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Tausend Und Eine Nacht

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Ehe er noch ausgeredet hatte, unterbrach ihn der Kalif mit den Worten: »Genug, ich glaubte, du gehörst zu den Mädchen, nun sehe ich, daß du nicht mehr weißt, als wir alle. Indessen sind wir hier ja sieben Männer, sie sind nur drei Frauen, ich werde sie nun fragen, wer sie sind, und antworten sie nicht gutwillig, so können wir sie schon dazu zwingen.« Alle waren damit einverstanden, Gewalt anzuwenden außer Djafar, der ihnen vorstellte, daß sie hier als Gäste seien und nur unter der Bedingung aufgenommen wurden, daß sie zu allem schweigen wollten, was sie auch sehen möchten. Er sagte leise zu dem Kalifen: »Die Nacht ist ja bald vorüber, dann trennen wir uns, jeder geht seines Weges; morgen früh bringe ich die Mädchen vor dich und du kannst dann von ihnen verlangen, daß sie dir über alles, was hier vorgegangen, die Wahrheit berichten.« Der Kalif war aber so ungeduldig, daß er Djafar ganz zornig anfuhr und darauf bestand, die Mädchen müßten ihnen schon jetzt über alles Aufschluß geben. Es wurde dann viel hin und her gestritten, bis endlich beschlossen war, der Lastträger müsse sie im Namen aller Anwesenden befragen. Als die Mädchen merkten, daß ihre Gäste in heftigem Wortwechsel waren, fragten sie: »Was gibt‘s, daß ihr so laut untereinander streitet?« Da antwortete der Lastträger: »Diese Leute wünschen, daß du ihnen erzählst, was mit diesen beiden Hündinnen vorgegangen, die du zuerst gepeitscht und mit denen du dann geweint hast; ebenso, warum deine Schwester so erbärmlich gegeißelt ist. Dies ist alles, was sie von dir verlangen.« »Ist dies wahr?« fragte die Hausherrin, zu den Leuten gewendet. Alle bejahten, außer Djafar, der kein Wort sprach. Als die Wirtin dies hörte, sagte sie zu ihnen: »Könnt ihr Gäste wohl so unbillig gegen mich sein? Haben wir euch nicht im voraus gesagt: Wer von Dingen spricht, die ihn nichts angehen, muß Dinge hören, die ihm nicht angenehm sind? Wir haben euch in unser Haus aufgenommen und unser Mahl mit euch geteilt, nun wollt ihr uns Gewalt antun? Glaubt ihr, euch alles erlauben zu dürfen, weil wir so närrisch waren, euch unsere Türe zu öffnen?« Hierauf schob sie ihr Kleid zurück, trat dreimal den Boden und rief: »Eilet herbei!« Sogleich kamen aus einem Kabinette, dessen Tür sich schnell öffnete, sieben Sklaven heraus, jeder hatte ein bloßes Schwert in der Hand, fiel über einen der Gäste her, warf ihn zur Erde und in einem Augenblicke waren alle gefesselt, aneinander gebunden und in einer Reihe auf den Boden mitten im Zimmer hingestreckt. Neben dem Haupte eines jeden blieb ein Sklave mit gezogenem Schwerte stehen und sagte zur Hausherrin: »O erhabene Gebieterin und mächtige Herrin, du darfst nur ein Zeichen geben und ihre Köpfe fallen.« »Wartet noch«, erwiderte diese, »ich will zuerst sie fragen, wer sie sind.« Da schluchzte der Träger und rief: »O meine erhabene Gebieterin, laß mich nicht die Schuld anderer büßen, alle haben unrecht gehandelt, nur ich nicht! wie schön war unser Tag, ehe diese Kalender gekommen, die, sobald sie in eine Stadt eingezogen, so viel Unheil stiften, bis sie verwüstet ist.« Dann setzte er auch noch weinend folgende Verse hinzu:

»Wie hoch ziert den Mächtigen die Nachsicht, besonders, wenn sein Feind hilflos ist; bei der heiligen Freundschaft, die zwischen uns bestand, laßt den Ersten nicht um des Letzten willen sterben.«D. h. den Lastträger, wegen des Ungestüms des zuletzt gekommenen Kalifen.

Die Wirtin mußte, so aufgebracht sie war, doch lachen und wandte sich dann zu den übrigen Gästen und sprach: »Saget mir, wer ihr seid, ihr habt nur noch kurze Zeit zu leben, wenn ihr nicht dartut, daß ihr vornehmen Standes, hohe Richter oder Häupter eures Volkes seid, sonst habt ihr wahrlich zu viel gegen uns gewagt.« Als der Kalif dies hörte, sagte er. »Djafar entdecke ihr eilig, wer wir sind, sie möchte uns sonst aus Unkenntnis umbringen lassen.« Djafar erwiderte hierauf: »Du hättest dies wohl zum Teile verdient.« Der Kalif sagte ihm zornig: »Es ist jetzt keine Zeit, dich über mich lustig zu machen.« Indessen fragte die Wirtin die Kalender, ob sie Brüder seien. Diese antworteten: »Nein, wir sind weder Brüder noch arme Derwische.« »Bist du halbblind geboren?« fragte sie den einen. »Nein bei Gott«, erwiderte er, »in meinem Leben haben sich so außerordentliche Begebenheiten ereignet, daß, wenn sie mit einer Nadel in das hohle Auge gestochen wären, sich ein jeder daraus belehren könnte; erst später verlor ich ein Auge, dann ließ ich meinen Bart abschneiden und wurde Kalender.« Nachdem die Wirtin, welche einen jeden der Kalender dasselbe gefragt, von jedem dieselbe Antwort erhielt und der letzte noch hinzusetze, jeder von ihnen sei aus einer anderen Stadt, Sohn eines Königs und selbst Regent, da sagte die Wirtin den Sklaven: »Verschonet den, der mir seine Lebensgeschichte und den Grund, warum er hierhergekommen, erzählt, und bringet denjenigen um, der dies zu tun sich weigert.«

Die Reihe kam zuerst an den Träger, der die Wirtin auf folgende Weise anredete: »Du weißt wohl, meine Gebieterin, daß ich ein Lastträger bin, deine Wirtschafterin hieß mich ihr folgen. Ich ging mit ihr zum Weinhändler, dann zum Metzger, dann zum Obsthändler, von diesem zu einem, der trockene Früchte verkauft, endlich zum Zuckerbäcker und Spezereihändler, dann kam ich hierher und somit wäre meine ganze Geschichte zu Ende.« Die Wirtin lachte und sagte ihm: »Dein Leben sei dir geschenkt, du kannst gehen;« er aber wünschte, noch da zu bleiben, um die Erzählungen der übrigen Gäste zu hören.

Geschichte des ersten Kalenders

Nun nahm der erste Kalender das Wort und sprach: »Wisse, o meine Gebieterin, folgendes ist der Grund, warum ich ein Auge und meinen Bart verloren: Mein Vater und mein Oheim waren beide Könige: letzterer hatte einen Sohn und eine Tochter. Als ich groß geworden, besuchte ich zuweilen meinen Oheim und brachte oft bei ihm mehrere Monate zu, denn es bestand das freundschaftlichste Verhältnis zwischen mir und meinem Vetter. Bei einem dieser Besuche erfuhr ich von meinem Vetter die allergrößten Ehrenbezeugungen; er lud mich zu Gast, ließ Schafe schlachten und klaren Wein dazu bringen. Nachdem wir ziemlich viel getrunken hatten, sagte er zu mir: »Ich arbeite schon ein ganzes Jahr an etwas, womit ich dich nun bekannt machen will, du darfst aber nicht weiter davon mit mir sprechen; willst du dies beschwören?« Als ich geschworen hatte, verließ er mich einige Augenblicke, erschien dann wieder mit einer Frau in reicher Kleidung, mit herrlichem Kopfputz und die feinsten Wohlgerüche verbreitend, so daß ihr Anblick uns noch mehr als der genossene Wein berauschte. Nachdem wir eine Weile noch zusammen getrunken hatten, bat er mich, mit dieser Frau nach einem mir wohlbekannten Denkmal, das er mir genau beschrieb, zu gehen. Ich mußte, meinem Eid gemäß, tun, wie er gesagt, und durfte nicht einmal fragen, was daraus werden sollte. Wir hatten kaum das Grab mit der Kuppel erreicht und uns daselbst niedergelassen, da kam mein Vetter mit einem Töpfchen Wasser, mit einem Säckchen Gips und mit einer eisernen Hacke. Er öffnete das Grab mit der eisernen Hacke, legte die weggebrochenen Steine auf die Seite der über dem Grab sich erhebenden Kuppel, grub dann mit der Hacke den Boden des Grabes auf, bis er auf eine äußere Platte stieß, so breit und so lang, wie die Tür des Grabes. Diese hob er weg und man sah darunter eine Treppe; er winkte dann der Frau und sagte ihr: »Komm hierher, hier findest du, was du wünschst.« Die Frau ging hinunter und verschwand vor meinen Augen. Er wandte sich dann zu mir und sagte: »Nun erzeige mir den letzten Gefallen und schließe das Grab hinter uns.«

Als ich, fuhr der erste Kalender fort, immer noch berauscht, so wie mein Freund befohlen, das Grab bedeckt hatte, ging ich nach meines Oheims Hause, der damals auf der Jagd war, zurück und schlief bald ein. Des anderen Morgens überdachte ich alles, was am vorhergehenden Tage sich zugetragen, fand es aber so außerordentlich, daß ich glaubte, geträumt zu haben. Da aber, als ich nach meinem Vetter fragte, niemand mir zu sagen wußte, was aus ihm geworden, ging ich nach dem Begräbnisort und suchte die Kuppel, konnte sie aber nicht finden, obwohl ich ein Grab nach dem anderen durchwanderte, bis mich endlich die Nacht überfiel. Nun wurde ich immer mehr um meinen Vetter besorgt, denn ich wußte ja nicht, wohin die Treppe unter dem Grab führte; immer glaubte ich noch, das ganze sei nur ein Traum gewesen. Ich ging wieder nach Hause, aß ein wenig, denn ich hatte den ganzen Tag weder an Essen noch Trinken gedacht, und legte mich zur Ruhe. Ich brachte die folgenden vier Tage auf dieselbe Weise zu und suchte beständig jene mir bekannte Kuppel und konnte sie nicht finden. Ich wurde so melancholisch und trüb gestimmt, daß ich wohl wahnsinnig geworden wäre, wenn ich nicht den Entschluß gefaßt hätte, nach meiner Heimat zu meinem Vater zurückzukehren. Ich hatte aber kaum die Stadttore meines Wohnorts erreicht, da fiel man mit Knüppeln über mich her, legte mich in Ketten und schleppte mich hinweg. Als ich mich nach der Ursache dieser grausamen Behandlung erkundigte, sagte man mir, der Vezier habe gegen meinen Vater sich empört und die ganze Armee gewonnen, meinen Vater ermordet, selbst den Thron bestiegen und sogleich Befehle erteilt, mir aufzulauern und mich festzunehmen. Wie ich dies hörte, fiel ich bewußtlos nieder, und als ich wieder zu mir kam, stand ich vor dem Vezier, der schon längst mein Feind war; denn da ich von Kindheit an ein großer Freund vom Bogenschießen war und einst von der Terrasse meines Schlosses einen Vogel, der sich auf dem Dach niedergelassen, schießen wollte, kam er zufällig dazwischen, und der Pfeil, statt den Vogel zu töten, verletzte ihm ein Auge. Ich war ihm daher kaum gegenübergestellt, da riß er mir ein Auge mit seinen eigenen Händen aus, so daß es über meine Wangen herunter auslief, und seitdem bin ich halbblind. Nachdem dieses geschehen war, ließ er mich binden und in eine Kiste sperren; dann sagte er dem Henker meines Vaters: »Gürte dein Schwert um, besteige dein Pferd, nimm diesen Menschen mit in die Wüste, daß wilde Tiere und Raubvögel sein Fleisch verzehren.« Der Henker tat, wie ihm befohlen worden; er ritt mit mir fort, und als wir mitten in der Wüste waren, stieg er vom Pferde ab, zog mich aus der Kiste heraus und wollte mich töten; da fing ich an heftig zu weinen und folgendes Klagelied zu singen:

 

»Ich nahm euch als Harnisch und Schild, damit ihr meiner Feinde Pfeile von mir abhalten solltet, aber ihr wurdet selbst zu deren Spitzen. Ich hoffte, daß ihr jedes Unheil von mir entfernen werdet, nun bin ich zufrieden, wenn ihr nicht selbst mich ins Verderben stürzt.«

Als der Henker meine Klagen hörte und meine Tränen sah, ward er gerührt und entschloß sich, mich leben zu lassen. »Rette dich so schnell du kannst«, sagte er mir, »komme nie mehr in dieses Land, sonst kostet es mein und dein Leben, erinnere dich der Verse eines Dichters:

»Fürchtest du eine Gewalttat, so suche dein Leben zu retten; lasse dein Haus das Schicksal seines Erbauers verkünden! denn leicht kannst du ein Land mit dem anderen vertauschen, für dein Leben gibt‘s aber kein zweites.«

Ich küßte vor Freude dem Henker die Hand, denn ich hatte alle Hoffnung zu meiner Rettung verloren; nun, da mir das Leben geschenkt wurde, verschmerzte ich leicht das verlorene Auge. Ich machte mich sodann auf den Weg und reiste wieder zu meinem Oheim. Als ich ihm meine und meines Vaters Geschichte erzählt hatte, erwiderte er: »Auch ich habe der Leiden genug, denn mein Sohn ist verschwunden, niemand kann mir sagen, was aus ihm geworden ist.« Dabei weinte er so heftig, daß ich ihm nicht länger verschweigen konnte, was ich von seinem Sohne wußte. Er freute sich außerordentlich über meine Nachricht, und obschon ich ihm sagte, daß ich, nachdem sein Sohn verschwunden, lange die Kuppel gesucht, ohne sie wieder finden zu können, wollte er doch sogleich mit mir auf den Begräbnisplatz gehen. Ohne jemandem etwas davon zu sagen, gingen wir nun nach den Gräbern. Ungemein war meine Freude, als ich endlich jene Kuppel wiederfand und nunmehr hoffen konnte, zu erfahren, wo mein Vetter hingekommen. Wir gingen sogleich hinein, öffneten das Grab, bis wir die eiserne Platte fanden, und stiegen dann die ungefähr fünfzig Stufen lange Treppe hinunter. Als wir die letzte Stufe erreicht hatten, kam uns ein so starker Rauch entgegen, daß wir gar nicht mehr sahen, und mein Oheim schrie ganz erschrocken: »Nur der erhabene, mächtige Gott kann uns schützen!« Wir folgten dem Gange, der an die Treppe stieß, bis wir in eine Art Zimmer kamen, das auf Säulen ruhte und durch kleine Türmchen das Licht von oben empfing, wir fanden in diesem Zimmer eine Zisterne, Wasserkrüge, Früchte, Mehl und ähnlichen Mundvorrat. Mitten im Zimmer war ein Bett mit einem Vorhange; als mein Oheim den Vorhang vor diesem Bette aufhob, fand er darin seinen Sohn und die Frau, die ich mit ihm hinuntersteigen gesehen; sie hielten sich umarmt, waren ganz schwarz, als wären sie so lange am Feuer gelegen, bis sie zu Kohlen geworden. Mein Oheim jubelte, als er dies sah, er spie seinem Sohne ins Gesicht, indem er sagte: »Soviel hattest du hier zu leiden, nun kommen noch die Qualen jenes Lebens.« Hierauf zog er seine Pantoffel aus und schlug seinem Sohne damit ins Gesicht.

Als mein Oheim, fuhr der Kalender fort, seinen verbrannten Sohn so geschlagen, fragte ich ihn, ganz außer mir: »Warum schlägst du deinen Sohn noch, der schon so viel gelitten, daß mein Herz ganz betrübt darüber ist?« »Wisse, mein Neffe«, erwiderte er hierauf, »daß mein Sohn von seiner Kindheit an seine Schwester sehr leidenschaftlich geliebt; ich suchte diese Liebe zu vertilgen, doch dachte ich: sie sind ja beide nur noch Kinder. Als sie aber groß geworden und ich hörte, daß sie sich unwürdig betrugen, da ergriff ich meinen Sohn und prügelte ihn so durch, daß ich nicht wußte, wie er es aushalten konnte. Dann warnte ich ihn vor weiteren Fehltritten und sagte ihm:

»Hüte dich wohl, deiner Schwester zu nahe zu treten, denn Gott hat eine solche Liebe als strafbar erklärt: so etwas würde mich unter allen Regenten auf ewig brandmarken, bis in die entferntesten Länder würde diese Geschichte gebracht werden.« Dann trennte ich seine Schwester von ihm, aber auch ihrer hatte sich der Teufel schon bemächtigt, denn sie erwiderte seine Liebe. Nachdem daher mein Sohn sich von seiner Geliebten getrennt sah, ließ er diese unterirdische Wohnung bauen, einen Brunnen graben und verschiedenen Mundvorrat hierherbringen. Er benutzte den Tag wo ich auf der Jagd war, um mit deiner Hilfe seine Schwester hierherzubringen. Er glaubte wahrscheinlich sie hier lange besitzen zu können, aber Gott war wachsam.« Als mein Oheim diese Erzählung vollendet und lange mit mir geweint hatte, sagte er mir endlich: »Nun wirst du an meines Sohnes Stelle treten.« Dann sprachen wir noch vieles über den Tod meines Vaters und über mein ausgerissenes Auge, sowie überhaupt über die verschiedenen Zufälle des menschlichen Lebens; erst nach vielen vergossenen Tränen stiegen wir wieder die Treppe hinauf, legten die eiserne Platte an ihre Stelle und gingen, ohne daß jemand uns bemerkt hatte, wieder ins Schloß zurück. Wir hatten uns aber kaum dort niedergelassen, als wir einen großen Lärm von Trompeten, Pauken und Trommeln vernahmen, Männertritte, Pferdegewieher, Schellengeklingel und Kampfgeschrei. Schon konnte man vor vielem Staub von der großen Menge Fußvolks und Reiter nichts mehr sehen, wir wurden ganz toll davon. Ich fragte, was es gäbe, und hörte, das derselbe Vezier, der meines Vaters Königreich an sich gerissen, so viel Soldaten zusammengebracht, daß man sie ebensowenig als die Sandkörner der Erde zählen könne, und daß er mit dieser unwiderstehlichen Armee auf einmal auch dieses Land überfallen, ja sich sogar die Hauptstadt ihm schon ergeben habe. Gleich darauf hörte ich, daß mein Oheim ermordet worden, und da ich wußte, daß, wenn ich in die Hände des Veziers fiele, weder ich, noch der Henker meines Vaters dem Tode entgehen würden, ergriff ich die Flucht; da ich aber in diesem Lande so bekannt als die Sonne war, und fürchtete, daß jemand durch meinen Tod sich beim Vezier beliebt zu machen wünschen könnte, blieb mir, nach vielen Tränen, in meiner Verzweiflung nichts anderes übrig, als meinen Bart und meine Augenbrauen abzuscheren und meine prächtigen Kleider mit denen eines Kalenders zu vertauschen. So reiste ich unerkannt als Derwisch hierher, in der Hoffnung, daß vielleicht mein gutes Glück mich mit einem Manne bekannt machen werde, der mich dem Fürsten der Gläubigen, dem Stellvertreter Gottes, vorstelle, damit ich ihn von allem, was mir widerfahren, in Kenntnis setze. Ich kam diese Nacht hier an, wußte aber nicht, wohin ich mich wenden sollte, da begegnete ich dem neben mir sitzenden Kalender, dem ich‘s gleich anmerkte, daß er auch von der Reise komme; ich grüßte ihn also und fragte ihn, ob er auch ein Fremder wäre, was er auch bejahte. Während wir so miteinander sprachen, kam, als wir am Stadttore waren, dieser dritte Kalender, er grüßte uns und sagte, er sei ein Fremder; »auch wir sind hier fremd«, erwiderten wir ihm. So gingen wir dann miteinander in der Stadt herum, ohne zu wissen, wohin, denn es war schon lange Nacht. Nun hat aber ein günstiges Geschick uns hierher gebracht, ihr habt euch so freundlich und wohltätig gegen uns benommen, daß ich mein verlorenes Auge und haarlosen Bart ganz vergessen. Dies aber ist meine Geschichte.«

Die Wirtin schenkte auch ihm das Leben und hieß ihn gehen; aber auch er wollte noch gerne da bleiben, um die Erzählungen seiner Gefährten zu hören.

Alle Anwesenden waren höchst erstaunt über die Erzählung des Kalenders; auch der Kalif sagte zu Djafar: er habe in seinem Leben nichts Merkwürdigeres als diese Geschichte gehört.

Hierauf begann der zweite Kalender seine Geschichte:

Geschichte des zweiten Kalenders

Auch ich bin, bei Gott! nicht halbblind geboren, mein Vater war auch ein König, er ließ mich in der Schreibkunst und im heiligen KoranDer Koran ist das vom Engel Gabriel dem Mohammed geoffenbarte Buch. Diese Offenbarung fand aber stückweise statt, und erst unter Abubekr wurden die zerstreuten Bruchstücke gesammelt und unter Othman berichtigt und bekannt gemacht. unterrichten; ich lernte bald dieses erhabene Buch nach allen sieben Lesearten auswendig, ward mit den Lehrern der verschiedenen Sekten bekannt, las theologische Werke mit gelehrten Kommentatoren; dann beschäftigte ich mich auch mit der Grammatik und arabischer Philologie; ich schrieb mit solcher Fertigkeit, daß ich alle meine Zeitgenossen übertraf, ich ward so gelehrt und beredt, daß man in allen Ländern und Weltteilen von mir sprach; alle Könige der Erde lasen meine Schriften. Mein Ruhm war so groß, daß einst der Sultan von Indien meinem Vater einen Boten mit königlichen Geschenken schickte und ihn bitten ließ, mir zu erlauben, daß ich einige Zeit bei ihm zubringen möchte. Mein Vater überschickte mich ihm mit einem Kurier und gab mir sehr kostbare Gegengeschenke mit. Ich reiste mit meinem Begleiter ungefähr einen Monat lang, da sahen wir auf einmal einen furchtbaren Staub vor uns, der uns immer näher kam, bis endlich fünfzig ungeheure Reiter mit furchtbaren Waffen vor uns standen.

Als wir diese Reiter sahen, fuhr der Kalender fort, wollten wir entfliehen, sie waren aber Straßenräuber, die, als sie unsere zehn mit Geschenken beladenen Kamele sahen, welche ihnen eine reiche Beute versprachen, mit gezogenen Schwertern und ausgestreckten Lanzen auf uns zueilten. Vergebens zeigten wir ihnen an, daß wir Gesandte des mächtigen Sultans von Indien seien; sie sagten: Wir sind nicht auf seinem Gebiete und stehen nicht unter seiner Botmäßigkeit. Dann töteten sie alle unsere Leute, und nur ich allein entfloh, während sie sich mit der Ladung der Kamele beschäftigten. Nun wußte ich aber gar nicht, wohin mich wenden, noch welchen Weg einschlagen, und so wurde ich auf einmal arm und verlassen, nachdem ich so reich und so vornehm gewesen war.

Nachdem ich den ganzen Tag, ohne zu wissen wohin, herumgeirrt war, erzählte der Kalender weiter, bestieg ich gegen Abend einen Berg und brachte die Nacht in einer Höhle zu. So lebte ich einen ganzen Monat hindurch, bis ich endlich in eine sehr schöne, wohlbefestigte, volkreiche Stadt kam, deren Straßen von Menschen wimmelten. Es war zur Zeit, als der kalte Winter zu Ende gegangen und der Frühling mit seinen Rosen wiedergekehrt; freundlich öffneten sich die Blüten, sanft murmelten die Bäche und lieblich sangen die Vögel; es paßten auf diese Stadt recht gut die Verse eines Dichters:

»Es ist eine Stadt, deren Bewohner den Schrecken gar nicht kennen, denn die Sicherheit ist ihr Gefährte, sie gleicht einem reichgeschmückten Paradiese, das seinen Bewohnern Wunderschätze öffnet.«

Ich freute mich, einen solchen Wohnsitz erreicht zu haben, doch ward ich über meinen erbärmlichen Zustand sehr betrübt, ich war so müde, daß ich kaum mehr gehen konnte, mein ganzer Körper, Gesicht und Hände waren von der Sonne verbrannt, und ich war vor vielem Kummer und Sorgen ganz entstellt. So wandelte ich traurig durch die Stadt, ohne zu wissen wohin. Endlich kam ich vor einem Schneiderladen vorüber; ich grüßte den Schneider, der mich bewillkommte, und Spuren früheren Wohlstandes an mir entdeckte. Er hieß mich sitzen, und da ihm meine Unterhaltung gefiel, erkundigte er sich nach meinen Verhältnissen, und als ich ihm alles, was mir widerfahren war, erzählte, machte es den schmerzlichsten Eindruck auf ihn. Dann sagte er mir: »Hüte dich, junger Mann, irgend jemandem zu sagen, wer du bist, denn der König dieser Länder ist ein großer Feind deines Vaters.« Dann brachte er mir etwas zu essen, und wir blieben bei Tische bis tief in die Nacht. Als es spät ward, schaffte er Bett und Decken herbei und wies mir neben sich einen Raum zum Schlafen an. Nachdem ich drei Tage bei ihm zugebracht, fragte er mich, ob ich denn kein Handwerk erlernt, mit dem ich mich ernähren könne. Ich antwortete ihm, ich sei ein Gelehrter, Theologe, auch zugleich Belletrist, Grammatiker, Dichter und Schönschreiber. »Alles dies wird hierzulande nicht gesucht«, versetzte er. Nun sage ich: »Ich verstehe wahrscheinlich nichts anderes, als was ich dir eben genannt.« »So fasse Mut«, erwiderte mir der Schneider, »nimm eine Axt und einen Strick, geh in den Wald und haue Holz ab, so findest du doch zu leben; hüte dich aber sehr, dich jemandem zu erkennen zu geben, Gott wird dir weiter helfen.« Als ich seinen Rat zu befolgen versprach, kaufte er mir selbst eine Axt und einen Strick und empfahl mich einigen anderen Holzbauern. Mit diesen ging ich und haute den ganzen Tag Holz, trug es dann auf meinem Kopfe abends in die Stadt, verkaufte es um einen halben Dinar und brachte das Geld dem Schneider. So lebte ich ein ganzes Jahr fort. Eines Tages, als ich von meinen Gefährten mich getrennt hatte, entdeckte ich einen Garten mit Bäumen bepflanzt und von Bächen durchströmt. Als ich in dem Garten umherging, erblickte ich den Stamm eines sehr dicken Baumes, und als ich mit meiner Axt die Erde weggrub, stieß ich auf einen Ring, der an einer hölzernen Tafel befestigt war. Ich hob diese Tafel (mit Hilfe des Ringes) auf und gewahrte nun eine Treppe, die ich hinabstieg. Jetzt kam ich an ein Schloß, so schön und massiv gebaut, wie ich noch nie in meinem Leben ein ähnliches gesehen hatte. Als ich in diesem Schlosse mich eine Weile umgesehen, bemerkte ich ein Mädchen, so herrlich wie die reinste Perle, oder wie die helleuchtende Sonne. Als es zu reden anfing, verscheuchten seine Worte jeden Kummer, sie waren so süß, daß sie selbst des verständigsten Mannes Herz bezaubern mußten. Es hatte einen schlanken Wuchs, einen schön gerundeten Busen, hübsche Wangen, eine zarte Gesichtsfarbe und ein vornehmes Aussehen, hell strahlte ihre Stirn unter den dunklen Locken hervor.

 

Das erste, was sie mich fragte, als sie mich erblickte, war, ob ich ein Mensch oder ein Geist wäre, und als ich ihr darauf erwiderte, daß ich ein Mensch sei, fragte sie mich, was ich denn wollte, da sie doch schon fünfundzwanzig Jahre hier verweile, ohne je von einem Menschen besucht worden zu sein. Ihre Worte waren so süß und so wohllautend, daß sie sogleich mein Herz gewannen, und ich antwortete ihr daher geradezu, wie ich gekommen sei, um mein Elend in Glück zu verwandeln, vielleicht auch, um ihren Kummer zu verscheuchen und sie glücklich zu machen. Ich erzählte ihr dann, was mir in meinem Leben zugestoßen, sie war sehr bestürzt darüber; dann sagte sie: »Nun sollst du auch meine Lebensgeschichte hören;« und begann folgendes zu erzählen: »Wisse, daß ich die Tochter des Königs Jstimerus bin, des Gebieters über die Insel Ebenus. Mein Vater verheiratete mich mit meinem Vetter; in der Hochzeitsnacht aber, als ich im schönsten Brautschmucke meinem Gemahl zugeführt werden sollte, raubte mich ein Geist, flog eine Weile mit mir herum, brachte mich dann hierher und versorgte mich mit köstlichem Mundvorrat und den übrigen Lebensbedürfnissen. Da aber seine Leute nichts von unseren Verhältnisse wissen dürfen, so bringt er nur alle zehn Tage eine Nacht bei mir zu; brauche ich aber etwas, es sei Tag oder Nacht, so berühre ich nur die zwei an dieses Gewölbe gemalten Zeilen, und bevor ich noch meine Hand davon wegziehe, ist der Geist schon bei mir. Nun aber ist er schon vier Tage von hier abwesend und wird also noch sechs Tage ausbleiben; willst du«, fragte sie mich hierauf, »fünf Tage jetzt bei mir bleiben und den Tag, ehe er wieder kommt, mich verlassen?« Ich nahm mit Vergnügen ihr Anbieten an, und sogleich faßte sie mich bei der Hand, führte mich durch eine gewölbte Tür ins Bad und legte mir frische Kleider vor, die ich nach dem Bade anzog. Sie hieß mich, als ich aus dem Bade kam, neben sich auf einem hohen Sofa sitzen, reichte mir einen Becher Wein und, nachdem wir uns eine Weile miteinander unterhalten, setzte sie mir auch verschiedene Speisen vor. Als ich gegessen hatte, bot sie mir ein Polster, um ein wenig zu schlafen. Ich entschlief bald und erst nach einigen Stunden erwachte ich wieder mit neuen Kräften und hatte alle meine früheren Leiden vergessen. Ich dankte ihr für ihre Pflege und ward immer munterer. Sie fragte mich, ob ich etwas trinken wolle, und auf meine bejahende Antwort holte sie aus einem Schranke vom besten alten Wein, auch Speisen, und sprach folgende Verse:

»Hätte ich deine Ankunft voraus gewußt, ich würde das Innerste meines Herzens oder das Schwarze meines Auges vor dir niedergelegt haben. Ich hätte meine Wangen wie einen Teppich auf die Erde gebreitet, damit du über meine Augenlider hergehen könntest.«

Ich vermochte nicht, ihr genug für ihre Freundlichkeit zu danken, ihre Liebe durchströmte alle meine Glieder, der Wein, den wir den Tag über zusammen genossen hatten, verscheuchte alle meine Sorgen, und die Nacht, die diesem Tage folgte, war die seligste meines ganzes Lebens. Da wir aber auch am anderen Morgen wieder, wie am verflossenen Tage, nur dem Vergnügen lebten, da sagte ich ihr, nachdem ich vom vielen Weine ganz besinnungslos geworden war und kaum mehr aufrecht stehen konnte: »Komm, Holde, verlasse diesen Kerker, steige mit mir zur Erde hinauf!« Sie aber sprach: »Bleibe doch ruhig, mein Herr, genügt es dir nicht, von zehn Tagen neun bei mir zuzubringen?« Ich aber antwortete ihr in meinem Rausche: »Ich werde sogleich auf den Talisman schlagen und, wenn der Geist erscheint, ihn umbringen. Ich habe deren schon zu Dutzenden totgeschlagen.« Als das Mädchen dies hörte, ward es blaß, beschwor mich bei Allah, dies nicht zu tun, und sprach folgende Verse:

»O du, der du selbst die Trennung herbeirufst, übereile dich nicht. Du kennst ja die Treulosigkeit des Schicksals, das jeder Vereinigung mit Trennung droht.«

Ich war so trunken, daß, trotz ihrer Bitten, ich doch mit dem Fuße auf den Talisman trat. Ich hatte dies kaum getan, fuhr der Kalender fort, da ward es auf einmal finstre Nacht; es blitzte und donnerte und die Erde fing heftig zu beben an. Jetzt erwachte ich aus meinem Rausche und fragte die Schöne, was dies bedeute? »Der Geist erscheint«, erwiderte sie, »rette dich, so schnell du kannst, wieder zur Oberfläche der Erde.« Ich eilte, aus Furcht, ertappt zu werden, so sehr ihren Befehl zu vollziehen, daß ich meine Axt und meine Sandalen vergaß. Ich hatte noch nicht ganz die Treppe erstiegen, da spaltete sich der Palast, der Geist trat herein und fragte das Mädchen: »Warum hast du mich durch dein ungestümes Rufen so erschreckt? Was ist dir widerfahren?« »Mein Herr!« antwortete sie ihm, »als mir heute nicht recht wohl zumute war, trank ich, um mich aufzumuntern, ein wenig Wein, dieser stieg mir in den Kopf und ich fiel auf den Talisman.« Da der Geist aber meine Sandalen und meine Axt erblickte, rief er: »Du lügst, elendes Weib, wie kommen Sandalen und Axt hierher?« »Ich bemerke sie erst in diesem Augenblick«, erwiderte das Mädchen; »gewiß sind sie an euch irgendwo hängen geblieben und mit hereingeschleppt worden.« »Bei mir hilft deine List nichts«, versetzte hierauf der Geist, der sogleich durch Folterqualen sie zu einem Geständnisse bringen wollte. Ich konnte ihr Weinen nicht anhören, auch fürchtete ich für mich selbst; ich schob mich daher zur hölzernen Tafel hinaus, legte diese wieder an ihren Platz und bedeckte sie mit Erde, wie ich sie früher gefunden hatte. Ich nahm eine Tracht Holz auf meinen Rücken und wanderte betrübt zur Stadt zurück. Als ich alle Gefahr überstanden zu haben glaubte, fing ich nun an, über das Vorgefallene nachzudenken. Zuerst gedachte ich des schönen Weibes, daß so wohltätig gegen mich gewesen und nun durch mich, nach fünfundzwanzig ruhigen Jahren, in eine so bedauernswerte Lage versetzt worden war; dies machte mich so traurig, daß mir dann auch wieder mein Vater und mein Königreich einfiel. Ich bemerkte mit Schaudern, daß nach kurzer Heiterkeit sich mein Leben wieder so getrübt habe, daß mir nichts übrig blieb, als wieder Holzhauer zu werden. Ich machte mir die bittersten Vorwürfe, weinte heftig und sprach folgende Verse: