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Tausend Und Eine Nacht

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Die Abenteuer des Kalifen Harun Arraschid

Es kann dir nicht unbekannt sein, Herr, und du hast es ohne Zweifel auch schon an dir selbst erfahren, daß der Mensch sich manchmal in einer so außerordentlichen heiteren Stimmung befindet, daß er jeden, mit dem er in Berührung kommt, in seine Fröhlichkeit mit hineinzieht oder an der Freude anderer von Herzen gern teilnimmt; manchmal aber werden wir auch von so düsterer Schwermut befallen, daß wir uns selbst unerträglich sind, und wenn man uns fragte, könnten wir keine Ursache angeben, ja wir könnten sie nicht einmal entdecken, wenn wir uns alle Mühe gäben, darüber nachzusinnen.

In dieser letztgenannten Stimmung befand sich einst der Kalif Harun Arraschid, als Djafar, sein treuer und vielgeliebter Großvezier, vor ihn trat. Der Minister fand ihn allein, was selten vorkam, und da er beim Nähertreten bemerkte, daß er in eine düstere Laune versenkt war und nicht einmal die Augen aufhob, um ihn anzusehen, so blieb er solange wartend stehen, bis er ihn eines Blickes würdigen würde.

Endlich schlug der Kalif die Augen auf und sah Djafar an; allein er wandte sich sogleich wieder ab und blieb in seiner bisherigen Stellung, ebenso unbeweglich, wie zuvor.

Da der Großvezier in den Augen des Kalifen keinen Unwillen gegen seine eigene Person bemerkte, so nahm er endlich das Wort und sagte: »Beherrscher der Gläubigen, erlaubst du mir wohl eine Frage, woher diese Schwermut rühren mag, die du heute blicken lässest, und wozu du sonst immer so wenig Neigung verrietest?« – »Es ist wahr, Vezier«, erwiderte der Kalif, eine andere Stellung annehmend, »ich bin sonst nicht geneigt dazu, und wenn du nicht gekommen wärest, so hätte ich meinen gegenwärtigen Trübsinn gar nicht bemerkt; ich habe aber auch schon so genug daran, daß ich es keinen Augenblick länger aushalte. Wenn es nichts neues gibt, was dich zu mir führt, so tue mir den Gefallen und erfinde irgend etwas, um mich zu zerstreuen.« – »Beherrscher der Gläubigen«, antwortete der Großvezier Djafar, »bloß meine Pflicht hat mich hierhergeführt, und ich nehme mir die Freiheit dich zu erinnern, daß du dir selbst die Verpflichtung auferlegt hast, auf die gute Ordnung in deiner Hauptstadt und in der Umgebung persönlich ein wachsames Auge zu haben. Gerade den heutigen Tag hast du dir dazu bestimmt, und so bietet sich von selbst die schönste Gelegenheit, die Wolken zu verscheuchen, die deine gewöhnliche Heiterkeit trüben.« – »Ich hatte es ganz vergessen, entgegnete der Kalif, »und du erinnerst mich zur gelegenen Stunde daran. Geh also und kleide dich um, ich will es indes auch so machen.«

Sie verkleideten sich nun in fremde Kaufleute und gingen so ganz allein miteinander durch eine geheime Gartentüre des Palastes, die aufs freie Feld führte. In ziemlich weiter Entfernung von den Toren machten sie nun die Runde um die Stadt bis an die Ufer des Euphrats, ohne etwas zu bemerken, was gegen die gute Ordnung gewesen wäre. Auf dem ersten Boot, das sie antrafen, setzten sie über den Strom, machten nun auch um die entgegengesetzte Seite der Stadt die Runde und nahmen dann ihren Weg über die Brücke, welche beide Hälften der Stadt verband.

Am Ende dieser Brücke trafen sie einen alten blinden Mann, der um ein Almosen bat. Der Kalif wandte sich gegen ihn und drückte ihm ein Goldstück in die Hand. Der Blinde faßte ihn augenblicklich am Arme, hielt ihn an und sagte: »Mildtätiger Mann, wer du auch sein magst, dem Gott eingegeben hat, mir dies Almosen zu reichen, versage mir die Gnade nicht, um die ich dich jetzt bitte, und gib mir eine Ohrfeige. Ich habe sie verdient, ja vielleicht noch eine derbere Züchtigung.« Mit diesen Worten ließ er die Hand des Kalifen los, damit er ihm die Ohrfeige geben könnte, aber um ihn nicht vorüber zu lassen, ehe er es getan hätte, faßte er ihn beim Kleide.

Der Kalif, höchst verwundert über das Verlangen und Benehmen des Blinden, sagte zu ihm: »Guter Mann, ich kann dir deine Bitte nicht gewähren; ich werde mich wohl hüten, das Verdienstliche meines Almosens durch eine so schlechte Behandlung, wie du von mir verlangst, wieder aufzuheben.« So sprechend, suchte er sich mit Gewalt von dem Blinden loszumachen.

Der Blinde aber, der infolge mannigfacher Erfahrungen seit langer Zeit sich dieser Weigerung seines Wohltäters versehen hatte, wendete alle Kraft an, um ihn festzuhalten. »Herr«, sagte er zu ihm, »verzeih mir meine Kühnheit und Aufdringlichkeit; ich bitte dich, gib mir eine Ohrfeige, oder nimm dein Almosen zurück; ich kann es nur unter dieser Bedingung behalten, oder ich müßte einen feierlichen Eid brechen, den ich vor Gott geschworen habe; wenn du den Grund wüßtest, so würdest du mir gern zugeben, daß diese Strafe sehr gering ist.«

Der Kalif, der sich nicht länger aufhalten lassen wollte und den aufdringlichen Blinden nicht los werden konnte, versetzte ihm endlich eine ziemlich leichte Ohrfeige. Der Blinde ließ ihn nun auf der Stelle unter vielen Danksagungen und Segenswünschen los, und der Kalif ging mit dem Großvezier weiter. Kaum aber waren sie einige Schritte gegangen, so sagte er zum Vezier: »Dieser Blinde muß doch seine wichtige Ursache haben, warum er von allen, die ihm ein Almosen geben, dies verlangt. Ich wünschte das Nähere darüber zu erfahren, kehre daher um, sage ihm, wer ich bin, und er solle sich morgen um die Zeit des Nachmittagsgebets im Palast einfinden, indem ich ihn zu sprechen wünsche.«

Der Großvezier ging auf der Stelle zurück, gab dem Blinden ein Almosen und danach eine Ohrfeige, und nachdem er seinen Befehl an ihn ausgerichtet, eilte er wieder zum Kalifen.

Sie kehrten in die Stadt zurück, und als sie über einen öffentlichen Platz gingen, trafen sie eine große Menge Volks, die einem wohlgekleideten jungen Manne zusah, der auf einer Stute saß, dieselbe mit verhängtem Zügel um den Platz herumtrieb und unaufhörlich mit Sporn und Peitsche so grausam mißhandelte, daß das arme Tier ganz mit Schaum und Blut bedeckt war.

Der Kalif war sehr erstaunt über die Grausamkeit des jungen Mannes und fragte einen der Umstehenden, warum er denn seine Stute so mißhandle; dieser erwiderte, niemand wisse die Ursache, indes nehme er schon seit geraumer Zeit um dieselbe Stunde dieses grausame Geschäft mit ihr vor.

Sie gingen weiter und der Kalif sagte zum Großvezier, er solle sich diesen Platz wohl merken und ja nicht vergessen, den jungen Mann morgen um dieselbe Stunde, wie den Blinden, zu ihm zu bestellen.

Ehe der Kalif seinen Palast erreicht hatte, erblickte er in einer Straße, durch die er schon lange nicht mehr gegangen war, ein neuaufgeführtes Gebäude, das er für das Haus irgend eines Großen seines Hofes hielt. Er fragte den Großvezier, ob er wisse, wem dieses Haus gehöre; dieser antwortete, er wisse es nicht, wolle sich aber erkundigen.

Er fragte nun einen Nachbarn, der ihm sagte, das Haus gehöre dem Chogia Hassan, Alhabbal genannt wegen seines Seilerhandwerks, das er ihn selbst noch in seiner großen Armut habe treiben sehen; indes habe er, ohne daß man wisse, wo das Glück ihn begünstigt, ein so großes Vermögen erworben, daß er die Kosten dieses stattlichen Baues sehr leicht habe tragen können.

Der Großvezier eilte dem Kalifen nach und sagte ihm, was er gehört hatte. »Ich will diesen Chogia Hassan Alhabbal sehen«, sprach der Kalif; »gehe und melde ihm, er solle sich morgen um dieselbe Stunde wie die beiden anderen in dem Palast einfinden.« Der Großvezier ermangelte nicht, den Befehl des Kalifen auszurichten.

Am folgenden Tage nach dem Nachmittagsgebet trat der Kalif in sein Audienzzimmer, und der Großvezier führte sogleich die drei obenerwähnten Personen zu ihm ein und stellte sie ihm vor. Sie warfen sich alle drei vor dem Throne des Beherrschers der Gläubigen nieder, und als sie wieder aufgestanden waren, fragte der Kalif den Blinden, wie er heiße. »Baba Abdallah«, antwortete der Blinde. »Baba Abdallah«, sagte hierauf der Kalif zu ihm, »deine Art Almosen zu fordern, erschien mir gestern so seltsam, daß ich ohne gewisse besondere Rücksichten mich wohl gehütet hätte, dir den Gefallen zu erweisen, den du verlangtest; im Gegenteil hatte ich große Lust, dir dein Handwerk zu legen, wodurch du allem Volke großes Ärgernis gibst. Ich habe dich daher kommen lassen, um von dir zu erfahren, was dich zu einem so unverständigen Eide veranlaßt hat, und aus deiner Antwort werde ich urteilen, ob du recht gehandelt hast und ob ich dir noch länger ein Betragen gestatten kann, mit dem du ein so schlechtes Beispiel zu geben scheinst. Sage mir ohne Hehl, wie bist du auf diesen tollen Einfall gekommen? Verschweig mir nichts, denn ich verlange es durchaus zu wissen.«

Baba Abdallah, durch diesen Verweis eingeschüchtert, warf sich zum zweiten Male vor dem Throne des Kalifen auf sein Angesicht, und als er wieder aufgestanden war, begann er also: »Beherrscher der Gläubigen, ich bitte dich demütiglichst um Verzeihung für die Frechheit, womit ich es gewagt habe, dich zu einer Sache zu nötigen, die allerdings mit der gesunden Vernunft zu streiten scheint. Ich erkenne mein Verbrechen an, aber da ich meinen Herrn und König nicht kannte, so flehe ich jetzt um Gnade und hoffe, daß du meine Unwissenheit berücksichtigen wirst. In Beziehung auf das, was du Tollheit zu nennen beliebst, muß ich allerdings gestehen, daß mein Betragen in den Augen der Menschen nicht anders erscheinen kann; in den Augen Gottes aber ist es nur eine sehr geringe Buße für eine ungeheure Missetat, deren ich mich schuldig gemacht habe, und die ich nicht genugsam abbüßen würde, wenn auch alle Menschen, einer nach dem andern, kämen und mir Ohrfeigen gäben. Du wirst dies selbst beurteilen können, wenn ich dir, deinem Befehle gemäß, meine Geschichte erzählt und gezeigt haben werde, worin diese ungeheure Missetat besteht.«

Geschichte des blinden Baba Abdallah

Beherrscher der Gläubigen – fuhr Abdallah fort – ich wurde zu Bagdad geboren, und mein Vater und meine Mutter, die beide hintereinander sehr schnell starben, hinterließen mir ein kleines Vermögen. Obwohl ich noch nicht viele Jahre zählte, so verschwendete ich es doch nicht, wie so häufig junge Leute tun, mit unnützem Aufwand und in Ausschweifungen, sondern gab mir im Gegenteil alle Mühe, es durch meinen Fleiß zu vermehren, und sann Tag und Nacht über die Mittel dazu nach. Auf diese Weise wurde ich endlich so reich, daß ich achtzig Kamele besaß, die ich an Karawanen-Kaufleute vermietete, und die mir bei jeder Reise, welche ich mit ihnen nach den verschiedenen Provinzen deines großen Reiches machte, große Summen eintrugen.

 

Eines Tages, als ich während der Blüte meines Glücks, und verzehrt von gewaltigem Verlangen, noch reicher zu werden, von Baßrah leer mit meinen Kamelen zurückkehrte, die auf dem Hinwege mit Waren nach Indien bepackt gewesen waren, und sie in einer menschenleeren Gegend, wo ich gute Weide fand, grasen ließ, kam ein Derwisch, der zu Fuß nach Baßrah reist, auf mich zu und setzte sich neben mich, um auszuruhen. Ich fragte ihn, woher und wohin; er richtete dieselben Fragen an mich, und nachdem wir gegenseitig unsere Neugierde befriedigt hatten, teilten wir unsern Mundvorrat miteinander und hielten ein gemeinschaftliches Mahl.

Während der Mahlzeit unterhielten wir uns im Anfang von allerhand gleichgültigen Dingen; endlich aber sagte der Derwisch, er wisse unweit von unserem Ruheplatz einen Schatz von so unermeßlichen Reichtümern, daß, wenn ich auch so viel Gold und Edelsteine davon nehmen würde, als meine achtzig Kamele zu tragen verrnöchten, man ihm doch beinahe keine Verminderung ansehen könnte.

Diese gute Nachricht überraschte und erfreute mich dermaßen, daß ich kaum meiner Sinne mächtig war. Da ich nicht glaubte, daß der Derwisch mich zum besten halten könne, so warf ich mich an seinen Hals und sagte zu ihm: »Guter Derwisch, ich sehe wohl, daß du dich wenig um die Güter dieser Erde bekümmerst. Wozu kann dir also die Kenntnis von einem solchen Schatze nützen? Du bist allein und kannst nur sehr wenig fortschaffen; zeige mir daher, wo er liegt, so will ich meine achtzig Kamele damit beladen und dir selbst eines davon schenken zum Dank für deine Freundschaft und das Vergnügen, das du mir bereitet hast.«

Dies war freilich ein sehr schlechtes Angebot, allein der Teufel des Geizes war in dem Augenblick, wo er mir von dem Schatze sagte, in mein Herz gefahren, so daß ich ihm viel zu versprechen glaubte, und die neunundsiebenzig Kamellasten, die mir noch übrig blieben, mir beinahe wie nichts schienen im Vergleich zu derjenigen, die ich abgeben und ihm überlassen sollte.

Der Derwisch, der meine leidenschaftliche Geldgier merkte, ärgerte sich nicht über das unanständige Anerbieten, das ich ihm gemacht hatte. »Mein Bruder«, sagte er mit großer Gemütsruhe zu mir, »du siehst selbst, daß dein Angebot zu dem Dienste, den du von mir verlangst, in keinem Verhältnis steht. Ich hätte ja auch von dem Schatze ganz schweigen und mein Geheimnis für mich behalten können. Was ich dir indes aus freien Stücken mitgeteilt habe, magst du als einen Beweis ansehen, wie geneigt ich bin, dir einen Gefallen zu erweisen und mir durch Gründung deines und meines Glücks ein ewiges Andenken bei dir zu stiften. Ich will dir nun einen anderen gerechten und billigeren Vorschlag machen; du magst sehen, ob er dir genehm ist.

»Du sagst«, fuhr der Derwisch fort, »du habest achtzig Kamele. Ich bin bereit, dich zu dem Schatze zu führen und dieselben dort mit so viel Gold und Edelsteinen zu beladen, als sie nur tragen können; allein wenn wir sie gehörig bepackt haben, so mußt du mir die Hälfte davon nebst ihrer Last abtreten und dich mit der anderen Hälfte begnügen; dann wollen wir uns voneinander trennen und jeder mag mit dem Seinigen ziehen, wohin er will. Du siehst, daß diese Teilung ganz der Billigkeit angemessen ist; denn wenn du mir vierzig Kamele schenkst, so verschaffe ich dir so viel Geld, daß du dir tausend andere dafür kaufen kannst.«

Ich konnte nicht leugnen, daß die Bedingung, die mir der Derwisch stellte, sehr billig war. Ohne jedoch die großen Reichtümer zu bedenken, die ich durch Annahme derselben erwerben konnte, betrachtete ich die Abtretung der Hälfte meiner Kamele als einen großen Verlust und konnte mich besonders mit dem Gedanken nicht befreunden, daß der Derwisch dann ebenso reich sein solle, wie ich. Kurz, ich belohnte schon zum voraus eine rein freiwillige Wohltat, die ich von dem Derwisch noch nicht einmal empfangen hatte, mit Undank. Allein ich hatte nicht lange Zeit, zu überlegen: Entweder mußte ich die Bedingung eingehen oder mich entschließen, mein ganzes Leben lang Reue zu empfinden, daß ich eine so günstige Gelegenheit, mir ein so bedeutendes Vermögen zu erwerben, durch eigene Schuld hinausgelassen habe.

Ich trieb also augenblicklich meine Kamele zusammen, und wir zogen miteinander fort. Nach einiger Zeit gelangten wir in ein sehr geräumiges Tal, das aber einen sehr schmalen Eingang hatte. Meine Kamele konnten bloß einzeln hintereinander hindurchgehen; sobald aber die Gegend sich erweiterte, war es wieder möglich, sie in der besten Ordnung zusammen zu halten. Die beiden Berge, die das Tal bildeten und es hinten in einem Halbkreis schlossen, waren so hoch, steil und unzugänglich, daß wir nicht zu befürchten hatten, es möchte uns irgend ein Sterblicher hier sehen.

Als wir zwischen diesen Bergen angekommen waren, sagte der Derwisch zu mir: »Wir wollen jetzt nicht weiter vorwärts ziehen, halte du deine Kamele an und lasse sie auf dem Platze, den du da vor dir siehst, sich auf den Bauch niederlegen, damit wir sie ohne Mühe bepacken können; ich will dann sogleich zur Öffnung des Schatzes schreiten.«

Ich tat, was der Derwisch mir gesagt hatte, und eilte ihm dann nach. Als ich zu ihm kam, hatte er ein Feuerzeug in der Hand und trug eben einiges dürres Holz zusammen, um Feuer anzumachen. Sobald dies geschehen war, warf er etwas Räucherwerk hinein und sprach einige Worte dazu, die ich nicht verstand. Alsbald erhob sich ein dicker Rauch in der Luft. Er zerteilte diesen Rauch, und in demselben Augenblick entstand in dem Felsen, der zwischen den beiden Bergen in senkrechter Linie sehr hoch emporstieg und durchaus keine Spur von einer Öffnung zu haben schien, dennoch eine sehr große in Gestalt eines Tores mit zwei Torflügeln, das mit bewundernswürdiger Kunst in den Felsen hineingearbeitet und aus demselben Steine war.

Diese Öffnung zeigte unseren Augen in einer großen in den Felsen gehauenen Vertiefung einen prächtigen Palast, der nicht sowohl von Menschenhänden als vielmehr von Geistern erbaut zu sein schien, denn es war unmöglich, daß Menschen ein so kühnes und erstaunenswürdiges Unternehmen auch nur hätten denken sollen.

Aber, Beherrscher der Gläubigen, diese Bemerkung mache ich erst jetzt, da ich vor dir stehe; damals fiel sie mir nicht ein. Ja, ich bewunderte nicht einmal die unermeßlichen Reichtümer, die ich auf allen Seiten erblickte, und ohne die kluge und zweckmäßige Anordnung aller dieser Schätze lange zu betrachten, stürzte ich mich, wie der Adler auf seine Beute herabschießt, auf den ersten besten Haufen von Goldstücken, den ich zunächst vor mir sah, und fing an, so viel ich fortschaffen zu können glaubte, in einen Sack zu werfen, deren die Menge dalagen. Die Säcke waren groß und ich hätte sie gern bis oben gefüllt, allein ich mußte sie doch mit den Kräften meiner Kamele in einiges Verhältnis bringen.

Der Derwisch machte es ebenso, wie ich, doch bemerkte ich, daß er sich mehr an die Edelsteine hielt; als er mir nun den Grund auseinandersetzte, folgte ich seinem Beispiel, und wir nahmen weit mehr Edelsteine von verschiedenen Arten mit, als gemünztes Gold. Kurz und gut, wir füllten endlich alle unsere Säcke und luden sie den Kamelen auf. Es blieb uns jetzt nichts weiter übrig, als den Schatz wieder zu verschließen und uns wieder auf den Rückweg zu begeben.

Ehe wir uns aufmachten, ging der Derwisch noch einmal in das Schatzgewölbe hinein, allwo sich eine Menge kunstreich gearbeiteter Vasen aus Gold und anderen kostbaren Stoffen befanden, und ich bemerkte, daß er aus einer dieser Vasen eine kleine Büchse von einem mir unbekannten Holze herauszog und in seinen Busen steckte; doch hatte er mir zuvor gezeigt, daß weiter nichts darin war, als eine Art Haarsalbe.

Der Derwisch verrichtete hierauf dieselbe Zeremonie, um den Schatz zu verschließen, wie bei der Öffnung desselben, und nachdem er gewisse Worte gesprochen, schloß sich das Schatzgewölbe und der Fels erschien uns wieder ganz wie zuvor.

Wir ließen nun die Kamele mit ihren Lasten aufstehen und teilten sie unter uns. Ich stellte mich an die Spitze der vierzig, die ich mir vorbehalten, und der Derwisch an die Spitze der übrigen, die ich ihm abgetreten hatte.

So zogen wir wieder durch den engen Weg hindurch, auf dem wir ins Tal hereingekommen waren, und dann weiter miteinander bis auf die große Heerstraße, wo wir uns trennen wollten; der Derwisch, um seine Reise nach Baßrah fortzusetzen, ich, um nach Bagdad zurückzukehren. Ich dankte ihm mit den stärksten Ausdrücken für seine Wohltat, daß er gerade mich gewählt habe, um an diesen ungeheuren Reichtümern teilzunehmen; hierauf umarmten wir uns recht herzlich, sagten einander Lebewohl und zogen, jeder seine Straße, weiter. Kaum aber hatte ich einige Schritte getan, um meine Kamele, die indes auf dem ihnen angewiesenen Wege vorausgegangen waren, wieder einzuholen, als sich der Teufel des Neides und des Undanks meines Herzens bemächtigte; ich konnte den Verlust meiner vierzig Kamele und noch mehr die Reichtümer, womit sie beladen waren, nicht verschmerzen. »Der Derwisch«, sagte ich bei mir selbst, »braucht diese Reichtümer alle nicht; er kann ja über den Schatz verfügen und sich holen, so viel er will.« So hörte ich denn auf die Einflüsterungen des schwärzesten Undankes und entschloß mich, ihm seine Kamele mit ihrer Ladung wieder zu nehmen.

Um meinen Plan ausführen zu können, ließ ich vor allem meine Kamele anhalten und lief dann hinter dem Derwisch her, rief seinen Namen, so laut ich konnte, wie wenn ich ihm noch etwas zu sagen hätte, und gab ihm ein Zeichen, daß er seine Kamele auch anhalten und mich erwarten solle. Er hörte mein Geschrei und blieb stehen.

Als ich ihn eingeholt hatte, sagte ich zu ihm: »Mein Bruder, kaum hatte ich dich verlassen, so fiel mir etwas ein, an was ich zuvor nicht gedacht hatte, und du vielleicht ebenso wenig. Du bist ein frommer Derwisch und an ein ruhiges Leben gewöhnt, frei von allen Sorgen der Welt und ohne ein anderes Geschäft, als Gott zu dienen. Du weißt wohl nicht, welche Last du dir aufgebürdet hast, indem du eine so große Anzahl Kamele mit dir nahmst. Folge mir und begnüge dich mit dreißig; auch diese werden dir noch Mühe genug machen. Du kannst dich hierin ganz auf mich verlassen, denn ich habe Erfahrung!« – »Ich glaube, daß du recht hast«, antwortete der Derwisch, der sich nicht imstande sah, mit mir zu streiten, »und ich gestehe«, fuhr er fort, »daß ich nicht daran gedacht hatte. Auch fing ich bereits an, darüber unruhig zu werden; wähle dir also nach deinem Belieben zehn davon aus und führe sie in Gottes Namen fort.«

Ich wählte mir nun zehn aus, ließ sie umkehren und meinen übrigen Kamelen nachziehen. Ich hatte in der Tat nicht geglaubt, daß der Derwisch so leicht sich würde überreden lassen. Seine Nachgiebigkeit steigerte meine Gier noch mehr und ich schmeichelte mir, ich würde vielleicht ebenso leicht noch zehn andere von ihm bekommen können.

Statt ihm also für ein reiches Geschenk zu danken, fuhr ich fort: »Mein Bruder, ich bin zu sehr für deine Ruhe besorgt, als daß ich von dir scheiden könnte, ohne dir ans Herz zu legen, wie schwer dreißig beladene Kamele zu leiten sind, besonders für einen Mann wie du, der an dergleichen Geschäfte nicht gewöhnt ist. Du würdest dich weit besser befinden, wenn du mir noch ein solches Geschenk machen wolltest, wie du mir soeben gemacht hast. Du siehst, daß ich dir dies nicht aus Eigennutz sage, sondern vielmehr, um dir einen großen Gefallen zu erweisen. Erleichtere dir also deine Last noch um zehn andere Kamele und übergib sie mir, denn mir macht es nicht mehr Mühe, für hundert Kamele zu sorgen, als für ein einziges.«

Meine Rede machte den gewünschten Eindruck, und der Derwisch trat mir ohne Weigern die zehn Kamele ab, die ich verlangte, so daß er bloß noch zwanzig, ich aber sechzig hatte, deren Ladung die Reichtümer mancher Fürsten an Wert überstieg. Man sollte glauben, daß ich jetzt hätte zufrieden sein können.

Aber, o Beherrscher der Gläubigen, ich glich einem Wassersüchtigen, der, je mehr er trinkt, desto mehr Durst bekommt, und immer heftiger brannte in mir die Begierde, auch die zwanzig anderen Kamele, die der Derwisch hatte, noch zu bekommen.

 

Ich fing also aufs neue an, ihn inständig und mit der größten Zudringlichkeit zu bitten, er möchte mir noch zehn von seinen zwanzig bewilligen, und er ließ es sich wirklich gefallen. Um nun aber auch noch seine zehn letzten zu bekommen, umarmte ich ihn, bedeckte ihn mit Küssen und Liebkosungen und beschwor ihn solange, mir meine Bitte ja nicht abzuschlagen, um dadurch der ewigen Verpflichtung, die ich gegen ihn haben werde, die Krone aufzusetzten, bis er endlich durch die Erklärung, er schenke mir alles, meine Freude vollkommen machte. »Mache aber einen guten Gebrauch davon, mein Bruder«, setzte er hinzu, »und ich erinnere dich, daß Gott uns den Reichtum ebenso leicht wieder nehmen kann, als er ihn gibt, wenn wir ihn nicht zur Unterstützung der Armen anwenden, die er bloß deswegen in Dürftigkeit läßt, um den Reichen Gelegenheit zu geben, sich durch Almosen einen reichen Lohn in jener Welt zu verdienen.«

Ich war zu sehr mit Blindheit geschlagen, um diesen heilsamen Rat benützen zu können. Nicht zufrieden mit dem Besitze meiner achtzig Kamele und der Gewißheit, daß sie mit unermeßlichen Schätzen beladen waren, die mich zum wohlhabendsten aller Menschen machen mußten, kam ich nun auch auf den Gedanken, das kleine Büchschen mit der Salbe, das der Derwisch genommen und mir gezeigt hatte, sei vielleicht noch etwas weit Kostbareres, als diese Reichtümer, die ich ihm verdankte. »Der Ort, wo der Derwisch es nahm«, sagte ich bei mir selbst, »und die Sorgfalt, womit er es zu sich gesteckt hat, ist ein deutlicher Beweis, daß es etwas Geheimnisvolles in sich schließt.« Ich suchte es nun auf folgende Art in meine Gewalt zu bekommen. Nachdem ich ihn umarmt und mich von ihm verabschiedet hatte, drehte ich mich noch einmal gegen ihn um und sagte: »Noch eins, was willst du denn mit dem kleinen Salbenbüchschen machen? Es scheint mir so wertlos, daß es sich nicht der Mühe lohnt, es mitzunehmen; überhaupt brauchen Derwische, wie du, die den Eitelkeiten der Welt entsagt haben, keine Haarsalbe.«

Wollte Gott, er hätte mir diese Büchse verweigert! Aber wenn er es hätte tun wollen, ich hätte mich vor Wut nicht mehr gekannt; ich war stärker als er und fest entschlossen, es ihm mit Gewalt zu nehmen, nur um die Befriedigung zu haben, daß niemand sagen könnte, jener habe auch nur das Geringste von dem Schatze mitgenommen, und doch hatte ich so große Verpflichtungen gegen ihn.

Der Derwisch schlug es mir also nicht ab, sondern zog es sogleich aus seinem Busen, überreichte es mir auf die verbindlichste Art von der Welt und sagte: »Hier mein Bruder, hast du auch dieses Büchschen, damit nichts zu deiner Zufriedenheit fehle. Wenn ich sonst noch etwas für dich tun kann, so darfst du nur befehlen; ich bin bereit, dir zu willfahren.«

Als ich die Büchse in meinen Händen hatte, öffnete ich sie, betrachtete die Salbe und sagte zu ihm: »Da du so freundschaftlich bist und mir alle Gefälligkeiten erweisest, so ersuche ich dich, mir auch noch zu sagen, welchen besonderen Gebrauch man von dieser Salbe machen kann.«

»Einen höchst merkwürdigen und wunderbaren«, antwortete der Derwisch. »Wenn du nämlich etwas Weniges von dieser Salbe um das linke Auge und das Augenlid streichst, so werden vor deinen Augen alle Schätze erscheinen, die im Schoße der Erde verborgen sind; streichst du aber etwas davon auf das rechte Auge, so macht es dich blind.

Ich wünschte diese wunderbare Wirkung an mir selbst zu erfahren, und sagte zu dem Derwisch, indem ich ihm die Büchse reichte: »Hier, nimm und streich mir etwas von der Salbe ums linke Auge, du verstehst es besser, als ich. Ich kann kaum erwarten, bis ich mich von dieser Sache, die mir unglaublich scheint, selbst überzeuge.«

Der Derwisch hatte die Gefälligkeit, sich dieser Mühe zu unterziehen; er hieß mich das linke Auge schließen und umstrich es mit der Salbe. Als dies geschehen war, öffnete ich das Auge und sah, daß er mir die Wahrheit gesagt hatte. Ich erblickte wirklich eine ungeheure Menge von Schatzgewölben mit so erstaunlichen und mannigfachen Reichtümern angefüllt, daß es mir unmöglich wäre, alle einzeln anzugeben. Da ich jedoch während dessen das rechte Auge mit der Hand fest zuhalten mußte und mir dieses langweilig wurde, so bat ich den Derwisch, er möchte mir auch um dieses Auge etwas von der Salbe streichen.

»Ich will es gern tun«, antwortete er, »aber du mußt bedenken, was ich dir bereits gesagt habe; so wie du etwas auf das rechte Auge bringst, so wirst du augenblicklich blind. Die Salbe hat nun einmal diese Kraft und du mußt dich danach richten.«

Ich glaubte, es müsse noch ein anderes Geheimnis darunter stecken, das der Derwisch mir verbergen wolle, und sagte daher lächelnd zu ihm: »Lieber Bruder, ich sehe wohl, daß du mich zum besten haben willst; wie wäre es denn möglich, daß diese Salbe zwei so ganz entgegengesetzte Wirkungen haben sollte?«

»Und doch ist es so«, versetzte der Derwisch und rief Gott zum Zeugen an; »du kannst es mir auf mein Wort glauben, denn ich verschweige nie die Wahrheit.«

Ich wollte den Worten des Derwisches, der es ehrlich mit mir meinte, nicht trauen, und da ich der Lust nicht widerstehen konnte, nach meinem Belieben alle Schätze der Erde betrachten und dieselben vielleicht, wenn es mir einfiele, genießen zu dürfen, so hörte ich nicht auf seine Vorstellungen und glaubte eine Sache nicht, die, wie ich bald nachher zu meinem großen Unglück erfuhr, nur zu gewiß war.

In meinem tollen Irrwahn bildete ich mir ein: wenn diese Salbe auf das linke Auge gestrichen die Kraft habe, mich alle Schätze der Erde sehen zu lassen, so habe sie vielleicht, wenn man sie auf das rechte streiche, die Kraft, mich zum Besitzer derselben zu machen. In dieser Meinung drang ich hartnäckig in den Derwisch, er möchte mir ein wenig Salbe um das rechte Auge streichen, aber er weigerte sich standhaft, dies zu tun. »Nachdem ich dir so viel Gutes erzeigt habe, mein Bruder«, sagte er zu mir, »kann ich mich nicht entschließen, dich in ein solches Unglück zu stürzen. Bedenke es selbst, wie traurig es ist, des Augenlichts beraubt zu sein, und versetze mich nicht in die höchst verdrießliche Notwendigkeit, dir in einer Sache zu willfahren, die du dein Leben lang bereuen müßtest.«

Ich trieb meine Hartnäckigkeit bis aufs äußerste. »Mein Bruder«, sagte ich in festem Tone zu ihm, »ich bitte dich, schweig mir von all diesen Schwierigkeiten. Du hast mir höchst großmütig alles gewährt, um was ich dich bisher bat; verlangst du denn, daß ich wegen einer solchen Kleinigkeit im Unfrieden von dir scheiden soll? Im Namen Gottes bewillige mir auch diese letzte Gunst. Mag daraus entstehen, was da will, ich werde dir nie deswegen böse werden und die Schuld ganz allein mir zuschreiben.«

Der Derwisch bot alle seine Überredungskünste auf, um mich davon abzubringen; endlich aber, da er sah, daß ich imstande war, ihn zu zwingen, sagte er: »Da du es durchaus verlangst, so will ich deinen Willen tun.« Und so nahm er ein wenig von der unglückseligen Salbe und strich es mir auf das rechte Auge, das ich fest zuhielt; aber ach! als ich es wieder öffnete, sah ich nichts als dichte Finsternis vor meinen beiden Augen, und blieb. von Stund an blind, wie du mich siehst.

»Gottverfluchter Derwisch!« schrie ich jetzt, »was du mir sagtest, ist nur zu wahr; unselige Neugierde, unersättliches Verlangen nach Reichtümern, in welchen Abgrund von Elend habt ihr mich gestürzt! Ich sehe wohl ein, daß ich es mir selbst zugezogen habe, allein, mein lieber Bruder«, setzte ich, gegen den Derwisch gewendet, hinzu, »du warst so freundschaftlich und wohltätig gegen mich; solltest du unter so vielen wunderbaren Geheimnissen, die dir bekannt sind, nicht auch eines wissen, das mir mein Augenlicht wiedergeben könnte?«