Evangelisches Kirchenrecht in Bayern

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2.Änderungen der Kirchenverfassung
a)Änderungen bis 1999

Bis 1999 ist die Kirchenverfassung viermal geändert worden. Insbesondere ist 1995 ein neuer Art. 10 a (nunmehr Art. 11) eingefügt worden, in welchem festgestellt wird, dass Frauen und Männer durch die Taufe gleichwertige Glieder der Kirche Jesu Christi und deshalb auch gleichberechtigte Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sind; mit diesem Kirchengesetz22 wurde ferner durch eine Änderung von Art. 25 und 31 KVerf (n. F.: Art. 26 und 32) die verfassungsrechtliche Grundlage für ein alternierendes Verfahren auch bei der Besetzung von Pfarrstellen mit Dekansfunktion geschaffen.23

Weitere grundsätzliche Änderungen erfolgten ohne Änderung des Verfassungstextes mit verfassungsändernder Zwei-Drittel-Mehrheit im Wege der Verfassungsdurchbrechung:24 Solche sachlichen Änderungen der Kirchenverfassung beinhalteten insbesondere das „Kirchengesetz über die Berufung der Theologin zum Dienst des Pfarrers“ (1975), wodurch die Frauenordination eingeführt wurde,25 die 1976 geschaffenen Sonderbestimmungen für die Dekanatsbezirke München und Nürnberg,26 das Arbeitsrechtsregelungsgesetz (1977),27 das Kirchengesetz zur Erprobung neuer Regelungen im Bereich des Dienstrechts (1980),28 das Kirchengemeinde-Erprobungsgesetz (1993)29 und das Dekanatsbezirks-Erprobungsgesetz (1996).30

Das letztgenannte Kirchengesetz sowie die Verfassungsänderungen von 1995 sind von einem von 1994 bis 1998 tätigen, aus Mitgliedern der Landessynode, des Landeskirchenrates/Landeskirchenamtes und weiteren Sachverständigen zusammengesetzten „Gemischten Ausschuss Kirchenverfassung“ vorbereitet worden.31 Die weiteren Ergebnisse der Beratungen dieses Ausschusses32 sind in die bei der Synodaltagung im November 1999 verabschiedete, bisher umfangreichste Novelle der Kirchenverfassung eingemündet.

b)Verfassungsnovelle von 1999

Aufgrund der Verfassungsnovelle von 1999 wurden neu in die Kirchenverfassung aufgenommen u. a. ein Katalog der Rechte und Pflichten der Kirchenmitglieder, die Möglichkeit des Laienvorsitzes im Kirchenvorstand, die Einführung einer Amtszeitbegrenzung für den Landesbischof und die Mitglieder des Landeskirchenrates. Die bisherigen Kreisdekane, jetzt „Oberkirchenräte im Kirchenkreis“, führen in ihrem Kirchenkreis künftig die ihrer Funktion entsprechende Amtsbezeichnung Regionalbischof bzw. Regionalbischöfin. Ferner gehören der Landessynode seither drei Jugenddelegierte – bis 2017 mit nur beratender Stimme – an.33

Außerdem wurde die Kirchenverfassung entsprechend den Grundsätzen der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache mit Wirkung vom 1. Januar 2000 neugefasst und bekannt gemacht.34

c)Änderungen ab 2000

Seit der Neufassung der Kirchenverfassung 2000 ist diese zehnmal geändert worden:

2000 wurde im Zusammenhang mit der Strukturreform des Landeskirchenamtes, welche mit einer Reduzierung der bisher neun auf sechs Abteilungen verbunden war, befristet bis 2003 die Möglichkeit eröffnet, dass eine Abteilung des Landeskirchenamtes auch von mehreren Oberkirchenräten bzw. Oberkirchenrätinnen geleitet werden kann.35

2001 wurde förmlich geregelt, dass der Präsident/die Präsidentin der Landessynode an den Sitzungen des Landeskirchenrates teilnehmen kann und der Landesbischof/die Landesbischöfin die Dienstaufsicht über die Oberkirchenräte wahrnimmt (Art. 67 Abs. 4 KVerf) und über den Leiter/die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes führt (Art. 61 Abs. 1 Nr. 10 KVerf). Außerdem sind die Regelungen über Rechnungslegung und Rechnungsprüfung in einem neuen 11. Abschnitt (Art. 85, 86) neu gefasst worden.36

Mit der Änderung von 2005 wurde Art. 26 über das Pfarrstellenbesetzungsverfahren neu gefasst.37

Die Änderungen von 2006 waren aufgrund umfänglicher Änderungen in der Kirchengemeinde- und in der Dekanatsbezirksordnung erforderlich.38

2010 wurden im Hinblick auf die Einführung des doppischen Rechnungswesens ab 2011 für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern als eigene Körperschaft die haushaltsrechtlichen Bestimmungen der Kirchenverfassung angepasst.39 Ebenfalls 2010 ist im Zusammenhang des Kirchengesetzes über besondere Gemeindeformen und anerkannte Gemeinschaften insbesondere der sechste Abschnitt der Kirchenverfassung (Art. 37–40) neu geordnet worden.40

2012 ist nach einem intensiven Vorbereitungs- und Beteiligungsprozess in Aufnahme der Ergebnisse einer theologischen Neubesinnung auf das Verhältnis der Kirche zum Volk Israel der Grundartikel der Kirchenverfassung um folgende Grundsatzaussage ergänzt worden:

„Mit der ganzen Kirche Jesu Christi ist sie (d. h. die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern) aus dem biblischen Volk Israel hervorgegangen und bezeugt mit der Heiligen Schrift dessen bleibende Erwählung.“41

Außerdem wurde in Art. 13 die Berufung zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung neu geordnet.42

2015 wurden die Regelungen über Voraussetzungen für die Anstellung von nicht-theologischen Oberkirchenräten und Oberkirchenrätinnen, welche nun auch im Angestelltenverhältnis erfolgen kann, ergänzt.43

2017 erfolgte die ausdrückliche Verankerung der Barmer Theologischen Erklärung im Grundartikel.44 Außerdem wurde den drei Jugenddelegierten, die der Landessynode bisher nur mit beratender Stimme angehörten, das Stimmrecht zuerkannt und das Verfahren der Bestellung der Vertretung von Oberkirchenräten in den Kirchenkreisen neu geregelt.45

2019 sind in Art. 6 Abs. 1 KVerf die Modalitäten der Wiederwahl der Oberkirchenräte und Oberkirchenrätinnen dahingehend geändert worden, dass diese künftig auf jeweils fünf Jahre (anstelle von bisher 10 Jahren) erfolgt.

3.Der Grundartikel

a)Die Verfassung von 1920 hatte als theologische Leitaussage in ihrer Präambel schlicht festgehalten: „Die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern r. d. Rhs. steht auf dem alleinigen Grund der Heiligen Schrift. Sie hält sich in Lehre und Leben an das evangelisch-lutherische Bekenntnis. Für die äußere Ordnung ihres Lebens nimmt sie folgende Verfassung an: …“

Entsprechend dem gewandelten Verständnis von der Ordnung einer Kirche erschien den Vätern der neuen Verfassung der alte Vorspruch als theologische und rechtstheologische Leitaussage nicht mehr ausreichend. Analog zu anderen neueren Verfassungen wurden die – bewusst knapp gehaltenen – theologischen Grundaussagen und bestimmte grundlegende Bestimmungen gewissermaßen als allgemeiner Teil der ganzen Verfassung vorausgestellt. Durch diese hervorgehobene Stellung sind sie für die weiteren Abschnitte Leitlinien und Auslegungsnorm, also zugleich Interpretationshilfe und Interpretationsmaßstab für die nachfolgenden Bestimmungen.

b)Bewusst wurden die grundlegenden Aussagen nicht in einer Präambel oder einem Vorspruch zusammengefasst. Es sollte damit einerseits der Unsicherheit über die rechtliche Qualität einer Präambel begegnet, zum anderen gerade auch das besondere Gewicht dieser Aussagen unterstrichen werden. Durch die besondere Hervorhebung des Grundartikels – einbezogen in den eigentlichen Verfassungstext, aber allen anderen Artikeln vorangestellt – wird klargestellt, dass Schrift und Bekenntnis Grundlegung und unabdingbare Voraussetzung des kirchlichen Verfassungsrechts (und damit des kirchlichen Rechts überhaupt) sind, und dass dieses nur den Zweck hat, der Erfüllung des kirchlichen Auftrags in dieser Welt zu dienen (vgl. Absatz 3, letzter Satz: „Diesem Auftrag haben auch Recht und ihre Ordnungen zu dienen.“).

c)Der Grundartikel geht in Absatz 1 zunächst von der Basis jeder Kirche aus, dem Wort Gottes, das in Jesus Christus Mensch geworden ist und in der Heiligen Schrift bezeugt wird. In der Gemeinschaft der aus dem Wort Gottes lebenden ecclesia universalis – der Gemeinschaft der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche – lebt neben anderen als ecclesia particularis auch die ELKB.

 

Ihre Bekenntnisgrundlage ist in Absatz 2 festgehalten: Dem Hinweis auf die altkirchlichen Bekenntnisse folgt die Feststellung, dass die ELKB sich in Lehre und Leben an das evangelisch-lutherische Bekenntnis hält, wie es insbesondere in der Augsburgischen Konfession von 1530 und im Kleinen Katechismus Martin Luthers ausgesprochen ist. Von den Bekenntnisschriften werden diese beiden besonders hervorgehoben,46 weil diese – wie es in der Begründung zum Entwurf der Kirchenverfassung heißt – „in besonderer Weise den Kirchengliedern zugänglich sind und geeignet sind, das zu vermitteln, was Evangelisch-Lutherisches Bekenntnis meint“.47 Auch das Interesse an der Gemeinschaft mit anderen lutherischen Kirchen, von denen einige nicht das ganze Konkordienbuch von 1580 als Bekenntnisgrundlage akzeptieren, alle sich aber an die beispielhaft genannten Bekenntnisschriften gebunden wissen, spielte hierbei eine Rolle. Die Begründung hebt weiter hervor, dass die beispielhafte – also insoweit nicht abschließende – Nennung der CA und des Kleinen Katechismus nicht bedeutet, dass die ELKB „ihre Verankerung nicht auch in den übrigen Teilen des Konkordienbuches sähe“.48 Der besondere Hinweis auf die Lehre von der Rechtfertigung am Ende von Abs. 2 geht wesentlich zurück auf ein Votum der Erlanger Theologischen Fakultät.

Auf die Theologische Erklärung der Barmer Bekenntnissynode ist in der Kirchenverfassung ursprünglich nicht eigens verwiesen worden, wie dies z. B. in manchen anderen Verfassungen bereits der Fall war und auch für die Verfassung der ELKB erwogen worden war, weil sowohl in Art. 2 der Verfassung der VELKD als auch in Art. 1 Abs. 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland hierauf Bezug genommen war. Diese Aussagen hatten damit auch für die ELKB als deren Gliedkirche (vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3) Verbindlichkeit. Im Übrigen war auch ohne ausdrückliche Bezugnahme davon auszugehen, dass die grundlegenden Entscheidungen sich dem Geist von Barmen verpflichtet wissen.49 Im Ergebnis eines eingehenden Beratungs- und Beteiligungsprozesses, in den die Kirchengemeinden, Einrichtungen und Dienste und die Theologischen Fakultäten im Bereich der EKB und die VELKD einbezogen waren, ist jedoch durch Verfassungsänderung vom 30. März 201750 die Barmer Theologische Erklärung als Glaubenszeugnis, in dem „die befreiende und verbindliche Kraft des Evangeliums Jesu Christi aufs Neue bekannt“ geworden ist, im Grundartikel nun auch ausdrücklich verankert worden.51 Dafür war die Erkenntnis leitend, dass die Barmer Theologische Erklärung ganz im Sinne und in der Tradition des reformatorischen „solus Christus“ Jesus Christus wieder neu ins Zentrum kirchlichen Denkens, Glaubens und Handelns gestellt hat.52 Das im Jahr 2017 ganz besonders auch als großes Christusfest gefeierte Reformationsjubiläum erschien vor diesem Hintergrund als ein besonders passender Zeitpunkt für eine entsprechende Ergänzung des Grundartikels. Die ausdrückliche Verankerung der Barmer Theologischen Erklärung in der Kirchenverfassung genau zu diesem Zeitpunkt sollte aber auch als Richtungsweisung für den von den kirchenleitenden Organen angestoßenen Kirchenentwicklungsprozess „Profil und Konzentration kirchlicher Arbeit in den nächsten Jahren“53 verstanden werden.54

Der Bekenntnisstand war und ist dem Verfassungsgesetzgeber vorgegeben und steht außerhalb seiner Disposition. Er konnte ihn daher nur (deklaratorisch) feststellen, da – und dies versteht sich von selbst – der Inhalt des Bekenntnisses nicht Gegenstand kirchlicher Rechtsetzung sein kann (Art. 72).55

Eine Änderung oder Fortentwicklung des Bekenntnisses ist dadurch nicht ausgeschlossen. Hierfür bedarf es jedoch einer entsprechenden gesamtkirchlichen Meinungsbildung und Überzeugung im Sinne des magnus consensus (Art. 1 CA), den die Landessynode als kirchliches Gesetzgebungsorgan – aber nicht alleiniger Trägerin des Konsenses – nach einem sorgfältigen Prozess der Konsensbildung nur deklaratorisch feststellen kann. Wie der magnus consensus im Einzelnen zu ermitteln ist, ist nicht abschließend geklärt. Erforderlich ist jedenfalls die übereinstimmende Überzeugung aller kirchenleitenden Organe und die Beteiligung der Kirchengemeinden, in denen sich das geistliche Leben der Kirche unmittelbar verwirklicht und für die deshalb die Möglichkeit bestehen muss, Bedenken vorzubringen und zur Diskussion zu stellen.56 Aufgrund ihrer Teilhabe an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags sollten aber auch die landeskirchlichen Einrichtungen und Dienste und aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz die Theologischen Fakultäten im Bereich der Landeskirche in die Konsensbildung einbezogen werden. Entsprechendes gilt für die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse, denen die ELKB angehört (VELKD, EKD). In Bezug auf die VELKD ist dies bereits aus Art. 6 Abs. 3 Verf VELKD (RS 60) abzuleiten; denn wenn der VELKD unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Einheit in der VELKD schon zu Gesetzesänderungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, dann muss dies erst recht in Angelegenheit der Fortentwicklung des gemeinsamen lutherischen Bekenntnisses gelten.

Absatz 3 des Grundartikels führt nochmals über die ecclesia particularis hinaus und verweist auf die Gemeinschaft der ganzen Christenheit und den dieser aufgegebenen Auftrag, „Gottes Heil in Jesus Christus in der Welt zu bezeugen“, also mit Wort und Tat. Mit dem Zeugnis in der Welt ist zugleich der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche angesprochen, also das Wirken der Kirche in der Öffentlichkeit und gegenüber der Öffentlichkeit.

4.Die allgemeinen Bestimmungen (Art. 1 bis 8)

Neben dem Grundartikel enthält auch der erste Abschnitt allgemeine Bestimmungen von besonderer Bedeutung, die den folgenden Abschnitten vorgeordnet sind und sowohl rechtliche als auch theologische Grundsatzaussagen enthalten.

a)Art. 1 stellt nochmals den schon im Grundartikel angesprochenen Auftrag der Kirche in den Vordergrund. Ihr Dienst am Evangelium in Wort und Sakrament (CA VII) wird ergänzt, näher entfaltet und untrennbar verbunden mit der Gemeinschaft im Gebet und in der Nachfolge Jesu Christi, mit der Ausrichtung des Missionsauftrages, dem Zeugnis in der Öffentlichkeit, im Dienst der helfenden Liebe und der christlichen Erziehung und Unterweisung (Art. 1 Abs. 1; vgl. bereits Grundartikel Abs. 3, wo vom Auftrag, Gottes Heil zu bezeugen, nicht nur zu verkündigen, die Rede ist). Nicht nur den kirchlichen Rechtsträgern, sondern – als Ausfluss des allgemeinen Priestertums der Getauften – allen Kirchengliedern kommt dabei die Verantwortung für die rechte Lehre und für die zeit- und sachgemäße Erfüllung dieses kirchlichen Auftrages zu (Abs. 2; vgl. daneben die besondere Verantwortung von Pfarrern und Pfarrerinnen (Art. 16), der kirchenleitenden Organe (Art. 41 Abs. 2) und – noch einmal besonders erwähnt – des Landesbischofs/der Landesbischöfin (Art. 61 Abs. 1 Nr.1) und der Oberkirchenräte und Oberkirchenrätinnen in den Kirchenkreisen (Art. 64 Abs. 3 Nr. 1).

b)Art. 2 enthält die „Bausteine“, die organisatorische und strukturelle Gliederung der ELKB. Hier wird die ELKB näher entfaltet: Sie besteht nicht nur aus den Kirchengemeinden, Gesamtkirchengemeinden und Dekanatsbezirken, auch ihre sonstigen Körperschaften, ihre Anstalten und Stiftungen, ihre Ämter, Werke und Dienste bilden einen integrativen Bestandteil der ELKB. Sie alle stellen eine innere und äußere Einheit dar, sind die „verfasste Kirche“. In dieser Einheit haben sie die „zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben notwendige Eigenverantwortung und Freiheit, die durch die kirchlichen Ordnungen gesichert und begrenzt werden“ (Art. 2 S. 2).57 Die einzelnen Rechtsträger sind also Partner in Freiheit untereinander und gegenüber die Landeskirche. Zum anderen sind alle auch Teile eines als Einheit sich darstellenden Ganzen und damit den gemeinsamen Ordnungen unterworfen.58 Den neben den Kirchengemeinden, den Gesamtkirchengemeinden und Dekanatsbezirken bestehenden sonstigen „Gliederungen“, wie die landeskirchlichen Einrichtungen und Dienste kommt in manchen Fällen eine eigene Rechtspersönlichkeit zu, überwiegend jedoch nicht (vgl. hierzu auch Art. 8 und Art. 38 ff. KVerf). Eine besondere Systematik besteht in dieser Beziehung nicht.59

c)Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche ist in Art. 3 ausgedrückt. Im staatlichen Recht ist dieses Recht anerkannt und garantiert in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV (RS 100/101) und in Art. 142 Abs. 2 BV (RS 105).

d)Art. 4 enthält die grundlegende Aussage über das Verhältnis von Amt und Gemeinde.60 Art. 4 trifft keine Entscheidung hinsichtlich einer Priorität weder des einen noch des anderen: Amt und Gemeinde stehen nicht im Verhältnis einer Über- oder Unterordnung. Unter der gemeinsamen Verantwortung der ganzen Kirche für Wort und Sakrament (vgl. bereits die gemeinsame Verantwortung für die Erfüllung des kirchlichen Auftrages durch alle Kirchenglieder und die kirchlichen Rechtsträger in Art. 1 Abs. 2) sind „Gemeinde und Amt einander zugeordnet und aneinander gewiesen“. Dieses Spannungsverhältnis der gegenseitigen Zuordnung und des Aneinandergewiesenseins ist ein hoher Anspruch, dessen Verwirklichung der Praxis immer wieder neu aufgegeben ist (vgl. hierzu auch §§ 1 Abs. 1, 19 KGO). Wenn auch die Kirchenverfassung in Art. 4 von einer grundsätzlichen Gleichgewichtigkeit von Gemeinde und Amt ausgeht, so bleibt doch zu fragen, ob dieses Maß stets in gleicher Weise durchgehalten wird. Ingesamt scheint die Stellung des Amtes doch etwas stärker ausgeprägt zu sein als die Stellung der Gemeinde (vgl. hierzu den weiten Begriff des Amtes in Art. 12 KVerf und die besondere Verantwortung des Pfarrers in Art. 16 KVerf.

e)Art. 5 weist mit seiner Aussage, dass Leitung der Kirche zugleich geistlicher und rechtlicher Dienst sei, auf Abs. 3 des Grundartikels zurück, wonach auch das Recht und die Ordnungen dem Auftrag der Kirche unterstellt sind, Gottes Heil in Jesus Christus in der Welt zu bezeugen (vgl. insoweit auch die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung: „Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen …“)• Was mit Art. 5 gemeint ist, besagt auch die entsprechende und in der Klarheit ihrer Aussage so treffliche Bestimmung der Grundordnung der Badischen Landeskirche (Art. 109, Abs. 2 Satz 1): „Die Leitung der Landeskirche geschieht geistlich und rechtlich in unaufgebbarer Einheit.“

f)Art. 6 enthält Aussagen über die Verhältnis der ELKB zu anderen Kirchen und ihre Einbindung als Partikularkirche in größere kirchliche Gemeinschafen (VELKD, EKD – unter Wahrung ihres Bekenntnisstandes! –, LWB und ÖRK).

g)In Art. 7 wird das Verhältnis zum Staat und zu anderen öffentlichen Körperschaften nur insoweit angesprochen, als die – selbstverständliche – Möglichkeit vertraglicher Vereinbarungen bejaht wird. Das Verhältnis Kirche–Stadt regelt sich gemeinhin auf der Basis der staatlichen Verfassungsgarantien (Art. 4 GG und 140 i. V. m. Art. 136–141 WRV) und der staatlichen Gesetze. Dem gewandelten Verhältnis von Staat und Kirche entspricht aber zunehmend auch die Regelung durch vertragliche Vereinbarungen. Hierzu bedarf es allerdings keiner besonderen Ermächtigung in der Kirchenverfassung. Insoweit hat Art. 7 lediglich deklaratorische Bedeutung.61 In der Tat bestehen eine ganze Anzahl vertraglicher Vereinbarungen, die bereits aus der Zeit vor Inkrafttreten der Verfassung von 1971 stammen. Die bedeutendste davon ist der Kirchenvertrag von 1924 mit den Änderungsverträgen von 1968, 1974, 1978 und 1984.62 Zu erwähnen sind ferner der Vertrag über die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität München (1967) sowie die Vereinbarung über Staatsleistungen (1964/2014) und vertragliche Regelungen auf einigen Sondergebieten (z.B. über die Pauschalvergütung für die Erteilung des Religionsunterrichtes, die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten oder auf dem Gebiet des Baulastrechts).63

 

h)Art. 8 als letzte der allgemeinen Bestimmungen behandelt schließlich die Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht, wobei festgestellt wird, dass die bestehenden kirchlichen Körperschaften zugleich nach staatlichem Recht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und neu errichtete kirchliche Körperschaften die Rechtsfähigkeit nach staatlichem Recht erwerben sollen. Die Rechtsfigur der Rechtspersönlichkeit nach kirchlichem Recht hat lediglich innerkirchliche Bedeutung; von ihr ist bei den Prodekanatsbezirken in den Dekanatsbezirken der Dekanatsbezirke München und Nürnberg sowie gemäß § 7 Abs. 2 des Kirchlichen Zusammenarbeitsgesetzes (RS 315) für kirchliche Zweckverbände, soweit diesen nicht auch die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen wird, Gebrauch gemacht worden.