Kompetenzorientiert beurteilen (E-Book)

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2.2.2 Fachliche Kompetenzen

Im Bereich der fachlichen Kompetenzen werden im Lehrplan 21 die in der Volksschule zu erwerbenden Kompetenzen weitgehend entlang der Unterrichtsfächer systematisiert.

Für jeden fachlichen Kompetenzbereich (bzw. Handlungs- oder Themenaspekt) wird im Lehrplan formuliert, was die Schülerinnen und Schüler am Ende der Volksschule wissen und können sollen (vgl. D-EDK 2016, 10). Im Fach Deutsch, Kompetenzbereich «Schreiben», Handlungs-/Themenaspekt «Schreibprozess: Ideen finden und planen» lautet die zum Ende der Volksschulzeit angestrebte Kompetenz beispielsweise «Die Schülerinnen und Schüler können ein Repertoire an angemessenen Vorgehensweisen zum Ideenfinden und Planen aufbauen und dieses im Schreibprozess zielführend einsetzen» (D-EDK 2016, 88). Im Sinne von «Teilkompetenzen» bauen die Kompetenzstufen der einzelnen Kompetenzbereiche aufeinander auf. Daher kann der Lehrplan auch als Kompetenzraster verstanden werden (D-EDK 2015, 14), bei dem sich höhere Ansprüche über vertieftes Verstehen von größeren Zusammenhängen, flexibleres Anwenden in unterschiedlichen Situationen sowie eigenständigeres Arbeiten zeigen. Im Lehrplan 21 wird der fachliche Kompetenzaufbau idealtypisch über die drei Zyklen[3] hinweg dargestellt. Im oben genannten Beispiel zum Finden von Ideen und Planen im Schreibprozess sieht der Kompetenzaufbau beispielsweise vor, dass die Kinder im 1. Zyklus aus Geschichten, Bilderbüchern sowie Puppentheatern Ideen für eigene Geschichten entwickeln und sich darüber austauschen können. Im 2. Zyklus geht es zum Beispiel darum, allein oder in Gruppen verschiedene Schreibideen zu entwickeln, diese zu strukturieren und den Schreibprozess unter Anleitung planen zu können (z. B. Mindmap, Stichwortliste). Im 3. Zyklus sollen die Jugendlichen mit Unterstützung längere Texte und größere Schreibprojekte mit mehreren Texten planen können (D-EDK 2016, 88). Anhand dieser exemplarisch ausgewählten Kompetenzstufen zeigt sich der kumulative, progressive Charakter des Kompetenzrasters «Lehrplan 21».

2.2.3 Überfachliche und fächerübergreifende Kompetenzen

An einer Schule, die ihren Bildungsauftrag ernst nimmt, darf die Arbeit an fachlichen Kompetenzen den Unterricht nicht einseitig dominieren, insbesondere nicht in Form einseitiger Wissensvermittlung (Waibel 2009, 258). Neben den fachlichen Kompetenzen sollen in der Schule auch soziale, personale und methodische Kompetenzen aufgebaut werden, die zusammenfassend als überfachliche Kompetenzen bezeichnet werden. Fachliche und überfachliche Kompetenzen lassen sich jedoch nicht trennscharf unterscheiden, da sie eng miteinander verflochten sind (Joller-Graf et al. 2014, 19) und auch gleichzeitig erworben werden. Für die Planung und Gestaltung des Unterrichts ist von Bedeutung, dass sich überfachliche Kompetenzen nicht inhaltslos erwerben lassen. Vielmehr werden sie aufgebaut, indem sie mit dem Erwerb fachlicher Kompetenzen verknüpft werden. Ein solches Zusammenwirken fachlicher und überfachlicher Kompetenzen unterstützt nicht zuletzt auch die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler (Fend 2008, 60).

Abbildung 1

Verflechtung von fachlichem und überfachlichem Kompetenzerwerb (nach D-EDK 2015, 6)


Abbildung 1 stellt zum einen dar, dass der Erwerb von fachlichen und von überfachlichen Kompetenzen eng verflochten ist. Zum anderen zeigen die Kreise, welche Aspekte (z. B. Selbstreflexion) im Lehrplan 21 welchen Kompetenzen (methodischen, sozialen oder personalen) zugeordnet werden und dass auch die überfachlichen Kompetenzen miteinander interagieren.

Die Arbeit an überfachlichen Kompetenzen gehört zum verbindlichen Auftrag des Lehrplans an die Lehrpersonen (D-EDK 2016, 31). Anders als bei den fachlichen Kompetenzen, die im Lehrplan 21 als aufbauendes Kompetenzraster konzipiert sind, wird bei den überfachlichen Kompetenzen im Lehrplan 21 keine Progression dargestellt. Der Lehrplan beschreibt zu den einzelnen Aspekten der drei überfachlichen Kompetenzen verschiedene Zielsetzungen, die im Laufe der Schulzeit bearbeitet und erreicht werden sollen.

Neben den überfachlichen Kompetenzen zielt der Lehrplan 21 auch auf die Förderung fächerübergreifender Kompetenzen. Im Unterschied zu den überfachlichen Kompetenzen handelt es sich bei fächerübergreifenden Kompetenzen um solche, welche Themen betreffen, die sich nicht eindeutig einem einzelnen Schulfach zuordnen lassen. Dies ist bedeutsam, weil Probleme aus dem Alltag, wie sie in einem kompetenzorientierten Unterricht bearbeitet werden sollten, vor den Grenzen eines Unterrichtsfachs nicht haltmachen. Im Gegenteil: Die meisten lebensweltbezogenen Herausforderungen stellen sich fächerübergreifend dar (Joller-Graf et al. 2014, 34). Deshalb gilt es bei der Planung und Gestaltung von Unterricht, solche fächerübergreifenden Kompetenzen im Blick zu behalten. Im Lehrplan 21 wird in diesem Zusammenhang ein spezieller Fokus auf die drei fächerübergreifenden Bereiche «Nachhaltige Entwicklung», «Medien und Informatik» sowie «Berufliche Orientierung» gelegt (D-EDK 2016, 8).

2.2.4 Entwicklungsorientierte Zugänge

Bei den jüngsten Kindern im Bildungssystem stehen allgemeine Welt- und Lebenserfahrungen im Vordergrund, die sich über einen Fächerkanon der Schule fassen lassen.

Deshalb beschreibt der Lehrplan 21 für jüngere Kinder neben den fachlichen Kompetenzen auch sogenannte entwicklungsorientierte Zugänge. Diese entwicklungspsychologisch ausgerichteten Perspektiven fokussieren auf die großen Entwicklungsbereiche der vier- bis achtjährigen Kinder. Wie die überfachlichen Kompetenzen weisen auch die entwicklungsorientierten Zugänge keine Progression auf. Die neun entwicklungsorientierten Zugänge unterstützen Lehrpersonen im 1. Zyklus dabei, den Unterricht von der Entwicklungsperspektive hin zur fachlichen Perspektive des Lehrplans zu gestalten (D-EDK 2016, 42). Die im Lehrplan aufgeführten Indikatoren zu diesen neun Zugängen geben Lehrpersonen Hinweise, wie sie den Kompetenzaufbau unterstützen und beobachten können, beschreiben jedoch keine empirisch abgestützten Entwicklungsschritte.

Abbildung 2

Entwicklungsorientierte Zugänge und Fachbereiche im Lehrplan 21 (nach D-EDK 2016, 44)


2.2.5 Zyklen, Grundansprüche, Orientierungspunkte und Aufträge der Zyklen

Im Bereich der fachlichen Kompetenzen ist der Lehrplan 21 nach Zyklen geordnet. Der 1. Zyklus umfasst die Schuljahre 1 bis 4 (zwei Jahre Kindergarten und 1./2. Klasse Primarschule), der 2. Zyklus die Jahre 5 bis 8 (3.–6. Klasse Primarschule) und der 3. Zyklus die Jahre 9 bis 11 (7.–9. Klasse Sekundarstufe I).

Bei manchen Kompetenzstufen, die den Zyklen zugeordnet werden, macht der Lehrplan 21 grafisch sichtbar, dass die Unterschiede in einer Klasse so groß sein können, dass die entsprechenden Kompetenzstufen von einzelnen Lernenden bereits im aktuellen oder eben erst im folgenden Zyklus erreicht werden können. Die Tatsache, dass im Lehrplan 21 die Heterogenität von Schulklassen berücksichtigt wird, zeigt sich aber auch in der Verwendung und Unterscheidung von «Grundansprüchen», «Orientierungspunkten» und «Aufträgen der Zyklen» (D-EDK 2016, 12). Für die Arbeit mit dem Lehrplan 21 – insbesondere für das Ableiten von Lernzielen und für die Beurteilung – sind diese drei Arten von Anforderungen zu unterscheiden (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4).

Abbildung 3

Grundansprüche, Orientierungspunkte und Aufträge der Zyklen im Lehrplan 21


Erläuterung
Für alle drei Zyklen sind im Lehrplan 21 Kompetenzstufen ausgewiesen, die von den Lernenden spätestens am Ende des Zyklus erreicht werden sollen. Für einzelne Lernende können diese Grundansprüche unter Berücksichtigung kantonaler Regelungen individuell angepasst werden. Die einem bestimmten Grundanspruch vorangehenden Kompetenzstufen müssen jeweils ebenfalls erreicht worden sein, um einem Grundanspruch zu genügen.
OrientierungspunktAls Planungs- und Orientierungshilfen für die Lehrpersonen legt der Lehrplan 21 in der Mitte des 2. und 3. Zyklus meist sogenannte Orientierungspunkte fest. Dabei handelt es sich um Kompetenzstufen, die bis Ende der 4. Klasse bzw. Mitte der 8. Klasse im Unterricht thematisiert und verbindlich bearbeitet (aber von den Lernenden noch nicht zwingend erreicht) werden müssen.
Auftrag des ZyklusDie Aufträge der Zyklen sind den Orientierungspunkten ähnlich. Auch diese Kompetenzstufen müssen verbindlich bearbeitet werden – es gibt aber keine Vorgabe, dass sie von allen Lernenden erreicht werden sollten. An diesen Aufträgen kann während des ganzen Zyklus gearbeitet werden.

Abbildung 4

Elemente des Kompetenzaufbaus im Lehrplan 21 (D-EDK 2016, 52)[5]


2.3 Kompetenzorientierung

Die Kompetenzorientierung gilt als Leitbegriff des Lehrplans 21 und damit auch für Beurteilungsfragen. Daher soll im Folgenden der Kompetenzbegriff mit verschiedenen Kompetenzdimensionen erläutert und mit kritischen Einwänden zur Kompetenzorientierung in Schule und Unterricht ergänzt werden.

 

2.3.1 Begriffsklärung

Im Kern geht es bei der Kompetenzorientierung darum, Wissen und Fähigkeiten so sicher aufzubauen, dass diese in verschiedenen Situationen angewendet werden können (Reusser 2014). Damit wird deutlich, dass bei Kompetenzen die Anwendungsorientierung zentral ist. Dies geht auch aus der verbreiteten Kompetenzdefinition von Weinert klar hervor:

Dabei versteht man unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Weinert 2002, 27)

2.3.2 Kompetenzdimensionen

Zielführendes Handeln in konkreten Situationen setzt jedoch voraus, dass in der Handlungssituation auf verschiedene Arten des Wissens zurückgegriffen werden kann. Diese verschiedenen Arten des Wissens müssen in der jeweiligen Situation zielgerichtet kombiniert und eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um metakognitives Wissen, prozedurales Wissen, konzeptuelles Wissen und Faktenwissen (Krathwohl 2002), wobei Faktenwissen und konzeptuelles Wissen zusammen das deklarative Wissen darstellen. Die drei beziehungsweise vier Arten des Wissens werden in Abbildung 5 als kognitive Kompetenzdimensionen bezeichnet.

Abbildung 5

Die kognitiven Kompetenzdimensionen


Metakognitives WissenWissen, Verstehen und Regulation von (eigenen) Lern- und Arbeitsstrategien Wissen über sich selbst und das eigene Denken
Prozedurales WissenEinfache und komplexe Fertigkeiten (automatisiert) beherrschen Fachspezifische Techniken und Methoden verstehen und angemessen anwenden
Deklaratives WissenKonzeptuelles WissenKlassifikationen und Kategorien verstehen, in Bezug setzen Prinzipien und Verallgemeinerungen verstehen Theorien, Modelle und Strukturen verstehen, aufeinander beziehen
Faktenwissen(Fach-)Begriffe, spezifische Fakten kennen

Unter Faktenwissen werden einzelne Begriffe, spezifische Details oder Elemente verstanden. Sind diese Begriffe oder Elemente in eine größere Struktur eingebunden, entwickelt sich konzeptuelles Wissen. Dieses zeigt sich in Klassifikationen und Kategorienbildungen oder als komplexe Modelle und Theorien. Konzeptuelles Wissen ist als «inneres Netzwerk» vielfältiger Zusammenhänge im Gedächtnis gespeichert. Das deklarative Wissen, also Faktenwissen und konzeptuelles Wissen, bleibt im kompetenzorientierten Unterricht nach wie vor wichtig. Letztlich geht es im kompetenzorientierten Unterricht aber nicht (nur) um die Inhalte an sich, sondern auch darum, was mit den Inhalten gemacht wird (von Saldern 2011, 75), also um die Anwendung auf höheren Taxonomiestufen (siehe Abschnitt 4.3.2).

Im Hinblick auf die Anwendung ist das prozedurale Wissen von besonderer Bedeutung. Prozedurales Wissen ist das Wissen darüber, wie man etwas tut. Es umfasst einfache bis ganz komplexe, automatisierte Fertigkeiten wie Schuhe binden, englische Aussprache, Recherchen oder Experimente durchführen. Prozedurales Wissen umfasst aber auch koordinative beziehungsweise motorische Tätigkeiten wie Bälle werfen und fangen oder geläufiges Schreiben mit der Hand oder mit Tastaturen. Häufig ist prozedurales Wissen dermaßen internalisiert, dass es sprachlich kaum mehr zu fassen ist.

Metakognitives Wissen lässt sich schließlich beschreiben als Wahrnehmung und Wissen über das eigene Denken und die eigenen kognitiven Prozesse. Außerdem beinhaltet metakognitives Wissen Kontrollstrategien zur Steuerung des Lernens. Geht es um die bereichsspezifische Steuerung des Lernens, wird von selbstregulativen Prozessen des Planens, Überwachens, Evaluierens und Regulierens gesprochen.

2.3.3 Wille, Motivation und Bereitschaft

Erfolgreiches Handeln in einer Situation verlangt neben Kognition auch den Willen, die Motivation oder die Bereitschaft, das entsprechende Potenzial zu aktivieren beziehungsweise eine spezifische Situation zu meistern oder eine Leistung zu zeigen. Die Schule vernachlässigte zu lange, dass produktives Lernen auch von motivationalen, emotionalen Dispositionen oder Selbstwirksamkeitserwartungen der Lernenden abhängig ist. Diese Voraussetzungen sind bei den Schülerinnen und Schülern ebenso unterschiedlich wie die kognitiven Fähigkeiten. Entsprechend sind motivationale und emotionale Dispositionen der Lernenden im Unterricht genauso zu fördern wie vertieftes Verstehen oder flexibel anwendbare Strategien, denn das Zusammenspiel von skill and will ist notwendig, um «lernfähig zu werden und es unter Belastungen und schwierigen Umständen zu bleiben» (Reusser 2019, 136).

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird deutlich, dass sich Kompetenz verstehen lässt als komplexes Zusammenspiel (Renkl 2018) von deklarativem, prozeduralem und metakognitivem Wissen sowie der Bereitschaft, dieses Wissen und Können in einer spezifischen Situation auch anzuwenden. Werden die verschiedenen Kompetenzdimensionen in einer spezifischen Situation genutzt, sind sie als Performanz sichtbar. Während die verschiedenen Kompetenzdimensionen nicht direkt beobachtbar sind, kann aus der sichtbaren Performanz auf die «darunter» liegenden Kompetenzdimensionen geschlossen werden.

Abbildung 6

Kompetenzdimensionen


Etwas verkürzt wird von den Kompetenzdimensionen als der Trias von Wissen, Können und Wollen gesprochen. Wissen, Können und Wollen ermöglichen in ihrem Zusammenspiel die erfolgreiche Bewältigung unterschiedlicher Probleme (Krieg u. Hess 2017, 7). Je nach Problem müssen bei der Lösung unterschiedliche Kombinationen von fachlichen, methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen sowie verschiedene Kompetenzdimensionen eingesetzt werden.

2.3.4 Kompetenzorientierung und Bildung

Die Orientierung von Schule und Unterricht an zu erwerbenden Kompetenzen (Output-Standards) ist nicht ohne Kritik geblieben. Exemplarisch werden nachfolgend zwei Einwände aufgeführt: Einerseits wird kritisiert, dass im Lehrplan 21 der Kompetenzbegriff zu wenig differenziert verwendet wird. Auf der anderen Seite wird auf die mögliche Verengung schulischer Bildung auf mess- und überprüfbare Standards hingewiesen.

Herzog (2018) kritisiert, dass der Kompetenzbegriff im Lehrplan 21 uneinheitlich, vage und widersprüchlich verwendet werde. Auf der Grundlage von Weinerts Kompetenzdefinition bleibe unklar, wie die verschiedenen Kompetenzdimensionen (insbesondere Wissen und Können) genau zusammenhingen. Das Können sei im Lehrplan 21 derart wichtig, dass das Wissen daneben verblasse beziehungsweise beliebig werde. Problematisch sei zudem, dass neben den kognitiven Kompetenzdimensionen auch motivationale, volitionale, soziale und moralische Aspekte in die Definition aufgenommen worden seien, weil damit die Grenze zwischen Unterricht und Erziehung erodiere.

Neben dieser Kritik lässt sich ein zweiter Strang von Kritik an der Kompetenzorientierung ausmachen. Mit der Einführung von Bildungsstandards wird definiert, welche Kompetenzen die Lernenden aufzubauen haben. Zudem soll überprüft werden, wieweit diese Standards erreicht werden, um mit den gewonnenen Daten Erkenntnisse für die Qualitätssicherung und Steuerung des Bildungswesens zu erzielen. Es wird jedoch bezweifelt, ob die gewonnenen Daten aus standardisierten Leistungsmessungen tatsächlich der Qualitätssicherung dienen und nicht, wie zum Teil von den USA her berichtet, als high-stake tests mit ungenügender Qualität und weitreichenden Konsequenzen für die Einzelschule zu einem verengten Bildungsbegriff und (negativem) teaching to the test führen (Criblez et al. 2009, 149–167).

Mit der Einführung von Bildungsstandards wird zudem eine Grundsatzfrage der öffentlichen Schule diskutiert, nämlich wieweit im Unterricht die curricularen Anforderungen oder das sich individuell entwickelnde Kind im Mittelpunkt stehen. Damit Kinder ihre Persönlichkeit entfalten können, dürfte sich die schulische Bildung nicht aufs Trainieren und Qualifizieren beschränken, sondern sollte die Entfaltung aller Kräfte der Schülerinnen und Schüler ermöglichen (Schnell 2004, 100).

Solche Bedenken gilt es ernst zu nehmen. Allerdings müssen Kompetenzorientierung und Bildung nicht zwingend als Gegensätze verstanden werden. Gemäß Sacher kann von einem breiten Konsens ausgegangen werden, dass Schülerinnen und Schüler mittels schulischer Bildung zu mündigen und verantwortungsvollen Gesellschaftsmitgliedern werden; sie sollen in der Schule Kompetenz, Autonomie und Solidarität entwickeln (Sacher 2009, 90). Im Lehrplan 21 wird Bildung wie folgt definiert:

Bildung ist ein offener, lebenslanger und aktiv gestalteter Entwicklungsprozess des Menschen.

Bildung ermöglicht dem Einzelnen, seine Potenziale in geistiger, kultureller und lebenspraktischer Hinsicht zu erkunden, sie zu entfalten und über die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eine eigene Identität zu entwickeln.

Bildung befähigt zu einer eigenständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung, die zu verantwortungsbewusster und selbstständiger Teilhabe und Mitwirkung im gesellschaftlichen Leben in sozialer, kultureller, beruflicher und politischer Hinsicht führt. (D-EDK 2016, 20)

Der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Bildung wird unterschiedlich dargestellt. Auf der einen Seite postulieren der Lehrplan 21 (D-EDK 2016, 24) und andere Autorinnen und Autoren, dass die Kompetenzen in ihrer Gesamtheit als Bildung verstanden werden können (z. B. Bohl 2009, 21). Die Gegenseite vertritt dagegen die Ansicht, es wäre zu kurz gegriffen, Bildung und Kompetenzen als Synonyme zu verstehen. Diese Seite argumentiert, bei der Gesamtheit der Kompetenzen und bei Bildung handle es sich um zwei verschiedene Konzepte. Die beiden Konzepte stehen in dieser Perspektive in einer wechselseitigen Beziehung zueinander, indem Kompetenzen dazu dienen, Bildung zu konkretisieren – und der Bildungsbegriff den Kompetenzen eine übergeordnete Orientierung gibt.

Dies entspricht dem Bildungsanspruch, wie er in den meisten kantonalen Schulgesetzen[6] verankert ist. Kompetenzen sind miteinander zu vernetzen und sollen an konkreten Inhalten aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler aufgebaut und erprobt werden, um so von ihnen verinnerlicht und zu eigen gemacht werden zu können (Jürgens u. Lissmann 2015, 39–40).

2.4 Lernverständnis im Lehrplan 21 und Unterrichtsqualität

Die Kompetenzorientierung im Lehrplan 21 rückt Lernprozesse und das Verständnis für Lernprozesse stärker in den Fokus. Dieses Verständnis geht einher mit dem Blick auf lernwirksamen Unterricht.