Vermeidungs- zu Annäherungsprogrammen ermöglicht. Rituale der Suche nach Annäherungszielen erlauben in unserem Pyramidenmodell eine sehr konkrete, individuelle und der Situation angepasste Recherche und laden zu einem Perspektivenwechsel in den vier dargestellten Dimensionen ein.

5Begleitung auf der ersten Wegstrecke: Diagnostik, Aufklärung und Therapieplanung

Krebs entsteht nicht von einem Tag auf den anderen. Bei den häufigsten Tumorarten dauert es Jahre, bis sie sich klinisch manifestieren. Die für die Entscheidung über Therapiemaßnahmen erforderliche Diagnostik nimmt oft mehr Zeit in Anspruch, als es den Betroffenen lieb ist. Abklärung und Aufklärung sind als Prozess zu sehen, der Zeit braucht, um verstehen und verarbeiten zu können, was es bedeutet, an einer bestimmten Art von »Krebs« zu erkranken, und was auf einen zukommt.

Die ersten Kontakte mit dem Medizinsystem und die Anfänge der Geschichte der Krankheit sowie des kranken Menschen und seiner Behandler sind von besonderer Bedeutung, weil in dieser Zeit wesentliche Weichenstellungen erfolgen. Wenn man zum Patienten wird, wird einem schnell klar, welche Erwartungen, aber auch welche Rechte mit dieser Rolle verbunden sind. Etwa wie viel Information und Mitbestimmungsrecht einem zusteht oder ob relevante Angehörige von Anfang an einbezogen werden. Oft müssen Patienten erst herausfinden, wer ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung steht und wer wofür zuständig ist. Wenn in dieser ersten, prägenden Krankheitsphase gravierende Enttäuschungen, Fehler und Missverständnisse vorkommen, kann sich das auf alle weiteren Stationen des Krankheitsverlaufs ungünstig auswirken. Es ist wie beim Zuknüpfen einer Jacke: Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande. Auf der anderen Seite ist es von unschätzbarem Wert, wenn Patienten gerade in Zeiten größter Verunsicherung erleben, dass es nicht ausschließlich um die Krankheit, sondern auch um sie als Menschen geht, dass ihre Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt werden, dass sie gehört und verstanden werden, dass sie den Behandlern vertrauen und sich bei ihnen gut aufgehoben fühlen können.

5.1Das Pyramidenmodell therapeutisch wirksamer Kommunikation im Überblick

Die Nutzung und praktische Umsetzung unseres Pyramidenmodells therapeutisch wirksamer Kommunikation (Abb. 2) beginnt in der Zeit der Abklärung, Aufklärung und Therapieplanung und zieht sich durch alle weiteren Krankheitsphasen. Jede Interaktion in der Onkologie – jede noch so kurze Begegnung – beinhaltet ein großes therapeutisches Potenzial. Somit kann das Modell in den Bereichen aller an der onkologischen Diagnostik und Behandlung beteiligten Berufsgruppen genutzt werden. Einige der Prinzipien können sich auch im Kontakt mit Angehörigen oder im Umgang der Behandler mit sich selbst positiv auswirken.

Abb. 2: Pyramidenmodell mit den Stufen einer therapeutisch wirksamen Kommunikation – Übersicht

Das leidvolle subjektive Erleben des einzelnen Patienten bildet den Ausgangspunkt und den Gradmesser aller diagnostischen und therapeutischen Bemühungen. In unserem Modell bildet das allumfassende individuelle Sein des einzelnen Patienten den grundlegenden Boden, auf dem die Pyramide steht. Das Leiden im Rahmen des Krankseins umfasst nur einen bestimmten Ausschnitt dieses Bodens, in dem ihr Fundament verankert ist: die Leidenserfahrungen, die aus Anlass der onkologischen und psychoonkologischen Zusammenarbeit thematisiert und verhandelt werden.

Als didaktisches Modell zur Veranschaulichung der wesentlichen Aspekte therapeutisch wirksamer Kommunikation dient eine fünfstufige Pyramide, die auf dem gerade beschriebenen Fundament steht. Die beiden unteren Stufen integrieren die schon dargestellten Prinzipien therapeutischer Kommunikation von Patientenzentriertheit, der Beziehungs- und Bedürfnisorientierung und des Perspektivenwechsels (Kap. 4) mit den hypnosystemischen Prinzipien Pacing und Leading sowie der Suggestion. Die dritte Stufe betont den Dialog zwischen Arzt und Patient als Voraussetzung zum Aushandeln und Einigen auf einen Gesamtbehandlungsplan, der den Regeln der ärztlichen Kunst ebenso entspricht wie den Bedürfnissen des Patienten.

Hypnose und Selbsthypnose werden in diesem Kontext als eine besonders intensive Form der therapeutischen Kommunikation mit speziellen Techniken und Ritualen verstanden, die das Behandlungskonzept ergänzen. Beide bilden die Spitze der Pyramide. Die Selbsthypnose als Eigenaktivität des Patienten ist damit gleichsam das Tüpfelchen auf dem i.

Integriert eine therapeutisch wirksame Kommunikation darüber hinaus noch Prinzipien der Achtsamkeit, eröffnen sich zusätzliche Möglichkeiten, auf heilsame Weise zu kommunizieren. Die vielfältigen Aspekte des Pyramidenmodells therapeutisch wirksamer Kommunikation durchziehen das ganze Buch (vgl. Abb. 8, S. 102).