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In der Mondnacht

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Die unglücklichen Heuschrecken

In einem Kornfelde wohnten zwei Heuschreckenfamilien, die waren sehr anständig und ehrbar und lebten glücklich; aber die eine Familie war grau und die andere grün.

Die eine von ihnen hatte nun einen Sohn, das war die graue, und die andere hatte eine Tochter, das war die grüne. Beide Kinder liebten sich und wollten sich gern heirathen.

Aber der Vater des jungen Fräuleins hatte einen Widerwillen gegen den jungen Heuschreck, weil er nicht grün war wie seine ganze Familie seit verschiedenen Geschlechtern, sondern grau und nur ganz wenig grün gesprenkelt. »Das gehe nicht an«, meinte der Vater, »Art müsse immer bei Art bleiben und nie werde er zugeben, daß in seiner Familie eine Mißheirath vorfalle.«

Das war nun recht schlimm für die beiden Kinder. Die Mutter hätte es freilich gern gesehen, wenn aus ihnen ein Paar geworden wäre, aber da der eine Vater es nicht zugeben wollte, so mochte der andere auch nichts davon hören, daß sich sein edel graues Geschlecht mit dem hoffärtigen Grün vereine.

Die beiden Kinder waren äußerst betrübt, denn eine unglückliche Liebe geht noch weit über Zahnschmerzen und Ohrenreißen, das kann Euch Jeder erzählen, der sie erfahren hat.

Eines Abends kam nun der Vater des jungen Fräuleins sehr ermüdet nach Hause, denn er hatte viel im Felde zu thun gehabt. Er wollte ausruhen, setzte sich hin und zirpte.

Da sprach seine Frau zu ihm:

– Lieber Mann, unser Kind ist so unglücklich, daß es uns sterben wird, wenn wir nicht nachgeben. Ich wasche meine Hände in Unschuld, denn Gott weiß, daß ich dem Glück unserer Tochter nicht im Wege stehe!

– Kann nichts daraus werden! sagte der alte Heuschreck. Er ist einer von den Grauen und gehört also zu den unteren Classen; meine Tochter soll sich nicht unter ihrem Stande vermählen.

Als er das gesagt hatte, zirpte er gemüthlich weiter.

Aber seine Frau wußte ihm doch das Herz weich zu machen, so daß er endlich nachgab.

Da nun der alte Heuschreck ein sehr abergläubischer Mann war, ließ er die beiden Kinder holen und sagte zu ihnen:

– Ich weiß, daß Ihr Euch Beide lieb habt; aber Ihr wißt auch, daß ich als Vater immer gegen Eure Verbindung gewesen bin. Deine Mutter jedoch, mein Kind, sagte er zu seiner Tochter, hat mein Herz zu dringend bestürmt, und darum will ich denn allenfalls in Eure Heirath willigen, aber nur unter einer Bedingung, die sich auch in meiner Ehe bewährt hat. Es besteht nämlich in unserer Familie folgende Sitte. Wenn sich zwei junge Personen lieb haben, so gehen sie am Johannisabend ins Feld und suchen drei neben einander stehende, junge und gleich große Grashalme. Um den einen derselben binden sie einen rothen, um den andern einen grünen und um den dritten einen schwarzen seidenen Faden. Wächst nun in der Johannisnacht der Halm, an welchem der rothe Faden sitzt, so werden sie glücklich, wächst der grüne, so bekommen sie viele Kinder, wächst aber der schwarze, so werden sie sehr unglücklich in der Ehe und es wäre eine Sünde, wenn sie sich dennoch heirathen wollten. Da wir nun heute Johannisabend haben, so geht hin und thut nach der Vorschrift. Prophezeit Euch der Grashalm eine glückliche Ehe, so sollt Ihr Euch haben; wo nicht, so bleibt Ihr von einander.

Und die beiden Kinder gingen hin und fanden am Grabenrand neben einander drei gleiche, junge Grashalme. Um den einen banden sie einen rothen, um den andern einen grünen und um den dritten einen schwarzen seidenen Faden; und dann gingen sie nach Hause und konnten die ganze Nacht hindurch vor Angst und banger Erwartung nicht schlafen.

Am andern Morgen ganz früh aber hüpften die Eltern und die Kinder und alle Verwandte in feierlicher Procession nach dem Grabenrand, um die Grashalme zu besehen.

Und siehe da: der Halm, an welchem der schwarze Faden saß, war wohl um einen Zoll über die beiden andern in die Höhe geschossen!

– Ich hab' es ja immer gesagt; jetzt seht Ihr, daß ich Recht hatte! sprach der alte Heuschreck, und dann gingen sie wieder nach Hause.

Am selbigen Abend saß das Heuschreckfräulein unter einem wilden Rosenstrauch, wo sie immer mit dem jungen Heuschreck zu plaudern pflegte, und weinte. Bald darauf kam der Geliebte auch und hatte ebenfalls ganz nasse Augen.

– Ich kann's nicht aushalten, wenn wir uns trennen sollen! sagte er traurig.

– Ich nun vollends nicht! antwortete sie schluchzend.

– Ich mag nicht mehr leben, denn ohne Dich ertrage ich mein Dasein nicht! fuhr er fort.

– Ich auch nicht! schluchzte sie wieder.

– Weißt Du was? sagte der Heuschreck, wie wenn er einen großen Entschluß gefaßt hätte. Wir wollen unserm Leben ein Ende machen!

– Ja, das wollen wir thun! Aber wie sollen wir es nur anfangen? meinte sie.

– Du weißt, sagte er, daß hier, etwa tausend Sprünge hinter diesem Rosenstrauch, ein großer See liegt; in den wollen wir hineinspringen, und dann ist es aus mit uns und unsern Leiden.

– So soll es geschehen! Es bleibt uns nichts Anderes übrig, rief das unglückliche Heuschreckfräulein, denn so geht es nimmermehr!

– Nein, so geht es nimmermehr!

Und so hüpften sie melancholisch fort, und als sie Beide am Ufer des Sees standen, da faßten sie sich ein Herz, umarmten sich zärtlich, sprangen zusammen in die Tiefe und die Wellen schlugen über ihnen zusammen.

– Hättest Du das Wasser für so trocken gehalten? fragte der Heuschreck die Geliebte nach einer Pause, während welcher er vergebens den Tod erwartet hatte.

– Ich glaube fast, es ist gar kein Wasser, in das wir uns gestürzt haben. Eher riecht es hier wie in einem Flachsfelde, das in voller blauer Blüthe steht. Vor Entsetzen zitterten sie aber noch alle Beide.

– Wahrhaftig, es ist eine Flachssaat. Ich erkenne die Stengel ganz deutlich und die blauen Blumen darüber und noch höher den blauen Himmel.

– Ein Wunder hat uns gerettet und Thorheit wär's, das Wunder nicht mit Dank anzunehmen. Aber wie siehst Du aus, mein Lieber? fuhr das Fräulein mit Erstaunen fort. Das ist nicht der Widerschein, das ist die leibhaftige Farbe Deiner Haut. Du bist grasgrün geworden.

– Ich? rief der Jüngling und richtete sich stolz empor. Wahrlich, so hellgrün, daß mich ein Laubfrosch beneiden könnte.

– Mein Gott und ich dagegen – ich bin über und über in Grau gekleidet. Nicht ein Streifen mehr von meiner früheren Farbe! Es muß die Angst, es muß der furchtbare Schrecken gewesen sein, der unsere Farben vertauscht hat.

– Ich kann mir die neue Tracht wohl gefallen lassen, sagte der Jüngling, sich immer wohlgefälliger betrachtend. Da brach jedoch das verwandelte Fräulein in heiße Thränen aus… Wenn wir nun nach Hause kommen, so wird am Ende Dein Vater den Vornehmen spielen, mich als Schwiegertochter zurückweisen oder der meinige mich enterben. Höchstens daß wir wieder ein dummes Orakel befragen dürfen – und es ist doch nur einmal im Jahr Johannisnacht.

– Weißt Du was? entgegnete der männliche Grashüpfer. Wir kehren gar nicht nach Hause zurück. Was sollen wir uns schikaniren, in Tod und Verzweiflung jagen lassen durch den Farbeneigensinn und das Vorurtheil unserer Familien? Laß uns durch diese rettenden Fluthen ans jenseitige Ufer waten und dort ein neues Leben beginnen. Grau ist grün und grün ist grau geworden durch die Liebe – Du glaubst gar nicht, wie schön Dir Dein veränderter Teint steht, meine Holde, – und derselbe Irrthum, der uns hier den Tod suchen ließ, schützt uns jenseits vor Verfolgung. Brechen wir auf zur Fahrt in ein freies, in ein glückliches Land.

Sie willigte ein, und während ihre Eltern um sie weinten und sie vergebens in alle Zeitungen setzen ließen, zogen Beide durch die Wogen des Flachsoceans hinüber an die andere Küste. Diese fanden sie trotz ihrer Fruchtbarkeit ziemlich heuschreckenleer, nur mit einigen wilden kupferfarbenen Stämmen besetzt, denen sie durch Bildung, Sitte und künstliche Hülfsmittel weit überlegen waren. Seit jener Zeit sind dem ersten Paare viele Tausende in die neue Welt nachgefolgt, so graue als grüne Grashüpfer, und sie sind die Patriarchen eines gesprenkelten Volkes geworden, das immer mächtiger selbst in die alte Welt hinüberragt: Yankee-Heuschrecken genannt. Die Wanderlust und den kühnen Unternehmungsgeist ihrer Voreltern haben sie treu bis auf unsere Tage bewahrt und von den unzähligen Vorurtheilen der Heimath nur ein einziges behalten, aber ein sehr verstärktes, das gegen die schwarze Farbe, die sie bis heute nicht blos als eine unglückliche, sondern auch als eine verächtliche betrachten.

Die beiden Engel

Sterbenskrank lag der kleine Carl auf dem Bettchen. Die Nachtlampe brannte auf dem Tische, viel heißer aber brannte das Fieber in den Adern des Knaben. Dunkelrothe Rosen hatte es auf seine Stirn und auf seine Wangen gesäet, seine Lippen bewegten sich dürstend und das treue Auge war so todesmatt.

Die zitternden Händchen faltend saß er im Bett und flehte: »Abba, lieber Vater, laß mich noch nicht sterben!« Denn Carl war ein frommes Kind und der Arzt hatte ja zu seiner Mutter gesagt, er werde in dieser Nacht sein Auge für immer zumachen und sie nicht mehr sehen.

In der Ecke des Zimmers kniete die Mutter mit verweinten Augen, sie hatte drei Tage und drei Nächte hindurch für ihn geweint und jetzt war der Schlummer tröstend in ihr Auge getreten und hatte ihre müde Stirn auf den Sessel gebettet, an dem sie niedergekniet war.

Die Nachtlampe flackerte zuweilen so matt auf, als wollte sie sagen: »Lieber Carl, wollen wir nicht zusammen einschlafen?« Carl aber faltete noch immer seine Hände und betete sein frommes Abba. Das hatte die Nachtlampe ihn alle Abende beten gesehen und wenn er dann eingeschlafen war, pflegte auch sie bald ihr helles Auge zu schließen. Freilich wußte sie nicht, daß der Arzt gesagt hatte, sie würden sich heute zum letzten Male gemeinschaftlich zur Ruhe begeben.

 

Auf Carls Bette lag ein Bild, das hatte ihm einst die sterbende Großmutter geschenkt. Es war das betende Kind, das Ihr wohl kennt, und unter das Bild hatte die Großmutter zum Andenken geschrieben:

 
»Abba, lieber Vater,
Mach mich gut, mach mich fromm,
Daß ich in den Himmel komm'!«
 

Ueber dem betenden Kinde in der schönen Randverzierung aber saßen ein paar liebliche Engel, die sah Carl immer so gern und die Großmutter hatte ihm versprechen müssen, daß er auch ein solcher Engel werden solle.

Auf diesen beiden Engeln ruhte heute Carls mattes Auge, während er betete, er hatte sie ja so gern, und es wäre ihm schon recht gewesen, zu sterben, wenn er nur die beiden Engel und die gute Mutter hätte mitnehmen können. Da erlosch die Nachtlampe, denn sie glaubte, Carl sei schon eingeschlafen, weil er so still war.

Aber das Bild auf Carls Bette verklärte sich jetzt mit einem Male in wunderbarem Glanz, es leuchtete wie tausendfacher sanfter Lampenschimmer und aus der Randverzierung traten leibhaftig die beiden Engel heraus. Die wuchsen vor seinem Blick, ihre Flügel wurden größer, ihr Gewand wurde zum Sternenkleide, ihre Augen nahmen einen überirdischen Glanz an.

So stellten sich die Engel zu beiden Seiten von Carls Bette, legten ihre Hände auf seinen fieberheißen Arm und schauten ihn so freundlich an, wie es nur die Engel thun können.

Carl erschrak anfangs, aber er erkannte ja seine Engel und streichelte ihnen mit den Händchen die Wangen.

– Ist es wohl wahr, daß ich sterben soll? fragte er. Wollt Ihr mich zur Großmutter in den Himmel holen?… Ach ja! Laßt mich mit Euch gehen, aber laßt mich mein Mütterchen mitnehmen, denn sonst kann ich nicht froh sein in Eurem Himmel!

– Nein, Du sollst noch nicht mit uns kommen, antwortete der eine Engel; aber dereinst werden wir uns wieder sehen, und dann gehst Du mit uns.

Hierauf erhoben sich Beide und bestiegen eine goldene Leiter, die wie ein großer Sonnenstrahl in die Luft führte. Carl sah, wie sie immer höher stiegen, bis die Wolken sich hinter ihnen schlossen.

Trauernd sah Carl sie droben verschwinden; eine heiße Thräne trat in sein Auge. Plötzlich aber klatschte er sich freudig in die Hände, denn die Wolken theilten sich wieder und die Engel kehrten zurück. Sie trugen auch Etwas in den Händen, das sah aus wie ein wunderschönes Schreibebuch, so schön wie er noch nie eins gesehen.

Und die Engel kehrten auf der Sonnenstrahl-Leiter zurück und traten wieder an sein Bett. Und der Eine von ihnen zeigte ihm ein Buch, dessen Deckel so purpurroth war, wie der schönste Sammet, und der ein großes goldenes Kreuz trug.

Und der Engel legte das Buch auf Carls Bett und sagte zu ihm:

– Dieses Buch sendet Dir Dein Vater im Himmel; es stehen schöne Worte und eine große Lehre darin, die sollst Du verkünden weit und breit, diesseits und jenseits der Meere, und deshalb sollst Du leben.

– Ach, das schöne, schöne Buch! rief Carl und drückte es an das kleine Herz.

Die Engel aber küßten ihn Beide auf die Stirn.

– Dereinst sehen wir uns wieder! sagten sie und verschwanden.

Viele Jahre waren verstrichen, da lag weit, weit fort in China ein Mann auf dem Sterbebette.

Sein Haar war noch nicht ergraut, seine Kraft war groß, sein Wort mächtig gewesen. Tausend und abertausend Meilen war er gewandert und hatte das Wort Gottes unter den Heiden verkündet. Er hatte viel Ungemach und Leiden ertragen, aber viele Tausende hatte er zum Christenthume bekehrt, die glaubten jetzt an den Gekreuzigten und zerschlugen die Götzen, zu denen sie in ihrer Blindheit gebetet.

Er selbst aber lag auf dem Sterbebette; keine Verwandte, kein Vater, keine Mutter, keine Gattin, keine Kinder standen an seinem Schmerzenslager; er aber war getrost, denn er sollte ja zu seinem Vater zurückkehren.

Und seine Hand ruhte auf einem rothen Buche mit einem goldenen Kreuz, darin stand mit vielen Millionen Buchstaben ein einziges Wort geschrieben: das Wort Gottes.

Und als es Abend wurde, da betete er noch einmal, denn sein Auge wollte brechen.

Plötzlich ward es hell im Zimmer wie vom Schein der untergehenden Sonne. Noch einmal schlug er das Auge auf und sah an seinem Bette zwei Engel stehen.

– Als wir Dich vor mehr denn vierzig Jahren sahen, begann der Eine, da versprachen wir Dir, Du sollest uns wiedersehen. Wir sind gekommen, um Dich mit uns zu nehmen, denn Du hast genug gethan. Du sollst ausruhen und vor das Antlitz Dessen treten, den Du verkündet hast.

Die Engel legten ihre Hand auf sein Auge und das Buch auf seine Brust. Sie ließen seinen Leib ruhen und führten seine Seele hinüber auf derselben Leiter, auf welcher sie ihm einst erschienen waren.

Die Welt hieß ihn Carl Gützlaff, der Vater im Himmel aber nannte ihn seinen treuesten Sohn.

Der blanke Dreier

In Minchens Sparbüchse lagen viele Groschen, Zwei- und Vier-Groschenstücke, mehrere Thaler, ein Friedrichsdor, den sie vom Vater zum Geburtstag erhalten hatte, und endlich ein Dreier, der war so blank, als wäre er soeben aus der Münze gekommen, und bildete sich ein, er sei von Gold.

– Um Verzeihung, was sind Sie für eine Geborne? fragte der Dreier die neben ihm liegende Goldmünze.

– Ich bin von Gold und stamme noch aus der guten alten Zeit, wie Sie auch auf meiner Rückseite sehen können, antwortete der Friedrichsdor, der nicht wenig stolz darauf war, daß er noch einen Zopf trug. »Ich bin von sehr gediegenem alten Adel!« setzte er hinzu.

– Sie von Gold? rief der Dreier lachend. Wie können Sie das mir nur in's Gesicht sagen, dem man es doch auf den ersten Blick ansieht, daß ich vom feinsten Ducatengolde bin. Sehen Sie nur, wie ich glänze!

– Ja, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt! antwortete der Friedrichsdor. Sie sind nur ganz ordinärer Herkunft; Sie sind ein Kupferdreier und an Ihrer Stelle würde ich mich doch geniren, in so anständiger Gesellschaft zu erscheinen.

Damit drehte ihm der Friedrichsdor den Rücken zu.

– Was sich dieses Pack wohl denkt! sagte der Dreier zu sich selbst. Aber so ergeht es Einem immer, wenn man herablassend ist; ich will mich auch in meinem Leben nicht wieder populär zu machen suchen, denn man hat doch nur Undank dafür.

Mit diesen Worten drehte sich der Dreier auch herum und den ganzen Tag hindurch wurde in der Sparbüchse kein Wort mehr gesprochen.

Am Abend kam Minchen mit ihrem Vater und holte die Sparbüchse aus dem Schrank. Minchen sollte nämlich eingesegnet werden und sich für ihre Sparbüchse das erste schwarze Atlaskleid kaufen.

Sie zählte nun mit ihrem Vater die Groschen, die Zwei- und Vier-Groschenstücke, die Thaler und endlich auch den Friedrichsdor. Nur den blanken Dreier ließ sie ganz bei Seite liegen.

– Aha, dachte der Dreier, das Gute läßt man immer bis zuletzt. Wenn sie dich erst mit hinzuzählen, dann wird die Summe noch einmal so groß werden!

Aber der Dreier konnte lange warten, bis er mitgezählt wurde, und als endlich Minchens kleiner Bruder herein hüpfte, gab ihm der Vater den Dreier und erlaubte ihm, sich einen Kuchen dafür zu kaufen.

Der Kleine sprang mit ihm zum Kuchenbäcker und plump! fiel der Dreier in die dunkle Kasse des Bäckers, in der schon viele schwarze Kupfermünzen lagen.

– Es ist doch merkwürdig, wie sehr sich die Leute oft in der Taxirung Anderer täuschen! Das ist denn doch ein sehr grober Irrthum! sagte der Dreier. Na, mir kann es gleich sein, denn mein Schade ist es nicht!

So blieb er denn in der Kasse ganz obenauf liegen, um sich recht anstaunen zu lassen.

– Aber nehmen Sie doch Lebensart an! rief der blanke Dreier, wenn ihm dann und wann durch das Loch der Kasse ein schweres, dunkles Kupferstück auf den Kopf fiel. Sehen Sie denn nicht, daß ich von Gold bin?

Mehre Tage lang lag der Dreier in der Bäckerkasse. Da kam ein kleiner Schornsteinfeger und bat um ein Trinkgeld für das Reinigen der Ofenröhren. Der Bäcker griff in die Kasse und legte dem kleinen Schornsteinfeger fünf Dreier, darunter auch den blanken, auf den Tisch hin.

– Fassen Sie mich nicht an! rief der Dreier; ich werde sonst blind!

Aber der kleine Schornsteinfeger nahm das Geld und ging fort. Dem armen Dreier war ganz entsetzlich zu Muthe, als er so in der schwarzen Hand saß, er paßte eine Gelegenheit ab, entschlüpfte derselben unbemerkt, lag auf der Straße und rollte nach der Straßenrinne zu.

– Herr Gott, Herr Gott! rief er aus, wenn ich nur nicht dahinein falle; das wäre mein Tod! Aber ich bin so im Schwunge, ich kann mich gar nicht halten!

So rief der Dreier in seiner Herzensangst und rollte immer weiter. Zum großen Glücke blieb er gerade am Rande des Rinnsteins liegen.

– Gott sei Dank! Es wäre doch zu schrecklich gewesen, wenn ich in diesen Abgrund gestürzt wäre! sagte der Dreier.

Bald darauf kam ein Vergoldergehülfe des Weges; er sah den Dreier, steckte ihn als gute Prise ein und trug ihn nach Hause. Da er nun heute noch eine Kette zu vergolden hatte und ein wenig von dem Golde übrig behielt, so nahm er den Dreier aus der Tasche und vergoldete ihn auch.

– Jetzt werde ich immer vornehmer! sagte der Dreier, als er sich besah, und in der That nahm er sich sehr schön aus.

Der Vergoldergehülfe mochte dies auch einsehen, denn er bohrte ein ganz kleines Loch durch den Rand des Dreiers, zog einen feinen Ring durch dasselbe und hängte ihn an seine Uhrkette.

– Das wird schön, sagte der Dreier zu sich, als er auf die Straße kam. Jetzt bin ich eine Schaumünze und kann alle Tage spazieren gehen.... Sehe ich nicht recht stolz aus! rief er allen Leuten zu, die ihn ansahn, als er so an der Weste des Vergolders hing. Ich bin aber auch von purem Golde!

Eines Abends ging sein Herr mit ihm über die Straße. Der Dreier sah, daß die Laternen mit ihm liebäugelten, und um sich recht zu zeigen, zappelte er in dem Lichtschein so arg an der Kette hin und her, daß der Ring sich öffnete und er auf die Straße fiel.

– Hochmuth kommt vor dem Fall! sagte ein alter verrosteter Pfeifendeckel, der neben ihm lag und ihn zappeln gesehen hatte. Ich bin auch einmal etwas Besseres gewesen, wir können uns zusammen trösten!

Der Dreier aber sah ihn hochmüthig an.

– Was so ein schlechter Pfeifendeckel wohl glaubt! sagte der Dreier zu sich selbst; ich werde mich hüten, mich mit ihm gemein zu machen!

Kaum hatte er das gesagt, da kam ein junger Taugenichts des Weges, er sah den Dreier und hob ihn auf in der Meinung, er habe ein Goldstück gefunden.

– Ei, ei! Ein vornehmer Dreier! sagte er getäuscht. Ich glaubte, du wärest ein Goldstück!

– Sie irren, rief der Dreier; ich bin wirklich von Gold!

Der junge Taugenichts überlegte nun, was er mit dem vergoldeten Dreier anfangen solle. Da es Abend war, ging er zu einem Trödler, von dem er wußte, daß er schlecht sehen konnte, und kaufte sich einen Sommerrock. Der Trödler nahm den Dreier richtig für ein Goldstück hin und zahlte dem Käufer noch zwei blanke Thaler heraus.

– Endlich doch Einer, der meinen wahren Werth erkennt! sagte der Dreier. Man muß sich nur nichts von seinem Ansehen vergeben!

Am andern Morgen schaute der Trödler in seine Kasse und wollte sich die Haare ausraufen, als er das falsche Goldstück erkannte.

Er nahm den Dreier, trug ihn auf die Polizei und verklagte den Betrüger, der ihm diesen gegeben. Der ward denn auch ausfindig gemacht, verhaftet und sollte vor das Geschwornen-Gericht gestellt werden. Der Dreier aber wurde dem Gericht übergeben.

Endlich kam auch der Tag, an welchem der Prozeß öffentlich verhandelt werden sollte. Der Dreier staunte nicht wenig, als die Richter ihn vor sich auf den grünen Tisch legten und er eine große Versammlung von Zuschauern auf den Gallerien sah, die mit Fingern auf ihn zeigten. Der arme Dreier schämte sich entsetzlich; er wurde zwar als unschuldig freigesprochen, aber die Blamage konnte ihm doch Keiner abwaschen, denn die ganze Stadt sprach von dem falschen Goldstück und in allen Zeitungen standen von ihm sehr ehrenrührige Dinge geschrieben.

Noch an demselben Tage ward er in Freiheit gesetzt. Er kam in mancherlei Hände, Alle aber betrachteten ihn mit großem Mißtrauen. Der Dreier grämte sich hierüber so sehr, daß er vor Schaam an einigen Stellen ganz roth wurde.

Endlich kam er zu einem Gewürzkrämer.

– Aha! sagte dieser; das ist ja der berüchtigte Mosje, der in dem Dreier-Prozeß eine Rolle gespielt! Den wollen wir doch unschädlich machen!

Er nahm also ein spitzes Instrument und bohrte ihm ein Loch durch den Leib, daß der arme Dreier vor Schmerz große Thränen hätte vergießen mögen; dann nahm er einen Nagel und einen Hammer, nagelte ihn neben mehre falsche Geldstücke auf den Ladentisch und schrieb mit Kreide daneben: »üb' immer Treu und Redlichkeit.«

 

– Da sollst du sitzen, bis du wieder ein ehrlicher Dreier geworden bist! sagte er zu ihm.

Und so oft Leute in den Laden kamen, betrachteten sie den armen Dreier schadenfroh und sagten: »Ah! ist das der berüchtigte Dreier, von dem in den Zeitungen stand?«

So vergingen viele Wochen. Der Dreier wurde vor Schaam immer rother, ja er hätte was darum gegeben, wenn ihm Einer das übrige Gold ganz abgenommen hätte.

Endlich eines Morgens klapperte ein Goldstück auf dem Ladentisch. Der Dreier wurde aufmerksam und erkannte denselben Friedrichsdor, mit dem er einst in der Sparbüchse gelegen.

– Ei sieh da! rief der Dreier. Kennen Sie mich nicht mehr?

– Muß sehr bedauern, antwortete der Friedrichsdor. Aber wenn ich nicht irre, sind Sie derselbe, der in dem berüchtigten Dreier-Proceß kompromittirt ist!

Damit wanderte der Friedrichsdor in die Kasse.

Dem Dreier aber ging diese Antwort mehr als alles Andere zu Herzen; er bat den Krämer, er solle ihn doch um Gotteswillen nur losmachen, denn dies könne er nicht länger ertragen.

Der Krämer aber ließ ihn noch einige Wochen hindurch sitzen, und als er glaubte, daß der Dreier jetzt genug gebüßt und wieder ganz ehrlich geworden sei, machte er ihn los und warf ihn zu den Uebrigen.

Lange mußte der Dreier hier noch beißende Worte hören, endlich aber vergaß man die ganze Geschichte. – Sollte Dir, lieber Leser, ein Dreier begegnen, der ein rundes Loch gerade unter der Drei hat, er ist es und kann Dir genau dieselbe Geschichte erzählen.