Rebellen gegen Arkon

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3.

Die Zahl der Ortungen war längst Legion, aber immer noch erschienen wie hingezaubert neue Reflexe auf den Schirmen. Ausgebrannte Wracks tauchten aus den Ortungsschatten der großen Planeten auf, von mehreren Monden wurden Notrufe abgestürzter Beiboote empfangen. Kurzum: Innerhalb des Traversan-Systems herrschten nach wie vor Aufruhr und eine nie gekannte Hektik.

Fünfunddreißig Schiffe der Heimatflotte hatten die Raumschlacht unbeschädigt überstanden. Ihre Besatzungen waren unermüdlich im Einsatz, um Überlebende zu bergen oder Havaristen vor einem schlimmeren Schicksal zu bewahren. Dabei war abzusehen, dass Tage vergehen würden, bis ein halbwegs umfassendes Bild der Situation vorlag.

Gelegentlich flammten neue Gefechte auf, Geplänkel, verglichen mit dem, was hinter den Mannschaften lag. Diese Vorkommnisse bewiesen, dass selbst die angeschlagenen Imperiums-Raumer eine nicht zu unterschätzende Gefahr bedeuteten. Für Arkons Ruhm und Ehre und den eigenen Platz in der Geschichtsschreibung waren zu allen Zeiten Kommandanten zu Märtyrern geworden, die ihre Besatzungen mit sich in den Tod gerissen hatten. Der Absturz eines einzigen Schlachtschiffs im Westen der Hauptstadt hatte einen hohen Blutzoll unter der Bevölkerung gefordert.

Irakhems Flaggschiff überquerte soeben die Umlaufbahn des siebten Planeten. Ein Trümmerfeld lag vor uns; den Massewerten nach zu schließen, die Überreste eines 200-Meter-Kugelraumers.

»Empfangen Identifizierungscode!«, kam die Meldung aus der Funkzentrale.

»Position?«

»Peilung läuft. Die Abgabeleistung ist schwach, möglicherweise nur der Notsender eines Raumanzugs.«

Grimmig biss Irakhem die Zähne aufeinander, als er sich mit knappen Schaltungen das Ortungsbild auf sein Pult holte.

»Funkkennung bestätigt eigenes Objekt. Die Distanz beträgt viereinhalb Millionen Kilometer. Energiepegel unter der Nachweisgrenze.«

»Neuer Kurs!«, bestimmte Irakhem. »Funkzentrale: Koordinatensatz überspielen!«

Er warf mir einen flüchtigen Blick zu und bedachte dann Prinzessin Tamarena mit einer entschuldigenden Geste.

Der Widerspruch kam von gänzlich anderer Seite. Lesantre, der Geheimdienstchef, war an Bord geblieben; seine knurrig-krächzende Stimme klang in dem Moment unangenehmer, als ich sie je empfunden hatte.

»Wir verlieren unnötig Zeit«, schimpfte er. »Der Sonnenkur wird nicht zögern, die Niederlage zu vergelten. Was wir suchen, ist ein Schiff der Sektoralflotte, keine Leiche in einem Raumanzug.«

»Wir wissen nicht, ob der Betreffende tot ist«, protestierte Irakhem. »Ich lasse keinen Verwundeten oder Sterbenden im Stich.«

»Damit erweisen Sie Traversan einen schlechten Dienst, Pal‘athor.«

»Lassen Sie es gut sein, Lesantre«, sagte ich.

Mit dem Erfolg, dass er mich entgeistert anstarrte. Seine Absicht, den Kommandanten und die Prinzessin gegeneinander auszuspielen und das Wohl und Wehe Traversans über alles zu stellen, war ab dem Moment zum Scheitern verurteilt, in dem ich mich als Außenstehender einmischte. Lesantre mochte zwar immer wieder betonen, tief in Nert Kuriols Schuld zu stehen, das änderte aber nichts daran, dass er wie viele andere Geheimdienstleute auch ein undurchsichtiges Spiel trieb.

»Ich würde nicht anders handeln als Irakhem«, stellte ich fest.

Die Prinzessin fühlte sich dadurch veranlasst, den Geheimdienstchef zurechtzuweisen.

»Sie haben gehört, wie Admiral Atlan die Angelegenheit sieht«, sagte sie scharf. »Ich wünsche keine weitere Diskussion.«

Das Flaggschiff verzögerte. Unzählige Ortungsreflexe ringsum, ausgeglühter Arkonstahl; auf dem großen Panoramaschirm erschienen sie wie ein mattes Sternenmeer. Jedes dieser Details wurde von der Positronik hinsichtlich Masse und Energieabstrahlung analysiert, aber es gab nichts, was eine Überprüfung wert gewesen wäre.

»Objekt erfasst!«, wurde endlich gemeldet.

Die Traktorstrahler griffen in den Raum hinaus. Sekunden später erschien eine reglose Gestalt im Erfassungsbereich der Optiken.

»Nach wie vor kein Funkkontakt. Der Notruf ist abgebrochen.«

Eine Direktschaltung ließ uns in der Zentrale hautnah miterleben, wie der Schiffbrüchige an Bord geholt und nach dem Druckausgleich aus seinem Raumanzug herausgeschält wurde.

Ob der Mann nur bewusstlos war oder bereits tot, konnten wir nicht erkennen. Erst als ein Medoroboter eine Injektion ansetzte, hatte es den Anschein, dass er überleben würde.

»Immerhin kein Soldat des Imperiums«, sagte Lesantre mit eigenwilliger Betonung.

»… den wir ebenfalls nicht seinem Schicksal überlassen hätten«, bemerkte Tamarena scharf.

Der Geheimdienstchef zuckte nur mit den Schultern.

»Einige tausend gut ausgebildete Männer und Frauen haben ihr Leben für Traversan gegeben«, erwiderte er bitter. »Es spielt heute keine Rolle mehr, ob einer mehr oder weniger überlebt – was wir brauchen, sind Material und Schiffe, auf denen wir unsere Soldaten wieder in den Kampf schicken können. Andernfalls stehen wir auf verlorenem Posten.«

Er hat recht, wandte mein Extrasinn ein, bevor ich zu einer heftigen Erwiderung ansetzen konnte. Willst du ihm seine Überzeugung vorwerfen?

Habe ich das gesagt?

Aber du denkst daran.

Aus der Medostation kam wenig später die Mitteilung, dass der Soldat außer Lebensgefahr war. Er hieß Kindonan und hatte auf dem Schweren Kreuzer TSOOL Dienst getan. Die TSOOL galt als Totalverlust.

Einige Tage der Regeneration würde Kindonan allerdings benötigen; er hatte Erfrierungen davongetragen und war wohl für kurze Zeit fast ohne Sauerstoff gewesen. Wenn wir ihn nur fünf Minuten später an Bord geholt hätten, wären irreparable Hirnschäden zurückgeblieben.

»Die Anzugenergie reicht für mehrere Tage«, schnaubte Lesantre. »Der Idiot muss alles mit seinem Notruf verbraucht haben.«

»… ohne den wir ihn nicht gefunden hätten«, widersprach die Prinzessin.

»Wenn nicht wir, dann vermutlich ein anderes Schiff.«

Lesantre, der zuletzt unruhig vor dem Panoramaschirm auf und ab gelaufen war und mich mit seinem Verhalten an ein gefangenes Tier erinnert hatte, verließ ohne weiteren Kommentar die Zentrale. Tamarena blickte ihm hinterher, bis sich das Schott wieder geschlossen hatte. Um ihre Mundwinkel grub sich ein eigenartiges Zucken ein.

Lesantre gibt sich härter, als er ist. Er hat Probleme, die er sich nicht eingestehen will.

»Atlan«, sagte Tamarena in dem Moment, »geh mit ihm nicht zu hart ins Gericht.«

»Ich verstehe nicht.«

»Lesantres Bruder war Offizier auf der TSOOL. Unmittelbar nach der ersten Schlacht gegen die zwölf Imperiums-Raumer haben sie sich bis aufs Blut gestritten. Weil Marelius vor jeder weiteren Eskalation warnte.«

»Und nun fühlt Lesantre sich verantwortlich?«

»Marelius wollte den Dienst quittieren. Lesantre hat ihn deswegen mit der Waffe bedroht und ihn bezichtigt, er trete die Familienehre in den Schmutz.«

Ich brauchte die Prinzessin nicht zu fragen, woher sie ihre Kenntnisse bezog. Telepathische Fähigkeiten waren mitunter von Segen, aber keineswegs immer.

Der 19. Prago des Tedar 12.402 da Ark neigte sich allmählich dem Ende entgegen, als wir auf einem der Monde ein abgestürztes Imperiumsschiff orteten. Die Taster lieferten zwar nur den Aufriss eines Ultraleichtkreuzers mit 60 Metern Durchmesser, aber wie Reginald Bull bei einer solchen Gelegenheit sagen würde: »Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.«

Der Gedanke an Bully erinnerte mich daran, dass ich in die Vergangenheit verschlagen worden war, ins Jahr 5772 v. Chr. irdischer Zeitrechnung. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich mich bereits im Tiefschlaf auf der Barbarenwelt Larsaf III befunden, die später unter dem Namen Terra einige Bekanntheit erlangen sollte.

Vielleicht …

Das wirst du nicht tun, Barbar, protestierte der Extrasinn. Ein solches Spiel mit dem Feuer ist äußerst gefährlich!

Misch dich nicht ein!

Du weißt, dass du ganz schlechte Karten hast. Du bist dir niemals selbst begegnet.

Irgendwann ist immer das erste Mal.

Es reizte mich, Larsaf III anzufliegen und in meine Unterwasserkuppel hinabzutauchen. Rico würde mich zweifellos einlassen und den anderen Atlan, meinen Zeitzwilling …

Narr!

Deutlicher konnte der Logiksektor nicht sagen, wie er solche Pläne einschätzte. Lachend wandte ich mich wieder dem Hauptschirm zu. Irakhem bedachte mich mit einem verwunderten Blick.

Der Mond entpuppte sich als atmosphärelose Geröllwüste. Er war ein unregelmäßiger Brocken mit wenig mehr als 800 Kilometern größtem Durchmesser. Traversan hatte hier eine kleine wissenschaftliche Station unterhalten – von den Kuppelbauten zeugten nur noch bizarre Fragmente.

Der Imperiumsraumer war nahe der zerstörten Anlage abgestürzt. Im scharfen Widerstreit von Licht und Schatten zeigte die Optik eine aufgerissene, in einer Schlucht verkeilte Kugel.

»Das sieht nicht allzu gut aus«, sagte ich abwartend, als Irakhem mir einen fragenden Blick zuwarf.

Distanz noch dreißigtausend Kilometer. Die Energieortung bewegte sich innerhalb eines engbegrenzten Spektrums. Dort unten wurden im Augenblick weder Schutzschirmprojektoren noch Waffen versorgt. Keine Anzeichen von Überlebenden.

Die Ortung lieferte neue Aufrisse des Ultraleichtkreuzers und projizierte sie nebeneinander auf den Hauptschirm. Aber gerade die Details, auf die es ankam, waren durch die Felsen unserem Zugriff entzogen. Die Simulation reichte von lediglich schwachen Hüllenbrüchen bis hin zu massiven Zerstörungen im untenliegenden Ringwulstbereich.

 

»Unser Anforderungsprofil könnte erfüllt sein«, stellte Irakhem fest. »Voraussichtlich kein langwieriger Reparaturaufwand. Schiffe dieser Klasse finden überwiegend in Kurierflügen und Aufklärungseinsätzen Verwendung, denn sie sind schnell und wendig. Ich lasse einen Landungstrupp ausschleusen.«

»Warum nicht einfach eine Sonde?«

Irakhem nickte zögernd.

»Wenn Sie das für ausreichend halten, Admiral.«

»So ist es«, sagte ich.

Minuten später sahen wir die ersten Bilder von der Unterseite des 60-Meter-Schiffs. Ein massiver Fels hatte sich schräg in den Rumpf gebohrt und ihn wie ein Keil gespalten. Damit war jede weitere Mühe vergebens – die Werften auf Traversan würden zu lange benötigen, um die Stabilität wiederherzustellen, von den vermuteten inneren Schäden ganz zu schweigen. In diesem Bereich lagen Projektoranlagen und Konverterbänke. Überhaupt erschien es mir wie ein unglaublicher Zufall, dass der Raumer nicht in einer gewaltigen Explosion vernichtet worden war. Seine Besatzung hatte sich jedenfalls rechtzeitig abgesetzt – das geöffnete Hangarschott und die leeren Ankerplätze ließen keinen anderen Schluss zu.

»Kampfroboter!«, rief jemand.

In der Bildwiedergabe waren zwei klobige Kolosse erschienen, danach brach das Bild übergangslos zusammen.

»Wir müssen davon ausgehen, dass die Sonde …«

»Natürlich wurde sie vernichtet«, brauste Irakhem auf. »Zielerfassung für zwei Torpedos! Weder das Wrack noch die Roboter sind für uns von Wert.«

Während tief unter uns auf engbegrenztem Raum Explosionen aufflammten und miteinander verschmolzen, beschleunigte das Flaggschiff mit Kurs auf den nächststehenden, den achten Planeten. In dem Sektor hatte unsere Flotte nicht nur zwei Staffeln gegnerischer Einmannjäger, sondern auch den Angriff dreier 500-Meter-Schlachtkreuzer erfolgreich abgewehrt. Im Nachhinein hatte die Auswertung aller Schiffsbewegungen ergeben, dass hier die Bildung eines imperialen Brückenkopfes vorbereitet worden war – zu einem Zeitpunkt, als die Flotte des Sonnenkurs bereits mit schweren Verlusten zu den ersten Rückzugsgefechten angesetzt hatte.

Die Jägerwracks waren über einen Raumkubus von beinahe zwanzig Lichtsekunden Seitenlänge auseinandergedriftet. Hier draußen, in der Randzone des Systems, hatten unsere Schiffe – Fühlst du dich tatsächlich schon heimisch, Admiral?, spottete der Extrasinn –, hatten unsere Schiffe überraschend zugeschlagen und kaum eigene Verluste hinnehmen müssen. Deshalb operierten Nert Kuriols Einheiten derzeit noch an anderen Brennpunkten des Geschehens.

Im Ernst, Flottenhäuptling: Nert Kuriol da Traversan wäre über einen standesgemäßen Stammhalter sicher hoch erfreut.

Schweig!, herrschte ich den Extrasinn an.

Sofort kontrollierte ich meine gedankliche Abschirmung. Prinzessin Tamarena musste nicht unbedingt meine intimsten Gedanken kennen.

Barbaren konnten noch nie ihre Gefühle im Zaum halten.

Es gab Augenblicke wie diesen, da bereute ich, in der ARK SUMMIA meinen Extrasinn aktiviert zu haben.

Seit beinahe zwanzig Minuten spürte ich, wie Tamarena mich taxierte, wie ihr Blick jede Handbreit meines Körpers abtastete, während das Flaggschiff im wahrsten Sinne des Wortes mit Schleichfahrt durch das Sonnensystem kroch. Ohne zwingende Notwendigkeit ging kein Kapitän das Risiko einer Transition im planetennahen Raum ein, schon gar nicht in einem von Wrackteilen unterschiedlichster Größe übersäten Sektor. Die Gefahr einer Kollision bei der Rematerialisation durfte nicht unterschätzt werden; infolgedessen beanspruchte die Berechnung exakter Sprungkoordinaten mehr Zeit als der Flug im Unterlichtbereich. Von den vielen kleinen Rematerialisierungsschocks, denen Mensch und Material ausgesetzt wurden, ganz zu schweigen.

Nimm Tamarena einfach mit!

Alles hatte ich erwartet, jeden spöttischen Kommentar, aber nicht das. Oder trat der Logiksektor schlichtweg die Flucht nach vorne an und wollte mich vor vollendete Tatsachen stellen?

Auf gewisse Weise war ich froh, dass Ortung und Funk nahezu gleichzeitig die Position eines havarierten Leka-Diskus meldeten. Offenbar hatten seine Ortungen unsere Annäherung erfasst, denn seit nicht einmal zwei Minuten wurde ein Notruf auf Normalfrequenz empfangen.

Auf unsere Antwort erhielten wir nach knapp vier Minuten eine Bestätigung. Demnach war der Diskus von Strahltreffern schwer beschädigt worden. Ausfall des gesamten Antriebs und der Hyperfunkanlage; die Schirmfeldprojektoren waren infolge der Überlastung zusammengeschmolzen, entzogen den Speicherbänken aber immer noch Energie.

Von der vierköpfigen Besatzung hatten nur zwei Mann überlebt.

»Wir können die Zentrale nicht verlassen«, meldeten sie. »Der Sauerstoff reicht noch für mehrere Stunden, aber die Temperatur sinkt unter den Gefrierpunkt ab.«

»Sind Sie verletzt?«

Die Rückmeldung traf diesmal schon nach drei Minuten ein.

»Garhim hat Knochenbrüche und Verbrennungen erlitten, er liegt im Fieber. Wenn nur dieses verdammte Wrack nicht wäre …«

Unsere Kursberechnungen hatten bereits ergeben, dass der Leka-Diskus in etwa einer Stunde mit dem Wrack eines großen Kugelraumers kollidieren würde. Beide Schiffe bewegten sich in stumpfem Winkel aufeinander zu.

»Wir nehmen Sie in etwa zehn Minuten an Bord«, versprach Irakhem.

Im selben Atemzug wandte er sich an mich:

»Was halten Sie von dem Schlachtkreuzer, Atlan? Er könnte für unsere Zwecke geeignet sein.«

Wir waren noch zu weit entfernt, um uns ein wirkliches Urteil bilden zu können. In der Vergrößerung wurden jedoch immer weitere Schäden sichtbar. Der Kreuzer musste dem Feuer mehrerer traversanischer Einheiten ausgesetzt gewesen sein. Die Hüllenbrüche und die nachfolgenden Explosionen, die ganze Decks aufgerissen hatten, waren nicht zu übersehen. Vermutlich gab es nur sehr wenige Sektionen ohne Vakuumeinbruch.

Die Positronik generierte ein eindeutiges Schadensprofil. Demnach hatten Strahltreffer die polare Geschützkuppel zur Explosion gebracht. Über vier Hauptdecks reichte der Explosionskrater, doppelte Wände aus Arkonstahl waren wie Papier aufgerissen und nach außen gebogen.

Weitgehend skelettiert wirkte der Bereich der Mannschaftsräume und Labors. Eine Torpedosalve hatte Krater um Krater in das Schiff hineingestanzt und dann die Reste miteinander verschmolzen. Fast die gesamte obere Rumpfhälfte war wohl nur noch mit Mühe zu betreten.

Explodierende Beiboote hatten auch die Hangars über der Bodenschleuse aufgerissen. Zwei ausgefahrene und infolge einer Kollision halb aus dem Rumpf herausgerissene Landebeine klafften auseinander wie die Giftzähne einer zupackenden Viper.

Langsam schüttelte ich den Kopf. Selbst ein Heer von Arbeitsrobotern würde Wochen benötigen, den Kreuzer in einen halbwegs passablen Zustand zu versetzen.

»Denken Sie noch einmal darüber nach, Admiral«, schlug Irakhem vor. »Der gesamte Ringwulstbereich und damit wohl auch die dahinter liegenden Maschinenräume weisen keine Schäden auf. Verlorengegangene Kommandostrukturen lassen sich vergleichsweise schnell erneuern, vor allem wird der Sonnenkur keinen Argwohn hegen, wenn wir mit dem Schiff vor BRY 24 materialisieren.«

»Falls der Kahn nicht vorher auseinanderbricht.«

Irakhem ließ Anzeichen beginnender Nervosität erkennen.

»Woran liegt es, Admiral Atlan, dass unsere Vorstellungen so unterschiedlich sind?«

»An meiner Erfahrung«, antwortete ich knapp.

Der eine oder andere Mann der Besatzung konzentrierte sich plötzlich nur noch auf seine Arbeit. Dafür lauschten sie jedoch umso intensiver, was ich ihrem Kommandanten vorzuwerfen hatte. Vielleicht gönnten sie Irakhem die Abfuhr, möglicherweise sahen sie aber auch in mir den Störenfried, der seine Pflicht erfüllt hatte und nun nicht mehr gebraucht wurde.

»Wir sind uns einig, Atlan, dass wir dem nächsten Schritt des Sonnenkurs zuvorkommen müssen.«

Ich nickte nur.

»Wie lange wollen Sie also noch suchen und kostbare Zeit verlieren?«

»Bis ich das Schiff gefunden habe, das ich für geeignet halte.«

Irakhem war ein Heißsporn, risikofreudig und durchaus kompetent, ihm fehlte einzig und allein die Erfahrung. Der Stolz, mit dem er seine Standarduniform und den obligatorischen dunkelroten Umhang trug, machte dieses Manko auch nicht wett. Mir schien es, als hielte er kurz Zwiesprache mit seinem Extrasinn, dann deutete er eine knappe Ehrenbezeigung an.

»Ich vertraue Ihnen, Admiral.«

»Das habe ich auch nicht anders erwartet.«

Diese Erwiderung konnte ich mir nicht verkneifen.

Spötter, kommentierte mein zweites Ich.

In dem Moment schrie Tamarena warnend auf.

»Nicht einschleusen! Den Traktorstrahl abschalten! Sofort!«

Es gab wohl niemanden in der Zentrale, der die Prinzessin in dem Augenblick nicht völlig entgeistert angestarrt hätte. Ich nicht ausgenommen.

Ein kleiner Monitor auf einem der untergeordneten Plätze ließ erkennen, dass der wracke Leka-Diskus soeben in einen der oberen Hangars gezogen wurde. Von meiner Position aus konnte ich die Wiedergabe einigermaßen gut einsehen. Der zuständige Offizier hatte seine Schaltungen beendet.

»Die Aktion war ein Bilderbuchmanöver, erhabene Prinzessin«, meldete er. »In fünfzig Sekunden ist der Hangar mit Atmosphäre geflutet und …«

»Brechen Sie ab!«

Er verstand nicht. Aber da war ich bereits neben ihm und griff in seine Schaltungen ein. Er war viel zu überrascht, um sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Mehr als zur Hälfte hatte sich das Hangartor bereits geschlossen. Die wuchtigen Stahlplatten reagierten nicht sofort auf meine Schaltungen, glitten noch mindestens zwei Meter weiter aufeinander zu, bevor sie sich langsam wieder öffneten.

Was immer Tamarena zu ihrer Warnung veranlasst hatte, sie war bestimmt nicht grundlos erfolgt. In dem Moment war ich überzeugt davon, dass wir uns mit dem Diskus ein faules Ei an Bord geholt hatten.

Meine Schaltungen polten endlich den Traktorstrahl um. Der Diskus schwebte bereits in der Mitte des Hangars, aber noch war das Tor nicht wieder weit genug geöffnet.

Alarm gellte durch das Schiff. Irakhem riegelte die an den Hangar angrenzenden Decks hermetisch ab.

Immer noch war zu wenig Platz zwischen beiden Schotthälften. Wenn ich den Diskus jetzt hindurchbugsierte, dann musste er auseinanderbrechen …

Die Kommunikation war automatisch auf Interkom umgelegt worden. Verwirrt hallte die Stimme des Schiffbrüchigen durch die Zentrale:

»Weshalb werden wir wieder ausgeschleust? Was ist geschehen?«

»Ein Notfall«, antwortete Irakhem. »Ihnen wird eine andere Position zugewiesen.«

»Ich verstehe nicht.«

Tamarena gab mir ein Zeichen, dass der Mann in der Tat nicht wusste, was geschah. Es war immer noch eine kleine Ewigkeit bis zur vollständigen Öffnung des Hangars. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, nicht länger warten zu dürfen. Der Diskus schien über die Seite abzukippen und auf dem Hangarboden aufzuschlagen, aber schon im nächsten Moment schrammte er am Tor entlang, und …

… die Explosion erfolgte mit einer solchen Heftigkeit und Intensität, dass selbst die Positronik nicht rechtzeitig reagierte und die Filter zu spät vorschaltete.

Ein Blitz schien meine Schädeldecke zu spalten. Ich sah nur noch lodernde Glut und spürte, wie sie mein Innerstes verbrannte. Es waren Schreie ringsum, die im Heulen des Alarms untergingen. Dazwischen erschollen Befehle, die kaum jemand befolgte.

Mühsam blinzelnd versuchte ich, mehr zu erkennen als nur immer neue, ineinanderfließende Feuerbälle. Erst allmählich begannen sich dunklere Schemen abzuzeichnen, Konturen, die sich ruckartig bewegten, sobald ich mich auf sie konzentrierte.

Schadensmeldungen trafen ein. Ich verstand nicht einmal die Hälfte von dem, was die erregte Stimme herunterrasselte. Augenblicke später der dumpfe Donner einer neuen Explosion. Irgendwo im Bereich der Polkuppel, so glaubte ich zu erkennen.

»Notfallsequenz!«, meldete der Bordrechner. »Schirmfeld wurde aktiviert. Ausfall der Projektoren im Bereich des oberen Ringwulsthangars. Ich wiederhole: Notfallsequenz! Schirmfeld wurde aktiviert …«

Tränen schossen mir in die Augenwinkel. Erste Schatten schälten sich wieder aus dem Lodern hervor und verdichteten sich langsam zum gewohnten Bild der Zentrale.

 

Neue Lichtblitze, inzwischen gedämpft durch die Filter. Das Flaggschiff lag unter schwerem Torpedobeschuss. Auch zwei Dreimannzerstörer attackierten uns, konnten wegen ihrer starr eingebauten Impulskanonen aber jeweils nur wenige Schüsse anbringen und mussten dann abdrehen.

Schirmfeldbelastung 42 Prozent.

Geschwindigkeit 20 Prozent Lichtgeschwindigkeit, steigend.

Irakhem hatte die Feuerleitkontrollen auf sein Pult umgelegt. Zwei unserer Impulsgeschütze feuerten, als die Zerstörer erneut aus unterschiedlichen Richtungen angriffen. Im Salventakt hämmerten die tödlichen Energien in den Weltraum hinaus, positronisch auf den Schirmen sichtbar gemacht. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wurde der Vorhaltewinkel kleiner – und dann eine verwehende Glutwolke, glühende Fragmente, die irrlichternd auseinanderstrebten und zum Teil in unserem Schutzschirm verglühten.

»Sie hatten recht, Atlan«, rief Irakhem unvermittelt, »der Schlachtkreuzer ist für uns nicht geeignet!«

Mit knapp zwanzigtausend Kilometern Distanz raste das Flaggschiff an dem Wrack vorbei. Nur wenige Sekunden lang feuerten unsere Geschütze, aber die Einschläge konnten wir deutlich sehen. Atomare Gluten leckten über den 500-Meter-Torso, schnitten tief in seine Eingeweide hinein und ließen ihn innerhalb von Sekunden auseinanderbrechen. Dutzende kleiner Explosionen entlang den Bruchstellen vollendeten das Werk der Zerstörung.

»Keine Rettungsboote in der Ortung!«, wurde gemeldet.

Wir hatten zum Glück nur wenige nennenswerte Schäden zu verzeichnen. Einige Antennensysteme und Projektoren im Außenbereich waren zerstört. Ein Hangar war ausgeglüht, und der erste Torpedoeinschlag hatte einen Hüllenriss verursacht.

Es war nicht auszudenken, was der explodierende Diskus im Schiffsinneren angerichtet hätte. Die Gegner mussten das Beiboot mit hochbrisantem Material vollgepackt und die Überlebenden mittels Psychostrahlern gefügig gemacht haben.

Aus einer Vorahnung heraus hatte Tamarena versucht, die Gedanken der vermeintlich Geretteten zu erfassen. Sie war misstrauisch geworden, als die empfangenen Mentalimpulse nur den Ruf nach Hilfe hatten erkennen lassen. Er musste tief in ihre Psyche eingebrannt gewesen sein.

»Eines ist mir klargeworden«, stieß Irakhem zähneknirschend hervor. »Die Soldaten des Imperiums sind für jede Gemeinheit gut. Aber wir brauchen ein Schiff – und wir bekommen es.«

Seine Entschlossenheit steckte an. Dieses Jetzt-erst-recht-Gefühl war genau das, was Traversan brauchte. Das war arkonidischer Stolz, wie ich ihn kannte, nicht die bestechliche Dekadenz des imperialen Adels, der sich in fetter Selbstzufriedenheit suhlte.

Recht so, Barbar, rüttle das Große Imperium wach, zeige allen, welche Folgen die kommende Lethargie haben wird – und es wird nie einen notgelandeten Kreuzer auf dem irdischen Mond geben. Aber vielleicht einen potentiell unsterblichen Imperator. Nur: Was wird aus dem anderen Atlan, dem, der auf Larsaf III im Tiefschlaf liegt?

Spare dir deinen Zynismus!, gab ich in Gedanken zurück.

Na also, Barbar. Du wirst nachdenklich, und dir fehlen die Argumente. Versuche gar nicht erst, deine innere Zerrissenheit vor mir zu verbergen. Vergiss Tamarena und kehre in deine Zeit zurück.

Das hier ist auch meine Zeit.

Ich atmete tief ein und hielt die Luft an. Ich versuchte dabei vergeblich, mich zu konzentrieren und den Extrasinn in die Schranken zu weisen. Dass die Prinzessin mich besorgt musterte, nahm ich erst nach einer Weile wahr.

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