Einleitung in das Neue Testament

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Aber hinsichtlich der Apostel und Propheten verfahrt nach der Weisung des Evangeliums so: Jeder Apostel, der zu euch kommt, soll aufgenommen werden wie der Herr. Er soll aber nur einen Tag lang bleiben; wenn aber eine Notwendigkeit besteht, auch den zweiten. Wenn er aber drei bleibt, ist er ein Pseudoprophet. Wenn aber der Apostel weggeht, soll er nichts mitnehmen außer Brot, bis er übernachtet; wenn er aber um Geld bittet, ist er ein Pseudoprophet…. Jeder aber, der kommt im Namen des Herrn, soll aufgenommen werden; dann aber werdet ihr ihn durch kritische Beurteilung erkennen; denn ihr habt Einsicht nach rechts und nach links. Wenn der Ankömmling ein Durchreisender ist, helft ihm so viel ihr könnt; er soll aber bei euch nur zwei oder drei Tage bleiben, wenn es nötig ist. Wenn er sich aber bei euch niederlassen will, und er ist ein Handwerker, soll er arbeiten und soll er essen. Wenn er aber kein Handwerk versteht, dann trefft nach eurer Einsicht Vorsorge, damit er als Christ ganz gewiss nicht müßig bei euch lebe“ (Didache 11,1–6; 12,1–4).

Temporär Wandernde?

Sollten diese Apostel mit den wandernden Missionaren der Logienquelle identisch sein, so macht es wohl wenig Sinn, die Spannung zwischen dem Ethos der wandernden und der sesshaften Anhänger der Jesusbewegung dadurch aufzulösen, dass man die Wandernden und die Sesshaften miteinander identifiziert, indem man die Wandernden nur temporär und vorübergehend Wandernde sein lässt. Denn wer die Situation des Wanderns aus der Perspektive der Sesshaftigkeit kennt, wird kaum selbst als temporär Wandernder die Situation ausnutzen wollen.

Nicht erst neuerdings hat man in den radikalen, u. a. den Besitzverzicht betonenden Worten der Logienquelle Parallelen zum griechischen ► Kynismus gefunden, bei dem der Name (von griechisch kyon = der Hund) Programm und Hinweis auf die bedürfnislose Lebensweise ist. Im einzelnen finden sich z. B. in der Aussendungsrede von Q eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten, von denen hier nur einige genannt werden: Das Wort von den Schafen unter den Wölfen spiegelt die Konflikte, in die der tugendhafte Mensch gerät, womit auch die Kyniker Erfahrung haben. Zu der sog. Ausrüstungsregel in Q 10,4 gibt es enge Parallelen bei den Kynikern, wenn auch der den Q-Boten (zwar nicht hier, aber in Q 9,3) verbotene Stab und der nach Q 9,3 und 10,4 ebenfalls verbotene Beutel für den Kyniker gerade kennzeichnend sind. Auch zu Q 10,5 f. finden sich, allerdings mit Ausnahme des Friedenswunsches, Parallelen im Kynismus. Gleichwohl wird man ein direktes Verhältnis zwischen Logienquelle und Kynismus ablehnen müssen, solange nicht auch über die genannten Parallelen hinaus ein Einfluss des Kynismus in Palästina und auf die Jesusbewegung nachgewiesen werden kann. Denn abgesehen von gewissen Parallelen zwischen der Logienquelle und Kynikerworten, die z. B. einfach mit dem von beiden Gruppen vertretenen Armutsideal zusammenhängen können, wird man bei den Vertretern der Kynikerhypothese doch eine einseitige Interpretation der Q-Worte zugunsten der kynischen Aussagen festhalten müssen. Näherliegende Parallelen in der alttestamentlichen und jüdischen Literatur werden vernachlässigt, Differenzen heruntergespielt und der apokalyptische Zusammenhang vieler Worte außer acht gelassen. Das Verständnis der Gottesherrschaft wird sich bei den Trägern der Logienquelle im Gegensatz zum Verständnis einiger Vertreter der Kynikerhypothese keineswegs in dem modernen Verständnis von Glücklich- und Gesundsein erschöpft haben.

Ähnlichkeiten zum Kynismus

Einseitige Interpretation

10. Die Logienquelle und das Markusevangelium

Ein besonderes Problem stellen einige Stücke in den synoptischen Evangelien dar, die aufgrund ihres übereinstimmenden Wortlautes im Matthäus- und Lukasevangelium definitionsgemäß Q zuzurechnen sind, bei denen es aber gleichzeitig Übereinstimmungen mit dem Markusevangelium gibt, so dass die Frage entsteht: Kannte Markus ebenfalls Q oder kannte gar der letzte Redaktor von Q das Markusevangelium? Eine solche Beziehung zwischen der Logienquelle und dem Markusevangelium wäre freilich für die Frage nach der Abhängigkeit der Evangelien, also für die synoptische Frage, fatal, weil diese dann noch einmal aufgerollt und neu gestellt werden müsste. Diese Konsequenz darf allerdings den Blick auf das Phänomen nicht beeinflussen, es geht um dessen unvoreingenommene Würdigung. Dieses Problem wurde früher häufig mit nur wenigen Sätzen abgetan, wird aber in der heutigen Forschung zur Logienquelle wesentlich breiter beachtet.

Kannte Mk Q?

Wenn eine Beziehung zwischen Q und dem Markusevangelium angenommen wird, so wird heute in der Regel eine Kenntnis der Logienquelle durch den Evangelisten Markus vertreten und nicht eine Abhängigkeit der Logienquelle vom Markusevangelium.

Spuren der Redaktion von Q im Mk

Zwar ist in der Literatur der letzten Jahre der erfolgreiche Abschluss dieser Diskussion vermeldet und die Frage als in dem Sinne geklärt bezeichnet worden (Jacobson in einer Rezension von Schüling), dass eine Abhängigkeit von Q für das Markusevangelium nicht in Frage kommt, aber diese Äußerung war offensichtlich etwas voreilig. Denn ebenfalls in den letzten Jahren ist eine ganze Reihe von Arbeiten erschienen, die gleichwohl eine Kenntnis der Logienquelle durch den Markusevangelisten erweisen zu können meinen. Dabei ist v. a. auf die jüngst erschienene Arbeit von H. Fleddermann zu verweisen, der – freilich nicht als erster – den umfassenden Nachweis einer Kenntnis von Q durch Markus zu führen versucht, indem er auf Spuren der Redaktion der Logienquelle im Markusevangelium verweist. Auf diese Weise wird der naheliegenden Vermutung der Weg versperrt, dass die Übereinstimmungen zwischen Q und dem Markusevangelium auf gemeinsamer Tradition basieren, die sowohl in Q als auch in das Markusevangelium Eingang gefunden hat. Wie wir noch sehen werden, wird auch das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern ebenfalls durch solchen Rückgriff auf redaktionelle Verse der Synoptiker zu klären versucht. Die Übereinstimmungen zwischen Q und dem Markusevangelium beruhen nach dieser Untersuchung (und anderen Arbeiten) darauf, dass Markus die Logienquelle kannte und nicht etwa auf der Kenntnis einer Q und dem Markusevangelium vorausliegenden Vorlage. Andere nehmen die Kenntnis einer früheren und einfacheren Stufe der Logienquelle für Markus an.

Es geht hier u. a. um folgende Texte:


Mk 1,2 f. / Mt 11,10; 3,3/Lk 7,27; 3,4Zwei alttestamentliche Zitate über den Wegbereiter des Herrn
Mk 1,12 f. / Mt 4,1–11 /Lk 4,1–13Die Versuchung Jesu
Mk 3,22–30/Mt 12,24–26/Lk 11,14–23Die Beelzebul-Perikope
Mk 3,28 f. / Mt 12,31 f. / Lk 12,10Die Sünde wider den Heiligen Geist
Mk 4,30–32/Lk 13,18 f.Das Senfkorn-Gleichnis
Mk 6,7–13/Mt 9,37–10,16/Lk 9,1–6/Lk 10,1–16Die Jüngeraussendung
Mk 8,11 f. / Mt 12,38 f. Lk 12,54–56/Mt 16,1–4Die Zeichenforderung
Mk 8,35/Mt 16,25/Lk 9,24Mt 10,39/Lk 17,33Das Wort vom Verlieren des Lebens
Mk 8,38/Lk 9,26 Mt 10,32 f. / Lk 12,8 f.Bekennen und Verleugnen
Mk 9,37/Mt 18,5/Lk 9,48 Mt 10,40/Lk 10,16Das Aufnehmen
Mk 10,11 f. / Mt 19,9/Mt 5,32/Lk 16,18Das Ehescheidungswort
Mk 13/Mt 24/10,22–37/Lk 12 und 17Evtl. auch Mk 12,28–34/Mt 22,34–40/Lk 10,25–28Teile der synoptischen Apokalypse

Auf den ersten Blick könnte man immerhin erwägen, ob sich diese Fälle nicht eher mit der Abhängigkeit der ► Seitenreferenten von Markus als mit einer doppelten Tradition erklären lassen. Aber die Übereinstimmungen zwischen Matthäus und Lukas gegen Markus zeigen, dass die Seitenreferenten hier auf eine Q-Vorlage zurückgegriffen haben. Wir verdeutlichen uns das an einem allgemein als ► Doppelüberlieferung anerkannten Text, nämlich Mk 1,7 f. par., unbeschadet der bereits erwähnten Tatsache, dass Geltung beanspruchende Lösungen sich an allen in Frage kommenden Fällen bewähren müssen.

In Mk 1,7 f. weisen zunächst folgende Momente den parallelen Matthäus-und Lukastext als zur Logienquelle gehörig aus:

(a) die über den Markuskontext hinausschießende Rede von der Feuertaufe bei Matthäus (3,11) und Lukas (3,16) – bei Annahme einer Abhängigkeit vom Markusevangelium müsste man an eine bei beiden Evangelisten unabhängig voneinander entstandene Einfügung an der gleichen Stelle denken, was kaum plausibel zu machen ist,

(b) bei Lukas und Matthäus ist das Wort von dem kommenden Stärkeren direkt mit der Taufankündigung verbunden (Q 3,16), was bei Markus so nicht der Fall ist. Markus fügt zwischen dem Hinweis auf den Kommenden und dessen Taufe noch eine Bemerkung über die Taufe des Johannes ein, die bei Matthäus und Lukas am Beginn des Absatzes steht,

(c) die Verbindung mit dem Gerichtswort von Spreu und Weizen, das sich bei Markus nicht findet.

Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten im Matthäus- und Lukasevangelium in Abweichung vom Markusevangelium ergibt sich, dass Matthäus und Lukas hier auf eine gemeinsame Vorlage zurückgreifen, also von der Logienquelle abhängig sind. Da Markus von Q erheblich abweicht, müsste ihm, wenn auch er Q folgen sollte, eine ziemlich unterschiedliche Fassung der Taufperikope in Q vorgelegen haben – mit welchen Argumenten lässt sich die Annahme einer Abhängigkeit des Markus von Q an dieser Stelle stützen? Es sind im Grunde nur zwei Gründe:

 

(a) Es war die Q-Redaktion, die den Heiligen Geist in das ursprünglich nur von einer Feuer- = Gerichtstaufe sprechende Wort Q 3,16 eingefügt hat. Da Markus nur von einer Geisttaufe spricht, soll er von der Q-Redaktion abhängig sein.

(b) Die Markusfassung lässt sich ohne Schwierigkeiten als redaktionelle Umformung der (rekonstruierten) Q-Fassung verstehen.

Selbst wenn man davon absieht, dass die Traditionsgeschichte von Q 3,16 auch ganz anders gesehen werden kann und z. B. auch die Einfügung des Feuermotivs auf der Ebene von Q in der Literatur vertreten wird, so sind diese Argumente kaum überzeugend, weil in gewisser Weise beliebig. Die Einfügung des Geistmotivs in das Taufwort Q 3,16 durch die Redaktion der Logienquelle lässt sich in keiner Hinsicht ausreichend begründen und die Beschreibung der Markusversion als redigierte Q-Fassung grenzt an eine petitio principii, wenn ausgeführt wird: Markus räume dem Täufer und seiner Predigt keinen selbständigen Platz mehr ein, verstehe ihn vielmehr vollkommen als Vorläufer Jesu, und deswegen wolle er nicht, dass die ersten Worte des Täufers von seiner Taufe handeln, sondern vom Kommen Jesu. So richtig die erste Beobachtung ist, so wenig zwingend ist die daraus gezogene Konsequenz! Wäre es, wenn man diese Intention dem Markus unterstellt, nicht besser gewesen, er hätte die Taufe des Johannes ganz unterschlagen? Wenn auch die Markusfassung des Taufwortes aufgrund der Gegenüberstellung von Taufe des Täufers und Taufe des Stärkeren mit Heiligem Geist nach allgemeiner Einschätzung jünger ist als die von Matthäus und Lukas gebotene Q-Fassung, die die kommende Taufe durch den Hinweis auf das Feuer zumindest auch auf das kommende Gericht bezieht, so ist deswegen die Annahme einer Abhängigkeit der Markusfassung von der Logienquelle in keiner Weise notwendig.

Beispiel für Kenntnis von Q durch Mk?

Gewisse Beliebigkeit der Argumente

Da die Annahme einer Kenntnis der Logienquelle auf Seiten des Evangelisten Markus die Auslassung des größten Teiles von Q durch den zweiten Evangelisten nicht zu erklären vermag und die nicht zu leugnenden Gemeinsamkeiten zwischen dem Markusevangelium und der Logienquelle sich auch durch die gemeinsame Traditionsgeschichte der in Frage kommenden Stoffe erklären lassen, ist die Annahme, dass die Logienquelle zu den Vorlagen des Evangelisten Markus gehört hat, unnötig.

11. Theologische Grundlinien der Logienquelle

Fehlen von Jesu Tod und Auferweckung

Die theologische Besonderheit der Logienquelle wird sofort deutlich, wenn man die Themen und ihren Stellenwert beachtet, die in Q eine Rolle spielen, zugleich aber auch die Themen, die in den Evangelien und bei Paulus wichtig sind, bei Q aber gerade fehlen, in den Blick nimmt. Der auffälligste Unterschied besteht, wie bereits mehrfach erwähnt, darin, dass Jesu Tod und Auferweckung und vor allem der heilsmittlerische Charakter des Todes Jesu in der Logienquelle nicht genannt werden, was kleinere Anspielungen, wie sie in Q 6,22 f.(?)27–29(?); 11,47–51; 12,4(?); 13,34 f.(?); 14,27 vorliegen, nicht ausschließt. Wie einzigartig dieses Fehlen ist, mag die Tatsache verdeutlichen, dass auch heute noch eine Reihe von Exegeten annimmt, dass die Logienquelle das Passionskerygma zwar nicht nenne, es aber doch voraussetze und bejahe. Zwar kann diese Behauptung nicht einfach widerlegt werden, aber sie basiert vermutlich doch sehr stark auf einem ex-post-Standpunkt. Infolge der Dominanz der paulinischen Form des ► Kerygmas können sich viele Exegeten offensichtlich nicht vorstellen, dass es zumindest eine Zeitlang auch Jesusanhänger gegeben hat, die sich diese Form des Kerygmas – sagen wir es vorsichtig – nicht zu eigen gemacht haben. Aus Q kann m. E. nicht geschlossen werden, dass diese Sammlung nur zur Ergänzung eines schon vorhandenen Kerygmas gebildet wurde.

Ergänzender Charakter von Q?

Wer einen solchen, bloß ergänzenden Charakter von Q annehmen will, muss jedenfalls Gründe dafür benennen, warum die Tradenten von Q eine Logiensammlung niederschrieben, ohne das maßgebende Kerygma, dessen Ergänzung Q sein soll, mitzuüberliefern. Offensichtlich sahen sich die Tradenten von Q dazu berechtigt, Jesu Worte trotz seines Todes und unabhängig von seiner Auferstehung auch über den Tod hinaus als wirksam und bedeutungsvoll weiter zu predigen. Es ist daher vielleicht doch nicht so, wie viele christliche Theologen bislang gemeint haben, dass eine Weitertradierung der Verkündigung Jesu ohne die Erfahrung der Auferstehung im damaligen Judentum absolut unmöglich gewesen wäre. Dafür, dass das Hindernis für eine Weitertradierung der Jesusbotschaft nicht so groß war, wie wir Heutigen meinen, spricht im übrigen nicht nur die Logienquelle, sondern auch die Tatsache, dass mit der Hinrichtung des Täufers durch Herodes Antipas dessen Botschaft offensichtlich auch nicht einfach obsolet war, sondern von dessen Jüngern ebenfalls weitertradiert wurde. Allerdings fällt es zugegebenermaßen schwer, sich eine Gruppe von Jesusanhängern vorzustellen, die im Jahre 60 oder später noch nicht von seiner Auferstehung gehört hat. Man wird deswegen erwägen müssen, ob die Q-Gruppe sich vielleicht einem Teil der Jesusbewegung verdankt, der keine (oder nur wenige) Auferstehungserfahrungen gemacht hat (z. B. auch, weil ihnen der Irdische auch nach seinem Tod genug war) und dem deswegen die (an sich bekannten) Erscheinungen des Auferstandenen nicht so wichtig waren. Jedenfalls waren ihnen die Worte Jesu wesentlich wichtiger! In der Nichterwähnung des Heilstodes und der Auferstehung Jesu käme dann nicht deren Unkenntnis in der Gemeinde von Q, sehr wohl aber deren theologische Bewertung zum Ausdruck. Die Tatsache, dass die spätere Theologie die Akzente anders gesetzt hat und uns diese Akzentsetzung wichtig geworden ist, ist noch kein Argument dagegen, dass andere Zeiten und andere Gruppen, zumal wenn Teile von ihnen sehr eng mit dem irdischen Jesus verbunden waren, dies anders gesehen haben. Die gültige Tradition darf uns dafür nicht den Blick verstellen. Diese Überlegungen wären m. E. auch dann gültig, wenn z. B. hinter Q 6,46 noch die Kenntnis einer erhöhten Existenz Jesu hervorscheint, weil diese Kenntnis sich auch dann nur sehr vorsichtig und ganz unbetont in Q niedergeschlagen hat. Dass die Tradenten der Logienquelle den Tod Jesu nicht als einen alles verändernden Einschnitt gesehen haben, der die Jesusbotschaft in eine völlig veränderte Perspektive rückt, zeigt auch die Tatsache, dass sie, ohne auf Jesu Tod und Auferstehung zu reflektieren, die Ansage der Heilszeit in der Gegenwart auch nach seinem Tod weiterverkündet und vielleicht auch die Wundervollmacht aus der Zeit der Gegenwart Jesu in die Zeit nach Ostern hinübergerettet haben (Q 7,22; 10,9). Die Wende vom verkündigenden zum verkündigten Christus findet hier also, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt statt. Der irdische Jesus ist die leitende Größe für Q! Auch für diese Fortsetzung der vorösterlichen Verkündigung ist wiederum der Jüngerkreis des Täufers die beste Analogie. Die Johannesjünger hielten ebenfalls trotz der Hinrichtung des Johannes an seiner Predigt und an seiner Taufe fest (vgl. Apg 19,1–7).

Keine oder nur wenige Auferstehungs-Erfahrungen in der Q-Gruppe

Verschiedene Theologien in der Urgemeinde

Heil und Ethik

Aber Q redet natürlich auch vom Heil. Aber nicht vom Heil allein durch den Glauben an das Heilsereignis in Jesus Christus wie bei Paulus, sondern das Heil wird mit den von Jesus erhobenen ethischen Forderungen zusammengebracht – hier haben wir durchaus eine Nähe zum späteren Matthäusevangelium, wo das, wie wir sehen werden, ganz ähnlich ist. Matthäus bringt diesen Gedanken auch mit Hilfe von Texten der Logienquelle zum Ausdruck. In der Logienquelle werden die Heilstexte freilich von den Gerichtstexten zahlenmäßig erheblich übertroffen, was sicher nicht nur eine Reaktion auf die Ablehnung Jesu, sondern auch auf die Ablehnung der nachösterlichen Q-Boten darstellt. Diese Ablehnung erklärt die Logienquelle mit der Halsstarrigkeit Israels, wie sie bereits im alttestamentlichen, deuteronomistischen Schema vom prophetenmordenden Israel zum Ausdruck kommt, das in Q ebenfalls auf Israel angewendet wird. Wie dieses Schema, so wollte auch die Gerichtspredigt von Q ursprünglich einmal Israel zur Umkehr führen. Ob Q auf der Ebene der letzten Redaktion noch diese Absicht hat, ist allerdings mehr als fraglich. Israel scheint von der Q-Gemeinde in seiner Gesamtheit aufgrund seiner Ablehnung der Q-Boten und ihrer Botschaft abgeschrieben zu sein und steht nicht mehr im Horizont des missionarischen Denkens von Q. Die Q tradierende Gemeinde hat bereits auch Heiden aufgenommen und stellt diese dem ihre Botschaft ablehnenden Israel als Vorbild gegenüber (Q 7,1–10; 10,13–15). Allerdings ist das Gericht nicht nur auf Israel gerichtet, sondern auch die eigene Gruppe steht unter dem Gericht, wenn sie nicht auf die Weisungen des von der Weisheit gesandten Lehrers Jesus hört und diese nicht befolgt (Q 6,46–49) oder wenn sie ihm in den Verfolgungen nicht die Treue bewahrt (Q 12,8 f.). Auch dieser Gedanke wird später vom Evangelisten Matthäus aufgenommen und noch verstärkt (Mt 7,21–27 unter Aufnahme von Q-Material; 25,31–46). – Q hebt aber nicht nur auf das Gericht zur Begründung für die Befolgung der Weisungen Jesu ab, sondern gibt typisch weisheitlich auch Begründungen aus der Schöpfung sowie aus der Menschenwelt, die sich durch solche Eindrücklichkeit auszeichnen, dass sie über das Matthäusevangelium sogar in das Bildgut der europäischen Kultur eingegangen sind. Man denke an die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels (Q 6,26.28–30.35; 11,11 f.; 12,6 f.).

Ablehnung der Q-Boten

Bekehrung Israels?

Heiden als Vorbild

Schöpfungsethik

Unterschiedliche Antworten

Dem Wachstumsprozess entsprechend gibt Q für manche Problemkreise unterschiedliche Antworten. So finden sich neben positiven Worten über den Täufer (Q 7,24–28a) auch solche, die Johannes geringer schätzen, worin wir bereits einen Niederschlag der nachösterlichen Rivalität zwischen den Anhängern Jesu und denen des Johannes gesehen haben, wie sie sich im Johannesevangelium (Joh 1,6–8.20–27; 3,30) und überhaupt in der christlichen Vereinnahmung des Täufers als Vorläufer Jesu, als der sich der historische Johannes sicher nicht verstanden hat, zeigt. Auch bei den sog. christologischen Hoheitstiteln, v. a. beim Menschensohn-Titel, ist eine solche Entwicklung zwischen den einzelnen Schichten von Q noch erkennbar.

Literatur

1. Synopsen zurLogienquelle Q

The Critical Edition of Q. Synopsis including the Gospels of Matthew and Luke, Mark and Thomas with English, German and French Translation of Q and Thomas hg. v. J. M. ROBINSON, P. HOFFMANN, J. S. KLOPPENBORG, Leuven 2000; Die Spruchquelle Q. Studienausgabe, Griechisch und Deutsch, hg. u. eingel. von P. HOFFMANN u. C. HEIL, Darmstadt / Leuven 32009; KLOPPENBORG, J. S., Q-Parallels, Sonoma 1988 (griechischer Text mit englischer Übersetzung); POLAG, A., Fragmenta Q. Textheft zur Logienquelle, Neukirchen 1979 (griechischer Text); NEIRYNCK, F., Q-Synposis. The Double Tradition Passages in Greek (Studiorum Novi Testamenti Auxilia 13) Leuven 21995; SCHENK, W, Synopse zur Redenquelle der Evangelien, Düsseldorf 1981 (nur deutscher Text); SCHULZ, S., Griechisch-deutsche Synopse der Q-Überlieferungen, Zürich 1972.

2. Kommentare

FLEDDERMANN, H. T., Q. A Reconstruction and Commentary (Biblical Tools and Studies 1) Löwen 2005; SCHULZ, S., Q. Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich 1972; VALAN -TASIS, R., The New Q. Translation with Commentary, New York 2005; ZELLER, D., Kommentar zur Logienquelle (SKK. NT 21) Stuttgart 1993.

3. Monographien und Aufsätze

(die Literatur zu diesem Thema ist in den letzten Jahren so angewachsen, dass hier nur einige wenige Titel genannt werden können)

ROBINSON, J. R. / HOFFMANN, P. / KLOPPENBORG, J. S. (Gen. Eds.), Documenta Q. Reconstructions of Q Through Two Centuries of Gospel Research Excerped, Sorted and Evaluated – verschiedene Bände, Leuven ab 1996.

BECKER, E.-M. (Hg.), Mark and Matthew I. Comparitive Readings. Understanding the Earliest Gospels in their first-century Settings (WUNT 271) Tübingen 2011; BERGEMANN, T, Q auf dem Prüfstand. Die Zuordnung des Mt / Lk-Stoffes zu Q am Beispiel der Bergpredigt (FRLANT 158) Göttingen 1993; BIGGS, H., The Q Debate Since 1955, in: Themelios 6 (1981) 18–28; CATCHPOLE, D. R., The Quest for Q, Edinburgh 1993; DEVISCH, M., La relation entre l’évangile selon Marc et le document Q, in: Sabbe, M. (Hg.), L’évangile selon Marc. Tradition et redaction (BEThL 34) Leuven 1974, 59–91; FLEDDERMANN, H. T., Mark and Q. A Study of the Overlap Texts, with an Assessment by F. Neirynck (BEThL 122) Leuven 1995; GOODACRE, M., The Case Against Q, Harrisburg 2002; DERS. / PERRIN, N. (Hg.), Questioning Q, London 2004; HEIL, C., Lukas und Q (BZNW 111) Berlin / New York 2003; HOFFMANN, P, Art. Logienquelle, in: LThK 36, 1019–1021; ders., Studien zur Theologie der Logienquelle (NTA 8) Münster 1982; HORN, F. W., Christentum und Judentum in der Logienquelle, in: EvTh 51 (1991) 344–364; JACOBSON, A. D., The First Gospel. An Introduction to Q, Sonoma 1992; KLOPPENBORG, J. S. (Hg.), The Shape of Q. Signal Essays on the Sayings Gospel, Minneapolis 1994; ders., The Formation of Q. Trajectories in Ancient Wisdom Collections (Studies in Antiquity and Christianity) Philadelphia 1987; ders., The Sayings Gospel Q: Recent Opinions on the People Behind the Document, in: CR. BS 1 (1993) 9–34; ders., Nomos and Ethos in Q, in: Goehring, J. E. / Sanders, J. T. / Hedrick, Ch. W. mit Betz, H. D. (Hg.), Gospel Origins and Christian Beginnings. In Honor of J. W. Robinson, Sonoma 1990, 35–48; ders., Synoptic Problems. Collected Essays (WUNT 329) Tübingen 2014; KOSCH, D., Die eschatologische Tora des Menschensohnes. Untersuchungen zur Rezeption der Stellung Jesu zur Tora in Q (NTOA 12) Freiburg / Schw. u. a. 1989; LINDEMANN, A., Neuere Literatur zur Logienquelle Q, in: ThR 80 (2015) 377–424; LÜHRMANN, D., Die Redaktion der Logienquelle (WMANT 33) Neukirchen 1969; MACK, B. L., The Lost Gospel. The Book of Q and Christian Origins, San Francisco 1993; MORGENTHALER, R., Statistische Synopse, Zürich 1971; MYLLYKOSKI, M., The Social History of Q and the Jewish War, in: Uro (s. u.) 143–199; PIPER, R. A. (Hg.), The Gospel behind the Gospels. Current Studies on Q (SuppNT LXXV) Leiden 1995; ROLLENS, S. E., Framing Social Criticism in the Jesus Movement. The Ideological Project in the Sayings Gospel Q (WUNT II/374) Tübingen 2014; SATO, M., Q und Prophetie. Studien zur Gattungs- und Traditionsgeschichte der Quelle Q (WUNT II 29) Tübingen 1988; SCHÜLING, J., Studien zum Verhältnis von Logienquelle und Markusevangelium (fzb 65) Würzburg 1991; SCHÜRMANN, H., Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien, Düsseldorf 1968; THEISSEN, G., Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition, Freiburg, Schw. / Göttingen 21992; TIWALD, Die Logienquelle, Stuttgart 2016; ders. (Hg.), Kein Jota wird vergehen. Das Gesetzesverständnis der Logienquelle vor dem Hintergrund frühjüdischer Theologie (BWANT 200) Stuttgart 2012; ders. (Hg.), Q in Context I. Die Scheidung zwischen Gerechten und Ungerechten in Frühjudentum und Logienquelle (BBB 172) Göttingen 2015; TÖDT, H. E., Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung, Gütersloh 1959; TUCKETT, C. M., Q and the History of Early Christianity. Studies on Q, Edinburgh 1996; ders., From the Sayings to the Gospels (WUNT 328) Tübingen 2014; URO, R. (Hg.), Symbols and Strata. Essays on the Sayings Gospel Q (SESJ 65) Helsinki u. a. 1996; ZELLER, D., Eine weisheitliche Grundschrift in der Logienquelle?, in: Segbroeck, F. v. / Tuckett, C. M. / Belle, G. v. / Verheyden, J. (Hg.), The Four Gospels (Fs F. Neirynck) (BEThL 100) Leuven 1992, 389–401; ZELLER, D., Redaktionsprozesse und wechselnder „Sitz im Leben“ beim Q-Material, in: Delobel, J. (Hg.), Logia. Les Paroles de Jesus – The Sayings of Jesus. Memorial Joseph Coppens (BEThL 59) Leuven 1982, 395–409.