Hans Fallada – Gesammelte Werke

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25. Kommissar Escherich bearbeitet die Sache Klabautermann

»Da, le­sen Sie!«, sag­te der Kom­missar Esche­rich zu dem As­sis­ten­ten Schrö­der und gab ihm das Pro­to­koll in die Hand.

»Tja«, ant­wor­te­te Schrö­der und reich­te die Bo­gen zu­rück. »Da hat er es also doch ge­stan­den und ist nun reif für den Volks­ge­richts­hof und den Scharf­rich­ter. Ich hät­te es nicht ge­dacht.« Er setz­te nach­denk­lich hin­zu: »Und so was läuft frei auf der Stra­ße rum!«

»Ja­wohl!«, sag­te der Kom­missar, leg­te das Pro­to­koll in einen Ak­ten­de­ckel und den Ak­ten­de­ckel wie­der in sei­ne Le­der­ta­sche. »Ja­wohl, so was läuft nun frei auf der Stra­ße rum – aber doch wohl or­dent­lich be­schat­tet von un­se­ren Leu­ten?«

»Selbst­ver­ständ­lich!«, be­eil­te sich Schrö­der zu ver­si­chern. »Ich habe mich selbst da­von über­zeugt: sie wa­ren ihm bei­de gut auf der Spur.«

»Und da läuft er rum«, fuhr der Kom­missar Esche­rich, nach­denk­lich sei­nen Schnurr­bart strei­chelnd, fort, »läuft und läuft, und un­se­re Leu­te lau­fen hin­ter ihm drein! Und ei­nes Ta­ges – heu­te oder in ei­ner Wo­che oder in ei­nem hal­b­en Jahr – läuft un­ser klei­ner, fie­ser Herr Klu­ge zu sei­nem Kar­ten­schrei­ber, zu dem Mann, der ihm den Auf­trag gab: Leg sie da und dort ab. Zu dem führt er uns so si­cher, wie das Amen in der Kir­che kommt. Und da ma­che ich schnapp, und dann erst sind die bei­den rich­tig reif für die Plöt­ze und so wei­ter und so fort.«

»Herr Kom­missar«, sag­te der As­sis­tent Schrö­der, »ich kann’s noch im­mer nicht ganz glau­ben, dass der Klu­ge die Kar­te hin­ge­legt hat. Ich hab’s doch ge­se­hen, wie ich sie ihm in die Hand gab, der hat noch nie was von der Kar­te ge­wusst! Das hat sich al­les bloß die­ses hys­te­ri­sche Frau­en­zim­mer, die Sprech­stun­den­hil­fe, aus­ge­dacht.«

»Aber es steht doch im Pro­to­koll, dass er sie hin­ge­legt hat«, wand­te der Kom­missar ein, doch ohne be­son­de­ren Nach­druck. »Im Üb­ri­gen möch­te ich Ih­nen ra­ten, in Ihrem Be­richt nichts von hys­te­ri­schem Frau­en­zim­mer zu schrei­ben. Kei­ne per­sön­li­chen Vor­ur­tei­le, rein sach­lich. Wenn Sie wol­len, kön­nen Sie ja noch den Arzt we­gen der Glaub­wür­dig­keit sei­ner Hil­fe be­fra­gen. Ach nein, las­sen Sie das man auch lie­ber. Das wird auch wie­der so ein per­sön­li­ches Ur­teil, das kön­nen wir dem Un­ter­su­chungs­rich­ter über­las­sen, wie er die ein­zel­nen Aus­sa­gen be­wer­tet. Wir ar­bei­ten nur rein sach­lich, nicht wahr, Schrö­der, ohne je­des Vor­ur­teil.«

»Selbst­ver­ständ­lich, Herr Kom­missar.«

»Wenn da eine Aus­sa­ge steht, so steht da eben eine Aus­sa­ge, und an die hal­ten wir uns. Wie und warum sie zu­stan­de ge­kom­men ist, das geht uns nichts an. Wir sind ja kei­ne Psy­cho­lo­gen, wir sind Kri­mi­na­lis­ten. Cri­men, Ver­bre­chen zu Deutsch, Schrö­der, nur das Ver­bre­chen in­ter­es­siert uns. Und wenn ei­ner ge­steht, er hat ein Ver­bre­chen be­gan­gen, so ge­nügt uns das erst ein­mal. Das ist we­nigs­tens mei­ne An­sicht von der Sa­che, oder den­ken Sie an­ders dar­über, Schrö­der?«

»Aber selbst­ver­ständ­lich nicht, Herr Kom­missar!«, rief der As­sis­tent Schrö­der aus. Es klang, als sei er maß­los er­schro­cken über den Ge­dan­ken, er kön­ne ir­gen­det­was an­ders auf­fas­sen als sein Vor­ge­setz­ter. »Genau, was ich den­ke! Im­mer ge­gen das Ver­bre­chen!«

»Ich wuss­te es ja«, sag­te der Kom­missar Esche­rich und strei­chel­te sei­nen Bart. »Wir al­ten Kri­mi­na­lis­ten sind doch im­mer ei­ner Mei­nung. Wis­sen Sie, Schrö­der, es ar­bei­ten jetzt vie­le Au­ßen­sei­ter in un­serm Be­ruf, aber wir hal­ten doch stets zu­sam­men, und da­von ha­ben wir ja denn auch man­ches Gute. Also, Schrö­der«, die­ses rein dienst­lich, »ich be­kom­me dann heu­te noch Ihren Be­richt über die Ver­haf­tung des Klu­ge und das Pro­to­koll mit den Aus­sa­gen der Sprech­stun­den­hil­fe und des Arz­tes. Ja, rich­tig, Sie hat­ten ja auch einen Wacht­meis­ter mit, Schrö­der …«

»Ober­wacht­meis­ter Dub­ber­ke hier vom Re­vier …«

»Kenn ich nicht. Soll aber auch einen Be­richt ma­chen über das Aus­rei­ßen des Klu­ge. Kurz, sach­lich, kein Ge­schwa­fel, kei­ne per­sön­li­chen Vor­tei­le, ver­stan­den, Herr Schrö­der?«

»Zu Be­fehl, Herr Kom­missar!«

»Also denn, Schrö­der! Wenn Sie die Be­rich­te ab­ge­ge­ben ha­ben, wer­den Sie ja mit die­ser Sa­che nicht mehr be­fasst wer­den, höchs­tens mal ir­gend­ei­ne Aus­sa­ge vor ei­nem Rich­ter oder bei uns auf der Ge­sta­po …« Er be­trach­te­te sei­nen Un­ter­ge­be­nen sin­nend. »Wie lan­ge sind Sie schon As­sis­tent, Herr Schrö­der?«

»Schon drei­ein­halb Jah­re, Herr Kom­missar.«

Das Auge des »Bul­len«, wie es jetzt auf dem Kom­missar lag, hat­te et­was Rüh­ren­des.

Aber der Kom­missar sag­te nur: »Ja, dann wird’s ja auch all­mäh­lich Zeit«, und ver­ließ das Re­vier.

In der Prinz-Al­brecht-Stra­ße ließ er sich dann so­fort bei sei­nem di­rek­ten Vor­ge­setz­ten, dem SS-Ober­grup­pen­füh­rer Prall, mel­den. Er muss­te fast eine Stun­de war­ten; nicht, dass Herr Prall gra­de sehr be­schäf­tigt ge­we­sen wäre, oder doch, er war gra­de sehr be­schäf­tigt. Esche­rich hör­te das Klir­ren von Glä­sern, das Schnal­zen der Pfrop­fen, er hör­te Ge­läch­ter und Ge­schrei: eine der häu­fi­gen Zu­sam­men­künf­te hö­he­rer Füh­rer also. Ge­sel­lig­keit, Um­trunk, hei­te­re Zwang­lo­sig­keit, Er­ho­lung nach der schwe­ren Mühe, Mit­menschen zu quä­len und an den Gal­gen zu brin­gen.

Der Kom­missar war­te­te ohne Un­ge­duld, ob­wohl er an die­sem Tage noch viel vor­hat­te. Er kann­te die Vor­ge­setz­ten im All­ge­mei­nen, und er kann­te die­sen Vor­ge­setz­ten im Be­son­de­ren. Da half kein Drän­geln, und wenn halb Ber­lin in Flam­men stand, wenn der sau­fen woll­te, so soff er erst mal. Das war so!

Nach ei­nem Stünd­chen wur­de Esche­rich dann aber doch vor­ge­las­sen. Das Zim­mer mit den deut­li­chen Spu­ren ei­nes Trink­ge­la­ges sah ziem­lich wüst aus, und der Herr Prall, dun­kel­rot von Ar­ma­gnac glü­hend, sah auch ziem­lich wüst aus. Aber er sag­te leut­se­lig: »Da, Esche­rich! Schen­ken Sie sich doch auch ein Glas ein! Das sind die Früch­te un­se­res Sie­ges über Frank­reich: ech­ter Ar­ma­gnac, zehn­mal bes­ser als Ko­gnak. Zehn­mal? Hun­dert­mal! Wa­rum trin­ken Sie nicht?«

»Bit­te um Ver­zei­hung, Herr Ober­grup­pen­füh­rer, ich habe heu­te noch ziem­lich viel zu tun, möch­te einen kla­ren Kopf be­hal­ten. Üb­ri­gens bin ich das Trin­ken nicht mehr ge­wohnt.«

»Ach was, nicht ge­wohnt! Kla­rer Kopf, Flau­sen! Wozu brau­chen Sie einen kla­ren Kopf? Las­sen Sie je­mand an­ders Ihre Ar­beit tun, und schla­fen Sie sich aus. Prost, Esche­rich – auf un­sern Füh­rer!«

Esche­rich pros­te­te mit, weil er muss­te. Er pros­te­te auch noch ein zwei­tes und ein drit­tes Mal mit, und er dach­te da­bei, wie die Ge­sell­schaft sei­ner Ka­me­ra­den zu­sam­men mit dem Al­ko­hol die­sen Mann ver­än­dert hat­te. Prall war sonst ei­gent­lich im­mer ganz er­träg­lich, nicht halb so schlimm wie hun­dert an­de­re Bur­schen, die mit ih­ren schwar­zen Uni­for­men in die­sem Bau her­um­lie­fen. Son­dern eher ein biss­chen zweif­le­risch, eben nur »kom­man­diert«, wie er mal ge­sagt hat­te, kei­nes­wegs von al­lem über­zeugt.

Aber un­ter dem Ein­fluss von Ka­me­ra­den und Al­ko­hol wur­de er wie die: un­be­re­chen­bar, bru­tal, sprung­haft und be­reit, jede an­de­re An­sicht so­fort mit Stumpf und Stiel aus­zu­rot­ten, und sei es nur eine an­de­re An­sicht über das Trin­ken von Schnaps. Hät­te ihm Esche­rich das An­sto­ßen ernst­lich ver­wei­gert, so wäre er so si­cher ver­lo­ren ge­we­sen, wie wenn er den schlimms­ten Ver­bre­cher hät­te lau­fen­las­sen. Ja, ei­gent­lich wäre so was noch un­ver­zeih­li­cher ge­we­sen, weil es an eine per­sön­li­che Be­lei­di­gung grenz­te, wenn der Un­ter­ge­be­ne nicht so viel und so oft mit dem Vor­ge­setz­ten an­s­tieß, wie der wünsch­te.

Esche­rich stieß also an, stieß mehr­mals an und trank mit.

»Also, was gib­t’s, Esche­rich?«, sag­te dann Prall und ver­such­te, an sei­nem Schreib­tisch mög­lichst gra­de zu ste­hen, an ihm und durch ihn. »Was ha­ben Sie denn da?«

»Ein Pro­to­koll«, er­klär­te Esche­rich. »Von mir auf­ge­nom­men in Sa­chen mei­nes Kla­bau­ter­manns. Ein paar an­de­re Be­rich­te und Pro­to­kol­le fol­gen noch, aber die­ses ist das wich­tigs­te. Bit­te, Herr Ober­grup­pen­füh­rer.«

»Kla­bau­ter­mann?«, frag­te Prall, scharf nach­den­kend. »Das ist doch der Kerl mit den Kar­ten. Na, ist Ih­nen da doch was ein­ge­fal­len, Esche­rich, wie ich Ih­nen be­foh­len habe?«

»Zu Be­fehl, Herr Ober­grup­pen­füh­rer. Wenn Herr Ober­grup­pen­füh­rer das Pro­to­koll le­sen wür­de?«

»Le­sen? Nee, nicht jetzt. Spä­ter viel­leicht mal. Le­sen Sie jetzt mal vor, Esche­rich!«

Aber er un­ter­brach die Vor­le­sung nach den ers­ten drei Sät­zen. »Wol­len erst noch mal einen ge­neh­mi­gen. Prost, Esche­rich! Heil Hit­ler!«

»Heil Hit­ler, Herr Ober­grup­pen­füh­rer!«

Und nach­dem er aus­ge­trun­ken hat­te, fing Esche­rich wie­der mit Vor­le­sen an.

Aber nun war dem al­ko­ho­li­sier­ten Prall ein necki­sches Spiel ein­ge­fal­len. Im­mer, wenn Esche­rich drei, vier Sät­ze ge­le­sen hat­te, un­ter­brach er ihn mit ei­nem »Prost!«, und Esche­rich muss­te, nach­dem er auch ge­pros­tet hat­te, wie­der von vorn an­fan­gen. Nie ließ Prall ihn über die ers­te Sei­te hin­aus­kom­men, schon un­ter­brach er ihn mit ei­nem neu­en »Prost!«. Er sah wohl – trotz all sei­ner Be­sof­fen­heit –, wie es in dem Man­ne ar­bei­te­te, wie das schar­fe Ge­tränk ihm wi­der­stand, dass er zehn Mal die Lust hat­te, das Pro­to­koll hin­zu­le­gen und fort­zu­ge­hen (so leck mich doch am Arsch!), und wie er es nicht wag­te, weil der an­de­re eben der Vor­ge­setz­te war, wie er ku­schen muss­te, sich den Zorn nicht mer­ken las­sen durf­te …

 

»Prost, Esche­rich!«

»Dan­ke ge­hor­samst, Herr Ober­grup­pen­füh­rer! Prost!«

»Na, nun le­sen Sie doch wei­ter, Esche­rich! Nee, fan­gen Sie noch mal wie­der von vor­ne an. Die eine Stel­le ist mir noch nicht ganz auf­ge­gan­gen. Im­mer ein lang­sa­mer Den­ker ge­we­sen …«

Und Esche­rich las. Ja, jetzt wur­de er ge­nau­so ge­quält, wie er vor zwei Stun­den den schmäch­ti­gen Klu­ge ge­quält hat­te, ge­nau wie den plag­te auch ihn nur das Ver­lan­gen, aus der Tür her­aus­zu­kom­men. Aber er muss­te le­sen, le­sen und trin­ken, trin­ken und le­sen, so­lan­ge das dem an­de­ren be­lieb­te. Er fühl­te schon, wie es flo­ckig, wol­kig in sei­nem Kopf zog – sei­ne gute Ar­beit, ade! Ver­damm­te Zucht!

»Prost, Esche­rich!«

»Prost, Herr Ober­grup­pen­füh­rer!«

»Na, denn le­sen Sie noch mal von An­fang an!«

Bis die­ses Spiel dem Prall plötz­lich lang­wei­lig wur­de, bis er grob sag­te: »Ach, las­sen Sie doch die­se blö­de Vor­le­se­rei! Sie se­hen doch, ich bin be­sof­fen, wie soll ich denn da das Zeugs ka­pie­ren? Wol­len sich wohl mit Ihrem geist­rei­chen Pro­to­koll dicke­tun, was? An­de­re Be­rich­te fol­gen, sind nicht so wich­tig wie der vom großen Kri­mi­na­lis­ten Esche­rich! Wenn ich schon so was höre! Kurz und Furz: Ha­ben Sie den Kar­ten­schrei­ber ge­schnappt?«

»Zu Be­fehl, nein, Herr Ober­grup­pen­füh­rer. Aber …«

»Und warum kom­men Sie denn da zu mir? Wa­rum steh­len Sie mir mei­ne kost­ba­re Zeit und sau­fen mir den schö­nen Ar­ma­gnac weg?« Dies war nun schon rei­nes Ge­brüll. »Sie sind wohl ganz wahn­sin­nig ge­wor­den, Herr? Aber mit Ih­nen wer­de ich jetzt in ei­nem an­de­ren Ton re­den, Herr! Bin viel zu gut­mü­tig ge­we­sen, habe Sie zu frech wer­den las­sen, ver­stan­den?«

»Zu Be­fehl, Herr Ober­grup­pen­füh­rer!« Und rasch, ehe das Ge­schrei von neu­em los­ging, stieß Esche­rich her­vor: »Aber ich habe je­man­den ge­fasst, der die Kar­ten ver­teilt hat. Ich den­ke we­nigs­tens.«

Die­se Nach­richt be­sänf­tig­te Prall ein we­nig. Er sah den Kom­missar mit stie­ren Au­gen an und sag­te: »Vor­füh­ren den Mann! Soll mir sa­gen, wer ihm die Kar­ten ge­ge­ben hat. Wer­de ihn zwie­beln – bin gra­de in der Stim­mung dazu!«

Ei­nen Au­gen­blick schwank­te Esche­rich. Er hät­te sa­gen kön­nen, dass der Mann noch nicht in der Prinz-Al­brecht-Stra­ße war, dass er ihn ho­len wür­de – und dann wür­de er ihn wirk­lich ho­len, näm­lich von der Stra­ße her oder aus sei­ner Woh­nung, mit Hil­fe der Be­schat­ter. Oder aber er wür­de ru­hig aus der Fer­ne ab­war­ten, bis der Ober­grup­pen­füh­rer sei­nen Rausch aus­ge­schla­fen hat­te. Dann wür­de er wahr­schein­lich al­les ver­ges­sen ha­ben.

Aber weil Esche­rich eben der Esche­rich war, näm­lich ein in sei­nen Sün­den ge­sot­te­ner Kri­mi­na­list, näm­lich nicht fei­ge, son­dern er war mu­tig, und aus dem Mut her­aus sag­te er (es kom­me, was da wol­le): »Ich habe den Mann wie­der auf frei­en Fuß ge­setzt, Herr Ober­grup­pen­füh­rer!«

Ge­brüll – nein, du lie­ber Him­mel, was für ein tie­ri­sches Ge­brüll! Der doch sonst wirk­lich für einen hö­he­ren Füh­rer recht ge­sit­te­te Prall ver­gaß sich doch so weit, dass er sei­nen Kom­missar vor der Brust fass­te, ihn hin und her schüt­tel­te und da­bei schrie: »Frei­ge­las­sen? Frei­ge­las­sen? Weißt du, was ich nun mit dir ma­chen wer­de, du Schwein? Jetzt wer­de ich dich ein­ste­cken, jetzt sollst du mal sit­zen! War­te, eine Tau­send­watt­lam­pe hän­ge ich dir vor dei­nen Schnurr­bart, wie Hun­de­ka­cke, und wenn du ein­schläfst, las­se ich dich wach­prü­geln, du Aas …«

So ging es noch eine gan­ze Wei­le wei­ter. Esche­rich ließ sich schüt­teln und be­schimp­fen, er hielt ganz still. Jetzt war es viel­leicht doch ganz gut, dass er Al­ko­hol ge­trun­ken hat­te. Ein we­nig be­täubt durch den Ar­ma­gnac, emp­fand er al­les, was ge­sch­ah, nur un­deut­lich, als sei es mehr ein Traum­ge­sche­hen.

Schrei du nur!, dach­te er. Je lau­ter du schreist, umso eher wirst du hei­ser. Mach’s nur so wei­ter, gib’s dem al­ten Esche­rich tüch­tig!

Und wirk­lich, nach­dem er sich hei­ser ge­schri­en, ließ Prall sei­nen Un­ter­ge­be­nen los. Er goss sich ein wei­te­res Glas Ar­ma­gnac ein, mus­ter­te Esche­rich mit bö­sem Blick und krächz­te: »Nun mel­den Sie ge­fäl­ligst, warum Sie die­se Rie­sen­dumm­heit ge­macht ha­ben!«

»Zu­erst möch­te ich mel­den«, sag­te Esche­rich lei­se, »dass der Mann stän­dig durch zwei un­se­rer bes­ten Leu­te vom Prä­si­di­um be­schat­tet wird. Ich den­ke, frü­her oder spä­ter wird er doch sei­nen Auf­trag­ge­ber, den Brie­fe­schrei­ber, auf­su­chen. Jetzt leug­net er, ihn zu ken­nen. Der be­kann­te große Un­be­kann­te.«

»Ich hät­te den Na­men schon aus ihm raus­ge­presst. Die­se Be­schat­te­rei – wo­mög­lich ver­lie­ren die noch den Mann!«

»Die nicht! Die tüch­tigs­ten Leu­te vom Alex!«

»Na, na!« Aber er­sicht­lich zog bei Prall wie­der bes­se­res Wet­ter auf. »Sie wis­sen, ich will die­se Ei­gen­mäch­tig­kei­ten nicht ha­ben! Ich hät­te den Mann lie­ber in mei­nen Fin­gern!«

Das möch­test du!, dach­te Esche­rich. Und in ei­ner hal­b­en Stun­de hast du raus, dass der gar nichts mit den Kar­ten zu tun hat, und fängst wie­der an, mich zu het­zen …

Laut aber sag­te er: »Das ist so ein ver­ängs­tig­tes klei­nes Ge­schöpf, Herr Ober­grup­pen­füh­rer. Die Wahr­heit zu sa­gen: feig wie Schif­fer­schei­ße. Wenn Sie den zwie­beln, der kackt Lü­gen über Lü­gen, der sagt Ih­nen al­les aus, was Sie wol­len, und wir lau­fen hin­ter hun­dert Lü­gen her. So führt er uns glatt zum Kar­ten­schrei­ber.«

Der Ober­grup­pen­füh­rer lach­te: »Na ja, Sie ol­ler Fuchs, also trin­ken wir noch einen!«

Also tran­ken sie noch einen.

Der Ober­grup­pen­füh­rer sah den Kom­missar prü­fend an. Sicht­lich hat­te sein Zor­nes­aus­bruch ihm gut­ge­tan, hat­te ihn et­was nüch­ter­ner ge­macht.

Er über­leg­te, dann sag­te er: »Von dem Pro­to­koll da, Sie wis­sen schon …«

»Zu Be­fehl, Herr Ober­grup­pen­füh­rer!«

»… von dem Pro­to­koll da las­sen Sie mir ein paar Ab­schrif­ten an­fer­ti­gen. Ste­cken Sie Ihr geist­rei­ches Mach­werk wie­der ein.« Bei­de grins­ten. »Hier ge­rät es wo­mög­lich doch noch in den Ar­ma­gnac …«

Esche­rich tat das Pro­to­koll wie­der in den Ak­ten­de­ckel und den De­ckel in die Map­pe.

Un­ter­des hat­te sein Vor­ge­setz­ter in ei­ner Schreib­tischla­de ge­kramt und kam jetzt zu­rück, eine Hand auf dem Rücken. »Sa­gen Sie mal, Esche­rich, ha­ben Sie ei­gent­lich schon das Kriegs­ver­dienst­kreuz?«

»Nein, Herr Ober­grup­pen­füh­rer.«

»Irr­tum, Esche­rich! Da ha­ben Sie’s!« Und er streck­te über­ra­schend die bis­her ver­bor­ge­ne Hand aus, auf de­ren Flä­che das Kreuz lag.

Der Kom­missar war so über­wäl­tigt, dass er nur ein­zel­ne Wor­te stam­meln konn­te. »Aber, Herr Ober­grup­pen­füh­rer! Nicht ver­dient … Fin­de kei­ne Wor­te …«

Al­les hat­te er wäh­rend des An­pfiffs fünf Mi­nu­ten zu­vor er­war­tet, so­gar ein paar Tage und Näch­te im Bun­ker hat­te er für mög­lich ge­hal­ten, aber dass ihm di­rekt dar­auf das Ver­dienst­kreuz über­reicht wer­den wür­de …

»… Je­den­falls dan­ke ich ge­hor­samst.«

Der Ober­grup­pen­füh­rer Prall wei­de­te sich an der Über­ra­schung des De­ko­rier­ten.

»Na ja, Esche­rich«, sag­te er dann. »Sie wis­sen ja, ich bin gar nicht so. Und schließ­lich sind Sie ja doch ein ganz tüch­ti­ger Be­am­ter. Man muss Sie nur manch­mal ein biss­chen auf den Trab brin­gen, sonst schla­fen Sie mir noch ganz ein. Wol­len noch mal einen ge­neh­mi­gen. Prost, Esche­rich, auf Ihr Kreuz!«

»Prost, Herr Ober­grup­pen­füh­rer! Und noch­mals mei­nen ge­hor­sams­ten Dank!«

Der Ober­grup­pen­füh­rer fing an zu schwat­zen: »Ei­gent­lich war das Kreuz gar nicht für Sie be­stimmt, Esche­rich. Ei­gent­lich soll­te es Ihr Kol­le­ge, der Rusch, krie­gen, für eine ganz za­cki­ge Sa­che, die er mit ei­ner ol­len Jü­din ge­dreht hat. Aber Sie ka­men eben eher.«

Er schwatz­te noch eine Wei­le wei­ter, dreh­te dann das Rot­licht über sei­ner Tür an, was be­deu­te­te »Wich­ti­ge Be­spre­chung! Nicht stö­ren!«, und leg­te sich zum Schla­fen auf eine Couch.

Als Esche­rich, das Ver­dienst­kreuz noch im­mer in der Hand, sein Büro be­trat, saß da sein Ver­tre­ter am Ap­pa­rat und rief: »Was denn? Fall Kla­bau­ter­mann? Ist das kein Irr­tum? Hier liegt kein Fall Kla­bau­ter­mann vor!«

»Ge­ben Sie her!«, sag­te Esche­rich und fass­te nach dem Hö­rer. »Und ver­di­men­sio­nie­ren Sie sich schleu­nigst!«

Er rief in den Ap­pa­rat: »Ja, hier Kom­missar Esche­rich! Was ist mit Kla­bau­ter­mann? Wol­len wohl Mel­dung er­stat­ten?«

»Mel­de ge­hor­samst, Herr Kom­missar, dass wir den Mann lei­der aus den Au­gen ver­lo­ren ha­ben, näm­lich …«

»Was ha­ben Sie?«

Esche­rich war nahe dar­an, einen Zor­nes­aus­bruch fol­gen zu las­sen, wie ihn eine Vier­tel­stun­de zu­vor sein Vor­ge­setz­ter ge­habt hat­te. Aber er be­zwang sich: »Wie hat denn das ge­sche­hen kön­nen? Ich den­ke, Sie sind ein tüch­ti­ger Mann, und der Ob­ser­vier­te ist doch bloß ein Män­ne­ken!«

»Ja, das sa­gen Sie so, Herr Kom­missar. Aber er kann lau­fen wie ein Wie­sel, und in dem Ge­drän­ge auf dem U-Bahn­hof Alex­an­der­platz war er plötz­lich weg. Er muss ge­merkt ha­ben, dass wir ihn be­schat­te­ten.«

»Auch das noch!«, stöhn­te Esche­rich, »hat’s ge­merkt! Ihr Horn­och­sen habt mir mei­nen gan­zen Film ver­korkst! Nun kann ich euch auch nicht mehr schi­cken, er kennt euch ja. Und Neue ken­nen ihn wie­der nicht!« Er über­leg­te: »Also schnells­tens zu­rück aufs Prä­si­di­um! Je­der von euch bei­den holt sich einen Er­satz­mann. Und der eine von euch nimmt ir­gend­wo in der nächs­ten Nähe sei­ner Woh­nung Po­sto, aber gut ge­deckt, wohl­ver­stan­den?! Dass er euch nicht noch mal aus­reißt! Ihr habt nur die Auf­ga­be, eu­erm Er­satz­mann den Klu­ge zu zei­gen, und dann schwirrt ihr ab. Der an­de­re geht zur Fa­brik, wo er ar­bei­tet, und mel­det sich dort bei der Lei­tung. War­ten Sie doch, Sie großer Held, Sie müs­sen doch erst die Adres­se von der Woh­nung ha­ben!« Er such­te sie her­aus und gab sie durch. »So, und nun schnells­tens auf eure Pos­ten! In die Fa­brik kann üb­ri­gens der Er­satz­mann al­lein ge­hen, und das erst mor­gen früh. Da wer­den sie ihm den Mann schon zei­gen! Ich sage dort Be­scheid. Und in ei­ner Stun­de bin ich selbst in sei­ner Woh­nung …«

Er hat­te aber so viel zu dik­tie­ren und zu te­le­fo­nie­ren, dass er erst sehr viel spä­ter zur Woh­nung der Eva Klu­ge kam. Sei­ne Leu­te sah er nicht, und an der Tür klin­gel­te er um­sonst. So blieb auch ihm nur die Nach­ba­rin, die Gesch.

»Der Klu­ge? Sie mei­nen den Klu­ge? Nee, der wohnt hier nich. Hier wohnt bloß sei­ne Frau, lie­ber Mann, die lässt den schon längst nicht mehr in die Woh­nung. Die ist aber ver­reist. Wo er wohnt? Wie soll ich das wis­sen, lie­ber Mann? Der treibt sich doch nur so rum, im­mer mit Wei­bern. Ich hab we­nigs­tens mal so was ge­hört, aber ich will nischt ge­sagt ha­ben. Die Frau hat mir schon Vor­wür­fe ge­nug ge­macht, weil ich dem Mann mal in ihre Woh­nung ge­hol­fen habe.«

»Hö­ren Sie mal, Frau Gesch«, sag­te Esche­rich und war in den Flur der Woh­nung ein­ge­tre­ten, da sie ihm die Tür vor der Nase zu­schla­gen woll­te. »Nun er­zäh­len Sie mir mal rei­ne­weg al­les, was Sie von den Klu­ges wis­sen!«

»Wie komm ich denn dazu, lie­ber Mann, und wie kom­men Sie dazu, hier ein­fach in mei­ne Woh­nung …«

»Ich bin näm­lich der Kom­missar Esche­rich von der Ge­hei­men Staats­po­li­zei, und wenn Sie mei­nen Aus­weis se­hen wol­len …«

»Nee, nee!«, rief die Gesch ab­weh­rend und war er­schro­cken bis an die Wand der Kü­che zu­rück­ge­wi­chen. »Nischt will ich sehn, nischt will ich hö­ren! Und von den Klu­ges habe ich Ih­nen schon al­les ge­sagt, was ich weiß!«

»Nun, ich den­ke, das wer­den Sie sich noch über­le­gen, Frau Gesch, wenn Sie mir hier näm­lich nichts er­zäh­len wol­len, dann müss­te ich Sie nach der Prinz-Al­brecht-Stra­ße auf die Ge­sta­po ein­la­den zu ei­nem rich­ti­gen Ver­hör. Das wür­de Ih­nen be­stimmt kei­nen Spaß ma­chen. Hier un­ter­hal­ten wir uns doch nur ein biss­chen in al­ler Ge­müt­lich­keit, nichts wird auf­ge­schrie­ben …«

»Ja doch, Herr Kom­missar. Aber ich habe wirk­lich nichts mehr zu er­zäh­len. Ich weiß doch von de­nen gar nichts.«

»Wie Sie wol­len, Frau Gesch. Ma­chen Sie sich dann fer­tig, ich habe un­ten ein paar Leu­te, Sie kön­nen gleich mit­kom­men. Und le­gen Sie Ihrem Mann – Sie ha­ben doch einen Mann? Aber na­tür­lich ha­ben Sie einen Mann! –, also le­gen Sie Ihrem Mann mal einen Zet­tel hin: ›Bin auf der Ge­sta­po. Rück­kunft un­be­stimmt!‹ Also los, Frau Gesch! Schrei­ben Sie den Zet­tel!«

 

Die Gesch war blass ge­wor­den, ihre Glie­der flo­gen, die Zäh­ne klap­per­ten in ih­rem Mund.

»So was wer­den Sie doch nicht tun, lie­ber, lie­ber Herr!«, fleh­te sie.

Er ant­wor­te­te mit ge­spiel­ter Grob­heit: »Na­tür­lich wer­de ich so was tun, Frau Gesch, wenn Sie mir näm­lich wei­ter eine selbst­ver­ständ­li­che Aus­kunft ver­wei­gern. Also sei­en Sie ver­nünf­tig, set­zen Sie sich hier­her und er­zäh­len Sie mir al­les, was Sie von den Klu­ges wis­sen. Wie ist denn die Frau?«

Na­tür­lich nahm die Gesch Ver­nunft an. Im Grun­de war er ein sehr lie­ber Herr, die­ser Herr von der Ge­sta­po, ganz an­ders, als sie sich sol­che Her­ren vor­ge­stellt hat­te. Und na­tür­lich er­fuhr Kom­missar Esche­rich al­les, was es eben bei der Gesch zu er­fah­ren gab. So­gar von dem SS-Mann Kar­le­mann hör­te er, denn was die Eck­knei­pe wuss­te, das wuss­te die Gesch na­tür­lich auch. Der tüch­ti­gen Ex-Brief­trä­ge­rin Eva Klu­ge hät­te es das Herz ab­ge­drückt, wenn sie ge­hört hät­te, wie sehr sie und ihr ehe­ma­li­ger Lieb­ling Kar­le­mann in der Leu­te Mun­de wa­ren.

Als Kom­missar Esche­rich von der Gesch schied, ließ er nicht nur ein paar Zi­gar­ren für den Mann zu­rück, son­dern er hat­te auch der Ge­sta­po eine eif­ri­ge, un­be­zahl­te und un­be­zahl­ba­re Spio­nin ge­won­nen. Sie wür­de nicht nur auf die Woh­nung der Klu­ges stän­dig ein Auge ha­ben, son­dern auch über­all im Haus und in den Schlan­gen vor den Ge­schäf­ten lau­schen und den lie­ben Kom­missar stets so­fort an­ru­fen, wenn sie was er­fuhr, was er brau­chen konn­te.

In Ver­folg die­ser Un­ter­hal­tung rief Kom­missar Esche­rich sei­ne bei­den Leu­te wie­der ab. Die Wahr­schein­lich­keit, dass man den Klu­ge in der Woh­nung sei­ner Frau er­wi­sch­te, war nach dem Er­fah­re­nen ganz ge­ring, au­ßer­dem pass­te die Gesch auf die Woh­nung auf. Dann ging Kom­missar Esche­rich noch auf das Post­amt und zu der Par­tei­dienst­stel­le und zog wei­te­re Er­kun­di­gun­gen über die­se Frau Klu­ge ein. Nie konn­te man wis­sen, wozu so was gut war.

Esche­rich hät­te de­nen auf der Post und der Par­tei ganz gut sa­gen kön­nen, dass er einen Zu­sam­men­hang zu ken­nen glaub­te zwi­schen dem Par­tei­austritt der Frau Klu­ge und den Schand­ta­ten ih­res Soh­nes in Po­len. Er hät­te auch die Adres­se von Frau Klu­ge im Rup­pin­schen ver­ra­ten kön­nen, hat­te er sich doch von dem Brief von der Klu­ge an die Gesch, als sie die Schlüs­sel schick­te, die An­schrift no­tiert. Aber Esche­rich tat das nicht, er frag­te viel, aber Aus­künf­te gab er nicht. Wohl war das die Par­tei und das Post­amt, also et­was Amt­li­ches, aber die Ge­sta­po ist nicht da­für da, an­de­ren in ih­ren Ge­schäf­ten zu hel­fen. Da­für ist sie sich zu gut – und in die­sem Punk­te we­nigs­tens teil­te Kom­missar Esche­rich die all­ge­mei­ne Ge­sta­po-Ein­bil­dung voll­kom­men.

Das muss­ten auch die Her­ren in der Fa­brik er­fah­ren. Sie tru­gen Uni­form, und sie wa­ren, in der Rang­stu­fe und auch vom Ge­halt aus ge­se­hen, si­cher et­was sehr viel Hö­he­res als der farb­lo­se Kom­missar. Aber er blieb da­bei: »Nein, mei­ne Her­ren, was ge­gen den Klu­ge vor­liegt, das ist al­lein Sa­che der Ge­hei­men Staats­po­li­zei. Dar­über sage ich nichts. Ih­nen er­öff­ne ich nur, dass Sie den Klu­ge an­stands­los kom­men und ge­hen las­sen, wie er Lust hat, dass es kei­ne An­schnau­ze­rei­en und Verängs­ti­gun­gen mehr gibt und dass Sie den durch mich aus­ge­wie­se­nen Be­am­ten an­stands­los Zu­lass in Ihrem Be­trieb ge­ben und ihre Ar­beit, so­weit das in Ih­rer Macht steht, un­ter­stüt­zen wer­den. Ha­ben wir uns nun ver­stan­den?«

»Ich bit­te um eine schrift­li­che Be­stä­ti­gung die­ser An­ord­nun­gen!«, rief der Of­fi­zier. »Und das heu­te noch!«

»Heu­te noch? Das wird ein biss­chen spät. Aber viel­leicht mor­gen. Vor mor­gen kommt der Klu­ge be­stimmt nicht. Wenn er über­haupt wie­der hier­her­kommt! Also dann, Heil Hit­ler, mei­ne Her­ren!«

»Gott­ver­dam­mich!«, knirsch­te der Of­fi­zier. »Die­se Ker­le wer­den im­mer an­ma­ßen­der! Die gan­ze Ge­sta­po soll der Hen­ker ho­len! Die den­ken, weil sie je­den Deut­schen ein­ste­cken kön­nen, dür­fen sie sich al­les er­lau­ben. Aber ich bin Of­fi­zier, ich bin so­gar Be­rufs­of­fi­zier …«

»Was ich noch sa­gen woll­te …«, der Kopf Esche­richs er­schi­en wie­der im Tür­spalt, »hat der Mann viel­leicht hier noch Pa­pie­re, Brie­fe, per­sön­li­ches Ei­gen­tum?«

»Da müs­sen Sie sei­nen Meis­ter nach fra­gen! Der hat einen Schlüs­sel zu sei­nem Schrank …«

»Also schön«, sag­te Esche­rich und sank auf einen Stuhl. »Da fra­gen Sie denn also den Meis­ter da­nach, Herr Ober­leut­nant! Aber wenn es Ih­nen nicht zu viel Mühe macht, ein biss­chen schnell, ja?«

Ei­nen Au­gen­blick tausch­ten die bei­den Bli­cke. Die Au­gen des spöt­ti­schen, farb­lo­sen Esche­rich und die vor Zorn dunklen des Ober­leut­nants führ­ten einen Kampf mit­ein­an­der. Dann schlug der Of­fi­zier die Ha­cken zu­sam­men und ver­ließ ei­lig den Raum, die ge­wünsch­te Aus­kunft zu be­sor­gen.

»Ul­ki­ge Kru­ke, das!«, sag­te Esche­rich zu dem plötz­lich eif­rig an sei­nem Schreib­tisch be­schäf­tig­ten Par­tei­bon­zen. »Wünscht die Ge­sta­po zum Hen­ker. Möch­te ger­ne wis­sen, wie lan­ge ihr hier noch si­cher sit­zen wür­det, wenn wir nicht wä­ren. Letz­ten En­des: der gan­ze Staat, das ist die Ge­sta­po. Ohne uns brä­che al­les zu­sam­men – und ihr gin­get alle zum Hen­ker!«