21/12/12 - Der Sommer der Schwalbe und die Maya Apokalypse

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Kapitel 3. Schattendasein

1.

Lucie Schröder hatte 38 Jahre lang im Einzelhandel gearbeitet. Die Beine waren geschwollen vom vielen Stehen. Wasser und geplatzte Äderchen. Sie hatte viele Schmerzen. Kuren hatte sie aufgeschoben. Die Stellung wäre womöglich gefährdet gewesen.

Der Arzt hatte sie kopfschüttelnd angesehen, aber es war schließlich ihre Gesundheit.

Sie hatte zwei Kinder und schon drei Enkelkinder, aber auch das war nicht einfach. Die Tochter hatte ein behindertes Kind zur Welt gebracht. Irgendeine Blutung im Kopf, die nicht gleich erkannt worden war, hatte zu einem Hirnschaden geführt. Ihr Enkelkind Ulf war jetzt vier, aber er konnte nicht sprechen, musste immer noch Windeln tragen und die Koordination der Gliedmaßen funktionierte nicht richtig, so dass Ulf gefüttert werden musste. Er würde wohl sein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein. Lucie hatte vergessen, wie die Ärzte diese Krankheit nannten.

Ihr Sohn hatte da mehr Glück gehabt. Der hatte zwei richtige Rabauken, aber ihr Sohn hatte einen schlecht bezahlten Job als Paketausfahrer. Die Mutter musste dazuverdienen und die Kinder waren oft alleine und unbeaufsichtigt.

Lucie war 54, als sie entlassen wurde. Ihre Arbeit wurde einfach durch eine Kollegin übernommen, die jünger war und jetzt zwei Jobs für ein Gehalt erledigen musste. So ist das in diesen Zeiten manchmal.

Lucie hatte Arbeitslosengeld erhalten, aber das hatte schon nicht gereicht. Wegen ihrer offenen Beine war sie schlecht vermittelbar, und sie hatte zunächst ihrem Sohn und der Schwiegertochter mit den Kindern geholfen.

Ihr Mann trank gerne mal einen über den Durst, und der Fernseher lief den ganzen Tag.

Inzwischen war sie in Hartz IV gelandet und das machte die Situation nicht besser. Der Mann beim Arbeitsamt war oft nicht zu erreichen, oder die Akten waren irgendwo unterwegs. Ständig wurden irgendwelche Gründe gefunden, die monatliche Auszahlung zu kürzen, oft wurde überhaupt kein Grund angegeben, dann musste sie wieder diese schmerzhaften Wege zum Amt machen, eine Nummer ziehen, und sich anstellen in dieser ewig langen Schlange von Wartenden. Manchmal ohne Ergebnis, weil die Zeit einfach nicht reichte, um alle Fälle in der Wartehalle auch an einem Vormittag zu bearbeiten.

Lucie hatte Übergewicht, und diese Warterei in den Ämtern fiel ihr schwer. Sie fiel in dieser Zeit des Wartens auch als Hilfe für ihre Tochter oder ihren Sohn aus, und nun warf man ihr auch noch diese Hilfe vor, und zog einen monatlichen Betrag für angebliches Einkommen ab, das sie gar nicht hatte.

Lucie war oft den Tränen nahe und sie wusste nicht, wie sie sich wehren sollte. Von Jura hatte sie keine Ahnung und Rechtsanwälte waren teuer. Einmal hatte sie sich einen Beratungsschein geholt, aber sie hatte keinen Anwalt gefunden, weil die nicht bereit waren, für einen Satz von 10 Euro zu arbeiten.

Nun hatte das Amt auch noch gefordert, sie solle für einen Euro Stundenlohn arbeiten. Das Arbeitsamt hatte ihr eine Adresse gegeben, aber die Fahrtkosten waren schon höher, als das, was sie am Tag verdienen konnte. So hatte sie sich in ihrer Not krank gemeldet.

Der Mann beim Arbeitsamt hatte gesagt, die Krankmeldung sei zu spät bei ihm eingegangen, und er hatte den Monatsbetrag noch einmal um 30 Prozent gekürzt, als Strafe.

Lucie war verzweifelt.

2.

Ihr Sohn konnte ihr nicht helfen und ihr Mann machte nur ein missmutiges Gesicht und er trank noch mehr.

Was sollte sie bloß tun?

So etwas wie Selbstmord war ihr immer fremd gewesen, aber nun dachte sie öfter daran, dass der Tod sie von ihren Leiden erlösen könne.

Lucie war aber in ihren jungen Jahren kein Kind von Traurigkeit gewesen und sie schluckte all diesen Ärger herunter.

Schließlich hörte sie von diesem Maya Kalender. Es hatte im Fernsehen irgendeine Sendung gegeben, und Lucie dachte für sich, wenn das alles wirklich stimmt, dann wäre sie in 12 Monaten tot und ihre Tochter auch, und auch ihr armes Enkelkind. Vielleicht wäre daran sogar etwas Gutes.

Aber weil Lucie sich bisher nie Gedanken über solche Dinge wie Maya Kalender oder Sternenkunde gemacht hatte, war ihr diese ganze Angelegenheit suspekt. Eine Verkäuferin hat zu solchen Dingen nur ganz selten einen Draht.

Lucie hörte noch ein zweites und ein drittes Mal davon.

Finanziell ging es ihr wirklich schlecht, und sie dachte nun daran, wie sie dem Amt vielleicht ein Schnippchen schlagen könne. Wenn in einem Jahr tatsächlich alles vorbei sein würde, dann, ja dann könnte sie versuchen das zu tun, was fast alle in diesem Land heimlich tun, irgendeinen Nebenjob anzunehmen, ohne ihn anzumelden. Das würde nicht viel einbringen, aber immerhin soviel, dass sie vielleicht ein paar Mal zur Massage gehen könnte, oder einmal die lang erträumte Rheintour mit dem Ausflugdampfer buchen könnte. Nur sie und ihre Tochter und ihr armes Enkelkind.

Also hörte sich Lucie um. Putzfrauen werden immer gesucht und sie fing jetzt an bei so einem Hausbesitzer zu putzen.

Was der machte, das wusste sie nicht. Er hatte einen Doktortitel, er war mit ihrer Arbeit zufrieden, und er gab ihr acht Euro auf die Hand, für jede Stunde, die sie dort arbeitete. Das war großzügig.

Weil dieser Doktor penibel war, kam sie jetzt 2x in der Woche für jeweils fünf Stunden, und sie sparte sich das Geld auf.

Ihrem Mann sagte sie nichts und sie versteckte die wenigen Euro, damit er sie nicht in Schnaps umwandeln konnte.

Sie verkniff sich die Schmerzen, aber sie ging jetzt öfter zum Arzt, um sich krankschreiben zu lassen. Sie reichte diese Krankmeldungen jetzt pünktlich ein, sie hatte ja aus der Situation gelernt, und jetzt war sie nicht mehr in 1-Eurojobs vermittelbar, nicht, wenn sie krankgeschrieben war.

Wenn sie auf der Strasse erkannt werden würde, würde sie sagen, dass sie einkauft. Einer musste das ja tun, und sie war im Haus die Hausfrau. Es war ihre Aufgabe das zu tun. Es war unverfänglich.

So entwickelte Lucie ein Doppelleben, das natürlich illegal war, und obendrein wenig einträglich. Sie durfte sich auch nicht erwischen lassen.

Der Doktor war zufrieden und er sprach mit seinen Freunden, und bald bekam Lucie ein weiteres Putzangebot. Einmal in der Woche Fensterputzen für drei Stunden. Auch dieses Angebot nahm Lucie an und erhöhte ihr schwarzes Wocheneinkommen schon auf 104 Euro, von denen sie allerdings 12,30 Euro für die Fahrt abziehen musste.

Immerhin hatte sie jetzt im Monat 370 Euro zusätzlich, und wenn sie rechnete, war das mit dem Hartz IV Satz zusammen etwas weniger als sie als Verkäuferin netto verdient hatte, und die Arbeit war um vieles leichter.

Lucie war ein einfacher Mensch, aber sie war ja nicht blöd.

Wenn das herauskommen würde, dann würde sie ihren Anspruch auf Hartz IV Bezüge für immer verlieren, doch sie sagte sich jetzt, wenn die Welt tatsächlich am 21.12. untergeht, dann machst du vorher eine schöne kleine Reise. Vielleicht ein Wellnesshotel im Schwarzwald. In den wenigen Monaten, die ihr dann noch bleiben würden, war die Chance gering, dass sie entdeckt werden würde.

Tatsächlich war die Chance gering. Die Arbeitsämter hatten für solche Kontrollen einfach kein Personal, seit es soviel Arbeitslose gab. Man darf ja nicht die offiziellen Arbeitslosenstatistiken ansehen. Tatsächlich war die Zahl um etwa 4x höher als angegeben, aber die Bundesregierung würde einen Teufel tun, diese Zahl öffentlich zu machen.

Statistiken sind dazu da, um in der Öffentlichkeit die passende Grundstimmung für die Belebung der Wirtschaft zu erzeugen, und die Wiederwahl in den nächsten Bundestag, und seit mehreren Jahren schien es notwendig, den Erfolg der Bundesregierung auf wirtschaftlichem Gebiet durch sinkende Arbeitslosenzahlen zu beweisen. Kein Mensch würde je von einer Fälschung sprechen, außer ein paar sehr böswilliger linker Hassprediger in der Opposition. Mit solchen Populisten konnte man umgehen.

So blieb Lucies illegale Tätigkeit tatsächlich unentdeckt.

Im Sommer machte sie mit der Tochter endlich die langersehnte Kurzreise mit dem Rheindampfer von Mainz nach Köln, und im November fuhr sie mit dem Zug für ein Wochenende in den Harz und genoss dortden Wellness-Service.

Sie hatte sich extra ein neues Kleid, neue Schuhe und einen neuen Mantel gekauft, um dort nicht aufzufallen, aber natürlich sahen die Leute vom Personal sofort, dass Lucie eine einfache Frau war, die sich das Wochenende vom Munde abgespart hatte. Das Personal war aber geschult und höflich. Solange der Gast zahlte und keinen Unfrieden stiftete, konnte man sich das leisten.

Lucie genoss das Schlammbad. Die Sauna verkniff sie sich, weil das ihrem Kreislauf nicht gut tun würde, aber sie machte leichte Spaziergänge im Park und sie sündigte mit Kaffe, Obstkuchen mit Schlagsahne und Braten mit Pilzrahmsoße.

Wenn die Welt in zwei Monaten untergehen würde, dann ist das jetzt auch egal, sagte sie sich. Sie würde nach der Völlerei mehr Schmerzen in den Beinen haben als zuvor, aber an einem Punkt war sie konsequent. Sie trank viel Mineralwasser und das entschlackte ihren fülligen Körper wenigstens ein klein wenig.

3.

Lucie war ausnehmend zufrieden mit sich. Sie würde das wieder tun, wenn die Welt nicht untergehen sollte, wie prognostiziert, aber vielleicht war an dem Gerücht ja wirklich etwas dran.

Zurück in ihrer kleinen Stadt ging Lucie wieder zu ihrer illegalen Arbeit. Sie brauchte diese Art als Anerkennung ihres Selbstwertes.

An den Sonntagen gönnte sie sich jetzt aber ein Stück Kuchen, ein paar Pralinen oder einen schönen starken Kaffee mit Sahne. Sie setzte sich dazu in die Küche, weil ihr Mann mit der Bierflasche vor dem laufenden Fernseher saß, der den ganzen Tag plärrte.

 

Es wurde Mitte Dezember und Lucie war nun wirklich gespannt, ob am 21.12. etwas geschehen würde.

Wenn nicht… nun, sie hatte inzwischen gelernt, sich irgendwie zu arrangieren. Das Leben war leichter geworden und etwas besser, obwohl sie im Monat weniger Geld hatte als zu Zeiten ihrer Anstellung.

Kapitel 4. Die Grenzüberschreitung

1.

Karl-Heinz Fischer war Versicherungskaufmann ohne eigene Agentur. Er war noch jung, er wollte lernen und er wollte den Erfolg.

Er arbeitete in einem Mainzer Versicherungsbüro, das, wie so oft, auch mit anderen Dingen handelte, Obligationen, Anlagen, Wertpapieren.

Er hatte schnell gelernt, wo das wirklich große Geld herkommt.

Er konnte mit solchen Papieren in seiner Freizeit aber nicht so einfach handeln, ohne dass dies seinem Chef aufgefallen wäre. Nicht sofort, aber vielleicht in einigen Monaten. Er fühlte sich in seinem Fortkommen behindert.

Als er dann erstmals 2008 von diesem möglichen Ereignis hörte, diesem angenommenen Supergau, der laut Maya Kalender am 21.12.2012 geschehen sollte, da hörte er erst gar nicht hin.

Es war die Zeit, in der die Welt gerade in die nächste Bankenkrise schlidderte.

Er beobachtete das. Er sah, dass viele Menschen ihr gesamtes Vermögen verloren. Er sah, wie sich die Staatsregierungen wandten, wie die Schlangen, um am Ende viele Milliarden an Unterstützungsgeldern zu verschenken.

Karl-Heinz Fischer lachte sich einen Wolf über dieses Husarenstück. Heimlich und bloß nicht offen.

In diesen Tagen beschloss er, richtig groß abzusahnen. Wenn etwas raus kommen würde, dann würde er sich Schlupfwinkel suchen. Wenn die Welt tatsächlich untergeht, was soll’s, aber daran dachte er nicht im Ernst. Es war nur im Hinterkopf, als eine Art letzter Antrieb, um endlich in die Grauzone einzutauchen.

Karl-Heinz Fischer kannte sich aus im Insolvenzrecht und in Betriebswirtschaft. Er hatte Kontakte nach England, und gründete dort jetzt eine Firma mit dem Namen Money Booker Ltd., unter dem Namen eines Freundes in Birmingham, mit Sitz in London. Tatsächlich war das nur eine Briefkastenfirma.

In Luxemburg gründete er eine zweite Firma, die Fine Finance Ltd. Die Londoner Firma gehörte der Fine Finance zu einhundert Prozent.

Ohne Internetseite ging nichts, aber das war ein Kinderspiel.

Er sprach fließend englisch und französisch, weil die Mutter ursprünglich aus Toulouse stammte. Also wurde die Internetseite dreisprachig konzipiert, unter dem Namen der englischen Firma Money Booker.

Dann hörte er sich um, machte Papiere und Anlagen ausfindig, griff sein Erbe an, schloss mit drei Telefonmarketetingfirmen in England, Frankreich und Deutschland Kontrakte, und schickte sie ins Rennen.

In diesen Tagen war es nicht klug, in amerikanischem Grundbesitz zu investieren, aber es gab anderes. Industrieerwartungsland mit tatsächlichen oder behaupteten Bodenschätzen. Man musste solche Projekte nur richtig verkaufen, mit ordentlichen Argumenten und notfalls mit Hochglanzmappen und prächtigen Gewinnerwartungsversprechen, und man musste mit den Ängsten und der Gier der Menschen spielen.

Er schaffte sich falsche Visitenkarten an und begann abends und an den Wochenenden Klinken zu putzen. Nicht wahllos.

Er erhielt die Adressen von den Telefonmarketing-Leuten und wählte alles aus der Liste weg, was zu nah an seinem Wohnsitz lag. Leider fiel dadurch der Mainzer und Wiesbadener Markt zunächst aus. Dort gab es viel Geld.

Er konzentrierte sich auf Nord- und Süddeutschland, Elsass Lothringen, Belgien und Holland. Er entwarf eine Hochglanzbroschüre, dann eine Zweite und eine Dritte.

Er entwarf eine erfundene Vita und erfundene Erfolgsstatistiken. Er trat nie unter eigenem Namen auf und arbeitete nur von Zuhause aus. Kontakte in England machte er nur über Telefon und Email.

Das System war einfach. Er würde das Geld auf der Bank bunkern, nach einem Jahr angebliche Zinsen von 20-30 Prozent auszahlen, weitere Anlagegelder entgegennehmen und dann die Firma urplötzlich auflösen. Inzwischen würde er genug Kunden haben, so dass sich ein großes Vermögen angehäuft hätte. Den Freund in Birmingham würde er bereits nach zwei Monaten an der Spitze der Scheinfirma auswechseln, durch einen weiteren Strohmann. In seiner eigenen Bekanntschaft wollte er weitgehend Sauberkeit.

2.

Das Internet bot genug Recherchemöglichkeiten, um scheinbar lukrative Geschäfte aufzutun. Das Geschäft lief an. Vielfach nannte er nicht einmal die angeblichen Adressen, sondern er gab Blindpapiere als Anteilsscheine aus. Papiere, die in mehrere Fonds gleichzeitig investierten. Seinen Kunden verkaufte er das als Sicherheit. Kommen ein oder zwei Projekte nicht gleich ins Laufen, ziehen bereits die anderen acht oder zehn. Das ist optimale Sicherheit, um Gewinne sicher zu generieren. Natürlich gab es Kleingedrucktes in grauer Schrift auf hellgrauem Grund. Man konnte das nicht ernsthaft lesen ohne Lupe, und wollte es auch nicht. Da die Verträge in englisch abgefasst waren, hatten die deutschen, französischen, belgischen und holländischen Kunden ohnehin damit ihre Probleme.

Im Sommer 2010 hatte er schon so viel Geld angehäuft, dass er seine Stellung in dem Mainzer Büro kündigte.

Er würde noch ein Jahr so weitermachen und nicht einen Monat länger. Die zufriedenen Kunden würden ihm weitere Gierhälse bringen. Nichts ist so überzeugend, wie eine 30-prozentige Gewinnausschüttung nach nur einem Jahr.

3.

Karl-Heinz Fischer verlegte jetzt seinen Wohnsitz nach Liechtenstein und hatte jetzt Zeit, auch unter der Woche Geschäftstermine wahrzunehmen. Er erweiterte seinen Radius nach Nordfrankreich und Dänemark. Er erhielt Kunden aus den USA.

Das Geld wurde auf einem Konto in der Schweiz und in Luxemburg gebunkert, auf dem Umweg über eine Londoner Bank.

Dann gründete Karl-Heinz Fischer noch eine dritte Firma, völlig unverfänglich auf den Namen Trade Unity Ltd. mit Sitz in Monaco und begann die Gelder in bar abzuheben und in Monaco einzuzahlen.

Auch das war nur ein Zwischenstadium.

Falls die Welt nicht untergehen sollte, und davon ging er aus, würde er nach Amerika auswandern.

4.

Karl-Heinz Fischer war vorsichtig. Eins machte ihm Sorge. Über die IP Nummer seines Computers war er stets auffindbar, und auch über den Server war es möglich, ihn aufzufinden. In England gab es zwar einen Computer, der rund um die Uhr lief, und Nachrichten automatisch an ihn weiterleitete, aber das war nur ein kleiner Schutzwall.

Tatsächlich begannen in diesem Jahr mehrere Anteilseigner ihre Gelder zurückzurufen, und im Februar 2011 machte Karl Heinz Fischer Schluss. Er löste die englische Firma auf. Den Geschäftsführer hatte er schon zuvor entlassen.

Dann transferierte er alle Gelder aus seiner Luxemburger Firma, löste sie ebenfalls auf, löste seine Wohnung im Mainzer Vorort Finthen auf und zog nach Graz, dann nach Mailand und dann nach Liechtenstein, alles in kürzester Zeit, um Spuren zu verwischen.

Dann eröffnete er ein weiteres Konto in der Schweiz und in L.A., transferierte den größten Teil in die Schweiz und 2 Millionen in die USA, verließ seine Wohnung, ohne den Wohnsitz aufzulösen, und flog in die USA.

Er wusste, dass die Behörden ihm folgen würden. Er würde noch einige Winkelzüge machen müssen.

Wenn tatsächlich die Welt am 21.12.2012 untergehen würde, dann würde er nie gefunden werden. Wenn nicht? Nun. Er würde jetzt erst einmal reisen und er hatte sich längst zwei falsche Pässe besorgt. So schnell würden sie ihn nicht finden.

So war Karl-Heinz Fischer jetzt unterwegs. Er lernte Mädchen kennen und er vergaß sie wieder. Er verfügte über genug Geld, um plötzlich und unerwartet seine Koffer zu packen und um zu verschwinden.

Es waren wunderbare Monate auf Hawai, auf den Fidschis, in LA und in verschiedenen Südamerikanischen Ländern.

Anfang Dezember 2012 war er gerade in Brasilien. Es war der Beginn des Sommers und er genoss den Strand und die Mädchen. Inzwischen dachte er schon an den 21.12.2012

Wenn nichts passieren würde, dann würde er neue Pläne machen. Eine Gesichts OP und noch einmal neue Papiere. Er wollte das Leben richtig genießen.

Er wusste nicht, dass die Polizei ihm schon längst auf der Fährte war.

Kapitel 5. Weites Land

1.

Manfred Bergmann, der von seinen Freunden schon immer Manni gerufen wurde, der war Installateur. Genaugenommen war er Meister, und er hatte sich einmal in die Tochter seines Chefs verliebt. Die Liebe fand offene Ohren und so heirateten Manni und Linde irgendwann. Weil Manni ein guter Jung war - wie man so sagt - und weil sein Schwiegervater in Lüttinghausen bei Remscheid ein großes Geschäft führte, wurde Manni irgendwann Juniorchef.

Später fand der Schwiegervater, dass er etwas kürzer treten sollte. Das Herz.

Manni übernahm den ganzen Laden, und nahm sich einen Partner, der Geld mitbrachte und Lüftungsbauer war. Sie erweiterten das Geschäft. Es florierte im Sommer und im Winter.

Weil Sie jetzt viele Großkunden hatten, mussten sie viel Geld vorschießen, denn in diesen Kreisen ist die Zahlungsmoral recht verspätet. Es wurde zwar immer bezahlt, aber frühestens nach 12 Monaten. Nach spätestens zwei Jahren hatten sie immer ihr Geld, aber sie mussten jetzt immer mit Banken zusammenarbeiten, um Zwischenzufinanzieren. Das klappte reibungslos, denn wenn die Banken sehen, dass die Aufträge reinkommen, und dass die Zinsen pünktlich gezahlt werden, sehen sie keinen Grund, an dieser Situation nicht prächtig zu verdienen.

Linde war das Herz der Firma. Sie sorgte für eine korrekte Abrechnung, sie machte die Buchhaltung, sie machte die Termine, und sie redete mit den privaten Kunden, wenn die irgendwelche Wünsche hatten. Linda war in dieses Geschäft hineingewachsen. Sie sprach aber auch mit den Großkunden, und hatte ein sicheres Händchen, um alle bei der Stange zu halten und Zahlungen zu beschleunigen.

Leider war die Ehe mit Linde bisher kinderlos geblieben.

Manni hatte in früheren Jahren Fußball gespielt und irgendwann einmal hatte er durch einen blöden Zufall einen Fußballschuh voll in die Eier bekommen. Er musste damals operiert werden. Vielleicht war das der Grund, warum er keine Kinder bekommen konnte. Sonst lief alles prächtig. Er war jetzt 43 und Linde war fünf Jahre jünger. Sie sah immer noch gut aus und im Bett war alles prima.

Sein Geschäftspartner war ein Jahr älter. Gerd Fröbing hatte zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Der Sohn war in die Fußstapfen des Vaters getreten, er arbeitete in der Firma als Geselle. Britta hatte eine kaufmännische Lehre gemacht und half Linde bei der Buchhaltung.

Bisher hatten Sie Glück gehabt. Es gab manchmal Meinungsverschiedenenheiten, aber nie wirklichen Streit und immer war alles sehr konstruktiv gelöst worden. manchmal waren sogar durch solche Auseinandersetzungen neue Wege gesucht worden, die sich als ein Segen herausstellten.

Nur Beate, die Frau von Gerd arbeitete nicht in der Firma.

„Wenn mal was passiert“, hatte Gerd stets gesagt, „dann soll wenigstens einer in der Familie noch ein sicheres Einkommen haben.“

2.

Manni und Gerd lebten in dieser Kleinstadt, und im Bergischen da gibt es eingeschworene Gemeinschaften und echte Kliquen. Manni ging immer noch zum Fußball, aber nur als Zaungast und Fan, und bei Vereinstreffen, da war er da, das war Ehrensache. Natürlich hing auch seine Firmenwerbung als Banderole am Sportplatz und auch in den Nachbarorten. Die Karl Schuster GmbH, die nach dem Großvater so benannt war, die war hier nicht irgendwer. Mann kannte Pastoren, Stadtverordnete und Bürgermeister, örtliche Anwälte, Versicherungsbüros und die Geschäftsführer der wichtigsten Firmen.

Manni hatte aber auch noch ein zweites Hobby, das er mit einigen Fußballern teilte. Er fuhr seit vielen Jahren eine alte Indy und schraubte daran herum. Manchmal gab es Oldtimer Rallyes, bei denen die alten Harleys Triumph’ oder DKW’s bestaunt wurden, und es gab ortsübergreifend so eine Begeisterung für diese alten Maschinen. Es waren auch alte R60, alte Hondas oder Yamahas darunter. Die Sammelleidenschaft war breit gestreut.

Einer von Mannis Kumpels betreute die Fußballmannschaft der Nachbargemeinde als Ergotherapeut. Ulf hatte ihm damals nach dem Unfall sehr geholfen. Sie hatten sich beide vor ein paar Jahren Trikes zugelegt. Das war ganz praktisch, weil die Ehefrauen als Sozius wirklich bequem mitfahren konnten, wenn sie am Wochenende einmal unterwegs waren, mal in den Kasseler Bergen, mal in Holland, Belgien, oder Ostfriesland.

 

3.

Auch Manni hatte von diesem Maya Kalender gehört, aber als Handwerker gab er auf so was nichts. Für ihn waren das Märchen, aber er hatte schon gehört, dass solche Sternenkonstellationen Einfluss auf die Erde haben sollen.

Im Winter 2011 fand er, dass mal ein richtiger Urlaub angesagt sei, nicht nur so ein kurzes Hin-und Her, eingespannt in immerwährende Termine.

Er besprach sich mit Linde, Gerd und Ulf, und er redete auch mit seinem Schwiegervater. Dann stand fest, dass er mit Ulf im Sommer mit den Trikes einmal für sechs Wochen bis ans Nordkap fahren würde.

Norwegen ist teuer. Sie würden Schlafsäcke, einen Kocher, Notrationen und ein Zelt mitnehmen, und nur von Zeit zu Zeit im Hotel schlafen. Für die Rückreise würde man die Trikes vielleicht nach Hause schicken und mit dem Flugzeug fliegen. Sie würden das auf sich zukommen lassen. Sechs Wochen und nicht einen Tag länger hatte es geheißen. Dann kommt der Herbst und dann kommen die Heizungswartungen. Für die Lüftungen war Gerd mit seinem Team zuständig. Im Sommer konnte der nicht weg.

Also bereiteten Ulf und Manni ihre große Reise vor. Die Frauen würden Zuhause bleiben, aber sie brauchten Landkarten, Routen, gültige Ausweise, Mückenspray, eine Auslandsversicherung und Reisetipps.

Die Trikes konnten das Gepäck bequem transportieren. Sie hatten Handys, Funkgeräte und ein Solarladegerät. Sie hatten zwei zusätzliche Benzinkanister für je 20 Liter. Sie hatten Scheckkarten und Devisen. Die Fähren wurden gebucht und ein Gesundheits-Check wurde gemacht. Schließlich wurden die Trikes durchgesehen und mit neuen Reifen bestückt. Vor Ihnen lagen mindestens 10.000 Kilometer.

4.

Am 8. Juli brachen sie auf. Es war ein Sonntag und sie wollten den Weg bis Hamburg möglichst ohne LKW-Verkehr hinter sich bringen. Solche Trikes sind ja gemütliche Fahrzeuge, da will man nicht rasen, sondern von der Landschaft etwas sehen.

In Hamburg machten sie für einen Tag Pause. Wenigstens eine Hafenrundfahrt musste drin sein und auch der obligate Bummel durch die Nacht von St. Pauli.

Dann fuhren sie weiter nach Flensburg, Odense und Kopenhagen. Dort blieben sie zwei Tage und setzten dann über nach Helsingborg. Dann fuhren sie die schwedische Küste hinauf, nach Göteborg und weiter ins norwegische Oslo.

Nach der Besichtigung fuhren Sie auf der Küstenstrasse nach Skavanger und Bergen.

Das war schon eine urwüchsige Landschaft aus Fjorden und Steilküsten. Sie hatten in den Handys solche Minikameras, und sie verschickten von Zeit zu Zeit Bildnachrichten nach Hause.

Es war wirklich eine riesige Strecke, und sie waren froh, dass sie das Zelt dabei hatten. Die norwegischen Campingplätze waren wirklich wunderbar gelegen und boten jeden Komfort, bis zur Waschmaschine und zur Sauna. Einmal waren sie trotz der Regenkleidung so nass geworden, dass sie sich eine dieser Holzhütten mieteten. Zweimal blieben sie in einem ruhigen Hotel.

Das waren solche Insidertipps und sie mussten mit der Fähre auf eine Insel übersetzen. Da gab es schlossartige Anlagen mit riesigen Parks und Yachten im Hafen. Wirklich. Hier konnte man leben. Es war so ganz anders.

5.

Nun lag ein größeres Stück vor Ihnen. Trondheim war die letzte größere Stadt, bevor die absolute Einsamkeit begann.

Kurz vor Trondheim hatte Ulf eine Panne.

Sie hatten auf einem Parkplatz gehalten, und ein zweites Frühstück eingenommen. Als sie weiterfahren wollten, sprang die Maschine nicht mehr an.

Sie waren in solchen Dingen erfahren, und sie hatten Werkzeug dabei. Dieses Mal schien es etwas ernstes zu sein, aber sie hatten Glück im Unglück. Ein Pickup kam auf den Parkplatz gefahren. Der Mann ging eilig pissen, dann kam er zu ihnen, und sah sich die ganze Angelegenheit an. Norweger sind hilfsbereit, und so begann er mit seinen wenigen Worten englisch und deutsch mit den beiden zu reden.

Schließlich meinte er, da könne nur eine helfen, die Ingrid.

Die habe nördlich von Trondheim ein großes Bikerhotel mit Werkstatt. Er könne sie anrufen, sie könne das Trike auch abschleppen. Er selbst habe leider einen eiligen Termin, sonst würde er das Trike selbst an den Haken nehmen. Das Bikerhotel würde sehr einsam liegen und es sei für Fremde auch nicht so leicht zu finden.

6.

Er sprach auf norwegisch ins Telefon, schließlich tippte er einige Befehle ins Handy und gab Koordinaten durch. Soviel konnten Ulf und Manni immerhin verstehen, dann meinte er, so in zwei Stunden würde jemand kommen und verabschiedete sich.

Es war wirklich einsam auf diesem Parkplatz, aber sie hörten immer mal Motorräder auf der durch Bäume abgetrennten Strasse.

Drei Stunden später fuhr ein Pickup mit Kran auf den Parkplatz. Am Heck hing ein Anhänger, auf dem schon ein Motorrad stand.

Als die Tür aufging, staunten Ulf und Manni nicht schlecht.

Das war ein Klasseweib, ganz in Leder, mit langen blonden Haaren. Die Arme waren nackt und sie hatte deutliche Oberweite. Die Hosen waren seitlich geschnürt, so dass man die Haut sah und sie trug Stiefel. Das Gesicht war herb aber gleichmäßig. Am Wagen prangte eine Inschrift, Ingrids Motörhotel.

Die Frau war vom Alter schlecht einzuschätzen. Vielleicht Mitte Dreißig und sie reichte Manni und Ulf die Hand. „Ich bin Mareike“, sagte sie. „Dann wollen wir mal schauen, was euer Problem ist.“

Sie sprach ziemlich gut deutsch und ließ sich den Zündschlüssel geben. Der Anlasser lief, aber der Motor sprang nicht an. „Elektronik, Relais oder Einspritzpumpe, irgendsowas.“ Sie nahm das Handy, ließ sich verbinden, und hörte eine Weile zu. Dann nickte sie. Wir müssen damit in die Werkstatt. Ihr könnt helfen.“ Sie zog eine Rampe aus dem Anhänger, befestigte ein Seil am Haken des Krans, und zog das Trike mit der Motorwinde auf den Anhänger. „Einer kann mit mir fahren, der andere folgt uns.“

Unterwegs mussten sie noch ein weiteres Motorrad einsammeln, und kamen drei Stunden später an.

Sie waren eine sehr lange, sehr schmale und sehr staubige Küstenstrasse entlanggefahren. Ein langer Fjord, tiefblau.

Dann war das Hotel vor ihnen aufgetaucht. Ein großer traditionell gebauter Komplex aus mehreren Gebäuden mit Parkplätzen und Hallen, etwa 50 Meter über dem Meer.

Unten gab es einen Hafen mit Motorbooten und Segelschiffen.

So viel konnte Manni zunächst sehen, denn er war in einigem Abstand hinter dem Pickup hergefahren, weil die Strasse wirklich sehr staubig war. Hinter ihm fuhr noch ein ganzer Pulk aus Motorrädern, auch in einigem Abstand.

7.

Als sich die Staubwolke gelegt hatte, fiel Manni fast der Kiefer runter. Das war eine grandiose Landschaft. Hinter den Häusern gab es eine Art überdachten Biergarten, der schon jetzt knüppelvoll war, es gab einen Parkplatz mit vielleicht 100 oder 130 Motorrädern, manche mit Beiwagen. Es gab Trikes und Solos, Rennmaschinen und Geländefahrzeuge.

Mareike lud ab, wobei sie Hilfe aus der Werkstatt bekam. Ulf kam zu ihm und meinte, „Mareike ist wirklich eine Nette. Hinter dem Haus gibt’s einen Campingground, aber wir können auch im Hotel wohnen, wenn wir uns beeilen. Die Gruppe hinter dir sei schon angemeldet, die würden campen, aber im Laufe des Abends würden sicher noch zwanzig oder dreißig neue Gäste kommen. Im Hotel gibt es Mehrbettzimmer und Zweierzimmer. Eins sei noch frei. Was meinst du?“ Manni nickte, „für zwei Tage Hotel. Wenn die Reparatur länger dauert, dann im Zelt, sonst wird unser Budget überstrapaziert.“

Sie hatten schon gehört, dass hinterm Haus die Musik plärrt.

„Nachts wird das abgestellt, hat Mareike gesagt. Unsere Gäste sollen unsere Landschaft auch mal genießen können.“

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