Kompetenzorientiert beurteilen (E-Book)

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4.5.3 Fazit

Werden Ziele und Erfolgskriterien gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern geklärt, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie die Ziele nicht als fremde Anforderungen empfinden, sondern als ihre eigenen. Außerdem führt die vertiefte Auseinandersetzung mit den Zielen zu einem höheren Verständnis der geforderten Leistungen und damit zu einem größeren Qualitätsbewusstsein (Roos 2011, 20). Darüber hinaus leistet es einen wichtigen Beitrag zur Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler, wenn sie in die Ausgestaltung der Lernziele einbezogen werden (Smit 2009, 17). Natürlich bleibt die Verantwortung für die Lernziele aber auch in einem partizipativen Verfahren am Ende bei der Lehrperson.

4.6 Lernziele darstellen

Damit sich Schülerinnen und Schüler mit Lernzielen, Kriterien und Indikatoren auseinandersetzen und ihr Lernen danach ausrichten können, sollten diese Elemente während des Unterrichts sichtbar bleiben. Die erwähnten Beurteilungsraster oder rubrics stellen eine gute Möglichkeit dar, Lernziele zu visualisieren. Darüber hinaus gibt es weitere Varianten, damit Lernende die Lernziele präsent haben. So können Lernziele an der Schulzimmerwand, einer Pinnwand, auf dem Pult oder einer Schreibunterlage sichtbar angebracht werden.

In individuellen Leistungsvereinbarungen oder im Rahmen von «Vertragsarbeit» können individuelle Aufgaben und Lernziele für die einzelnen Schülerinnen und Schüler schriftlich festgehalten werden. Insbesondere freie Arbeit sowie Projektarbeit lassen sich gut mit Vertragsarbeit kombinieren. Dabei werden Lernverträge zwischen der Lehrperson und einzelnen Lernenden beziehungsweise Lerngruppen abgeschlossen, die eine Aussage dazu machen, welche Ziele die Schülerinnen und Schüler erreichen möchten. Außerdem werden die anfallenden Projekt- oder Arbeitsschritte festgehalten (Müllener-Malina u. Leonhardt 2008, 46–47). Solche Lernverträge können auch Indikatoren für die Zielerreichung, Ansprüche auf Materialien und Hilfestellungen der Lehrperson sowie Möglichkeiten der Selbstdokumentation und -reflexion umfassen.

Lernlandkarten stellen eine noch junge Entwicklung im Zusammenhang mit Lernzielen dar. Sie werden sehr unterschiedlich definiert, konzipiert und eingesetzt. Lernlandkarten sind (im Idealfall) so gestaltet, dass die Darstellung der Landkarte einen inhaltlichen Bezug zu den abgebildeten Lernzielen aufweist. Sie ermöglichen es, Lernziele oder -inhalte strukturiert in einer Landschaft beziehungsweise Landkarte anzuordnen und miteinander in Beziehung zu setzen, um damit die Struktur des Lerngegenstandes und der Kompetenz zu verdeutlichen. Wie eine reale Landkarte erleichtert auch die Lernlandkarte die Orientierung. Mit dieser Orientierungshilfe können die Schülerinnen und Schüler ihren Lernprozess zielorientiert selbst mitgestalten. Lernlandkarten können von der Lehrperson konzipiert, von den Lernenden selbst gestaltet oder gemeinsam entwickelt werden (Jurt 2017, 23).

5 Nutzung des Lernangebots

Sind die an Kompetenzen des Lehrplans ausgerichteten Lernziele mit den zugehörigen Erfolgskriterien festgelegt, mit den Schülerinnen und Schülern geklärt und idealerweise visualisiert, nutzen die Lernenden in einem nächsten Schritt das bereitgestellte Lernangebot. Es ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, die angestrebten Kompetenzen aufzubauen. Sie werden dabei durch die Lehrperson begleitet und unterstützt (adaptive Unterstützung). Darüber hinaus ist es bedeutsam, dass die Lernenden selbst Verantwortung für ihr Lernen übernehmen und ihre Peers als Ressourcen für ihr Lernen nutzen (siehe Abbildung 10). Diese beiden ausgewählten Aspekte einer formativen Beurteilungskultur stehen in diesem Kapitel im Zentrum.

5.1 Die Schülerinnen und Schüler als Zuständige ihres eigenen Lernens aktivieren

Schülerinnen und Schüler in die Verantwortung für ihr eigenes Lernen einzubinden, stellt die zweite Strategie einer formativen Beurteilung dar (siehe Abschnitt 2.5.1). Da nur die Lernenden selbst lernen können, ist es Aufgabe der Lehrperson, das eigenständige Lernen der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen und zu unterstützen. Zudem verlangt der rasche Wandel in vielen gesellschaftlichen Bereichen lebenslang lernende Menschen. Aufgabe der Schule ist es daher, die Neugier auf neues Wissen und Können sowie die Freude am Lernen bei den Schülerinnen und Schülern zu erhalten und sie bei der zunehmend eigenständigen Steuerung ihres Lernens zu unterstützen.

Im Lehrplan 21 wird die Steuerung des eigenen Lernens bei der Beschreibung der personalen Kompetenzen unter den Oberbegriffen «Selbstreflexion» und «Selbstständigkeit» beschrieben. Dabei geht es darum, dass die Lernenden ihr Denken, ihre Gefühle und ihr Handeln so koordinieren, dass sie gesetzte Ziele erreichen. In diesem Zusammenhang wird meist von Metakognition oder selbstreguliertem Lernen gesprochen. Es sind zwei unterschiedliche Begriffe des gleichen Phänomens aus verschiedenen Forschungstraditionen. Der Begriff Metakognition kommt aus der entwicklungspsychologischen Gedächtnisforschung und bezieht sich auf die Kognitionen. Der Begriff «selbstreguliertes Lernen» stammt aus der pädagogisch-psychologischen Lernforschung und bezieht sich neben Kognitionen auch auf emotionale, soziale und motivationale Aspekte des Lernens. Die metakognitiven Kontrollstrategien der Planung, Überwachung, und Steuerung beziehungsweise Regulation des Lernens lassen sich mit Modellen und Phasen des selbstregulierten Lernens vergleichen: In der Vorbereitungsphase werden Aufgaben analysiert, Ziele gesetzt und das Vorgehen geplant. In der Aktionsphase erfolgt die Selbstbeobachtung, das self-monitoring, zum Beispiel mit Selbstinstruktion oder der Fokussierung auf einen bestimmten Aspekt. In der Selbstreflexionsphase nach Abschluss der Aktion erfolgt die Selbstbewertung des Ergebnisses. Aus der Bewertung der Zielerreichung können schließlich Konsequenzen zum weiteren Lernen abgeleitet werden (Hasselhorn u. Labhun 2008).

Die Erkenntnisse aus der Forschung machen deutlich, dass der Aufbau von metakognitiven Strategien und selbstreguliertem Lernen mit dem fachlichen Lernen zu verknüpfen ist. So zeigte beispielsweise eine Studie in vierten Klassen, dass die Förderung metakognitiver Strategien des Planens und Überwachens nachhaltiger ist, wenn die Strategien im Zusammenhang mit dem Schreiben von Texten aufgebaut werden (Glaser et al. 2010).

Die Förderung metakognitiver Kompetenzen wirkt sich schon im frühen Alter sowohl bei sprachlich und kognitiv starken als auch bei schwächeren Kindern positiv auf den Schriftspracherwerb aus (Desautel 2009). Zudem belegt die Forschung, dass der vermeintliche Zeitverlust im Unterricht für die Anleitung und Durchführung von selbstreguliertem Lernen nicht auf Kosten des inhaltlichen Lernens geht, im Gegenteil: In einem Forschungsbericht beschreiben beispielsweise Fontana und Fernandes (1994), dass die Mathematikleistungen in Primarklassen, bei denen formative Selbstbeurteilungen eingesetzt wurden, signifikant besser waren als bei anderen Klassen. Weitere positive Wirkungen der Förderung von Metakognition zeigten sich auch in einer Schweizer Studie mit Viertklässlerinnen und Viertklässlern: Es stiegen nicht nur die Mathematikleistungen. Auch eine Zunahme an Strategiewissen und metakognitivem Bewusstsein sowie eine Verbesserung des sozialen Klimas ließen sich nachweisen (Beck 2012).

Eine wichtige Voraussetzung für gelingende Selbstbeobachtung und -beurteilung besteht darin, dass die formative Funktion der Beurteilung (siehe Abschnitt 2.5.1) betont wird. Die Lernenden sollen zum Beispiel nicht befürchten müssen, dass das Beschreiben von Schwierigkeiten dazu führt, von der Lehrperson bei der summativen Beurteilung schlechter benotet zu werden.

Schülerinnen und Schüler lernen zwar, je älter sie werden, die Qualität ihrer Arbeit anhand von Erfolgskriterien zu beurteilen. Es ist jedoch Sache der Lehrperson das Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf die Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans einzuschätzen und gegebenenfalls mit (Zeugnis-)Noten summativ, das heißt zusammenfassend zu bewerten. Die Forderung, dass diese summativen Beurteilungen einer Lehrperson leistungsgerecht erfolgen sollen, bedeutet nicht, dass auch die Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen objektiv zu beurteilen haben. Dies gilt insbesondere für junge Kinder: Unter dem Begriff «kindlicher Überoptimismus» wird die Tatsache beschrieben, dass nahezu alle Kinder bis circa acht Jahre ihre eigenen Fähigkeiten als sehr gut einschätzen (Ehm, Lonnemann u. Hasselhorn, 2017). Auch Handlungsergebnisse bewirken kaum eine «objektivere» Einschätzung der eigenen Fähigkeiten: Ein Kind kann eben vom Balken gefallen sein und kurz danach erklären, dass es am besten balancieren kann. Es macht den nächsten Versuch und sagt, diesmal schaffe es den ganzen Balken. Kinder sind überzeugt, alles zu schaffen, wenn sie sich nur genügend anstrengen. Das Überschätzen der eigenen Leistungen ist für Kinder zu Beginn der Schulzeit funktional. Unterschätzen sich Kinder nämlich zu diesem Zeitpunkt, wirkt sich dies negativ auf die Leistungen aus (Praetorius et al. 2016). Bei jungen Kindern geht es zunächst darum, dass sie lernen, sich selbst in der Gruppe, beim Spielen und Lernen wahrzunehmen und ihre Wahrnehmungen zu beschreiben.

5.1.1 Umsetzungsbeispiele

Mit diesen Ausführungen ist deutlich geworden, dass Selbstbeobachtung und -beurteilung Bestandteile des gesamten Lernprozesses sind und die eigene Arbeit nicht nur am Schluss einer Unterrichtseinheit beurteilt werden soll. Damit sind die Möglichkeiten zum Aufbau metakognitiver Kompetenzen in der Planung ebenso sorgfältig zu berücksichtigen wie die Lernangebote zum fachlichen Lernen. Im Folgenden werden Möglichkeiten vorgestellt, wie die Selbstregulation und der Aufbau metakognitiver Kompetenzen gefördert werden können.

 

a) Für sich (eigene) Ziele und Erfolgskriterien festlegen, Schwerpunkte setzen

Auf rubrics oder auf Beurteilungsrastern mit Erfolgskriterien wählen die Lernenden selbst aus, auf welche Kriterien sie besonders achten wollen, und halten auf diesen Übersichten fest, wieweit sie ein Ziel erreicht beziehungsweise welche Fortschritte sie gemacht haben.

Kindergartenkinder entwickeln aus dem Unterricht heraus oder im Spiel mit anderen Kindern häufig eigene Herausforderungen, die sie meistern wollen. Auf Zielkarten können Kinder ihre Ziele zeichnerisch festhalten; teilweise ergänzt die Lehrperson das gezeichnete Ziel mit Worten. Solche Zielkarten können (in einem Portfolio) aufbewahrt und zu einem späteren Zeitpunkt reflektierend betrachtet werden.

Ältere Schülerinnen und Schüler setzen sich ihre Ziele mithilfe von umfassenderen Beurteilungsrastern oder rubrics – eventuell auch im Rahmen eigener Projekte.

Die Kompetenzorientierung des Lehrplans 21 ermöglicht es, Kompetenzen an verschiedenen Themen aufzubauen. Damit besteht die Möglichkeit, dass die Lernenden zwar alle an derselben Kompetenzstufe arbeiten, die inhaltliche Ausrichtung jedoch ihren Interessen entsprechend wählen können. So handelt es sich etwa beim Schreiben einer Anleitung um einen Aspekt der Schreibkompetenz. Nachdem die Erfolgskriterien dieser Textsorte geklärt wurden, können die Schülerinnen und Schüler selbst wählen, ob sie eine Backanleitung, eine Bastelanleitung oder eine Spielanleitung schreiben wollen. Mit diesem Vorgehen wird der Kern der Kompetenz «Eine Anleitung so schreiben, dass andere diese verstehen und nutzen können» ins Zentrum gerückt. Zudem gäbe es gute Möglichkeiten, die Anleitungen mit Peerbeurteilungen kritisch zu prüfen.

b) Differenzierte Fragen stellen – Emotionen und Kompetenzeinschätzung unterscheiden

Manchmal meinen Lehrpersonen, dass Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage seien, differenziert über ihr Lernen nachzudenken. Die Aussage «Es ging ganz gut» drückt nicht unbedingt das Unvermögen der Selbsteinschätzung von Lernenden aus. Sie ist möglicherweise auch der undifferenzierten Frage der Lehrperson («Wie ist es gegangen?») zuzuschreiben. Für die Schülerinnen und Schüler ist bei solchen Fragen nicht klar, worauf sich ihre Antwort genau beziehen soll (Engagement, Zielerreichung, individuelle Fortschritte). Genauso wenig informative Antworten erhalten Lehrpersonen, wenn sie die Schülerinnen mit Ampelsystemen zu Gesamteinschätzungen auffordern (Einschätzung der eigenen Arbeit mithilfe der grünen Farbe als «gut», mit orange als «mittel» oder mit rot als «ungenügend»).

Noch problematischer sind solche allgemeinen Einschätzungen, wenn die Lernenden ihre Arbeit mit einem Smiley einschätzen sollen = gut, = mittel und = schlecht). Erstens bleibt bei dieser globalen Gesamteinschätzung unklar, was genau nun gut oder schlecht ist. Zweitens sind diese Gesichter mit Emotionen verbunden. Es ist jedoch ein großer Unterschied, ob Lernende ihre Emotionen ausdrücken oder einen Lernstand beurteilen sollen. Muss eine Schülerin traurig sein, wenn sie etwas noch nicht beherrscht? Oder soll ein Schüler mit dem Smiley einschätzen, ob die Lehrperson mit seinen Leistungen zufrieden ist oder nicht?

Eine andere Ausgangslage liegt vor, wenn Kinder und Jugendliche lernen sollen, ihre Emotionen auszudrücken. Da Emotionen wichtig sind und beim Lernen eine bedeutende Rolle spielen, gehört es zur Aufgabe der Schule, dass Kinder und Jugendliche lernen, ihre Emotionen wahrzunehmen und auszudrücken. Um mithilfe von Bildern Gefühle zu beschreiben, gibt es verschiedene Unterrichtsmaterialien.

Differenzierte Informationen erhalten Lehrpersonen, wenn sie bewusst Fragen zu erlebten Emotionen, zur Aufgabenbearbeitung, zur Zusammenarbeit oder zum Beurteilen der Arbeit stellen. Eine Möglichkeit dazu ist das Fünf-Finger-Feedback, bei dem die Lernenden am Ende einer Unterrichtssequenz ein kurzes Statement zu einem ausgewählten Finger formulieren.

Fünf-Finger-Feedback


Daumen=Das ist mir gelungen.
Zeigefinger=Darauf will ich achten.
Mittelfinger=Das passte mir gar nicht.
Ringfinger=Das ist mir wichtig geworden.
Kleiner Finger=Das kam zu kurz.

Eine weitere Möglichkeit ist die «+ - !?»-Tabelle (siehe Abbildung 14). Im Hinblick auf das Erstellen einer solchen Tabelle analysieren die Lernenden ihren aktuellen Lern- oder Trainingsstand (z. B. zu halbschriftlichen Rechenverfahren) mit drei Fragen. Sie schreiben ihre Antworten zu diesen drei Fragen auf je einen Streifen Papier oder geben sie digital ein. Dabei lernen sie wahrzunehmen, wo genau sie gegebenenfalls Hilfe benötigen. Die Lehrperson stellt anschließend alle Antworten in einer Tabelle zusammen. Mit diesem Überblick kann sie den weiteren Unterricht oder eventuell individuelle Unterstützungsmaßnahmen planen. Betrachten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam alle Antworten, können unterstützende Lernpartnerschaften gebildet oder Hilfestellungen ausgetauscht werden.

Abbildung 14

«+ - !?»-Tabelle


+-! ?
Das finde ich einfachDas finde ich schwierigDas finde ich interessant Da habe ich eine Frage

Außerdem können auch Fragen genutzt werden, um die Reflexion über das Lernen anzuregen, wie sie in Abschnitt 5.2.1 im Zusammenhang mit dem Peerfeedback aufgeführt werden.

c) Erkenntnisse für die Weiterarbeit nutzen

Um die Lernenden als Verantwortliche ihres Lernens zu aktivieren, müssen sie Erkenntnisse aus der Beobachtung und Beurteilung ihrer Arbeit für die Weiterarbeit nutzen können. Dies entspricht der metakognitiven Kontrollstrategie des Regulierens. Damit kann gemeint sein, dass sie in Zukunft etwas Spezifisches beachten oder ihre Ziele und Vorhaben anpassen. Beim Start der nächsten Lernsequenz fokussieren die Lernenden auf diese Erkenntnisse.

d) Eigene Kompetenzen und das eigene Lernen mit Portfolios darstellen

Im deutschen Sprachraum wurden Portfolios im Zusammenhang mit alternativen Leistungsbeurteilungen und erweiterten Lehr- und Lernformen ab den 2000er-Jahren zunehmend und in vielfältigen Formen in den Schulen eingesetzt und theoretisch fundiert (Brunner, Häcker u. Winter 2006). Mit der Einführung des Lehrplans 21 und des kompetenzorientierten Unterrichts wird in Handreichungen darauf hingewiesen, dass Portfolios neben Beobachtungen, Arbeiten, Lernkontrollen oder Erkenntnissen aus Gesprächen als Informationsquelle für die Beurteilung von Kompetenzen genutzt werden können (z. B. Volksschulamt des Kantons Zürich 2017, 6; DVS 2018, 11). Dies erscheint nicht überraschend, da Portfolioarbeit eng verknüpft ist mit dem Lernverständnis des Lehrplans 21 und der damit verbundenen starken Gewichtung der fünf Strategien formativer Beurteilung (siehe Abschnitt 2.5.1).

Ein Portfolio ist eine Sammlung von Dokumenten, Arbeiten und Produkten aus einem oder mehreren Lernbereichen, die von der Schülerin oder vom Schüler so ausgewählt werden, dass damit Kompetenzen und Lernwege sichtbar werden. Als zentraler Bestandteil von Portfolioarbeit werden Ziele und Kriterien gemeinsam besprochen und definiert, damit sich die Lernenden bei der Erstellung der Arbeiten und bei der Auswahl der Dokumente daran orientieren können. Zum Kern der Portfolioarbeit gehört zudem, dass die Schülerinnen und Schüler angeleitet werden, ihre Arbeit zu reflektieren, um Erkenntnisse für die Weiterarbeit zu gewinnen. Damit soll eine intensive Auseinandersetzung mit der Sache und dem eigenen Lernen ermöglicht werden. Ein Mehrwert von Portfolios liegt darin, dass diese anderen Personen (Eltern, Peers, anderen Klassen, Besucherinnen und Besuchern) präsentiert werden können. Bei der Erstellung und bei der Präsentation von Portfolios finden demnach Gespräche über Lernwege, Kompetenzentwicklungen und Erfolge statt. Die Leistungen, die in Portfolios dokumentiert sind, werden von der Lehrperson kommentiert, gewürdigt und beurteilt (Winter 2012).

Mit dieser Definition ist deutlich geworden, dass Portfolioarbeit eine entsprechende Unterrichtskonzeption verlangt. Erfahrungen zeigen nämlich, dass Portfolios, die als «Allheilmittel» rasch und für alle verbindlich eingeführt werden, wenig Erfolg beschieden ist (Häcker u. Winter 2006). Gut einbetten lässt sich Portfolioarbeit hingegen, wenn im Unterricht Konzepte wie selbstorganisiertes Lernen, Förderung von reflexivem Lernen und metakognitiven Kompetenzen sowie Projektarbeit oder Formen des dialogischen Lernens etabliert sind (z. B. Ruf 2006). Hilfreich für den Einstieg in die Portfolioarbeit ist die Zusammenarbeit im Unterrichts- oder Schulteam (Altrichter 2012; Keller 2012). So können sich Teams über die Zielsetzung der Portfolioarbeit, deren Aufbau und mögliche Formen von Portfolios verständigen (vgl. dazu Winter 2010).

Für die Volksschule lassen sich hauptsächlich zwei Formen von Portfolios unterscheiden. Es sind dies einerseits thematische Portfolios, die im Rahmen von Unterrichtseinheiten entstehen oder auf die Arbeit in einem Fach ausgerichtet sind. Andererseits werden Portfolios als längerfristig angelegte Bildungsdokumentationen über ganz verschiedene Themen und Kompetenzbereiche genutzt.

5.2 Die Schülerinnen und Schüler als lehrreiche Ressourcen füreinander aktivieren

Gesellschaft, Wirtschaft und Familien sind auf die Zusammenarbeit unterschiedlicher Menschen angewiesen. Seit je und von Geburt an lernen Menschen von anderen Menschen. Lernen ist ein sozialer Prozess. So ist es Aufgabe der Schule, das Lernen von- und miteinander zu ermöglichen und soziale Kompetenzen zu fördern (siehe Abschnitt 2.2.2). Im Rahmen des fachlichen Lernens unterstützen Formen des kooperativen Lernens diese Zielsetzung, wobei Peerfeedback und -beurteilung Möglichkeiten des kooperativen Lernens darstellen (Strijbos u. Wichmann 2018). Damit kooperative Peerbeurteilung gelingt, muss deutlich sein, dass es darum geht, einander beim Lernen zu unterstützen. Es darf nicht die Idee aufkommen, dass die Lernenden einander summativ (mit Noten) zu bewerten haben. Die Lernwirksamkeit von Peerbeurteilung und Peerfeedback hängt von personalen Faktoren der Peers in ihren Rollen als Feedbackgebende und Feedbackempfangende und von der Qualität der Anleitung durch die Lehrperson ab (Strijbos u. Wichmann 2018). Die folgenden Umsetzungsbeispiele sollen einen Beitrag dazu leisten, Peerfeedbacks sorgfältig anzuleiten.