Evangelisches Kirchenrecht in Bayern

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KAPITEL 2
Strukturen der ELKB
§ 5Kirchliche Körperschaften, Einrichtungen und Dienste – verfasste Kirche und freie Träger im Überblick
1.Körperschaftlicher Aufbau der Landeskirche

Nach der Kirchenverfassung der ELKB haben die (Gesamt-)​Kirchengemeinden und die Dekanatsbezirke jeweils für die ihnen zugewiesenen Aufgaben das Recht der Selbstverwaltung. Sie sind – wie die ELKB – rechtlich selbstständige kirchliche (Gebiets-)​Körperschaften. Damit ist die ELKB körperschaftlich dreistufig aufgebaut. Im Gegensatz dazu kennt der Freistaat Bayern einen vierstufigen Aufbau, weil neben ihm nicht nur die politischen Gemeinden und die Landkreise, sondern zusätzlich auch noch die Regierungsbezirke selbstständige (Gebiets-)​Körperschaften sind.


BEACHTE:

Die Rechtsordnung erkennt neben natürlichen Personen unter bestimmten Voraussetzungen auch sog. juristischen Personen die Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit zu, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. In der Regel handelt es sich bei den juristischen Personen um Personenvereinigungen oder auch um ein Zweckvermögen. Die Zuerkennung eigener Rechtsfähigkeit als juristische Person hat bei einer Personenvereinigung z.B. den Vorteil, dass nicht alle Mitglieder zusammen jeweils handeln müssen, sondern dass sein Organ, der Vorstand, für die Personenvereinigung verbindlich handeln kann und dass deren Existenz von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand bzw. -wechsel grundsätzlich unabhängig ist. Insoweit handelt es sich um eine die Rechtspraxis erleichternde Hilfskonstruktion.

Man unterscheidet zwischen juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts. Die bekannteste juristische Person des Privatrechts ist der eingetragene Verein als mitgliedschaftlich organisierter Personenverband. Nicht mitgliedschaftlich organisiert sind dagegen z. B. Stiftungen als zweckgebundene Vermögen.

Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden in Körperschaften, Anstalten und Stiftungen unterteilt.

–Bei der Körperschaft handelt es sich um einen mitgliedschaftlich (körperschaftlich) organisierten Verband, also eine Personenvereinigung. Beispiele aus dem staatlichen Bereich sind (Frei-)​Staat, Gemeinde, Landkreis als Gebietskörperschaften, Universitäten, Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern usw. als Personalkörperschaften.

–Die Anstalt ist ein als eigene Rechtspersönlichkeit behandelter Bestand von persönlichen und sachlichen Verwaltungsmitteln, der einem besonderen (öffentlichen) Zweck dauernd zu dienen bestimmt ist, in der Regel in der Form einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungseinrichtung; Beispiele aus dem staatlichen Bereich sind die Sparkassen und die Rundfunk- und Fernsehanstalten. Hier geht es nicht um eine Mitgliedschaft, vielmehr steht die Benutzung im Vordergrund. Sehr häufig sind Anstalten ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Diese bilden dann nur organisatorisch, nicht aber auch rechtlich selbstständige Einheiten (z. B. kommunale Versorgungsbetriebe, öffentliche Schulen und Bibliotheken).

–Die Stiftung wiederum ist eine als eigene Rechtspersönlichkeit behandelte Vermögensmasse, deren Erträgnisse einem bestimmten Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind. Als Stiftung des öffentlichen Rechts hat sie einem allgemeinen gemeinnützigen oder kirchlichen Zweck zu dienen.

Diese drei Rechtsformen, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, existieren, wie sich aus Art. 2 und Art. 8 KVerf ergibt, auch im kirchlichen Bereich:

Körperschaften sind etwa die ELKB selbst, ihre Kirchengemeinden, Gesamtkirchengemeinden, Dekanatsbezirke und die kirchlichen Zweckverbände, nicht dagegen die Kirchenkreise (Art. 8 Abs. 1 Nr. 1).

Anstalten sind der Versorgungsfonds (dieser allerdings ohne eigene Rechtspersönlichkeit – vgl. dazu u. § 27.3 b) und das rechtlich selbstständige Evangelisch-Lutherische Studienheim mit Knabenchor Windsbach (vormals Evang.-Luth. Pfarrwaisenhaus Windsbach1).

Kirchliche Stiftungen sind vor allem die Kirchenstiftungen, die Evang.-Luth Pfründestiftung in Bayern und die zahlreichen sonstigen Stiftungen.

Vom körperschaftlichen Aufbau ist die Gliederung der Landeskirche in personale Zuständigkeitsbereiche für die Wahrnehmung der geistlichen Leitung und Begleitung zu unterscheiden. In diesem Sinne ist die Landeskirche in Kirchenkreise eingeteilt. Den Kirchenkreisen sind jeweils eine Anzahl von Dekanats- und Prodekanatsbezirken in ihrer Eigenschaft als Zuständigkeitsbezirke von Dekanen und Dekaninnen (Dekanate/Prodekanate) zugeordnet. Diese wiederum sind unterteilt in Pfarreien als räumlich bestimmte Seelsorge- und Verwaltungsbereiche, für die Pfarrern und Pfarrerinnen der Dienst zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung übertragen ist (§ 13 Abs. 3 S. 2 KGO – RS 300); wenn in einer Pfarrei mehrere Pfarrer und Pfarrerinnen tätig sind, ist diesen jeweils ein eigener (Pfarr-)​Sprengel zugewiesen, in welchem sie eigenverantwortlich die seelsorgerliche Betreuung der dort wohnenden Gemeindeglieder wahrnehmen (zum Parochialrecht s. u. § 21.3).

Die Bildung und Abgrenzung dieser Untergliederungen der ELKB ist als Maßnahme auf dem Gebiet des Organisationsrechts eine innerkirchliche Angelegenheit im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV.

Alle kirchlichen (Gebiets-)​Körperschaften können für bestimmte Aufgaben besondere Einrichtungen und Dienste unterhalten. Auf kirchengemeindlicher Ebene sind dies vor allem Kindergärten, Friedhöfe, zuweilen auch Schulen. Die Dekanatsbezirke sind z.B. Träger von Verwaltungseinrichtungen (Verwaltungsstellen) im Sinne von § 75 KGO und § 40 a DBO (RS 310).

Auf der landeskirchlichen Ebene bestehen für die verschiedenen kirchlichen Handlungsfelder Einrichtungen und Dienste, die die Erfüllung des kirchlichen Auftrages auf den körperschaftlichen Ebenen unterstützen und ergänzen (vgl. u. §§ 50 ff.). Zur Koordinierung und Steuerung der landeskirchlichen Einrichtungen und Dienste haben die 1997/1998 von den kirchenleitenden Organen verabschiedeten „Perspektiven und Schwerpunkte kirchlicher Arbeit in den nächsten Jahren“, die 2013 durch die Handreichung „Grundlagen und Orientierungen kirchlichen Lebens in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern“ fortgeschrieben worden sind, mit dem darin entwickelten Handlungsfeldkonzept einen grundlegenden Beitrag geleistet. Ausgehend von den vier Grunddimensionen des kirchlichen Auftrags – Zeugnis und Orientierung (martyria), Gotteserfahrung und Selbstbesinnung (leiturgia), Gemeinschaft (koinonia), Hilfe und Begleitung (diakonia) – sind die von den unterschiedlichen kirchlichen Organisationseinheiten und Einrichtungen geleisteten vielfältigen Aktivitäten zehn Handlungsfeldern zugeordnet worden, nach denen mittlerweile auch der Haushaltsplan der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gegliedert ist:

–HF 1: Spiritualität, Gottesdienst, Verkündigung und Kirchenmusik

–HF 2: Gemeindeaufbau und Gemeindeentwicklung

–HF 3: Erziehung, Bildung und Unterricht

–HF 4: Seelsorge und Beratung

–HF 5: Themen- und zielgruppenbezogene gesellschaftliche Dienste

–HF 6: Ökumene, Mission, Entwicklungsdienst und Partnerschaft

–HF 7: Diakonisches Handeln

–HF 8: Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Medien

–HF 9: Aus-, Fort- und Weiterbildung

–HF 10: Kirchenleitung und Verwaltung.


2.Kirchengemeinde und Pfarrei

a)Die derzeit ca. 1.540 Kirchengemeinden bilden die Basis im Aufbau der ELKB. Die Kirchengemeinde wird definiert als die „örtliche bestimmte Gemeinschaft von Kirchenmitgliedern, die sich regelmäßig um Wort und Sakrament versammelt und in der das Amt der Kirche ausgeübt wird“. Vgl. Art. 19 Abs. 2 KVerf und § 1 Abs. 2 KGO.

Der Rechtsform nach ist jede Kirchengemeinde Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 8 KVerf und § 4 KGO). Organ der Kirchengemeinde ist der Kirchenvorstand, in welchem Pfarrer/Pfarrerinnen und Kirchenvorstände bei der Leitung der Kirchengemeinde zusammenwirken (vgl. Art. 20 KVerf und § 18, 19 KGO). Vorsitzende(r) des Kirchenvorstandes ist in der Regel der bzw. die mit der pfarramtlichen Geschäftsführung beauftragte Person, sofern der Kirchenvorstand keine andere Regelung über den Vorsitz trifft.

b)Von der Kirchengemeinde zu unterscheiden ist die Pfarrei. Darunter ist der örtlich abgegrenzte Seelsorge- und Verwaltungsbereich zu verstehen, für den ein Pfarrer/eine Pfarrerin oder mehrere Pfarrer/ Pfarrerinnen zuständig sind. Jedem bzw. jeder der zum Dienst in der Pfarrei berufenen Pfarrer und Pfarrerinnen wird ein Sprengel zugewiesen (Pfarrsprengel), in welchem ihm bzw. ihr die eigenverantwortliche seelsorgerliche Betreuung der Gemeindeglieder obliegt (s. auch u. § 21.3). Die Pfarrei ist sehr häufig mit dem Gebiet einer Kirchengemeinde identisch, kann jedoch auch mehrere Kirchengemeinden umfassen. Besteht eine Pfarrei aus mehreren Kirchengemeinden, so hat jede Kirchengemeinde eine eigenen Kirchenvorstand; allerdings soll ein gemeinsamer Kirchenvorstand gebildet werden, wenn dies der besseren Entfaltung des örtlichen Gemeindelebens dient (§ 18 a KGO).

 

Die Verantwortung für die Erledigung der mit einer Pfarrei verbundenen Verwaltungsaufgaben obliegt dem Gemeindepfarrer/der Gemeindepfarrerin in seiner/ihrer Eigenschaft als für die Pfarramtsführung beauftragter Person. In Pfarreien mit mehreren Pfarrstellen ist dies grundsätzlich der Inhaber/die Inhaberin der ersten Pfarrstelle. Die Vertretung obliegt dem/der Dienstältesten unter den der Pfarrei zugewiesenen Pfarrern und Pfarrerinnen.

c)Ohne dass dadurch die Verantwortung der einzelnen Kirchengemeinden für ihr eigenes Gemeindeleben aufgehoben wird, können sich benachbarte Kirchengemeinden eines Dekanatsbezirkes zu einer Gesamtkirchengemeinde zusammenschließen, um besondere ortskirchliche Aufgaben zu erfüllen, die ihnen gemeinsam sind oder zweckmäßig in Gemeinschaft wahrgenommen werden (§§ 86–97 KGO). Im Bereich der ELKB existieren z. Z. 21 Gesamtkirchengemeinden; diese besitzen – wie die die Kirchengemeinden – Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem und staatlichem Recht (vgl. Art. 8 KVerf).

Außerdem können Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke zur Wahrnehmung einzelner bestimmter Aufgaben (z. B. Verwaltung der kirchengemeindlichen Kindergärten oder Friedhöfe) kirchliche Zweckverbände nach Maßgabe von §§ 7 ff. des Kirchl. Zusammenarbeitsgesetzes (RS 315) gründen.

d)Kirchengemeinden sind in aller Regel örtlich definiert. Sie können aber – wie z. B. die Einrichtungskirchengemeinde bei der Rummelsberger Diakonie oder die Gebärdensprachliche Kirchengemeinde in Nürnberg auch nach besonderen Situationen oder (landeskirchenweiten) Personengruppen bestimmt sein. Zu den besonderen Gemeindeformen im Einzelnen vgl. u. § 42.

3.Der Dekanatsbezirk

a)Dem Dekanatsbezirk kommt eine doppelte Bedeutung zu.

Einerseits ist der Dekanatsbezirk als mittlere körperschaftliche Ebene ein Zusammenschluss von Kirchengemeinden, welcher der Zusammenarbeit aller kirchlichen Kräfte in seinem Bereich und der Erfüllung gemeinsamer, auch den örtlichen Bereich überschreitender Aufgaben dient (Art. 27 Abs. 1 KVerf u. § 2 Abs. 1 S. 1 DBO). In dieser Eigenschaft besitzt er Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht und ist nach Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 8 KVerf u. § 1 Abs. 2 DBO). Organe des Dekanatsbezirks sind die Dekanatssynode, der Dekanatsausschuss und der Dekan bzw. die Dekanin (vgl. Art. 27 Abs. 3 KVerf u. § 1 Abs. 3 DBO).

Zum anderen ist der Dekanatsbezirk auch Aufsichts- und Verwaltungsbezirk (vgl. Art. 27 Abs. 2 KVerf). Insoweit hat er keine eigene Rechtspersönlichkeit. Im kirchlichen Sprachgebrauch wird der Dekanatsbezirk in diesem Sinne auch als Dekanat bezeichnet, wobei freilich mit dem Begriff „Dekanat“ im Einzelfall auch das Büro bzw. das Gebäude, in dem dieses untergebracht ist, gemeint sein kann.

b)Die ELKB zählt z. Z. 66 Dekanatsbezirke.

Die Dekanatsbezirke München und Nürnberg weisen dabei die Besonderheit auf, dass sie in sechs bzw. vier Prodekanatsbezirke gegliedert sind. Organe des Prodekanatsbezirks sind der Prodekan/die Prodekanin, die Prodekanatssynode und der Prodekanatsausschuss, welche zusätzlich in ihrem Bereich die Aufgaben wahrnehmen, die sonst den entsprechenden Organen der Dekanatsbezirke obliegen. Die Aufgabe der Dekanatsbezirke in München und Nürnberg besteht in der Koordination der Tätigkeit der Prodekanatsbezirke und in der Erfüllung von Aufgaben, die den Prodekanatsbezirken gemeinsam sind oder den Aufgabenbereich eines der Prodekanatsbezirke überschreiten (vgl. § 46 Abs. 2 DBO – RS 310). Außerdem nehmen sie die Aufgaben der Gesamtkirchengemeinden wahr.

c)Der Dekan/die Dekanin ist nicht Träger/in eines im Verhältnis vom Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung besonderen Amtes, sondern Inhaber/Inhaberin einer besonderen kirchlichen Funktion.

Aus der doppelten Bedeutung des Dekanatsbezirkes folgt, dass auch die Dekansfunktion eine doppelte ist. Einerseits leitet der Dekan/die Dekanin im Zusammenwirken mit der Dekanatssynode und dem Dekanatsausschuss den Dekanatsbezirk, andererseits sind ihm/ihr Aufsichtsaufgaben im Dekanatsbezirk übertragen. Die Aufsichtstätigkeit des Dekans/der Dekanin ergänzt und unterstützt die Aufsicht durch den Landeskirchenrat (Art. 66 Abs. 2 Nr. 6 KVerf).

4.Die Kirchenkreise

Die Kirchenkreise sind Visitationsbezirke. Rechtspersönlichkeit und eigene Organe besitzen sie nicht. An der Spitze des Kirchenkreises steht ein Oberkirchenrat bzw. eine Oberkirchenrätin als Mitglied des Landeskirchenrates, der/die im jeweiligen Kirchenkreis die Amtsbezeichnung Regionalbischof bzw. Regionalbischöfin führt (Art. 64 Abs. 1 S. 2 KVerf). Dem Oberkirchenrat bzw. der Oberkirchenrätin im Kirchenkreis obliegen im Wesentlichen bischöfliche Aufgaben (vgl. Art. 64 Abs. 3–5 mit Art. 61 KVerf).

Die Zahl der Kirchenkreise ist in der Kirchenverfassung nicht festgelegt. Nach dem Kirchengesetz über die Einteilung des Gebietes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in Kirchenkreise vom 7. April 1987 (RS 327) bestehen z. Z. sechs Kirchenkreise.

Die Sitze der Oberkirchenräte bzw. Oberkirchenrätinnen der derzeit bestehenden Kirchenkreise sind Ansbach, Augsburg, Bayreuth, München, Nürnberg und Regensburg.

Es umfassen (jeweils mit dem Stand vom 31. Dezember 2017)

–der Kirchenkreis Ansbach/Würzburg 19 Dekanatsbezirke mit rd. 395.000 Gemeindegliedern,

–der Kirchenkreis Augsburg 7 Dekanatsbezirke mit rd. 268.000 Gemeindegliedern,

–der Kirchenkreis Bayreuth 15 Dekanatsbezirke mit rd. 430.000 Gemeindegliedern,

–der Kirchenkreis München 7 Dekanatsbezirke und (im Dekanatsbezirk München) 6 Prodekanatsbezirke mit rd. 494.000 Gemeindegliedern,

–der Kirchenkreis Nürnberg 10 Dekanatsbezirke und (im Dekanatsbezirk Nürnberg) 5 Prodekanatsbezirke mit rd. 509.000 Gemeindegliedern,

–der Kirchenkreis Regensburg 8 Dekanatsbezirke mit rd. 275.000 Gemeindegliedern.

5.Verfasste Kirche und freie Träger

Die beschriebene Gliederung der ELKB repräsentiert mit den Einrichtungen und Diensten einschließlich der Anstalten und Stiftungen, die in Trägerschaft einer der genannten kirchlichen Körperschaften stehen, die verfasste Kirche.

Daneben gibt es eine Vielzahl rechtlich selbstständiger Einrichtungen, die als sog. freie Träger formalrechtlich und unmittelbar nicht unter dem Dach der verfassten Kirche stehen und meist in Form des eines privatrechtlichen Vereins organisiert sind. Indes stellen auch sie ganz wesentliche Lebensäußerungen der Kirche dar und haben einen herausragenden Anteil an der Erfüllung des umfassenden kirchlichen Auftrages. Beispiele dafür sind das Diakonische Werk in Bayern e. V. und die ihm angeschlossenen Untergliederungen und der Evangelische Presseverband in Bayern e. V.; näher dazu u. § 53.

Nach Art. 40 KVerf stehen auch die rechtlich selbstständigen Einrichtungen und Dienste unter dem Schutz der Fürsorge der ELKB und sind deren Leitungsorganen verantwortlich. Als Lebensäußerungen der Kirche und dieser auf die beschriebene Weise zugeordnet, haben somit auch diese Einrichtungen und Dienste ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform teil am Selbstbestimmungsrecht und der Autonomie der Kirche im Sinne von Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV.2


Um als freie kirchliche Träger gelten zu können, bedürfen freie Rechtsträger der förmlichen Zuordnung zur ELKB, die im Falle von Diakonievereinen über das Diakonische Werk der ELKB, in anderen Fällen durch Entscheidung des Landeskirchenrates erfolgt (vgl. Zuordnungsgesetz.EKD und Zuordnungsausführungsgesetz der ELKB – RS 4; näher dazu u. § 50).

Weiterführende Literatur:

H. Frost, Strukturprobleme evangelischer Kirchenverfassung, 1972;

J. Hermelink, Kirchliche Organisation und das Jenseits des Glaubens, Gütersloh 2011;

H.-P. Hübner, Art. „Kirchenkreise“, in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kirchenkreise;

H. Munsonius, Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts, Jus Eccl. Bd. 89, Tübingen 2009.

1Das 1835 gegründete „Evangelisch-Lutherische Pfarrwaisenhaus Windsbach“, das 1972 in „Evangelisch-Lutherisches Studienheim mit Knabenchor Windsbach“ und 2001 in „Windsbacher Knabenchor – Evangelisch-Lutherisches Studienheim“ umbenannt worden ist, ist (nach wie vor) kraft Königlicher Entschließung vom 3. August 1884 eine Anstalt des öffentlichen Rechts.

2BVerfGE 46, 73; 57, 220/242; zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht siehe § 9.

KAPITEL 3
Das Verhältnis von Kirche und Staat
§ 6Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland
1.Kirchliches und staatliches Verfassungsrecht

Unsere Kirchenverfassung geht auf das Verhältnis der ELKB zum Staat und auf ihr Wirken in der Öffentlichkeit in zwei einleitenden allgemeinen Bestimmungen ein: Nach Art. 3 KVerf (RS 1) verwaltet sie ihre Angelegenheiten selbstständig und nach Art. 7 KVerf kann die ELKB ihr Verhältnis zum Staat und zu anderen Körperschaften durch vertragliche Vereinbarungen regeln. Mit diesen Bestimmungen im kirchlichen Verfassungsrecht sind zwei Grundsätze angesprochen, die grundlegend für das heutige Verhältnis von Kirche und Staat sind: Einmal das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, welches das staatliche Verfassungsrecht in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV (RS 100/101) bzw. in Art. 142 Abs. 3 BV (RS 105) anerkennt und garantiert, und zum anderen, dass Kirche und Staat sich als voneinander unabhängige, aber gleichberechtigte Partner gegenüberstehen. Denn der Abschluss von Verträgen setzt grundsätzlich die Gleichberechtigung der Vertragspartner voraus. In dieser heutigen Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften zeigt sich der Wandel gegenüber dem früheren staatskirchlichen System oder gegenüber manchen ausländischen Modellen.

Kein Staat kommt daran vorbei, sich zu den in seinem Gebiet bestehenden Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Beziehung zu setzen, und sei es nur, um sich gegen sie abzugrenzen. Ob und wie der Staat etwa Religionsfreiheit gewährt oder den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den zu ihrem Wirken und zur Erfüllung ihres Auftrages erforderlichen Freiraum zugesteht und durch seine Rechtsordnung garantiert, ist nicht nur bestimmend für das Wesen dieses Staates. Das rechtliche Verhältnis des Staates zu den Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ist auch bestimmend für die Ausgestaltung der rechtlichen Ordnung der betreffenden Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

So ist z.B. das gesamte Kirchensteuerrecht oder etwa die Ausgestaltung der Dienstverhältnisse der Pfarrer und Kirchenbeamten als öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse ohne die Vorgaben im staatlichen Verfassungsrecht (vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3, 5 und 6 WRV) überhaupt nicht verständlich. Ungeachtet ihrer eigenständigen (vom Staat unabhängigen) Rechtsmacht handeln die Kirchen in diesen Bereichen zum Teil, d.h. soweit sie mit ihren Regelungen über den eigenen kirchlichen Bereich hinaus auch im staatlich-weltlichen Bereich unmittelbar wirksame Rechtsnormen setzen, aufgrund einer vom Staat verliehenen Rechtsetzungsbefugnis.