Kompetenzorientiert beurteilen (E-Book)

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3 Modell einer kompetenzorientierten Diagnose und Beurteilung

Die zentralen Grundlagen eines kompetenzfördernden Unterrichtens und Beurteilens werden im Modell in Abbildung 10 verdichtet und aufeinander bezogen. Zudem werden im Modell die einzelnen Aspekte der nachfolgenden, vertiefenden Erläuterungen vorweggenommen. Es wird ersichtlich, wie in einem kompetenzfördernden Unterricht Lehr- und Lernprozesse sowie Diagnose- und Beurteilungsprozesse eng verknüpft sind, um die Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler zu unterstützen.

Abbildung 10

Modell «Kompetenzfördernd unterrichten und beurteilen»


Kompetenzförderndes Unterrichten und Beurteilen beginnt mit der Planung des Unterrichts (oberste Ebene in Abbildung 10). Wenn die Lehrperson die Zielsetzungen für den Unterricht festlegt, berücksichtigt sie einerseits die Vorgaben des Lehrplans in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen (fachlich, personal, sozial, methodisch), anderseits aber auch verschiedene Kompetenzdimensionen (deklarativ, prozedural, metakognitiv). Sie trägt den Voraussetzungen der Lernenden Rechnung und macht sich klar, welche Diagnoseabsicht sie verfolgt beziehungsweise in welcher Form sie die weiterentwickelten Kompetenzen erheben und (abschließend) beurteilen wird (siehe Kapitel 4).

Unterrichtsplanung[9] ist ein zirkulärer Prozess, der oft auch mehrfach durchlaufen wird, bis passende Lernziele formuliert werden können. Der Doppelpfeil zwischen Lernzielen und Unterrichtsplanung verweist darauf, dass bisweilen auch aufgrund von spezifischen Situationen in der Klasse Lernziele gesetzt werden, die eine entsprechende Unterrichtsplanung erst auslösen.

Mit den gesetzten Lernzielen wird anschließend (zweitoberste Ebene in Abbildung 10) ein passendes Lernangebot konzipiert. Die Lehrperson plant eine Lern- oder Spielumgebung und wählt Aufgaben,[10] die vermutlich für alle Schülerinnen und Schüler geeignet sind, ihr Wissen und Können oder ihre Selbstregulation weiterzuentwickeln. Um die Anforderungen oder die Reichweite von Aufgaben einzuschätzen, ist didaktisches sowie lern- und entwicklungspsychologisches Wissen notwendig. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass Kinder und Jugendliche zwar gleich alt, ihre Entwicklungsstände, Kompetenzen und Motivationslagen jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Für die Planung des Lernangebots sind auch fachdidaktische Kenntnisse notwendig, um Anspruch und Schwierigkeitsgrad unterschiedlicher Aufgaben im Kompetenzbereich einschätzen zu können. Unterstützt wird die Lehrperson bei dieser Einschätzung und bei der Wahl entsprechender Aufgaben durch kompetenzorientierte Lehrmittel, die auf den Lehrplan abgestimmt sind. Arbeitet eine Lehrperson länger in derselben Klasse, entnimmt sie viele Hinweise über das «durchschnittliche» Leistungsniveau aus ihrer täglichen Arbeit. In den meisten Klassen finden sich aber auch Kinder oder Jugendliche, die mit einem auf das durchschnittliche Leistungsniveau zielenden Angebot deutlich über- oder unterfordert sind. Kennt und anerkennt die Lehrperson diese Heterogenität, enthält das Lernangebot alternative Aufgaben oder offenere Aufgaben, die anspruchsvoller oder einfacher zu bearbeiten sind. Die Aufgaben und Lernumgebungen ermöglichen soziale Settings (allein, zu zweit, in Gruppen oder in der Klasse), die zu den Lernzielen passen, und fordern die Lernenden (z. B. schreibend, spielend, sprechend, produzierend, vorzeigend oder reflektierend) zu kompetenzfördernden (geistigen) Tätigkeiten heraus.

Die Nutzung dieses Lernangebots (zweitunterste Ebene; siehe Kapitel 5) durch die Lernenden hängt von deren Wissen und Können ab, insbesondere auch von ihren Fähigkeiten, das eigene Lernen zu regulieren und zu steuern (siehe den Kreis «Regulation des Lernens»). Wieweit sich der aktuelle Kompetenzstand als Performanz in bestimmten Handlungen oder Produkten zeigt, ist allerdings nicht nur abhängig vom Wissen und Können der Lernenden, sondern auch von ihrer Motivation und Bereitschaft, die Performanz in den geforderten Situationen zeigen zu können und dann auch anzuwenden (siehe dazu Abbildung 6).

Der Diagnose- und Beurteilungskreislauf in der untersten Ebene beginnt mit einer Diagnosefrage oder einer Beurteilungsabsicht, die sich auf die sichtbare Performanz (das kann eine Handlung oder ein Produkt sein) bezieht. Diese Performanz wird mit einer spezifischen Aufgabe oder Frage herausgefordert, um über die beobachtbare Handlung oder das entstandene Produkt auf das Wissen und Können der Lernenden zu schließen oder um Lernsteuerung, Motivation oder Interessen der Lernenden zu erkennen.

Ausgehend von der Diagnoseabsicht oder der Beurteilungsfrage, wird zunächst eine adäquate Methode gewählt, um Daten zu erheben oder Informationen zu gewinnen (siehe Kapitel 6). So sind andere Methoden zu wählen, wenn es darum geht, Handlungsweisen zu erfassen, als wenn vertieftes Verstehen überprüft wird oder wenn die Fähigkeit zur Selbstregulation erkannt werden soll. Die erhobenen Daten werden im nächsten Schritt beschrieben oder dargestellt. Auf der Grundlage der erhobenen Daten und Informationen können Handlungen oder Produkte auf unterschiedliche Bezugsnormen hin beurteilt und andere diagnostische Fragen beantwortet werden (siehe Kapitel 7). Gegebenenfalls werden Daten aus unterschiedlichen Erhebungen zueinander in Beziehung gesetzt, oder es werden nochmals neue Daten erhoben, um eine Diagnose hinsichtlich der Ausgangsfrage zu erhalten (siehe gestrichelten Pfeil).

Damit der Diagnose- und Beurteilungsprozess einer Lehrperson Wirkung entfaltet, gibt sie den Schülerinnen und Schülern Rückmeldungen oder kommt mit ihnen in ein Feedbackgespräch (siehe Abschnitt 8.1), in dem sie gemeinsam mit Blick auf den aktuellen Lernstand weiterführende Schritte entwickeln. Je nachdem leitet die Lehrperson aus den Erkenntnissen des Diagnose- und Beurteilungsprozesses auch Anschlusshandlungen ab. Dabei kann es sich beispielsweise um eine adaptive Unterstützung einzelner Schülerinnen und Schüler oder einer Gruppe von Lernenden handeln (siehe Pfeil «Unterstützung bieten»). Unter Umständen werden aber auch Lern- oder Spielumgebungen beziehungsweise gewisse Aufgaben (für alle) angepasst (siehe Pfeil «Lernangebot anpassen»).

Dieser umfassend beschriebene Diagnose- und Beurteilungsprozess kann als kurze Sequenz (auch spontan) mit einzelnen Lernenden durchlaufen, als punktuelle Erhebung mit allen Schülerinnen und Schülern gleichzeitig oder auch als Erhebungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten realisiert werden. Unabhängig davon, für welche Zwecke die Daten und Informationen erhoben werden, ist zu definieren, mit welchen Aufgaben, Fragen und Erhebungsmethoden die Beurteilungs- oder Diagnoseabsicht umgesetzt wird. Je nach Situation unterscheidet sich die Art, wie die Diagnose oder Beurteilung kommuniziert wird, sowie die Art der abgeleiteten Anschlusshandlungen.

4 Planung und Zielsetzung

Auf der Basis der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen (methodisch, sozial und personal; siehe Abbildung 1) sowie vor dem Hintergrund der drei Kompetenzdimensionen (deklaratives, prozedurales, metakognitives Wissen und Können) plant die Lehrperson den Unterricht, indem sie geeignete Schwerpunkte setzt beziehungsweise Bereiche und Dimensionen kombiniert. Ausgehend von der Vorstellung, wie die Lernenden am Ende einer Unterrichtseinheit in einer konkreten Situation agieren sollen, entwickelt sie Aufgabensets und Unterrichtsarrangements, die den dazu nötigen Lernprozess auslösen. Um diese Lernprozesse zu unterstützen und eine transparente Beurteilung zu gewähren, konkretisiert sie die Lernziele und klärt diese gemeinsam mit den Lernenden (siehe auch Abbildung 10 zur Veranschaulichung dieses Prozesses).

4.1 Das Lernangebot vom Ende her planen

Ein zentrales Merkmal eines kompetenzorientierten Unterrichts besteht darin, dass der Unterricht nicht von den zu bearbeitenden Inhalten und Lernangeboten (Input) her geplant wird, sondern vielmehr von den Kompetenzen her, über welche die Schülerinnen und Schüler (am Ende einer Lerneinheit) verfügen sollen (Outcome). Dazu überlegt sich die Lehrperson, welche Lernziele in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit das Erreichen einer Kompetenz(-stufe) ermöglichen und in welchen Anwendungssituationen die entsprechende Kompetenz(-stufe) sichtbar gemacht werden kann.

4.1.1 Performanz

Um Kompetenzen überprüfen zu können, sind Situationen zu schaffen beziehungsweise Aufgaben zu stellen, bei denen einzelne oder mehrere Kompetenzdimensionen angewendet werden können. Als Performanz wird bezeichnet, was in einer bestimmten Anwendungssituation tatsächlich gezeigt wird (von Saldern 2011, 36). Von der beobachteten Performanz als sichtbare Aktivierung verschiedener Kompetenzbereiche und -dimensionen in bestimmten Anwendungssituationen können Rückschlüsse auf die dahinter liegende Kompetenz gezogen werden: Ist eine Performanz in einer bestimmten Qualität beobachtbar, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch die entsprechende Kompetenz vorhanden ist. Unklar bleibt die Situation dagegen, wenn in einer Handlungssituation keine Performanz sichtbar wird. Wird keine Performanz gezeigt, so kann nicht beurteilt werden, inwiefern die entsprechende Kompetenz vorhanden ist. Insbesondere kann nicht entschieden werden, ob kognitive Defizite oder motivationale beziehungsweise volitionale Gründe für die ausbleibende Performanz ursächlich sind (Joller-Graf et al. 2014, 18).

 

4.1.2 Constructive alignment und Backwash-Effekt

Die Planung von kompetenzorientiertem Unterricht fokussiert auf Performanz, welche die Lernenden nach Abschluss des Lernprozesses in einer bestimmten Anwendungssituation zeigen sollen. Lehr- und Lernaktivitäten werden so ausgewählt und gestaltet, dass der Aufbau der intendierten Performanz unterstützt wird. Schließlich wird die Überprüfung des Lernerfolgs so geplant, dass eruiert werden kann, inwiefern die intendierte Performanz tatsächlich vorhanden ist. Diese gegenseitige Abstimmung von intendierter Performanz, Lehr- und Lernaktivitäten sowie die Art der Überprüfung von Kompetenzen wird auch als constructive alignment bezeichnet (Biggs u. Tang 2007). Damit wird gewährleistet, dass die intendierte Performanz, Unterrichtsgestaltung und Überprüfung an konkreten Handlungsanforderungen und Problemlösungen ausgerichtet werden (engl. to align = «ausrichten»).

Abbildung 11

Constructive alignment und Backwash-Effekt


Im kompetenzorientierten Unterricht werden die Lernenden befähigt, Sachverhalte vertieft zu verstehen sowie Verfahrensweisen und Strategien aufzubauen, um die entsprechenden Kompetenzen in neuen Situationen flexibel zu nutzen. Daher beziehen sich Lernziele im kompetenzorientierten Unterricht gleichermaßen auf deklaratives, prozedurales und metakognitives Wissen. Verändert sich durch die Kompetenzorientierung die Art der Lernziele, müssen auch der Unterricht (das Lernangebot) und die Überprüfung des Lernerfolgs angepasst werden. Interessanterweise zeigt sich, dass die Art der Überprüfung die Lernanstrengungen mehr als alles andere beeinflusst. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff backwash bekannt (Biggs u. Tang 2007, 169): Schülerinnen und Schüler richten ihre Anstrengungen auf das aus, was, und darauf, wie geprüft wird beziehungsweise was wirklich «zählt». Dieser backwash kann im Hinblick auf die Kompetenzförderung auch positiv genutzt werden, wenn bei der summativen Überprüfung nicht nur Wissen abgefragt, sondern auch vertieftes Verstehen und Problemlösen, das Anwenden von Prozeduren oder auch metakognitive Kompetenzen gefragt sind.

4.2 Vorausgehende Klärungen und Überlegungen

Um den Unterricht zu planen, klärt eine Lehrperson die Voraussetzungen der Lernenden, macht sich ihre wichtigsten pädagogisch-didaktischen Absichten klar und stellt Aufgaben(-sets) zusammen, die das Erreichen der aufzubauenden Kompetenzen unterstützen.

4.2.1 Klärung der Voraussetzungen auf vier Ebenen

Die Klärung der Lernvoraussetzungen kann sich auf die klassenbezogene, schülerglobale, schülerspezifische oder institutionelle Ebene beziehen (siehe Abschnitt 2.6):

• Auf klassenbezogener Ebene werden sowohl das Wissen um den allgemeinen Lern- und Entwicklungsstand einer Klasse als auch Hinweise zu bisher bearbeiteten Kompetenzen, verwendeten Lehr- und Lernmaterialien oder zur Zusammensetzung der Klasse genutzt.

• Im Hinblick auf die Diagnostik auf der schülerglobalen Ebene klärt die Lehrperson, welche Niveaus von Aufgabensets beziehungsweise Maßnahmen der Binnendifferenzierung angezeigt sein könnten. Um Hinweise darauf zu erhalten, kann die Lehrperson eine Lernstandsanalyse vornehmen (Roos 2011, 15). Zu diesem Zweck erfasst die Lehrperson mit Beobachtungen, schriftlichen oder mündlichen Befragungen oder Lernkontrollen, über welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler aktuell verfügen. Auch mit Gesprächen oder auf schriftlichem Weg können die Schülerinnen und Schüler zu ihrem Vorwissen befragt werden. Schließlich können gezielte Beobachtungen im Unterricht beziehungsweise die Analyse von Lernprozessen und -produkten, die in anderen Zusammenhängen entstanden sind, Hinweise für mögliche Differenzierungsmaßnahmen liefern.

• Die Diagnostik auf der schülerspezifischen Ebene kann die Lehrperson ebenfalls auf Basis der Erkenntnisse aus Lernstandsanalysen, Beobachtungen, Befragungen und Analysen von Produkten vornehmen. Hier stehen die individuellen Lernstände, Stärken, Lernbedürfnisse und Interessen im Zentrum.

• Hinsichtlich einer Diagnose auf der institutionellen Ebene denkt die Lehrperson die zahlreichen Voraussetzungen mit, die auf kantonaler Ebene gegeben sind. Zu beachten sind dabei insbesondere die Vorgaben zum Lehrplan und zur Beurteilung. Aber auch die lokale Einzelschule kann Vereinbarungen zur Umsetzung des Lehrplans oder der Beurteilung getroffen haben, die zu berücksichtigen sind.

Eine Klärung der Voraussetzungen auf den vier beschriebenen Ebenen erleichtert der Lehrperson die Auswahl von Lernzielen, die für die ganze Klasse, für bestimmte Gruppen oder für einzelne Lernende gelten (siehe Abschnitt 4.3).

4.2.2 Von der Absicht zu den Kompetenzen

Sind die Voraussetzungen auf den vier genannten Ebenen geklärt, kann die Lehrperson bei der Planung gedanklich zwischen dieser Ausgangslage, der angestrebten Performanz in einer bestimmten Anwendungssituation, dem zu planenden Lernangebot und der Überprüfung des Kompetenzerwerbs pendeln. Ist die angestrebte Performanz anfänglich noch diffus, so wird sie im Rahmen der gedanklichen Pendelbewegungen immer konkreter.

Ein erster Schritt bei der Klärung besteht in der Überlegung, welche übergeordneten fachlichen und/oder pädagogischen Absichten/Bildungsziele mit einem Lernangebot insgesamt verfolgt werden. Ein pragmatischer Zugang zur Frage nach der Absicht hinter einem Lernangebot könnte darin bestehen, provisorisch Kompetenzen/Kompetenzstufen aus dem Lehrplan auszuwählen und sich die Frage zu stellen: «Wozu?» Antworten auf diese Frage zu den übergeordneten Absichten beziehungsweise Bildungszielen können beispielsweise lauten, das ästhetische Sprachgefühl der Schülerinnen und Schüler, ihre Freude an der Natur oder der Kunst, die Lust am naturwissenschaftlichen Experimentieren, die Lesefreude, eine gesunde Ernährung oder die Freude an der sportlichen Bewegung zu fördern (Roos 2011, 11). Ist sich die Lehrperson der übergeordneten Bildungsabsicht bewusst, verliert sie sich weniger in den weiteren Planungsdetails.

Passend zur Absicht, zu den Voraussetzungen und zur längerfristigen Unterrichtsplanung legt die Lehrperson die Kompetenzstufen aus dem Lehrplan fest, die in einer Unterrichtseinheit erarbeitet werden sollen. Dabei gilt es auch, Vernetzungen unterschiedlicher Kompetenzen eines Fachs oder Vernetzungen verschiedener Kompetenzen aus verschiedenen Fächern in einem bestimmten Lernangebot vorzunehmen. Nicht zuletzt wird auch festgelegt, welche überfachlichen Kompetenzen sich im Zusammenhang mit den ausgewählten fachlichen Kompetenzen aufbauen lassen (Müllener-Malina u. Leonhardt 2008, 26).

Werden die zu fördernden Kompetenzen entlang einer übergeordneten fachlichen und/oder pädagogischen Absicht ausgewählt und miteinander vernetzt, können Lernangebote entwickelt werden, die von den Schülerinnen und Schülern komplexe Leistungen fordern (z. B. Projekte, Recherchen, Referate, Experimente, Entwicklung von Problemlösungen bzw. Produkten). Solche komplexen Leistungen entsprechen hochgradig den Intentionen des Lehrplans 21.

Wichtig ist dabei, dass es zur Professionalität der Lehrperson gehört, keine Kompetenzbereiche eines Fachs systematisch auszuklammern, etwa weil diese nicht so einfach bewertbar sind (D-EDK 2015, 8). Ein solches Vorgehen würde dazu führen, dass die geprüften Kompetenzen eine verzerrte Auswahl aus dem Lehrplan darstellen.

Hat die Lehrperson ihre Absicht geklärt und ein passendes Lernangebot entwickelt, geht es darum, den Schülerinnen und Schülern die übergeordnete Absicht stufengerecht mitzuteilen. Wenn die Lehrperson ihre Absicht und das geplante Unterrichtssetting gegenüber den Schülerinnen und Schülern transparent macht, erleichtert sie es diesen, den Sinn der zu erarbeitenden Kompetenzen zu verstehen. Damit kann sie die Motivation und das Engagement der Lernenden stärken (Roos 2011, 11). Wenn die Lernenden die übergeordnete Absicht der Lehrperson kennen, können sie überdies bei der Auswahl und Konkretisierung der Lernziele und Lernwege (inklusive Unterrichtsformen und -settings) einbezogen werden (siehe Abschnitt 4.5).

4.2.3 Aufgaben(-sets), die den Kompetenzaufbau unterstützen

Möchte eine Lehrperson eine kompetenzorientierte Beurteilung planen, muss sie, wie bereits dargelegt, zunächst eine Vorstellung von der konkret angestrebten Performanz aufbauen. Sie muss also herausarbeiten, über welches Wissen und Können die Schülerinnen und Schüler am Ende einer Lerneinheit in einer bestimmten Handlungssituation verfügen sollen und wie vor diesem Hintergrund der Unterricht zu gestalten ist, um diese Performanz zu begünstigen. Bei der Planung des Lernangebots nutzen Lehrpersonen ihr fachdidaktisches Wissen sowie Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans. Bedeutend für die Planung sind weiter das Lernverständnis (siehe Abschnitt 2.4.1) und Erkenntnisse zu vollständigen Lernprozessen, wonach vertieftes Verstehen und wirkliche Könnerschaft nicht nur einen (problemlösenden) Aufbau, sondern auch Phasen von intensivem Üben und flexiblem Anwenden benötigt.

Entsprechend stellt die Lehrperson ein Set von Aufgaben zusammen, das den Aufbau und die Weiterentwicklung der unterschiedlichen Kompetenzdimensionen ermöglicht. Sie überlegt sich Situationen, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen aufbauen und weiterentwickeln können, sich geeigneter Strategien bewusst werden und ihre Fortschritte erkennen können.

So stellt eine Kindergartenlehrperson den Schülerinnen und Schülern beispielsweise große und kleine, verschiedenfarbige Perlen mit unterschiedlichen Anregungen zur Verfügung. Die Lernenden können zum Beispiel Muster legen, Perlen nach Farben, Größe und Form sortieren, diese auf einer Schnur oder einem Faden aufreihen. Ziel der verschiedenen Aufgabenstellungen ist, den Voraussetzungen entsprechend feinmotorische Fähigkeiten weiterzuentwickeln (prozedurales Wissen), Farben und Formen benennen zu können sowie Muster zu erkennen und beschreiben zu können (deklaratives Wissen). Im Fokus stehen dabei die entwicklungsorientierten Zugänge (Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, Sprache und Kommunikation, Körper, Gesundheit und Motorik). Die Kindergartenlehrperson möchte, dass sich die Schülerinnen und Schüler individuell herausfordernde Aufgaben stellen und allenfalls auch Geduld und Ausdauer aufbringen (Bereitschaft, Motivation). Die fertig gestalteten Ketten dürfen die Schülerinnen und Schüler den anderen vorstellen und erzählen, warum sie wie vorgegangen sind (metakognitives Wissen). So ermöglicht die Kindergartenlehrperson den Kompetenzaufbau im entwicklungsorientierten Zugang (Lernen und Reflexion).

In einem Beispiel der Sekundarstufe stellen die Schülerinnen und Schüler im Französischunterricht mit einem Plakat ihren Lieblingssport, eine Lieblingssportlerin oder einen Lieblingssportler vor. Mit dem Vortrag wird eine Anwendungssituation[11] definiert, in der verschiedene sprachliche Kompetenzbereiche (Sprechen, Schreiben, Sprache im Fokus, Hören) und unterschiedliche Kompetenzdimensionen zusammenspielen. Das Zusammenspiel zeigt sich in den Aufgaben,[12] die zu einer erfolgreichen Präsentation führen sollen.

Die Schülerinnen und Schüler sind herausgefordert, ihre Arbeit über längere Zeit zu planen und zunächst zu entscheiden, welchen Sport sie vorstellen wollen (metakognitives Wissen). Projektplanungsschritte und Reflexionen zum Prozess halten sie im Arbeitsjournal fest. Da die Lernenden bereits in anderen Zusammenhängen Plakate gestaltet haben, verfügen die meisten über dieses prozedurale Wissen, ebenso wie sie grundsätzlich damit vertraut sind, eine kurze Präsentation zu halten (monologisches Sprechen). Deklaratives und prozedurales Wissen benötigen die Schülerinnen und Schüler, wenn sie den neuen Wortschatz anwenden, um ihre Aussagen über den Lieblingssport zu formulieren. Sie gewinnen Sicherheit bei der Anwendung des Wortschatzes «Sport» und beim Sprechen, wenn sie einer Kollegin oder einem Kollegen eine Probepräsentation halten und sich auf die Kriterien hin Rückmeldungen geben (lassen). Die Erkenntnisse aus den Rückmeldungen fließen in die Überarbeitung und ins weitere Training ein.

 

Die dargestellten Beispiele zeigen, wie die Lehrperson bei der Unterrichtsplanung Aufgabensets wählt, die den Aufbau der erwünschten Kompetenzen ermöglichen. Zudem gestaltet sie den Unterricht so, dass in Klassengesprächen, aber auch untereinander Erkenntnisse, Fragen und Probleme, die sich aus der Bearbeitung der Aufgaben ergeben, ausgetauscht und diskutiert werden. So wird eine Lernkultur etabliert, wo Lernen als ein aktiv konstruierender, auf Vorwissen aufbauender, selbstregulativer und sozialer Prozess verstanden wird (siehe Abschnitt 2.4.1).