Hans Fallada – Gesammelte Werke

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7

Das Ein­stei­gen war leicht. Die Fa­brik stieß mit ih­rer Hin­ter­front an eine klei­ne, nachts kaum be­leb­te Gas­se. Lösch­te man dort die ein­zi­ge Gas­la­ter­ne, so konn­te man in al­ler Ruhe über die nicht sehr hohe Mau­er klet­tern, und man war auf dem Hof.

Bruhn lösch­te die Gas­la­ter­ne und stieg über.

Die Hun­de, die auf den Nacht­wäch­ter war­te­ten – es war noch nicht neun Uhr –, schlu­gen ein­mal an und ka­men dann win­selnd zu ihm: Sie kann­ten ihn gut aus den Näch­ten, da er re­gel­mä­ßig über­ge­stie­gen war, um die Ab­lie­fe­run­gen zu ver­der­ben.

Er gab ih­nen et­was Brot, warf einen Blick auf die vier­stö­cki­ge Front der Fa­brik, die sich über ihm dun­kel, in den ster­nen­lo­sen Nacht­him­mel tau­chend, auf­bau­te. Er stutz­te: Im Lohn­bü­ro brann­te noch eine Lam­pe.

Ei­nen Au­gen­blick stand er und über­leg­te. Aber dann kam er dar­auf, dass man si­cher ver­ges­sen hat­te, das Licht aus­zu­ma­chen – wer soll­te um die­se Zeit noch auf dem Lohn­bü­ro sein? Er hol­te die Nach­schlüs­sel her­vor, die er auch noch von da­mals be­saß, schloss die Tür sach­te auf, scheuch­te die Hun­de fort und schloss drin­nen so­fort wie­der ab.

Wie­der stand er einen Au­gen­blick lau­schend, dann zog er sei­ne Schu­he aus, ver­steck­te sie hin­ter ei­nem Bret­ter­stoß und ging lang­sam den Gang zu den Werk­stät­ten. Es war ziem­lich dun­kel hier, und Bruhn wag­te nicht, Licht an­zu­ma­chen, der Wäch­ter kam im­mer um neun her­um und konn­te den Licht­schim­mer an ir­gend­ei­nem Fens­ter ent­de­cken. Aber er tas­te­te sich an der Wand ent­lang, be­kam rich­tig die Stie­gen­stu­fen nach oben un­ter die Füße und stieg lang­sam und vor­sich­tig em­por.

Die Trep­pen­stu­fen knarr­ten, aber das be­deu­te­te nichts, in der Fa­brik war so viel Holz ver­baut, das sich in den Win­ter­näch­ten, wenn die Hei­zung aus­ging, knackend zu­sam­men­zog: Nie­mand konn­te über Knar­ren und Knacken un­ru­hig wer­den.

Bruhn stand an der Tür zum Fal­len­nes­ter­saal. Er hol­te den zwei­ten Schlüs­sel her­vor, such­te mit dem Fin­ger, fand das Schlüs­sel­loch, stieß den Schlüs­sel ein und schloss. Die Zu­hal­te sprang zu­rück, Bruhn hör­te sie knacken, er leg­te die Hand auf den Tür­griff, er gab nach, aber die Tür ging nicht auf.

Er drück­te noch ein­mal, und wie­der ging die Tür nicht auf.

Ei­nen Au­gen­blick stand er über­le­gend da, dann fin­gen sei­ne Hän­de an, die Tür ab­zu­tas­ten: Es muss­te et­was sein, was sie noch im­mer zu­hielt.

Plötz­lich hielt er inne. Ihm war der Ge­dan­ke ge­kom­men, der an­de­re, je­ner ver­fluch­te an­de­re hielt die Tür von in­nen zu. Er stand laut­los, er lausch­te. Nichts, nur sein Herz ging lang­sam und wie trä­ge, dazu das ei­li­ge fei­ne Ti­cken der Ta­schen­uhr.

Die Wel­le von Angst war vor­über: Wie konn­te der zu­hal­ten, da der Tür­griff nach­gab? Bruhn such­te von Neu­em. Er wur­de im Dun­keln nicht schlau, da war et­was wie ein ganz klei­nes Loch über der Klin­ke, wäh­rend das ei­gent­li­che Schlüs­sel­loch un­ter der Klin­ke saß – was war das? Er muss­te schnell ein­mal den Licht­schein sei­ner Ta­schen­lam­pe dar­über wer­fen.

Er tat es. Ja, es war, wie er ge­fürch­tet hat­te. Man war wohl der ewi­gen Schmie­re­rei­en, des wi­der­li­chen Ge­stan­kes müde ge­wor­den, man hat­te ein zwei­tes Schloss, ein Si­cher­heits­schloss über der Klin­ke an­ge­bracht.

Er konn­te nach Haus ge­hen, Ka­nia kam nicht, Ka­nia wuss­te das si­cher, er er­wi­sch­te ihn nicht, die Aus­ein­an­der­set­zung war wie­der ver­tagt.

Eine gren­zen­lo­se, er­bit­ter­te Wut er­füll­te ihn. Mor­gen wür­de es si­cher wie­der et­was Neu­es ge­ben, eine an­de­re Ge­mein­heit, von Ka­nia er­dacht, un­ter dem Bei­fall der gan­zen Ar­beiter­schaft durch­ge­führt – und er hät­te so schön heu­te mit dem Kerl ab­rech­nen kön­nen! Hät­ten die nicht noch einen Tag mit ih­rem däm­li­chen Ya­le­schloss war­ten kön­nen!

Er hielt inne. Wer sag­te denn, dass das Schloss heu­te erst dran­ge­kom­men war? Am Tage war es nicht zu se­hen, da stand die Tür im­mer weit auf, da­mit die Kar­ren mit dem Holz durch­fah­ren konn­ten, das Schloss moch­te schon län­ger dar­an­sit­zen. Und Ka­nia kam doch her­ein, das war ja Schwin­del, dass der Wäch­ter um halb sie­ben sei­ne Bank re­vi­diert und sau­ber ge­fun­den hat­te! Ka­nia hat­te Hel­fer – viel­leicht gab der Wäch­ter ihm selbst den Schlüs­sel? Bruhn hat­te vor Ka­ni­as Bude am frü­hen Mor­gen auf­ge­passt, nein, Ka­nia war so früh nicht in der Fa­brik ge­we­sen, um drei Vier­tel sie­ben erst kam er aus sei­ner Woh­nung, es war ge­lo­gen, dass die Bank noch um halb sie­ben sau­ber ge­we­sen war! Aber was half ihm das al­les? Er konn­te hier nicht ste­hen und auf Ka­nia war­ten. Der Wäch­ter fand ihn, Ka­nia sah ihn schon von Wei­tem, Bruhn konn­te sich auf eine of­fe­ne Prü­ge­lei mit ih­nen nicht ein­las­sen, er muss­te Ka­nia über­fal­len bei sei­nem Tun, er muss­te sich ver­ste­cken!

Eine Wei­le stand er da und dach­te nach.

Nein, es war zu un­ge­wiss, auf wel­chem Wege Ka­nia bis hier­her kam. Bruhn konn­te sich we­der un­ten im Gang noch auf der Büh­ne des Ma­schi­nen­raums ver­ste­cken. Ka­nia hat­te drei Mög­lich­kei­ten, bis hier­her zu kom­men, es wäre un­sin­nig ge­we­sen, sich auf eine fest­zu­le­gen, wahr­schein­lich saß er dann die gan­ze Nacht um­sonst. Bruhn muss­te in den Saal kom­men, wenn nicht durch die Tür, dann …

Er stieß den Schlüs­sel ins Schloss und schloss die Tür wie­der ab. Dem Wäch­ter brauch­te nichts auf­zu­fal­len.

Es gab na­tür­lich die Mög­lich­keit vom Dach her, aber Bruhn war kein gu­ter Klet­te­rer, sein schwe­rer kur­z­er Kör­per war wäh­rend der Ge­fäng­nis­zeit steif ge­wor­den. Au­ßer­dem hät­te man sich den Klet­ter­weg erst ein­mal bei Tage an­se­hen müs­sen. Eine Wand von ir­gend­ei­nem an­sto­ßen­den Raum durch­zu­bre­chen, jetzt in der Nacht, ohne das nö­ti­ge Hand­werks­zeug und der Wäch­ter wahr­schein­lich schon im Haus – das ging auch nicht.

Bruhn wand­te sich lang­sam zum Ge­hen. Es war nichts zu ma­chen, er hat­te nun eben im­mer Pech. Ach, wäre es schön ge­we­sen, den Ka­nia aus dem Hin­ter­halt an­zu­fal­len und ihn mal zu ver­wa­ckeln, dass er drei Wo­chen krank lag und doch nie auf Bruhn mit den Fin­gern zei­gen konn­te!

Aber Pech ist Pech.

Er stieg die ers­ten Trep­pen­stu­fen hin­un­ter.

Und blieb ste­hen.

Er sah einen Licht­schein ganz un­ten, das konn­te der Wäch­ter sein, aber er hör­te auch spre­chen. Die­sen Rück­weg gab es also nicht mehr.

Ich kann, dach­te er, durch die Leim­kü­che in den Sä­ge­mehl­raum, das Ge­blä­se ist weit ge­nug, ich rut­sche durch in das Kes­sel­haus …

Er ging schon zu­rück, da hör­te er deut­lich eine Stim­me.

Er ging wie­der an die Trep­pe, er lausch­te.

Ja, es war die Stim­me, er hör­te sie laut ru­fen: »Komm herr, Hunnn­de­blut, ver­damm­tes! Weiß ich, du bis ob­ben, hab­be ich dich über Mau­er ge­hen ge­se­hen!«

Bruhn hat­te nichts bei sich, nur die bei­den Schlüs­sel, sie wa­ren schön groß und stark, er fass­te sie und schleu­der­te sie durch den Trep­pen­schacht nach dem Licht­schein.

Er hör­te je­man­den auf­schrei­en, nein, es war nicht Ka­ni­as Stim­me, es war auch nicht des Wäch­ters Stim­me, die rau und tief war, es war eine hel­le dün­ne schrei­en­de Stim­me, die er kann­te …

Es wa­ren mehr da, eine Jagd …

»Zei­gen Sie doch, Herr Kes­ser … Das ist nicht schlimm, ein Krat­zer …«

Ein Ge­sicht kam in den Licht­kreis der La­ter­ne, ach, es war der Lohn­tü­ten­mann, dem scha­de­te es auch nichts, mit dem hat­te er ge­nug Kra­keel ge­habt!

»Nichts, nur ein Krat­zer«, sag­te der Wäch­ter zu dem im­mer noch Kla­gen­den. »Dann müs­sen Sie nicht mit­kom­men, den­ken Sie, das Aas lässt sich sooo fan­gen?!«

Plötz­lich war das Trep­pen­haus hell, je­mand, na­tür­lich Ka­nia, hat­te die Lam­pen ein­ge­schal­tet, und ge­ra­de noch sah Bruhn: Er war schon in Ge­fahr; laut­los, mit lan­gen Sät­zen, auch in St­rümp­fen, sprang Ka­nia die Trep­pe hin­auf.

Bruhn lief, er lief aus dem Licht ins Dun­kel, das mach­te al­les schwe­rer, er kam in die Leim­kü­che, es war sehr dun­kel, die Luke wür­de schwer auf­ge­hen.

Er hör­te den an­de­ren an der Tür zum Fal­len­saal rüt­teln, an der er eben noch ge­stan­den hat­te – wo war der Ring an der Luke? Hier in der Ecke muss­te es sein, sei­ne Hän­de tas­te­ten, da­bei sah er ge­gen die Tür, die of­fen­ge­blie­ben war, die sich, vom Licht­schein des Trep­pen­hau­ses er­hellt, deut­lich in der schwar­zen Wand ab­zeich­ne­te.

Er hat­te den Ring noch nicht ge­fun­den, mit dem er die Luke an­he­ben muss­te, da sah er einen Schat­ten in der Tür. Der an­de­re schnauf­te, horch­te, Bruhn hielt sich ge­duckt, sei­ne Hand tas­te­te, krieg­te einen ei­ser­nen Leim­topf zu fas­sen, er rich­te­te sei­nen Blick zur De­cke …

Rich­tig, das Licht ging an, Ka­nia brüll­te freu­dig: »Bist du da, komm, Emil, ich dich tot­schla­gen, Ver­bre­cher, ver­damm­tes!«, da klirr­te es, es war wie­der dun­kel, die Sp­lit­ter fie­len, Bruhn hat­te die Glüh­bir­ne zer­schmis­sen …

Und lei­se war er weg­ge­glit­ten, stand jetzt in der an­de­ren Ecke hin­ter dem Leimo­fen, sah auf den Geg­ner, der flu­chend in der Tür­öff­nung stand …

Dann war es ganz still … Er sah auf die Ge­stalt, die Ge­stalt stand reg­los, lausch­te wohl …

Ka­nia sag­te: »Komm doch herr, Emil! Hast du Schiss? Brauchst nicht Schiss hab­ben, ich dich gleich schlag tott, ich habb Tott­schläg­ger, geht schnell, tutt sich nich weh.«

Und schwang wirk­lich einen Knüp­pel in der Hand.

Bruhn hat­te laut­los auf dem Leimo­fen vor sich ge­sucht, hat­te ge­fun­den, und mit ei­nem Schwung warf er einen ei­ser­nen Leim­topf ge­gen die Ge­stalt.

 

Ka­nia stieß einen fürch­ter­li­chen Fluch aus, halb Schmerz­brül­len, Bruhn hat­te ge­trof­fen. Ka­nia war fort, er hör­te ihn auf dem Flur ru­fen: »Kommt doch her mit Ta­schen­lam­pe, Schwei­ne, soll ich ka­putt­ge­hen im Dun­keln?!«

Die Stu­fen knarr­ten.

Es war die höchs­te Zeit. Er fass­te den Ring zur Luke, stemm­te sie hoch, un­ten war al­les schwarz, er ließ sich fal­len in die Schwär­ze, und mit ei­nem Donner­ge­tö­se schlug die schwe­re ei­che­ne Luke wie­der über ihm zu.

Er war weich ge­fal­len, auf Sä­ge­mehl. Un­ge­wiss wie weit ab, hör­te er über sich ru­fen oder re­den. Er muss­te ei­lig wei­ter, er kroch über das Sä­ge­mehl.

Die Tür zu ver­su­chen, war un­sin­nig, si­cher war sie ver­schlos­sen, er muss­te die Ge­blä­se­öff­nung fin­den.

Er glaub­te sich zu er­in­nern, sie muss­te in der an­de­ren Ecke sein, er fand sie, das Ge­blä­se war sehr eng, aber viel­leicht ging es. Er riss sich die Ja­cke vom Leib, die Ho­sen ab, streck­te die Arme vor und stieg, mit den Bei­nen zu­erst, ein. Dann fing er lang­sam an sich zu­rück­zu­schie­ben, wo­bei er mit al­ler Ge­walt sich durch den en­gen Blech­schlauch pres­sen muss­te.

Er war noch nicht weit ab vom Ein­gang, zwei oder drei Me­ter, da wur­de der hell, die wa­ren jetzt auch im Sä­ge­mehl­raum. Er hör­te sie auf­ge­regt re­den, aber er ver­stand nichts, die Luft war so schlecht in dem en­gen Schlauch, es ging so müh­sam zu­rück, sein Kopf schi­en zu dröh­nen, es wur­de ihm rot vor den Au­gen.

Si­cher such­ten sie ihn un­ter dem Sä­ge­mehl. Es wür­de eine Wei­le dau­ern, bis sie be­grif­fen hat­ten, da war er nicht, und auf das Ge­blä­se ge­rie­ten. Er schob sich zu­rück, be­harr­lich, Zen­ti­me­ter um Zen­ti­me­ter. Bis sie es ge­merkt hat­ten, wo er steck­te, muss­te er bis zum Knick des Ge­blä­ses ge­kom­men sein, das senk­recht in das Kes­sel­haus im Erd­ge­schoss ab­fiel, da wür­de er glatt durch­rut­schen, fal­len und konn­te weg, bis sie über die Trep­pen un­ten wa­ren …

Der run­de Licht­kreis ver­dun­kel­te sich, et­was hat­te sich da­vor­ge­scho­ben, nun hör­te er eine Stim­me: »Gebt die Lam­pe, viel­leicht ist er hier.«

Der Licht­schein blen­de­te ihn un­säg­lich, eine tri­um­phie­ren­de Stim­me schrie: »Da ist er! Da ist er! Gib Pis­to­le, dass ich ihm schie­ßen kann ins Ge­sicht, in däm­li­che Fres­se! Gib Pis­to­le, Wäch­ter!«

Ei­nen Au­gen­blick war er wie ge­lähmt von un­sin­ni­ger Angst, dann schob er sich mit ei­nem Ruck zu­rück, dass die Mus­keln und Kno­chen knack­ten, wie­der, wie­der …

Der Ein­gang zum Ge­blä­se war einen Au­gen­blick frei, si­cher strit­ten sie sich um die Pis­to­le …

Die dür­fen doch nicht so ohne Wei­te­res schie­ßen, dach­te er. Ich leis­te ja kei­nen Wi­der­stand …

Und schob sich zu­rück, schob sich zu­rück …

Da war der Licht­schein wie­der, er konn­te nichts se­hen, die Lam­pe blen­de­te di­rekt in sein Ge­sicht. Kam denn der Knick noch im­mer nicht? O Gott, er knallt mir ein­fach ins Ge­sicht …

Sei­ne Bei­ne hat­ten je­den Halt ver­lo­ren, bau­mel­ten. Er gab sich noch einen fürch­ter­li­chen Stoß, rutsch­te, es war, als sei alle Luft weg, die Lun­ge riss in der Brust, er fiel, er fiel, er konn­te nichts mehr den­ken, es war vor­bei … vor­bei …

Dann kam er wie­der zu sich, in ei­nem Hau­fen Sä­ge­mehl ne­ben der großen Kreis­sä­ge. Er sah um sich, lausch­te: still. Er stand tau­melnd auf, ihn fror in der dün­nen Un­ter­klei­dung, er zit­ter­te. Er lausch­te wie­der, nichts. Vi­el­leicht war er nur eine Se­kun­de ohn­mäch­tig ge­we­sen? Nein, nichts.

Dann fiel ihm ein, dass sie ihn si­cher im Kes­sel­haus such­ten. Auch er hat­te ge­dacht, er käme ins Kes­sel­haus, aber das war na­tür­lich Un­sinn, jetzt sah er es ein, die Luft­saug­vor­rich­tung war si­cher kein so wei­ter Schacht, er war glatt in den Ma­schi­nen­saal ge­fal­len. Dun­kel war es, aber er tas­te­te wei­ter, stieß ge­gen die Tür, na­tür­lich war die Tür zu. Er Och­se, dass er die Schlüs­sel fort­ge­wor­fen hat­te, viel­leicht hät­te ei­ner ge­passt. Si­cher ka­men sie nun gleich, si­cher schlu­gen sie ihn tot.

Was soll­te er tun? Er war ganz ver­wirrt, der Sturz in den Schacht hat­te sei­nen Kopf schlim­mer mit­ge­nom­men, als er ge­glaubt, er konn­te sich kaum be­we­gen.

Erst jetzt fie­len ihm die Fens­ter ein. Er war ja hier im Par­terre, drei Eta­gen war er hin­ab­ge­stürzt, die Fens­ter gin­gen auf den Hof, er muss­te oben nur durch die Lüf­tungs­klap­pe stei­gen.

Müh­sam hum­pel­te er zum Fens­ter. Es war nicht zu be­grei­fen, dass sie noch im­mer nicht ka­men. Sie soll­ten ihn ru­hig fest­neh­men, er war so müde. Bei Va­ter Phil­ipp gab’s schö­ne Bet­ten, es war al­les gleich, und die Haupt­sa­che war, dass der Mensch auf sei­nem Arsch lie­gen konn­te.

Die­ser Satz ge­fiel ihm. Der Mensch muss auf sei­nem Arsch lang lie­gen, dach­te er, ging aber wei­ter zum Fens­ter, zog die Lüf­tungs­klap­pe auf und sah hoch. Es wa­ren drei Me­ter bis da­hin, un­ten wa­ren die Fens­ter klei­ne Drahtglas­schei­ben in fes­ten Ei­sen­rah­men, oben muss­te er durch.

Er war so müde, er müss­te sich an ei­nem Trans­mis­si­ons­rie­men hoch­han­geln, bes­ser wäre es ei­gent­lich, sie kämen.

Er fass­te den Rie­men und fing an, sich mit den Hän­den an ihm hoch­zu­zie­hen. Sei­ne Arme schmerz­ten un­sin­nig, es war, als hät­te er in ih­nen nicht mehr die ge­rings­te Kraft. Aber das Schlimms­te wa­ren sei­ne Bei­ne, er woll­te sich mit ih­nen ge­gen die Wand stem­men, um sei­nen Ar­men das Ge­wicht des Kör­pers zu er­leich­tern, aber sie ver­wei­ger­ten den Dienst. Trotz­dem kam er lang­sam, Hand um Hand, hö­her, er war schon nahe dar­an, den Rand der Lüf­tungs­klap­pe zu fas­sen, als der Rie­men auf sei­ner Schei­be zu rut­schen an­fing und Bruhn ab­stürz­te.

Er schlug mit dem Kör­per ge­gen die Kan­te ei­nes Sä­ge­tischs und ver­lor ein zwei­tes Mal die Be­sin­nung.

Als er die Au­gen wie­der auf­schlug, stand Ka­nia vor ihm. Im Ma­schi­nen­saal war es hell, Ka­nia stand vor ihm, sah ihn mit sei­nen klei­nen, schwar­zen, fun­keln­den Au­gen an, wipp­te mit ei­nem Gum­mi­knüp­pel und sag­te nichts.

Bruhn sag­te auch nichts, er blieb lie­gen, er war ei­ses­starr und tod­mü­de. Sei­ne blau­en Lip­pen be­weg­ten sich, es wur­de aber nur et­was wie ein küm­mer­li­ches Lä­cheln dar­aus. Er fürch­te­te sich nicht mehr.

»Marsch! Los, Schwein!« schrie Ka­nia plötz­lich und stieß Bruhn mit dem Fuß in die Sei­te.

Bruhn roll­te trä­ge dem Druck nach­ge­bend et­was wei­ter und schloss wie­der die Au­gen.

»Willst du auf, Verr­bre­cherr!« schrie Ka­nia und riss Bruhn am Rock­kra­gen.

So­bald er ihn wie­der losließ, fiel Bruhn wie­der zu­sam­men.

»Soll dich trag­gen, möchts­te?« schrie Ka­nia und schlug Bruhn den Gum­mi­knüp­pel mit al­ler Wucht über den Kopf. Bruhn hob den Kopf et­was an, sein Kör­per straff­te sich, als woll­te er auf­ste­hen, dann sank er mit ei­nem klei­nen lei­sen Seuf­zer in sich zu­sam­men, sei­ne Au­gen ver­dreh­ten sich, aus ih­ren Win­keln traf ein blau­er Blick Ka­nia …

»Ver­stell dich, Schwein!« schrie der und schlug noch ein­mal zu.

Bruhn lag da, die fes­te, brei­te, ver­ar­bei­te­te Hand hat­te sich ge­öff­net, die flei­ßi­gen Fin­ger hin­gen schlaff.

Ka­nia sah ver­ständ­nis­los auf ihn. Dann über­kam ihn eine Ah­nung, sein Mund zuck­te, er beug­te sich zu dem Lie­gen­den und rief lei­se, mit ei­nem Blick zur of­fe­nen Tür: »Emil! Emil!«

Der ant­wor­te­te nicht mehr.

Der Mör­der sah scheu zur Tür, nein, sie ka­men noch nicht, er konn­te noch fort. Er sprang hin, lausch­te auf den Gang, knips­te das Licht aus – und mach­te es wie­der an.

Er ging schnell in den Raum, er sah nicht nach der stil­len Ge­stalt des Schlä­fers auf dem Fuß­bo­den, er lief zu den Ho­bel­ma­schi­nen, raff­te Spä­ne zu­sam­men, Holz­ab­fäl­le, warf sie an einen Bret­ter­stoß, nahm Streich­höl­zer … eine klei­ne blaue Flam­me zün­gel­te auf, er blies …

Dann lief er schon. Er ver­gaß das Licht aus­zu­lö­schen, warf die Tür ins Schloss, lief wei­ter, den Gang hin­un­ter nach dem Hof, lief auf den Hof …

Der Wäch­ter kam mit dem Lohn­buch­hal­ter aus dem Ma­schi­nen­haus.

»Na, hast du ihn ge­fun­den?«

»Nichts«, sag­te Ka­nia.

»Er muss durch ir­gend­ein Fens­ter sein. Oder ist er bei den Bret­tern ver­steckt?«

»Wir müs­sen ihn krie­gen!«

»Schwein, ver­fluch­tes!« sag­te Ka­nia müh­sam.

Er stand mit dem Rücken zum Ma­schi­nen­saal, er be­ob­ach­te­te die Ge­sich­ter der bei­den.

»Ich geh noch mal mit den Hun­den die gan­ze Fa­brik durch«, sag­te der Wäch­ter.

»Oooh, Gott«, schrie der Lohn­buch­hal­ter plötz­lich. »Da!!!«

Hin­ter den Schei­ben des Ma­schi­nen­saa­l­es er­hob sich eine un­ge­heu­re Flam­me, stieg hö­her, hö­her, sie hör­ten es pras­seln …

»Hat err an­ge­steckt!« schrie Ka­nia. »Seht, Lüf­tungs­klap­pe ist auf!«

»Hat er doch ge­tan, was er ge­droht hat«, sag­te der Lohn­buch­hal­ter.

»Was quas­selt ihr«, schrie der Wäch­ter. »Lauft zum Feu­er­mel­der. – Te­le­fo­nie­ren Sie nach der Po­li­zei. – Mensch, Ka­nia, lauf ins Kes­sel­haus, mach die Klap­pe zum Ele­va­tor zu, das Feu­er schlägt sonst durch das gan­ze Haus!«

»Zu spät!« sag­te der Ka­nia. »Da sieh!«

Im drit­ten Stock war es plötz­lich taghell, sie hör­ten ein Brül­len, ein Fau­chen, hin­ter der Hof­mau­er wur­den schrei­en­de Stim­men laut …

»Ka­pott! Al­les ka­pott!« sag­te Ka­nia. »Is sich Fa­br­rik hin. Kann ich wie­der stem­peln ge­hen, Schwein, ver­damm­tes!«

8

»Hei­ßen …?!«

»Ku­falt.«

»Vor­na­me auch!«

»Wil­li Ku­falt.«

»Wil­helm! Mit­kom­men!«

Es ist der alte Ton, so klingt die alte Me­lo­dei.

Ku­falt geht vor dem Wacht­meis­ter her, in ei­ner Zel­le lärmt ein Stro­mer und bet­telt um Schnaps: »Ee­nen lüt­ten Köm! Blot en Lüt­ten!!«

Dann klirrt die Ei­sen­pfor­te, sie ge­hen über den Hof, im Rat­haus lau­fen vie­le Men­schen, alle se­hen Ku­falt neu­gie­rig oder be­tre­ten an.

Es ist bei­na­he Mit­tag des nächs­ten Ta­ges, aber Ku­falt, der ja den Rum­mel kennt, ist er­staunt, dass er schon wie­der zur Ver­neh­mung kommt. Oder wird dar­aus doch noch eine zwei­te Ge­gen­über­stel­lung?

Er ist jetzt ru­hig, von ei­ner bö­sen, ge­häs­si­gen Ruhe.

Die kön­nen ma­chen mit mir, was sie wol­len. Nach­zu­wei­sen ist mir nichts, sie müs­sen mich lau­fen las­sen. Und dann …! Und dann …!

Herr Bröd­chen sitzt im Zim­mer bei sei­nem Chef, dem großen, kräf­ti­gen Po­li­zei­of­fi­zier, der sich hin­ter sei­nem Schreib­tisch auf­ge­baut hat und ir­gend­wel­che Ak­ten liest. Er tut so, als hör­te er gar nicht hin nach der Ver­neh­mung, die sein Un­ter­ge­be­ner mit Ku­falt an­stellt, aber Ku­falt ka­piert, nach­dem er einen Sei­ten­blick auf­ge­fan­gen hat, dass der eben nur so tut.

»Set­zen Sie sich, Herr Ku­falt«, sagt Bröd­chen merk­wür­dig fried­lich.

Ku­falt sagt gu­ten Tag und setzt sich.

Bröd­chen legt den Kopf auf eine Sei­te und schaut Ku­falt prü­fend an. »Ha­ben Sie sich die Sa­che nun über­legt, Herr Ku­falt?« fragt er.

»Ich hab nichts zu über­le­gen«, sagt Ku­falt. »Sie ha­ben mich wi­der­recht­lich ein­ge­sperrt: Die Frau hat mich nicht ge­kannt.«

»Wohl hat die Frau Zwie­tusch Sie ge­kannt«, wi­der­spricht der an­de­re. »Nur das künst­li­che Licht hat sie ver­wirrt.«

»Ich bin nie in der Woh­nung ge­we­sen«, sagt Ku­falt.

»Sie sind doch in der Woh­nung ge­we­sen!«

»Das muss ei­nem erst be­wie­sen wer­den!«

»Frau Zwie­tusch wird es be­schwö­ren.«

»Die? – ›Ha­be ich grün ge­sagt, Herr Kom­missar, war er nicht grö­ßer?‹ – Sie ha­ben ja selbst nicht dar­an ge­glaubt.«

»Wa­rum lü­gen Sie ei­gent­lich so nutz­los, Herr Ku­falt? Sie wa­ren ja in der Woh­nung.«

»Ich war nicht in der Woh­nung!«

»Und was ist dies?«

Ku­falt sieht und er­starrt. Sieht und er­starrt.

Das ist eine Abon­ne­ment­s­quit­tung des »Bo­ten« für Frau Emma Zwie­tusch, Töp­fer­stra­ße 97, auf den Mo­nat Ja­nu­ar, »eine Mark und 25 Pfg. er­hal­ten – Ku­falt«.

Sieht und er­starrt.

Und so­gleich kommt eine Erin­ne­rung in ihm hoch aus dem Zim­mer, eine Erin­ne­rung von ges­tern Abend, als die di­cke Frau wei­ner­lich zu ihm sag­te: »Und Sie ha­ben mir noch zu­ge­re­det, ich soll­te mich um mein Es­sen küm­mern, Sie könn­ten war­ten …«

 

So oder ähn­lich.

Da­mals reg­te es sich in ihm, er war auf der Spur, dann kam der Mau­rer da­zwi­schen, und er ver­gaß es wie­der … Also doch da­ge­we­sen, ver­schwitzt un­ter den Hun­der­ten von Ge­sich­tern der letz­ten Wo­chen …

Sein Kopf senkt sich auf die Brust, er sieht kei­nen an. Er­schos­sen wie Ro­bert Blum, denkt er.

Die las­sen ihm Zeit.

Erst nach ei­ner lan­gen Wei­le fragt Herr Bröd­chen ganz fried­fer­tig: »Nun, Herr Ku­falt …?«

Ku­falt reißt sich zu­sam­men. Also schön, er ist rein­ge­schlit­tert. Er wird nicht so schnell raus­kom­men, wie er ge­dacht hat. Er muss sich da­mit ab­fin­den. Vor­be­straf­te kom­men eben leicht wie­der rein, so oder so.

Wird er also ge­ste­hen, wird er ein piek­fei­nes Ge­ständ­nis ma­chen.

Wenn er das jetzt vor der Po­li­zei schon macht, kommt er viel­leicht bil­li­ger weg. Was kann die Ge­schich­te kos­ten …? Es ist ein­fa­cher Dieb­stahl, aber er ist vor­be­straft – ein Jahr? An­dert­halb Jah­re? Wie schön, dass er kei­ne Be­wäh­rungs­frist nach­zu­brum­men hat, es ist doch eben im­mer ein Trost da …

Es schwirrt nur so durch sei­nen Kopf, da kann man schon mal die bei­den von der Po­len­te ver­ges­sen. Dann fühlt er wie­der ihre Bli­cke und hört Bröd­chen schon un­ge­dul­di­ger fra­gen: »Also bit­te, Herr Ku­falt?!«

(Wa­rum sagt er ei­gent­lich noch im­mer Herr zu mir?!)

»Na schön.« Ku­falt gibt sich einen Ruck. »Ja, ich bin in der Woh­nung ge­we­sen.«

»Wa­rum ha­ben Sie das nicht gleich ge­sagt?«

»Hab ge­dacht, ich käme so durch.«

»Sie ha­ben ge­dacht, wir lie­ßen Sie lau­fen und Sie könn­ten tür­men?«

»Auch.«

»Was noch?«

»Hab ge­dacht, ich könn­te die Olle ver­wir­ren.«

»So – und Sie ha­ben also die drei­hun­dert Mark ge­nom­men?«

»Ja. Selbst­re­dend.«

»Sie ha­ben sie ge­nom­men?!! Ge­stoh­len …?«

»Na­tür­lich.«

Zu sei­ner Ver­wun­de­rung merkt Ku­falt, dass Bröd­chen kei­nes­wegs mit ihm zu­frie­den ist. Nein, Herr Bröd­chen starrt ihn nach­denk­lich an und kaut mit den Zäh­nen an der Un­ter­lip­pe her­um.

Auch der Po­li­zei­of­fi­zier hat mit Blät­tern auf­ge­hört und sieht sich sei­nen ge­stän­di­gen Ver­bre­cher an.

»Hab’s ge­klaut«, hat Ku­falt das Be­dürf­nis, sei­ne Aus­sa­ge zu er­gän­zen. »Ich brauch­te Geld, woll­te hei­ra­ten.«

»Sie ha­ben doch aber sehr viel Geld ver­dient?«

»Das war eben nicht ge­nug.«

Es wird still.

Nun se­hen sich Chef und Un­ter­ge­be­ner an. Ku­falt wie­der be­trach­tet die bei­den. Et­was ist nicht im Lote, so­viel ist klar. Nun neigt der Po­li­zei­chef sei­nen Kopf zum Kri­mi­nal­as­sis­ten­ten und flüs­tert dem was zu.

Bröd­chen sieht Ku­falt wie­der nach­denk­lich an und nickt lang­sam mit dem Kopf.

»Herr Ku­falt«, sagt er. »Sie wis­sen also be­stimmt, Sie ha­ben das Geld ge­stoh­len?«

»Aber na­tür­lich!«

»Und was ha­ben Sie sonst noch aus­ge­fres­sen …?!!«

Die Fra­ge fährt auf Ku­falt zu, mes­ser­scharf. Sein Herz krampft sich einen Au­gen­blick zu­sam­men, dann sagt er mit ei­nem dum­men Lä­cheln: »Aber gar nichts, Herr Se­kre­tär, das war mein ers­ter Ver­such.«

»Doch! Leug­nen Sie nicht! Wir ha­ben uns er­kun­digt. Sie – ha­ben …«

Bröd­chen neigt sich vor und starrt Ku­falt durch­drin­gend an.

Vie­les jagt durch Ku­falts Hirn: Ha­ben sie Batz­ke ge­kitscht? – Er­kun­digt, seit wann sagt denn Po­len­te er­kun­digt …? Bluff ist es, Mas­ke muss man ha­ben, ich starr wie­der, Och­sen­kopf – Os­sen­kopp met Hürn, meck­len­bur­gi­sches Wap­pen …

Wirk­lich, er starrt wa­cker wie­der zu­rück.

Und rich­tig: Herr Bröd­chen kann sei­nen so tüch­tig mit »Sie – ha­ben« be­gon­ne­nen Satz nicht be­en­den.

»Wenn Sie auf län­ge­re Po­li­zei­haft Wert le­gen, Ku­falt«, sagt er statt­des­sen.

»Was ma­chen mir schon ein paar Näch­te im Kitt­chen aus?« fragt Ku­falt böse zu­rück.

Herr Bröd­chen geht dar­über hin, ka­piert sicht­lich nichts von Ku­falts Wut.

»Aus wel­cher Schub­la­de ha­ben Sie denn das Geld ge­nom­men?«

»Aus der Kom­mo­den­schub­la­de!«

»Aus der ers­ten, zwei­ten oder drit­ten?«

»Aus der obers­ten – nein, ich weiß es nicht mehr ge­nau, ich war ziem­lich auf­ge­regt.«

»Wo lag es denn da?«

»Ich glau­be, un­ter Wä­sche.«

»Wie sind Sie denn dar­auf ge­kom­men? Hat Ih­nen je­mand er­zählt, dass da Geld drin lag?«

»I wo. Hab’s eben mal ver­sucht, weil sie so lan­ge am Herd blieb.«

»Soso.« Herr Bröd­chen reibt nach­denk­lich sei­ne schlecht ra­sier­ten Ba­cken. »Soso. Und das Pro­to­koll kön­nen wir dement­spre­chend auf­set­zen?«

»Ja.«

»Und Sie un­ter­schrei­ben?«

»Ja.«

»Und ge­hen da­für ins Kitt­chen?«

»Ja.«

»Ich ta­xie­re so ein bis zwei Jah­re.«

»Habe ich auch ge­dacht, Herr As­sis­tent«, sagt Ku­falt frech und schaut Bröd­chen ge­macht de­mü­tig an. Er ist sich klar­ge­wor­den, die bluf­fen nur, das Pro­to­koll wird nie ge­schrie­ben.

»Schmei­ßen Sie den Kerl raus, Bröd­chen!« sagt der Of­fi­zier plötz­lich. »Ich kann ihn nicht mehr rie­chen, das ver­lo­ge­ne Aas.«

»Ja­wohl, Herr Ma­jor.«

Bröd­chen steht stramm, auch Ku­falt ist auf­ge­fah­ren bei dem Aus­bruch.

Bröd­chen fragt halb­laut: »Und die an­de­re Sa­che?«

»Raus­schmei­ßen! Raus­schmei­ßen! Sie se­hen doch! So was henkt sich im­mer von al­lei­ne, warum sol­len wir uns da­mit quä­len?! Du kommst uns schon, Bür­sch­chen!« schreit der Of­fi­zier Ku­falt di­rekt ins Ge­sicht und schüt­telt die Faust ge­gen ihn.

»Gu­ten Tag«, sagt Ku­falt höf­lich, als er von Bröd­chen ge­führt aus dem Büro geht.

»Was ist denn bloß los, Herr As­sis­tent?« fragt er drau­ßen. »Wa­rum ist denn der so wü­tend? Habe ich das Geld nicht ge­klaut?«

»Hau­en Sie bloß ab, Mensch. Las­sen Sie sich drü­ben Ihre Sa­chen ge­ben, und ver­duf­ten Sie. Ich klin­ge­le gleich rü­ber.«

»Aber habe ich Ih­nen was ver­mas­selt? Ich ver­steh nichts, sa­gen Sie mir bloß …«

»Komm du mir ein­mal rich­tig in die Fin­ger, Jung­chen, dann sollst du was er­le­ben …!«

Ku­falt sieht in das gel­be, wut­zit­tern­de Ge­sicht.

Habe ich fein auf Tou­ren ge­bracht, denkt er.

»Was macht mir schon eine Nacht im Kitt­chen aus, Herr As­sis­tent«, sagt er, und dies­mal ka­piert Herr Bröd­chen.

»Hö­ren Sie mal!« ruft er.

Aber Ku­falt ist schon auf dem Wege zu Va­ter Phil­ipp, sich sei­ne Sa­chen ge­ben zu las­sen.