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Tausend Und Eine Nacht

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Es war dem wirklich so. Piruza war kaum auf ihr Zimmer zurückgekehrt, als ihr der Sklave meldete, ein unbekannter Mann habe ihr etwas Wichtiges mitzuteilen, was den Prinzen Chodadad betreffe. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als Piruza eine lebhafte Ungeduld an den Tag legte, den Unbekannten zu sehen. Der Sklave ließ ihn sogleich ins Gemach der Prinzessin treten, die alle ihre Frauen wegschickte, mit Ausnahme von zweien, vor denen sie kein Geheimnis hatte. Sobald sie des Wundarzts ansichtig wurde, fragte sie hastig, welche Nachricht er ihr von Chodadad zu bringen habe. »Herrin«, antwortete dieser, nachdem er sich mit dem Gesicht auf den Boden geworfen hatte, »ich habe dir eine lange Geschichte zu erzählen und Dinge, worüber du dich ohne Zweifel verwundern wirst.« Hierauf erzählte er ihr umständlich alles, was zwischen Chodadad und seinen Brüdern vorgefallen war. Sie hörte ihn mit gieriger Aufmerksamkeit an; als er aber auf den Meuchelmord zu sprechen kam, fiel die zärtliche Mutter, gleich als würde sie von denselben Stichen durchbohrt wie ihr Sohn, ohnmächtig auf ein Sofa. Die beiden Frauen kamen ihr schleunig zu Hilfe und brachten sie wieder zur Besinnung. Der Wundarzt fuhr nun in seinem Berichte fort, und als er geendigt hatte, sagte die Prinzessin zu ihm: »Geh schnell zur Prinzessin von Deryabar zurück und verkündige ihr in meinem Namen, daß der König sie alsbald als Schwiegertochter anerkennen wird; was aber dich betrifft, so sei überzeugt, deine Dienste werden dir gut belohnt werden.«

Als der Wundarzt sich entfernt hatte, blieb Piruza auf dem Sofa in einem Zustand der Traurigkeit, den man sich wohl denken kann. Durchdrungen von der Erinnerung an Chodadad rief sie aus: »O mein Sohn, so bin ich denn auf immer deines Anblicks beraubt! Als ich dich aus Samarien ziehen ließ, um an diesen Hof zu reisen, als du mir Lebewohl sagtest, ach! da ahnte ich nicht, daß ein grauenvoller Tod fern von mir deiner harrte. O unglücklicher Chodadad, warum hast du mich verlassen? Du hättest dir freilich nicht so hohen Ruhm erworben, aber du lebtest noch und würdest deiner Mutter nicht so viele Tränen kosten.« Bei diesen Worten weinte sie bitterlich, und ihre beiden Vertrauten, gerührt von ihrem Schmerz, vermischten ihre Tränen mit den Tränen ihrer Gebieterin.

Während sie so alle drei in maßloser Betrübnis da saßen, trat der König ins Zimmer, und als er sie in diesem Zustand erblickte, fragte er Piruza, ob sie vielleicht traurige Nachrichten von Chodadad erhalten hätte. »Ach, Herr«, sagte sie, »es ist um ihn geschehen: mein Sohn ist tot, und um das Maß meines Kummers voll zu machen, kann ich ihm nicht einmal die Ehre des Begräbnisses erweisen, denn allem Anschein nach haben ihn wilde Tiere gefressen.« Hierauf erzählte sie ihm, was sie von dem Wundarzt gehört hatte, und ließ sich namentlich über die grausame Art aus, wie Chodadad von seinen Brüdern ermordet worden war.

Der König ließ Piruza nicht Zeit, ihre Erzählung zu vollenden; er fühlte sich von Zorn entbrannt und sagte in seiner Entrüstung zu ihr: »Geliebtes Weib, die Schurken, die deine Tränen fließen machen und ihrem Vater einen tödlichen Schmerz bereiten, sollen ihre gerechte Strafe erleiden.« So sprechend begab sich der König mit wutfunkelnden Augen in den Audienzsaal, wo alle seine Höflinge und diejenigen von seinen Untertanen, die ihn um etwas bitten wollten, versammelt waren. Alle erstaunten, als sie die Wut auf seinem Gesicht sahen; schon fürchteten sie, er möchte über sein Volk erbost sein, und ihre Herzen erstarrten vor Schrecken. Er bestieg den Thron, hieß den Großvezier nahen und sagte zu ihm: »Hasan, ich habe dir einen Befehl zu geben. Geh auf der Stelle hin, nimm tausend Mann von meiner Leibwache und verhafte alle Prinzen, meine Söhne. Sperre sie in den Turm der Meuchelmörder und vollziehe dies sogleich.« Bei diesem außerordentlichen Befehl erbebten alle Anwesenden: der Großvezier legte, ohne ein einziges Wort zu sprechen, die Hand auf seinen Kopf, um zu zeigen, daß er bereit sei, zu gehorchen und verließ den Saal, um einen Befehl zu vollziehen, der ihn so sehr überraschte. Indes schickte der König alle Personen, die Audienz bei ihm verlangten, zurück und erklärte, er wolle binnen Monatfrist von keinem Geschäft mehr hören. Er war noch im Saal, als der Vezier zurückkam. »Nun, Vezier«, sagte er zu ihm, »sind alle meine Söhne im Turm?« – »Ja, Herr«, antwortete der Minister, »dein Befehl ist erfüllt.« – »Ich habe dir noch einen anderen zu geben«, sagte der König. Mit diesen Worten verließ er den Audienzsaal und kehrte in Piruzas Zimmer zurück, wohin der Vezier ihm folgte. Er fragte die Fürstin, wo die Witwe Chodadads wohne. Piruzas Frauen sagten es ihm, denn der Wundarzt hatte es in seinem Bericht nicht vergessen. Sofort wandte sich der König zu seinem Minister und sprach: »Geh in diesen Karawanserei und führe eine junge Prinzessin, die daselbst wohnt, hierher. Behandle sie aber mit aller Ehrfurcht, die einer Frau von ihrem Range gebührt.«

Der Vezier vollzog auch diesen Befehl sogleich. Er stieg samt allen Emiren und den übrigen Hofleuten zu Pferd, begab sich nach dem Karawanserei, wo die Prinzessin von Deryabar war, eröffnete ihr seinen Auftrag und ließ ihr auf Befehl des Königs ein schönes weißes Maultier vorführen, dessen Sattel und Zaum von Gold und mit Rubinen und Smaragden besät war. Sie bestieg es und ritt mitten unter diesen Herren nach dem Palast. Der Wundarzt begleitete sie ebenfalls auf einem schönen tartarischen Roß, das der Vezier ihm hatte geben lassen. Alles Volk stand an den Fenstern oder auf den Gassen, um den prächtigen Zug vorbeikommen zu sehen, und als bekannt wurde, daß die Prinzessin, die man so feierlich nach dem Hof geleitete, die Gemahlin Chodadads war, so entstand ein allgemeiner Jubel. Die Luft erscholl von tausendfältigem Freudengeschrei, das sich ohne Zweifel in Wehklagen verwandelt hätte, wenn das traurige Schicksal dieses Prinzen bekannt gewesen wäre; so sehr war er bei aller Welt beliebt.

Die Prinzessin von Deryabar traf den König an der Pforte des Palastes, so er sie erwartete und empfing. Er nahm sie bei der Hand und führte sie in Piruzas Gemach, woselbst ein höchst rührender Auftritt statthafte. Die Gemahlin Chodadads fühlte sich beim Anblick des Vaters und der Mutter ihres Gatten aufs neue von ganzen Gewicht ihres Kummers darniedergedrückt, so wie der Vater und die Mutter die Gemahlin ihres Sohnes nicht ohne gewaltige innere Bewegung ansehen konnten. Sie warf sich zu den Füßen des Königs, badete sie mit ihren Tränen und konnte vor Kummer und Herzeleid kein Wort hervorbringen. Nicht minder beklagenswert war Piruzas Zustand; ihr Unglück schien ihr das Herz abzudrücken, und der König, der diesem rührenden Anblick nicht widerstehen konnte, überließ sich seiner eigenen Trostlosigkeit. So vermischten diese drei Personen ihre Seufzer und Tränen und beobachteten eine Zeitlang das Stillschweigen tiefen Seelenleids. Endlich erholte sich die Prinzessin von Deryabar und erzählte das Abenteuer im Schloß und das Unglück Chodadads. Schließlich bat sie um Gerechtigkeit für den Meuchelmord des Prinzen. »Ja, meine Tochter«, sagte der König, »die Undankbaren sollen sterben; zuvor aber muß ich Chodadads Tod öffentlich bekannt machen lassen, damit die Hinrichtung seiner Brüder keinen Aufruhr im Volk erweckt. Übrigens wollen wir, obschon wir den Leichnam meines Sohnes nicht haben, dennoch nicht unterlassen, ihm die letzte Ehre zu erweisen.« Nach diesen Worten wandte er sich an seinen Vezier und befahl ihm, auf der schönen Ebene, in deren Mitte die Stadt Harran liegt, ein Grabmal mit einer Kuppel von weißem Marmor erbauen zu lassen; inzwischen aber wies er der Prinzessin von Deryabar, die er als Schwiegertochter anerkannte, eine prächtige Wohnung in seinem Palast an.

Hasan ließ mit solcher Emsigkeit arbeiten und verwendete so viele Handwerksleute dazu, daß das Kuppelgebäude in wenigen Tagen vollendet war. Unter der Kuppel wurde ein Grabmal errichtet und auf dasselbe Chodadads Bildsäule gestellt. Sobald das Werk fertig war, befahl der König, Gebete anzustellen, und setzte einen Tag zur Trauerfeier seines Sohnes fest.

Als dieser Tag erschien, strömten alle Einwohner der Stadt auf die Ebene, um der Feierlichkeit anzuwohnen, die auf folgende Weise geschah. Der König zog in Begleitung des Großveziers und der vornehmsten Herren seines Hofes nach dem Kuppelgebäude, und als er hier angekommen war, trat er hinein und setzte sich mit ihnen auf goldgeblümte schwarze Atlasteppiche. Hierauf zog eine zahlreiche Schar der Leibwache zu Pferd mit gesenktem Haupt und halbgeschlossenen Augen vor das Gebäude. Sie ritten zweimal in tiefem Schweigen rings umher, beim dritten Mal aber hielten sie vor der Tür still und sprachen einer nach dem anderen mit lauter Stimme folgende Worte: »O Prinz, Sohn des Königs, wenn wir durch die Schärfe unseres Schwertes und durch menschliche Tapferkeit dein Mißgeschick irgendwie erleichtern könnten, so solltest du bald das Licht wieder schauen; aber der König der Könige hat geboten, und der Engel des Todes hat gehorcht.« Nach diesen Worten zogen sie sich zurück, um hundert Greisen mit langen weißen Bärten Platz zu machen, die sämtlich auf schwarzen Maultieren ritten.

Es waren Einsiedler, die sich ihr Leben lang in Höhlen verborgen hielten und niemals den Augen der Menschen zeigten, außer um den Leichenbegängnissen der Könige von Harran und der Prinzen seines Hauses anzuwohnen. Diese ehrwürdigen Alten trugen auf dem Kopf jeder ein dickes Buch, das sie mit einer Hand hielten. Sie machten dreimal die Runde um das Gebäude, ohne ein Wort zu sagen; hierauf hielten sie an der Tür still, und einer von ihnen sprach folgende Worte: »O Prinz, was können wir für dich tun? Wenn man durch Gebet oder Wissenschaft dir das Leben wieder geben könnte, so würden wir unsere weißen Bärte an deinen Füßen reiben und Gebete hersagen; aber der Beherrscher des Weltalls hat dich auf immer hinweggenommen.«

 

Nachdem die Greise also gesprochen, entfernten sie sich von dem Gebäude, und alsbald nahten sich fünfzig Fräulein von ausgezeichneter Schönheit. Sie ritten kleine weiße Pferde, waren ohne Schleier und trugen goldene Körbe voll kostbarer Edelsteine. Auch sie machten dreimal die Runde um das Gebäude, hielten dann an derselben Stelle wie die anderen an, worauf die Jüngste das Wort ergriff und also sprach: »O Prinz, der du einst so schön warst! welche Hilfe kannst du von uns erwarten? Wenn wir dich durch unsere Reize wieder beleben könnten, so wollten wir alle deine Sklavinnen sein; aber du hast kein Gefühl mehr für die Schönheit und bedarfst unserer nicht mehr.«

Nachdem die jungen Mädchen sich entfernt hatten, stand der König mit seinen Höflingen auf, machte ebenfalls dreimal die Runde ums Gebäude, nahm dann selbst das Wort und sprach: »O mein teurer Sohn, Licht meiner Augen, so habe ich dich denn auf immer verloren!« Er begleitete diese Worte mit Seufzern und benetzte das Grab mit seinen Tränen; die Höflinge weinten ebenfalls. Hierauf verschloß man die Tür des Grabmals und alles kehrte nach der Stadt zurück. Am anderen Tag wurden in den Moscheen öffentliche Gebete gehalten und dies acht Tage hintereinander fortgesetzt. Den neunten beschloß der König, die Prinzen, seine Söhne, enthaupten zu lassen. Das ganze Volk war empört über ihre Missethat an Chodadad und schien ihrer Hinrichtung mit Ungeduld entgegenzusehen. Schon fing man an, Schaffotte zu errichten, allein die Exekution mußte aufgeschoben werden, weil plötzlich die Nachricht kam, daß die benachbarten Fürsten, die den König von Harran schon früher bekriegt hatten, mit zahlreicheren Heeren als das erste Mal heranrückten und nicht mehr weit von der Stadt entfernt wären. Man hatte zwar schon lange gewußt, daß sie sich zum Krieg rüsteten, allein man hatte sich über diese Rüstungen nicht beunruhigt. Diese Nachricht verbreitete allgemeine Bestürzung und gab neuen Anlaß, Chodadad zu beklagen, der sich in dem früheren Krieg gegen eben diese Feinde so herrlich hervorgetan hatte, »Ach!« sagten die Leute, »wenn der hochherzige Chodadad noch lebte, so würden wir uns wenig um diese Fürsten bekümmern, die uns überfallen.« Der König aber gab sich nicht feiger Furcht hin: er hob schleunigst Mannschaft aus, brachte ein ansehnliches Kriegsheer zusammen, und, zu mutig, um sich von den Feinden in seinen Mauern aufsuchen zu lassen, zog er ihnen entgegen. Die Feinde ihrerseits, als sie von ihren Kundschaftern vernommen, daß der König von Harran heranrückte, um mit ihnen zu streiten, machten auf einer Ebene Halt und stellten ihr Heer in Schlachtordnung.

Sobald der König sie erblickte, ordnete er seine Truppen ebenfalls zum Kampf, ließ zum Angriff blasen und griff mit ungemeiner Tapferkeit die Feinde an. Sie leisteten hartnäckigen Widerstand, von beiden Seiten wurde viel Blut vergossen und der Sieg blieb lange schwankend. Endlich aber wollte er sich schon für die Feinde des Königs von Harran erklären, die an Anzahl überlegen waren und ihn umzingelten, als man plötzlich auf der Ebene eine große Schar Reiter in schönster Ordnung auf das Schlachtfeld dahersprengen sah. Der Anblick dieser neuen Streiter machte beide Teile stutzig, und sie wußten nicht, was sie davon denken sollten. Doch blieben sie nicht lange in dieser Ungewißheit, denn die Reiter faßten die Feinde des Königs von Harran in der Seite und drangen mit solcher Wut auf sie ein, daß sie sie bald in Unordnung brachten und in die Flucht schlugen. Damit noch nicht zufrieden, verfolgten sie die Fliehenden lebhaft und machten fast alle nieder.

Der König von Harran hatte mit großer Aufmerksamkeit den ganzen Vorgang beobachtet und die Kühnheit dieser Reiter bewundert, deren unverhoffte Hilfe den Sieg zu seinen Gunsten entschieden. Ganz besonderes Wohlgefallen hatte er an ihrem Anführer gefunden, den er mit löwenmütiger Tapferkeit fechten sah. Er wünschte sehr, den Namen dieses edlen Helden zu erfahren, und voll Ungeduld, ihn zu sehen und ihm zu danken, ritt er auf ihn zu; dieser aber eilte, ihm zuvorzukommen. Die beiden Fürsten begegneten sich und der König von Harran erkannte seinen Sohn Chodadad in dem tapfern Krieger, der ihm zu Hilfe gekommen oder vielmehr seine Feinde geschlagen hatte. Er blieb lange Zeit sprachlos vor Überraschung und Freude. »Herr«, sagte Chodadad, »du bist ohne Zweifel erstaunt, auf einmal wieder einen Menschen erscheinen zu sehen, den du vielleicht tot glaubtest; ich wäre es auch, wenn mich der Himmel nicht erhalten hätte, um dir gegen deine Feinde zu dienen.« – »Ach, mein Sohn!« rief der König, »ist‘s möglich, daß du mir wieder geschenkt bist! Auch ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben.« So sprechend, streckte er seine Arme gegen den jungen Prinzen aus und drückte ihn voll Zuversicht an seine Brust.

»Ich weiß alles, mein Sohn«, hub der König an, nachdem er ihn lange in seinen Armen gehalten hatte, »ich weiß, wie deine Brüder dir für die Befreiung aus der Hand des Schwarzen lohnten; aber du sollst morgen gerächt werden. Laß uns jetzt nach dem Palast gehen. Deine Mutter, die viele Tränen um dich vergossen hat, erwartet mich, um sich mit mir über die Niederlage unserer Feinde zu freuen. Wie groß wird ihr Entzücken sein, wenn sie erfährt, daß mein Sieg dein Werk ist!« – »Herr«, antwortete Chodadad, »erlaube mir, dich zu fragen, wie du das Abenteuer im Schloß erfahren konntest; sollte es vielleicht einer meiner Brüder, durch Gewissensbisse gepeinigt, gestanden haben?« – »Nein«, erwiderte der König, »die Prinzessin von Deryabar hat uns von allem unterrichtet, sie weilt in meinem Palast, wohin sie gekommen ist, um Rache für den Frevel deiner Brüder zu fordern.« Chodadad war außer sich vor Freude, daß die Prinzessin, seine Gemahlin, am Hofe war. Entzückt rief er aus: »Laß uns eilen, Herr, zu meiner Mutter, die uns erwartet; ich brenne vor Ungeduld, ihre Tränen und die der Prinzessin von Deryabar zu trocknen.« Der König kehrte alsbald mit seinem Heer in die Stadt zurück und verabschiedete dasselbe. Er zog siegreich in seinem Palast ein unter dem Zujauchzen des Volks, das ihm scharenweise folgte, indem es den Himmel um Verlängerung seiner Jahre anrief und den Namen Chodadads bis zu den Sternen erhob. Die beiden Fürsten trafen Piruza und ihre Schwiegertochter beisammen, die den König erwarteten, um ihm Glück zu wünschen; aber wer vermochte das freudige Entzücken der beiden Frauen zu beschreiben, als sie den jungen Prinzen an seiner Seite erblickten! Bei diesen Umarmungen flossen ganz andere Tränen, als sie bisher um ihn vergossen hatten. Nachdem die vier Glücklichen allen Eingebungen des Blutes und der Liebe Genüge getan hatten, fragte man Piruzas Sohn, durch welche Wunder er noch am Leben sei.

Er antwortete, ein Bauer auf einem Maulesel sei zufällig in das Zelt gekommen, worin er ohnmächtig gelegen, und als er ihn allein, verwundet und von Stichen durchbohrt gesehen, habe er ihn auf sein Tier gelegt und in sein Haus gebracht; dort habe er ihm gewisse gekaute Kräuter auf seine Wunden gelegt, wodurch sie in wenigen Tagen geheilt worden seien. »Als ich mich wieder hergestellt fühlte«, fügte er hinzu, »dankte ich dem Bauern und gab ihm alle Diamanten, die ich bei mir hatte. Hierauf näherte ich mich der Stadt Harran; da ich aber unterwegs erfuhr, daß einige benachbarte Fürsten Truppen gesammelt hatten, um den König zu überfallen, so gab ich mich in den Dörfern umher zu erkennen und ermunterte den Eifer des Volks, sich zur Verteidigung zu erheben. Ich bewaffnete eine große Anzahl junger Leute, stellte mich an ihre Spitze und langte in dem Augenblick an, als die beiden Heere handgemein waren.«

Als er seine Erzählung geendigt hatte, sprach der König: »Laßt uns Gott danken, daß er Chodadad erhalten hat. Die Schurken aber, die ihn töten wollten, müssen heute noch sterben.« – »Herr«, entgegnete der edelmütige Sohn Piruzas, »so undankbar und boshaft sie auch sein mögen, so bedenke doch, daß sie aus einem Blut entsprungen sind. Es sind meine Brüder, ich verzeihe ihnen ihr Verbrechen und bitte dich um Gnade für sie.« Diese edlen Gesinnungen entlockten dem König Tränen; er ließ sein Volk zusammenrufen und erklärte Chodadad für seinen Thronerben. Hierauf ließ er die gefangenen Prinzen in ihren schweren Ketten vorführen. Piruzas Sohn nahm ihnen ihre Fesseln ab und umarmte sie, einen nach dem andern, ebenso herzlich, wie er es im Schloßhof des Schwarzen getan hatte. Das Volk war entzückt über Chodadads Gutherzigkeit und gab ihm auf tausenderlei Art seinen Beifall zu erkennen. Schließlich wurde auch der Wundarzt mit Gnadenbezeugungen überschüttet, zur Anerkennung der Dienste, die er der Prinzessin von Deryabar geleistet hatte.

Die Sultanin Schehersad hatte diese Geschichte so anmutsvoll erzählt, daß der Sultan von Indien, ihr Gemahl, nicht umhin konnte, ihr sein Wohlgefallen darüber zu bezeigen. »Wenn du«, antwortete sie, »auch die Geschichte Alaeddins anhören wolltest, dies würde dir gewiß recht viel Vergnügen machen.« Der Sultan wollte diese Geschichte sogleich anhören, allein es war Zeit aufzustehen, daher sie auf die folgende Nacht verschoben wurde, in welcher Schehersad folgendermaßen erzählte:

Geschichte Alaeddins und der Wunderlampe

Herr, in einer sehr reichen und großen Hauptstadt Chinas, deren Name mir im Augenblick entfallen ist, lebte ein Schneider, namens Mustafa, der sich von anderen Menschenkindern weiter durch nichts unterschied, als durch sein Gewerbe. Dieser Schneider Mustafa war sehr arm, und seine Arbeit warf ihm kaum viel ab, daß er, seine Frau und sein Sohn, den Gott ihnen geschenkt hatte, davon leben konnten.

Die Erziehung dieses Sohnes, welcher Alaeddin hieß, war sehr vernachlässigt worden, so daß er allerhand lasterhafte Neigungen angenommen hatte. Er war boshaft, halsstarrig und ungehorsam gegen Vater und Mutter. Kaum war er ein wenig herangewachsen, so konnten ihn seine Eltern nicht mehr im Hause zurückhalten. Er ging schon am frühen Morgen aus und tat den ganzen Tag nichts, als auf den Straßen und öffentlichen Plätzen mit kleinen Tagdieben spielen, die jünger waren als er.

Als er in die Jahre gekommen war, wo er ein Handwerk erlernen sollte, nahm ihn sein Vater, der nicht im stande war, ihn ein anderes lernen zu lassen, als das seinige, in seine Bude und fing an, ihn in der Handhabung der Nadel zu unterrichten. Allein weder gute Worte noch Drohungen des Vaters vermochten den flatterhaften Sinn des Sohnes zu fesseln. Er konnte es nicht dahin bringen, daß er seine Gedanken beisammenhielt und emsig und aushaltend bei der Arbeit blieb, wie er es wünschte. Kaum hatte Mustafa ihm den Rücken gekehrt, so entwischte Alaeddin und ließ sich den ganzen Tag nicht wieder sehen. Der Vater züchtigte ihn, aber Alaeddin war unverbesserlich, und Mustafa mußte ihn mit großem Bedauern zuletzt seinem liederlichen Leben überlassen, Dies verursachte ihm großes Herzeleid, und der Kummer darüber, daß er seinen Sohn nicht zur Pflicht zurückrufen konnte, zog ihm eine hartnäckige Krankheit zu, an der er nach einigen Monaten starb.

Da Alaeddins Mutter sah, daß ihr Sohn keine Miene machte, das Gewerbe des Vaters zu erlernen, so schloß sie die Bude und machte das ganze Handwerkszeug zu Geld, um sowohl davon, als von dem Wenigen, was sie mit Baumwollespinnen erwarb, mit ihrem Sohn leben zu können.

Alaeddin, der jetzt nicht mehr durch die Furcht vor seinem Vater in Schranken gehalten wurde, bekümmerte sich so wenig um seine Mutter, daß er sogar die Frechheit hatte, ihr bei den geringsten Vorstellungen zu drohen, und wurde immer liederlicher. Er suchte noch mehr als zuvor junge Leute von seinem Alter auf, und spielte mit ihnen unaufhörlich noch leidenschaftlicher, als bisher. Diesen Lebenswandel setzte er bis in sein fünfzehntes Jahr fort, ohne für irgend etwas anderes Sinn zu haben und ohne zu bedenken, was dereinst aus ihm werden sollte.

Eines Tages, als er nach seiner Gewohnheit mit einem Haufen Gassenjungen auf einem freien Platz spielte, ging ein Fremder vorüber, der stehenblieb und ihn ansah. Dieser Fremde war ein berühmter Zauberer, und die Geschichtschreiber, welche uns diese Erzählung aufbewahrt haben, nennen ihn den afrikanischen Zauberer. Wir wollen ihn gleichfalls mit diesem Namen bezeichnen, um so mehr. da er wirklich aus Afrika stammte und erst seit zwei Tagen angekommen war.

Sei es nun, daß der afrikanische Zauberer, der sich auf Physiognomien verstand, in Alaeddins Gesicht alles bemerkte, was zur Ausführung des Planes, der ihn hierher geführt, notwendig war, oder mochte er einen anderen Grund haben, genug, er erkundigte sich, ohne daß es jemanden auffiel, nach seiner Familie, seinem Stand und seinen Neigungen. Als er von allem, was er wünschte, gehörig unterrichtet war, ging er auf den jungen Menschen zu, nahm ihn einige Schritte von seinen Kameraden beiseite und fragte ihn: »Mein Sohn, ist dein Vater nicht der Schneider Mustafa?« – »Ja, lieber Herr«, antwortete Alaeddin, »aber er ist schon lange tot.«

 

Bei diesen Worten fiel der afrikanische Zauberer Alaeddin um den Hals, umarmte ihn und küßte ihn zu wiederholten Malen mit Tränen in den Augen und seufzend. Alaeddin bemerkte diese Tränen und fragte, warum er weine. »Ach, mein Sohn!« rief der afrikanische Zauberer, »wie könnte ich mich da enthalten! Ich bin dein Oheim und dein Vater war mein geliebter Bruder. Schon mehrere Jahre bin ich auf der Reise, und in dem Augenblick, da ich hier anlange, voll Hoffnung, ihn wiederzusehen und durch meine Rückkehr zu erfreuen, sagst du mir, daß er tot ist! Ich versichere dir, daß es mich empfindlich schmerzt, mich des Trostes beraubt zu sehen, den ich erwartete. Was meine Betrübnis allein ein wenig mildern kann, ist, daß ich, sofern ich mich recht erinnere, seine Züge auf deinem Gesicht wiederfinde, und ich sehe, daß ich mich nicht getäuscht habe, als ich mich an dich wandte.«

Er fragte hierauf Alaeddin, indem er seinen Beutel herauszog, wo seine Mutter wohne. Alaeddin erteilte ihm sogleich Auskunft, und der afrikanische Zauberer gab ihm im Augenblick eine Handvoll kleines Geld mit den Worten: »Mein Sohn, gehe schnell zu deiner Mutter, grüße sie von mir und sage ihr, daß ich, sofern es meine Zeit erlaubt, sie morgen besuchen werde, um mir den Trost zu verschaffen, den Ort zu sehen, wo mein lieber Bruder solange gelebt und seine Tage beschlossen hat.«

Sobald der afrikanische Zauberer den Neffen, den er sich soeben selbst geschaffen, verlassen hatte, lief Alaeddin, voll Freude über das Geld, das sein Oheim ihm geschenkt, zu seiner Mutter. »Mütterchen«, sagte er gleich beim Eintreten, »ich bitte dich, sage mir, ob ich einen Oheim habe.« – »Nein, mein Sohn«, antwortete die Mutter, »du hast keinen Oheim, weder von seiten deines seligen Vaters noch von der meinigen.« – »Und doch«, fuhr Alaeddin fort, »habe ich soeben einen Mann gesehen, der sich für meinen Oheim von väterlicher Seite ausgab und versicherte, daß er der Bruder meines Vaters sei. Er hat sogar geweint und mich umarmt, als ich ihm sagte, daß mein Vater tot wäre. Zum Beweis, daß ich die Wahrheit sage«, fügte er hinzu, indem er das empfangene Geld zeigte, »sieh einmal, was er mir geschenkt hat. Er hat mir überdies aufgegeben, dich in seinem Namen zu grüßen und dir zu sagen, daß er, wenn er Zeit hat, morgen dir seine Aufwartung machen wird, um das Haus zu sehen, wo mein Vater gelebt hat und wo er gestorben ist.«

»Mein Sohn«, antwortete die Mutter, »es ist wahr, dein Vater hatte einen Bruder; aber er ist schon lange tot und ich habe ihn nie sagen gehört, daß er noch einen anderen hätte.«

Damit wurde das Gespräch über den afrikanischen Zauberer abgebrochen.

Den anderen Tag näherte sich dieser zum zweiten Mal Alaeddin, als er auf einem anderen Platz in der Stadt mit anderen Kindern spielte. Er umarmte ihn, wie Tags zuvor, und drückte ihm zwei Goldstücke in die Hand, mit den Worten: »Mein Sohn, bring dies deiner Mutter, sage ihr, ich werde sie auf den Abend besuchen, und sie möge etwas zum Nachtessen kaufen, damit wir zusammen speisen können. Zuvor aber sage mir, wie ich das Haus finden kann.« Er bezeichnete es ihm und der afrikanische Zauberer ließ ihn gehen.

Alaeddin brachte die zwei Goldstücke seiner Mutter und sagte ihr, was sein Oheim zu tun willens sei. Sie ging, um das Geld zu verwenden, kam mit gutem Mundvorrat zurück, und da es ihr an einem großen Teil der nötigen Tischgerätschaften fehlte, so entlehnte sie dieselben von ihren Nachbarinnen. Sie brachte den ganzen Tag mit Vorbereitungen zu dem Mahl zu, und abends, als alles fertig war, sagte sie zu Alaeddin: »Mein Sohn, dein Oheim weiß vielleicht unser Haus nicht, gehe ihm entgegen und führe ihn hierher, wenn du ihn siehst.«

Obschon Alaeddin dem afrikanischen Zauberer das Haus bezeichnet hatte, so wollte er sich dennoch eben entfernen, als man an die Tür klopfte. Alaeddin öffnete und erkannte den Afrikaner, der mit mehreren Weinflaschen und Früchten von allerlei Gattungen hereintrat.

Nachdem der afrikanische Zauberer seinen Beitrag Alaeddin eingehändigt hatte, begrüßte er seine Mutter und bat sie, ihm die Stelle auf dem Sofa zu zeigen, wo sein Bruder Mustafa gewöhnlich gesessen sei. Sie zeigte ihm dieselbe. Nun warf er sich sogleich zur Erde, küßte die Stelle mehrere Male und rief mit Tränen in den Augen: »Armer Bruder, wie unglücklich bin ich, daß ich nicht zeitig genug gekommen bin, um dich vor deinem Tod noch einmal zu umarmen!« So sehr ihn nun auch Alaeddins Mutter bat, so wollte er sich doch nicht auf diesen Platz setzen. »Nein«, sagte er, »ich werde mich wohl hüten, aber erlaube, daß ich mich gegenüber setze, damit ich, wenn mir auch das Vergnügen versagt ist, ihn persönlich als Vater einer mir so teuren Familie zu sehen, mir wenigstens einbilden kann, er sitze noch dort.« Alaeddins Mutter drang nun nicht weiter in ihn und ließ ihn Platz nehmen, wo er Lust hatte.

Als der afrikanische Zauberer sich da gesetzt hatte, wo es ihm am besten behagte, fing er ein Gespräch mit Alaeddins Mutter an: »Meine liebe Schwester«, sagte er zu ihr, »wundere dich nicht, daß du während der ganzen Zeit, da du mit meinem Bruder Mustafa, seligen Andenkens, verheiratet warst, mich nie gesehen hast. Es sind schon vierzig Jahre, daß ich dieses Land, das sowohl meine als meines seligen Bruders Heimat ist, verlassen habe. Seitdem habe ich Reisen nach Indien, Persien, Arabien, Syrien und Ägypten gemacht, mich in den schönsten Städten dieser Länder aufgehalten und bin dann nach Afrika gegangen, wo ich einen längeren Aufenthalt nahm. Da es indes dem Menschen angeboren ist, sein Heimatland, sowie seine Eltern und Jugendgespielen, auch in der weitesten Ferne nie aus dem Gedächtnis zu verlieren, so hat auch mich ein so gewaltiges Verlangen ergriffen, mein Vaterland wiederzusehen und meinen geliebten Bruder zu umarmen, jetzt, da ich noch Kraft und Mut zu einer so langen Reise in mir fühle, daß ich ohne weiteren Aufschub meine Vorbereitungen traf und mich auf den Weg machte. Ich sage dir nichts von der Länge der Zeit, die ich dazu brachte, noch von den Hindernissen, die mir aufstießen, noch von all den Beschwerden und Mühsalen, die ich überstehen mußte, um hierher zu kommen. Ich sage dir bloß, daß mich auf allen meinen Reisen nichts so tief gekränkt und geschmerzt hat, als die Nachricht von dem Tod eines Bruders, den ich immer mit echt brüderlicher Freundschaft geliebt hatte. Ich bemerkte einige Züge von ihm auf dem Gesicht meines Neffen, deines Sohnes, und dies machte, daß ich ihn aus all den übrigen Kindern, bei denen er war, herausfand. Er hat dir vielleicht erzählt, wie sehr die traurige Nachricht vom Tod meines Bruders mich ergriff. Indes, was Gott tut, das ist wohlgetan; ich tröste mich, ihn in seinem Sohn wiederzufinden, der so auffallende Ähnlichkeit mit ihm hat.«

Als der afrikanische Zauberer sah, daß Alaeddins Mutter bei der Erinnerung an ihren Mann gerührt wurde und aufs neue in Schmerz versank, so brach er das Gespräch ab, wendete sich zu Alaeddin und fragte ihn um seinen Namen.« – »Ich heiße Alaeddin«, antwortete dieser. – »Nun gut, Alaeddin«, fuhr der Zauberer fort, »mit was beschäftigst du dich? Verstehst du auch ein Gewerbe?«