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Tausend Und Eine Nacht

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Geschichte des sechsten Bruders des Barbiers

Mein sechster Bruder aber, der mit der gespaltenen Lippe, war früher reich, verarmte jedoch später. Als er einst ausging, um sich etwas zu neuer Lebenskraft zu verschaffen, sah er ein schönes Haus mit einem großen Eingang und einer hohen Türe, an der viele Diener standen, welchen allerlei Befehle erteilt wurden. Er fragte einen der dort Stehenden, wem dieses Haus gehöre; man antwortete, es gehöre einem Nachkommen der Barmekiden. Mein Bruder ging hierauf zu den Pförtnern und forderte ein Almosen. Sie sagten: »Komm zur Türe herein, der Hausherr wird dir geben, was du verlangst.« Er ging also in den Hausflur und als er eine Weile gegangen, kam er an eine schöne Wohnung mit einem Garten in der Mitte, desgleichen kein Auge je gesehen; der Boden war mit Teppichen bedeckt, und die Wände mit Vorhängen verziert. Mein Bruder wußte vor Verwunderung nicht, wo er hingehen sollte. Endlich kam er an die Tür eines Saals; er ging hinein und sah oben im Saal einen Mann von schönem Gesicht und Bart; indem er auf denselben zuging, sah jener meinen Bruder, hieß ihn willkommen und erkundigte sich nach seinem Zustande. Mein Bruder sagte ihm, daß er der Hilfe bedürfe. Als jener dies hörte, zeigte er einen großen Kummer, streckte die Hand nach seinen Kleidern, zerriß sie und sagte: »Soll ich in einem Lande wohnen, und du darin hungern? Dazu habe ich keine Kraft.« Er versprach meinem Bruder alles Gute, und sagte sodann: »Du mußt mich ein wenig unterhalten.« Dieser antwortete: »Mein Herr! ich bin so hungrig, daß ich dazu keine Kraft habe.« Alsbald schrie der andere: »Diener, bring den Krug und das Waschbecken, daß wir unsere Hände waschen!« aber mein Bruder sah weder Krug und Waschbecken, noch sonst etwas. Der Hausherr sagte sodann: »Komm, mein Bruder, und wasche dich!« und machte dabei eine Bewegung, als wenn er sich die Hände wüsche. Hierauf schrie er: »Bringt den Tisch!« und deutete mit der Hand, wo man decken sollte; aber mein Bruder sah nichts. Dann sagte er: »Mein Gast, bei meinem Leben, iß und schäme dich nicht!« machte abermals Bewegungen mit der Hand, als wenn er äße, und wiederholte dabei: »Bei meinem Leben, iß nur nicht zu wenig; ich weiß ja, wie hungrig du gerade bist.« Mein Bruder machte nun ebenfalls Bewegungen, als wenn er äße. Wieder sagte der Hausherr: »Sieh einmal dieses Brot, wie weiß es ist;« aber jener sah nichts, dachte, dieser Mann scherze gern mit den Leuten, und erwiderte: »Mein Herr, ich habe in meinem Leben kein weißeres und schmackhafteres Brot gesehen!« Der Hausherr sagte hierauf: »Dies Brot hat ein Mädchen gebacken, das mich 500 Dinare gekostet.«

Alsdann rief der Hausherr: »Diener, bring zuerst geschältes Korn, schmälze er aber gut!« und sagte dann zu meinem Bruder: »Hast du wohl je besseres Korn gegessen? Iß nur, bei meinem Leben, und tue dir keinen Zwang an!« Hierauf befahl er dem Diener eine saure Speise, nebst einer in Fett gebratenen Ente zu bringen, und sagte wieder zu meinem Bruder: »Iß nur, ich weiß doch, daß du hungrig bist.« Mein Bruder kaute und schmatzte, als wenn er äße, und der Hausherr bestellte ein Gericht nach dem andern, hieß ihn essen, ohne daß etwas gebracht wurde, befahl dann dem Bedienten, die fetten Hähne aufzutragen, und sagte wieder: »Bei deinem Leben, mein Gast! diese fetten Hähne sind mit Pistazien gemästet worden: Iß mehr, als du je von dieser Speise gegessen.« Mein Bruder entgegnete: »Bei Gott! dies alles ist sehr gut!« worauf der Hausherr mit der Hand nach seinem Munde fuhr, als gäbe er ihm etwas zu essen, und ihm dabei die verschiedensten Gerichte beschrieb, während mein Bruder so hungrig war, daß ihm nach einem Stück Gerstenbrot gelüstete. Endlich sagte dieser: »Ich habe nun genug gegessen!« Da rief der Hausherr. »Tragt die Speisen ab und bringt die Süßigkeiten!« und sagte dann zu meinem Bruder: Iß von diesen eingemachten Datteln und Trauben, denn sie sind sehr gut. Siehst du, wie der Julep aus meiner Hand davon heruntertropft.« Mein Bruder entgegnete: »O könnte ich doch immer bei dir sein!« und fragte ihn, warum so viel Moschus bei diesem Eingemachten sei? Er antwortete: »Es ist meine Gewohnheit, die Trauben auf diese Weise einzumachen.« Mein Bruder spielte immer mit seinen Lippen und setzte seinen Mund in Bewegung; sodann rief der Hausherr: »Genug davon, bringt jetzt Mandelkuchen!« und hieß wieder meinen Bruder essen und sich nicht schämen. Dieser antwortete: er habe genug und könne nichts mehr essen. Da sagte der Hausherr: »Mein Gast, willst du etwas trinken und dabei munter werden, da du doch nicht mehr hungrig bist?« Mein Bruder sagte: »Ja!« und beschloß dabei, es solle den Mann reuen, ihn so zum besten zu haben. Der Hausherr rief nun: »Bringt den Wein;« und tat, als wenn er meinem Bruder einen Becher reichte, indem er sagte: »Koste einmal diesen Wein und sage mir, wie er dir behagt.« Mein Bruder entgegnete: »Er hat einen angenehmen Geschmack, doch bin ich anderen gewöhnt.« Dann sagte der Hausherr: »Bringt andern, der mehr berauscht!« wünschte meinem Bruder, daß er ihm wohl bekomme, und tat dabei, als trinke er. Mein Bruder stellte sich, als wäre er betrunken, und sagte: »Mein Herr, o ich kann nicht mehr!« drang auf ihn ein, ohne daß er es bemerkte, hob die Hand so hoch auf, bis man das Weiße unter seiner Achsel sehen konnte, und schlug ihm eins auf den Nacken, das das ganze Zimmer davon widerhallte. Er hob schon die Hand zum zweiten Male auf, da sagte der Hausherr: »Was ist das, du Niederträchtiger?« Mein Bruder antwortete: »Mein Herr! du hast deinen Sklaven in deine Wohnung gebracht und ihm so viel zu essen und zu trinken gegeben, daß er berauscht worden und nichts mehr von sich weiß; du mußt nun wohl seine Grobheit ertragen und sein Vergehen entschuldigen.« Als der Hausherr dies hörte, lachte er laut und sagte: »Ich treibe schon lange solchen Scherz mit den Leuten, habe aber außer dir noch keinen gefunden, der so klug in meinen Spaß einging: gern verzeih ich dir.«

»Nun aber sei wirklich mein Gast«, fuhr der Barmekide zu meinem Bruder fort, »und bleibe bei mir.« Alsbald ließ er in der Tat eine Anzahl Diener kommen und wirklich einen Tisch bereiten, worauf alle Gerichte standen, die früher erwähnt worden. Sie aßen miteinander, bis sie satt waren, dann gingen sie in den Trinksaal; da waren Mädchen wie der Mond, welche allerlei Melodien sangen und auf allerlei Instrumenten spielten, und sie tranken, bis sie berauscht waren. Der Mann ward mit meinem Bruder so vertraut, als wäre er sein Bruder; er liebte ihn sehr und schenkte ihm Ehrenkleider. Am folgenden Morgen begannen beide wieder von neuem zu essen und zu trinken, und so zehn Tage lang. Dann übertrug der Mann meinem Bruder die Verwaltung aller seiner Güter, und so blieb er 20 Jahre bei ihm, bis jener starb. Gelobt sei der Immerlebende, der nie stirbt! Der Sultan ließ nach dem Tode des Mannes alles, was er hinterlassen, sowie was mein Bruder hatte, wegnehmen, so daß dieser ganz arm ward und auswandern mußte. Mitten auf dem Wege kamen Beduinen auf ihn los, nahmen ihn gefangen und zogen mit ihm zu ihrem Stamme. Der, welcher ihn gefangen genommen, fing an, ihn zu schlagen, indem er sagte: »Kaufe dich mit Geld von mir los!« Mein Bruder entgegnete weinend: »Ich besitze gar nichts, ich bin dein Gefangener: tu mit mir, was du willst!« Da nahm der Beduine ein Messer heraus, durchschnitt meines Bruders Lippe und forderte immer heftiger Geld von ihm. Dieser Beduine hatte eine schöne Frau, die, so oft ihr Mann ausging, meinen Bruder zu überreden suchte; aber er wies sie stets zurück. Als er einmal ihr nachgab und mit ihr spielte, und sie ihn liebkoste, kam der Mann nach Hause, und als er meinen Bruder bei seiner Frau sah, sagte er zu ihm: »Wehe dir! willst du meine Frau verführen?« Er nahm dann ein Messer und brachte meinem Bruder eine empfindliche Wunde bei, lud ihn auf ein Kamel und legte ihn am Fuße eines Berges nieder. Da kamen Reisende vorüber, die ihn kannten; sie gaben ihm zu essen und zu trinken, und sagten mir, was ihm widerfahren. Ich ging dann zu ihm, brachte ihn in die Stadt und gab ihm seinen bestimmten Lebensunterhalt. Nun bin ich zu dir gekommen, o Fürst der Gläubigen! und habe dir, um mir keine Nachlässigkeit zu schulden kommen zu lassen, die Geschichte meiner sechs Brüder erzählt, für die ich sorgen muß.

Als der Kalif meine ganze Erzählung gehört, lachte er sehr und sagte: »Du hast recht, O Schweigender! du sprichst wenig und liebst das Überflüssige nicht; doch verlasse jetzt diese Stadt und bewohne eine andere.« Er erteilte dann einen Befehl, mich aus der Stadt zu verweisen, so daß ich in der Welt herumreiste, bis ich hörte, daß er gestorben und ein anderer Kalif geworden; da kehrte ich wieder in die Stadt zurück. Alle meine Brüder waren schon tot. Da traf ich diesen jungen Mann, behandelte ihn so schön, und er belohnte mich so schlecht; doch wäre er ohne mich gewiß zugrunde gegangen. Der Jüngling ging dann von mir fort, und auch ich unternahm neue Reisen, bis ich ihn hier wieder fand; nun macht er mich auf eine neue Weise verdächtig, wie ich es gar nicht verdiene, indem er mich für einen Schwätzer erklärt.

Der Schneider fuhr dann fort: O König, nachdem wir die Geschichte des Barbiers vernommen und ihn eingesperrt hatten, setzten wir uns, aßen und vollendeten die Mahlzeit, die bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang währte; dann ging ich nach Hause. Da machte meine Frau ein mürrisches Gesicht und sagte: »Du lebst in Saus und Braus, und ich muß betrübt zu Hause sein; wenn du nicht, so lange es noch Tag ist, mit mir ausgehst, so werde ich mich von dir scheiden lassen.« Ich ging nun bis abends mit ihr spazieren. Auf unserem Heimweg begegneten wir dem buckligen Lügner, der berauscht umherschwankte. Ich lud ihn ein, kaufte Fische, und nachdem wir miteinander gegessen, blieb ein Stück übrig, in dem eine Gräte war, ich stopfte es dem Buckligen durch die Zähne und hielt ihm den Mund zu; auf einmal hörte er auf zu atmen; er würgte daran und seine Augen verdrehten sich. Ich schlug ihn zwischen die Schultern und griff ihm in den Hals, aber er war tot. Da trug ich ihn weg; ich besann mich lange, wohin ich ihn bringen sollte, und schaffte ihn endlich in das Haus dieses jüdischen Arztes, der dann auch nachdachte, wie er ihn los würde, bis er ihn zu dem Aufseher hinwarf; dieser war aber listig und brachte ihn zum christlichen Makler. Dies ist die Geschichte dessen, was mir gestern widerfahren ist; ist sie nicht wunderbarer, als die des buckligen Lügners?

 

Als der König von China die Worte des Schneiders hörte, schüttelte er den Kopf vor Entzücken, zeigte ein großes Erstaunen und sagte: »Die Geschichte zwischen dem jungen Mann und dem geschwätzigen Barbier ist schöner und angenehmer als die des Buckligen.« Der König befahl dann einem seiner Offiziere, mit dem Schneider zu gehen und den Barbier aus dem Gefängnis zu holen, und sagte: »Ich möchte diesen schweigenden Barbier sehen und ihn sprechen hören, da er doch die Ursache eurer Rettung geworden; dann wollen wir den Buckligen begraben, der seit gestern schon tot daliegt, und ihm ein Grabmal errichten.« Der Offizier und der Schneider kamen so schnell als möglich mit dem Barbier zurück. Der König von China sah ihn an und merkte, daß er schon mehr als neunzig Jahre alt war, er hatte einen weißen Bart und weiße Augenbrauen, herunterhängende Ohren, eine lange Nase; es lag in seinen Gesichtszügen etwas einfältiges. Der König lachte, als er den Barbier sah, und sagte: »Du Schweigender, erzähle mir eine deiner Geschichten!« Der Barbier sagte: »Was ist, o König der Zeit! mit diesem Christen, dem Juden, dem Muselmann und dem Buckligen vorgefallen? Wer vereint sie hier?« Da sagte der König von China lachend: »Was hast du nach ihnen zu fragen?« Er antwortete: »Um zu zeigen, daß ich kein Schwätzer und unschuldig bin an dem, was man mir vorwirft, weshalb ich der Schweigende heiße.«

Der König von China befahl nun seinen Leuten, dem Barbier die Geschichte des Buckligen von Anfang bis zu Ende zu erzählen. Der Barbier schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: »Das ist höchst sonderbar, deckt einmal den Buckligen auf!« Als seinem Wunsche nachgekommen war, setzte er sich an die Seite des Buckligen, nahm seinen Kopf auf den Schoß, betrachtete sein Gesicht und wollte sich vor Lachen ausschütten. Er sagte dann: »Sonderbar, wie jeder Tod seine Ursache hat! Die Geschichte des Buckligen verdient wohl, mit Goldschrift aufgezeichnet zu werden.« Die Leute des Königs erschraken über das Benehmen des Barbiers, und der König von China fragte ihn, was er habe? Der Barbier antwortete: »Bei deiner Huld! es ist noch Leben in diesem Buckligen.« Er zog dann einen Beutel hervor, öffnete ihn und nahm eine Büchse heraus, in der eine Salbe war, womit er dem Buckligen den Hals und die Adern einrieb, dann nahm er ein langes Eisen, fuhr damit in den Hals des Buckligen und zog das Stück Fisch mit der Gräte, das ganz mit Blut beklebt war, heraus. Kaum war der Bucklige von diesem Unrate befreit, so fing er an zu nießen, aufzuspringen und sich das Gesicht vor Freude zu reiben. Der König und seine Umgebung waren sehr erstaunt darüber, wie der Bucklige einen Tag und eine Nacht leblos daliegen konnte; auch waren sie überzeugt, daß er gewiß bald gestorben wäre, hätte ihm Gott nicht den Barbier zu Hilfe geschickt.

Der König von China befahl sodann, daß man die Geschichte des Barbiers und des Buckligen aufzeichne; auch ließ er dem Aufseher, dem Schneider, dem Christen und dem Juden reiche Geschenke reichen und entließ sie alle. Den Barbier aber behielt er bei sich und sorgte für seinen Lebensunterhalt königlich; er blieb dann auch unter seinen Tischgenossen, bis der Tod, der Zerstörer aller Freuden, sie überraschte.

Als Schehersad diese Geschichte vollendet hatte, sagte sie: noch entzückender ist die Geschichte des Spezereihändlers Abul-Hasan und Alis und seiner Erlebnisse mit Schems Annahar. Am folgenden Morgen erzählte sie dann:

Geschichte Ali‘s Ibn Bekkar und der Schems Annahar

Es gab einst in der Stadt Bagdad einen Spezereihändler, mit Namen Abul Hasan, Sohn Tahers, der sehr reich und vornehm war; dabei führte er einen reinen Lebenswandel, war ein aufrichtiger und guter Gesellschafter, und deshalb überall gut aufgenommen, wo er sich zeigte. Er ging oft in das Schloß des Kalifen, und die meisten Frauen und Sklavinnen des Kalifen Harun Arraschid ließen sich von ihm ihre Geschäfte besorgen, wie sie es eben nötig hatten. Auch saßen oft die Söhne der Fürsten und der Großen bei ihm. Unter diesen war auch ein junger, persischer Prinz, mit Namen Ali, Sohn des Bekkar. In der Person dieses Prinzen hatte Gott alle trefflichen Eigenschaften vereint; er war ausgezeichnet schön und anmutig, seine Beredsamkeit war bezaubernd, sein Verstand, sein Mut, seine Freigebigkeit, seine Keuschheit, sein Ernst und seine Tapferkeit unübertroffen! Dieser lebte oft in Gesellschaft Abul Hasans; er konnte sich zuletzt keinen Augenblick mehr von ihm trennen. Als einst der junge Prinz bei ihm saß, sahen sie zehn junge Sklavinnen, schön wie der Mond, vom Markt herkommend; aus ihrer Mitte strahlte ein Mädchen, das den Vollmond beschämte. Diese ritt auf einem grauen Maultier, sie trug einen roten, seidenen, mit Perlen und Edelsteinen besetzten Gürtel. Ihre Schönheit überstrahlte, wie schon gesagt, die der übrigen zehn Mädchen, die bei ihr waren; sie war, wie ein Dichter sagt:

»Sie ist ein vollkommenes Muster der Schönheit, daß man sie nicht anders geschaffen wünschen könnte; sie hat weder zu viel, noch zu wenig, es ist, als wäre sie von Perlenwasser gebildet; ein Mond leuchtet aus allen ihren Gliedern hervor; ihre Stirne ist der Vollmond, ihr Wuchs der Zweig eines Baumes, ihr Atem ist Moschus: kein Mensch gleicht ihr.«

Ihre schönen Augen und die übrigen Reize fesselten alle, die sie sahen. Als sie an den Laden des Abul Hasan kam, stand dieser vor ihr auf, küßte die Erde und ließ sie auf ein seidenes, mit Gold gesticktes Kissen sitzen; er blieb, um sie zu bedienen, vor ihr stehen. Sie befahl ihm, sich zu ihr zu setzen, und als er gehorchte, verlangte sie von ihm, was sie bedurfte. Inzwischen hatte der junge Ali schon seinen Verstand verloren; er war außer sich, war bald rot, bald blaß, und wollte vor Liebe vergehen. Er wollte aus Ehrfurcht vor ihr aufstehen, aber sie winkte mit ihren Narzissenaugen und Zuckerlippen, und sagte: »Mein Herr! wir sind zu dir gekommen und du willst, weil wir dir nicht gefallen, vor uns entfliehen?« Ali küßte die Erde und entgegnete: »O meine Gebieterin! Sobald ich dich gesehen, habe ich meinen Verstand verloren, ich weiß nichts anderes zu sagen, als was schon ein Dichter gesagt:

»Sie ist die Sonne, ihre Wohnung ist im Himmel; tröste dein Herz mit dem schönsten Trost, denn du kannst nicht zu ihr hinauf und sie nicht zu dir herunter steigen.«

Sie lächelte, und heller als ein Blitz leuchteten ihre Zähne, dann sagte sie: »O Abul Hasan! woher kennst du diesen Jüngling, und welches ist sein Rang?« Abul Hasan antwortete: »Er heißt Ali, Sohn Bekkars, und ist ein Prinz von Persien.« Sie sagte ihm dann, wenn meine Sklavin zu dir kommt, so bemühe dich mit ihm zu uns, daß wir ihn in unserem Hause bewirten, damit er sich nicht über uns beklagen und sagen kann: unter den Bewohnern Bagdads herrscht keine Gastfreundschaft; denn der Geiz ist das schlechteste Gewand eines Menschen. Hörtest du, was ich dir gesagt? Wenn du nicht gehorchst, so trifft dich mein Zorn, und ich werde dich nie mehr grüßen.« Abul Hasan antwortete: »Gott bewahre, – o Königin aller Sklaven! – Gott bewahre mich vor deinem Zorn!« Sie verließ hierauf den Laden und ritt davon, nachdem sie sich schon aller Herzen bemeistert und jeden Verstand geraubt hatte. Ali blieb sitzen, er wußte nicht, ob er auf der Erde oder im Himmel wandle. Doch ehe noch der Tag verflossen war, kam eine Sklavin zu Abul Hasan und sagte: »Mein Herr Abul Hasan! Im Namen Gottes komme du mit deinem Freund Ali zu meiner Gebieterin Schems Annahar, der Freundin des Fürsten der Gläubigen, Harun Arraschid.« Abul Hasan stand auf und sagte zu Ali: »Im Namen Gottes, mein Herr!« Sie folgten dann der Sklavin, die weit voranging und welche sie in den Palast des Kalifen führte. Hier zeigte sie ihnen die Wohnung Schems Annahars. Der Jüngling sah eine Wohnung, als wäre sie von Genien gewohnt; er fand darin die mannigfaltigsten Teppiche, Kissen und Divans, wie er solche noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Als er und Abul Hasan daselbst Platz genommen, brachte man ihnen einen Tisch mit den köstlichsten Speisen, und eine schwarze Sklavin blieb zu ihrer Bedienung vor ihnen stehen. Es wurde aufgetragen, was nur laufen und fliegen konnte: von säugenden Schafen, gestopften Hähnen, Tauben und Wachteln, nebst anderen süßen und sauren Speisen. Der junge Mann aß und war vor Erstaunen ganz außer sich; sie verzehrten die besten Speisen und tranken die köstlichsten Weine. Als sie satt waren, brachte man ihnen zwei goldene Waschbecken, sie wuschen ihre Hände; dann brachte man Weihrauch, sie beräucherten sich; dann brachte man ihnen in Goldgefässen kristallene Becher, welche mit Edelsteinen besetzt waren, und gefüllt mit Ambra, Moschus und Rosenwasser; sie parfümierten sich damit und setzten sich nieder. In einer kurzen Weile hieß sie die Sklavin aufstehen und führte sie in einen anderen Saal, dessen Kuppel von hundert Säulen getragen wurde; die Füße der Säulen waren mit vergoldeten Tieren und Vögeln verziert, der Boden war mit seidenen Teppichen belegt. Als die beiden sich setzten und den Saal näher betrachteten, fanden sie, daß der ganze Grund von Gold war, auf welchem weiße und rote Rosen gestickt waren; aus demselben Stoff war die Decke der Kuppel. Auch waren allerlei Gemälde und chinesische Gefäße aus Gold und Kristall mit prachtvollen Edelsteinen besetzt, im Saale. Am oberen Ende desselben waren viele Fenster, und vor einem jeden stand ein Divan mit der feinsten Stickerei überzogen und jeder von einer anderen Farbe; diese Fenster gingen in einen Garten, dessen Boden dem Grund der Teppiche glich. Rings umher floß Wasser aus einem großen Teich in einen kleineren; die Ufer des Teichs waren mit Narzissen, Basiliken und anderen seltenen Pflanzen, in goldenen, mit Edelsteinen verzierten Vasen besetzt.

Die Bäume in diesem Garten waren dicht ineinander geschlungen, die Früchte auf ihnen waren so reif, daß sie bei jedem Säuseln des Windes auf die Oberfläche des Wassers fielen. Eine Menge Vögel ließ sich auf dem Garten nieder, sie schlugen ihre Flügel zusammen und unterhielten sich miteinander durch ihr Gezwitscher, das in allen möglichen Tönen erschallte. An beiden Seiten des Teiches waren Stühle von Ebenholz, mit Silber ausgelegt, aufgestellt; auf jedem Stuhl saß ein Mädchen, das glänzender war als die Sonne, kostbar gekleidet, mit einer Laute oder einem anderen Instrument vor sich; es vereinte sich so der Gesang der Mädchen mit dem der Vögel und das Säuseln des Windes mit dem Plätschern des Wassers. Bald blies der Wind eine Rose auf, bald warf er eine Frucht herunter.

Während Ali und Abul Hasan ihre Augen und ihre Gedanken an dieser Pracht und Schönheit weideten und sie halb nach dem Saal und auf den Tisch richteten, ja ganz hingerissen von der Anmut und Lieblichkeit, wie von der großartigen Zusammenstellung aller dieser Gegenstände, in das höchste Erstaunen versetzt waren, wendete sich Ali, Sohn des Bekkar, zu Abul Hasan und sagte zu ihm: »Wisse, mein Freund, der größte Weise und der Verständigste, der nur gesunde Sinne hat, muß alles dies auch schön finden und davon entzückt und hingerissen werden; wieviel mehr ein Mensch in meiner Lage, dessen Herz von Liebe überfließen will; doch beraubt mich alles, was ich gesehen nicht des Wortes, und noch bleibt mir Kraft zu fragen übrig: Wie hoch muß wohl der Rang dessen sein, der ein so herrliches Gut und so große Macht besitzt?«

Als Abul Hasan dies aus dem Munde Alis hörte, antwortete er ihm: »Wisse, daß auch mir die ganze Sache ein Geheimnis ist; doch werden wir bald die Wahrheit entdecken. Es wird nicht lange dauern, so sind wir am Ziel und das Geheimnis wird sich dir lösen.« Während sie so das Schönste und Üppigste sahen und besprachen, erschien eine Sklavin und befahl den Mädchen, welche auf den Stühlen saßen, zu singen; eine von ihnen stimmte ihre Laute und sang:

»Ehe ich noch die Liebe kannte, ward ich unversehens an ihn gefesselt, und das Feuer der Trennung glühte mir in meiner Brust und in meinem Herzen; auch gegen meinen Willen enthüllten meine Tränen jedermann mein Geheimnis.«

Ali rief aus: »Sehr schön!« Die Sklavin sang weiter:

»Mit der entferntesten Hoffnung neige ich mich liebend zu dir. Doch was helfen den Liebenden Sehnsuchtsseufzer, deren kältester ein Feuerbrand ist?«

Der Jüngling seufzte tief und sagte: »O Mädchen, du hast ausgezeichnet wahr und schön gesungen!« Er wiederholte dann die Verse und bat sie, weiter zu singen. Da sprach sie:

 

»O du, zu dem meine Liebe immer wächst, bemächtige dich meines Herzens, wie du willst; lösche durch deine Nähe die Flamme eines Herzens, das Entfernung und Trennung zerfließen machte. Nimm, was du willst, an Schuld und Lohn: mir bleibt doch kein anderer Lohn, als der Märtyrertod.«

Ali weinte aufs neue und wiederholte die Verse. Auf einmal erhoben sich alle Mädchen, stimmten ihre Instrumente und sangen im Chor folgende Verse:

»Gott ist groß! Nun ist der Vollmond aufgegangen und vereint ist die Geliebte mit dem sie so innig Liebenden. Wer hat je die Sonne und den leuchtenden Vollmond im Garten der Ewigkeit oder in der Welt beisammen gesehen?«

Ali und Abul Hasan blickten überrascht auf die Mädchen, doch vergrößerte sich ihre Überraschung, als sie die Sklavin, die bei Abul Hasan im Laden war, und sie hierher gebracht hatte, an dem Ende des Gartens erblickten; ihr folgten zehn Sklavinnen, welche einen großen, aus gediegenem Silber gegossenen Thron trugen, diesen stellten sie zwischen die Bäume und sich selbst hinter ihn. Nach ihnen kamen 20 Mädchen wie der Vollmond, mit mancherlei Instrumenten in den Händen, und in Kleidern, die von Juwelen und Perlen strahlten; sie sangen alle zusammen, als hätten sie nur eine Stimme, bis sie den Thron erreichten; hier stellten sie sich zu beiden Seiten auf, ohne das Spiel zu unterbrechen.

Sie waren so ausgezeichnet in ihrer Kunst, daß es Ali und Abul Hasan vorkam, als wenn sich der ganze Palast mit ihnen bewege. Es kamen dann noch andere zehn Mädchen, deren Schönheit unmöglich zu beschreiben ist; ihre Kleider und Juwelen wetteiferten mit ihrer Schönheit. Diese blieben an der Tür stehen, dann kamen noch zehn, die den vorigen ganz ähnlich waren, und in ihrer Mitte Schems Annahar.

Diese strahlte unter anderen Mädchen wie die Sonne unter den Wolken hervor. Sie trug lange Locken und hatte einen blauen, goldgestickten Mantel umgeworfen, der wohl erraten ließ, welche kostbaren Kleider und Juwelen darunter verborgen sein müßten; sie ging langsamen Schrittes majestätisch einher, bis sie den Thron erreichte, auf den sie sich setzte.

Ali konnte sie nun näher betrachten, sah dann den Spezereihändler an, biß sich auf die Finger, daß sie beinahe vom Gelenk fielen, und sagte: »Nachdem man so etwas gesehen, hilft alles Erzählen nichts mehr, und wenn man Überzeugung hat, schwindet der Zweifel!« Er sprach dann folgende Verse:

»Hier ist der Anfang meines Elends, hier beginnt mein langdauernder Gram und mein Liebesschmerz. Nach diesem Anblick kann mein Herz keinen Augenblick mehr seine frühere Ruhe behaupten. O Seele, beim allmächtigen Gott! sage diesem durch Liebespein geschwächten Körper Lebewohl und verlasse mich in Frieden!«

Er sagte dann zu dem Spezereihändler: »Du hast mir keine Wohltat erzeigt: hättest du mir vorher etwas von diesen Herrlichkeiten gesagt, ich würde mein Herz darauf vorbereitet und gestärkt haben, daß es die Geduld nicht verliere.« Er fing dann an zu weinen; seine Augen füllten sich mit Tränen wie ein See, und er blieb wie ein Wahnsinniger vor ihm stehen. Da sagte der Spezereihändler zu ihm: »Ich habe nur Gutes mit dir beabsichtigt; ich fürchtete, dir die Wahrheit zu sagen, weil du sonst vor allzu großer Liebe und Sehnsucht verhindert werden konntest, dich mit ihr zu vereinigen und sie zu sehen, Sei aber standhaft, mache dir Mut, sei frohen Herzens und nicht verzagt, sie wird dir bald entgegenkommen.« Ali fragte dann: »Nun, wer ist sie denn?« Der Spezereihändler antwortete: »Es ist Schems Annahar, die Sklavin des Raschid, und der Ort, in dem du dich aufhältst, ist sein neuer Palast, der unter dem Namen »Palast der ewigen Freuden« bekannt ist. Ich habe viel List anwenden müssen, bis ich euch hier vereinigte. Nun möge Gott ein gutes Ende herbeiführen!« Ali blieb ganz betroffen, dann sagte er zu Abul Hasan: »Wisse, daß die Vorsicht vor allem gebietet, sein Leben zu schonen und die Erhaltung desselben im Auge zu haben. Du hast mir nun mein Leben geraubt, sei es durch eine gewaltsame Liebe oder durch die Hand des mächtigen Sultans.« Er schwieg dann, das Mädchen aber blickte zu ihm nach dem Fenster der Kuppel hinauf, und in ihren Blicken lag Liebe und Schmerz; auch er drückte mit seinen Augen und Mienen seine Liebe aus, und so sprach die Zunge der Liebe zwischen ihnen, obschon sie beide schwiegen, und enthüllte ihnen gegenseitig das Innerste ihres Herzens. Nachdem sie so einander eine Weile betrachtet hatten, befahl Schems Annahar der ersten Mädchenreihe, welche die Laute spielte, sich auf ihre Stühle zu setzen. Sie ließ dann durch Sklavinnen Stühle unter die Fenster der Kuppel, an denen Ali und der Spezereihändler sich befanden, bringen und befahl den Mädchen, die mit ihr herauskamen, sich auf diese Stühle zu setzen. Als sie saßen, winkte sie einer derselben und befahl ihr zu singen; diese stimmte ihre Laute und sang folgende Verse:

»Der Geliebte neigte sich zur Geliebten hin, und die Liebe machte aus beiden Herzen ein Einziges.«

»Sie stehen am Meer der Liebe, es ist ein süßes Meer, darum mache reichen Vorrat. Als sie da standen und Tränen über ihre Wangen flossen, sagten sie: die Schuld liegt nicht am Geschick, sondern an dem, der an diesem Meer vorübergeht.«

Sie sangen dabei auf eine Weise, daß der Gefühlvolle entzückt und der Kranke geheilt werden mußte. Ali war tief gerührt, wandte sich zu einem der Mädchen und bat sie, folgende Verse zu singen:

»Wegen der großen Entfernung, o Geliebte! haben meine Augen nur Tränen geerbt. O Freude und Glück meiner Augen! o du Ziel meiner Wünsche und meines Glaubens! habe Mitleid mit dem Betrübten und Verzweifelten, dessen Augen in seinen Tränen untergehen, dessen Liebe sein Innerstes füllt, so lang es Sehnsucht und Seufzer gibt.«

Als das Mädchen nach Ali‘s Wunsche diese Verse in einem zärtlichen Ton gesungen, wandte sich Schems Annahar zu einer anderen und hieß diese folgende Verse singen:

»Ich seufze nach dem, der gewiß auch seufzen würde, wenn er, wie ich, liebeskrank wäre; nach dem, den ein Teil meiner Sehnsucht schon seines Verstandes berauben würde. Dem barmherzigen Gott will ich klagen und keinem andern, daß mein Herz nicht besitzen kann, was es allein wünscht. Kein Mensch und kein Engel würde meine Leiden ertragen können.«

Das Mädchen sang diese Verse sehr schön mit einer zarten Stimme. Der junge Mann bat dann wieder eine andere, folgende Verse zu singen:

»Er sah deine beiden Augen und seufzte; es drückte ihn die schöne Geduld, er schmachtete und wurde liebeskrank; unter allen Menschen verlangt er nur nach dir.«

Als das Mädchen diese Verse mit vieler Kunst gesungen, seufzte Schems Annahar und sagte dem ihr am nächsten sitzenden Mädchen: Singe folgende Verse:

»Wenn du meine Seufzer nicht hörst, so weißt du nicht, was Mitleid ist. Bei deiner Liebe, bald ist meine Geduld zu Ende, und wie lang werde ich wohl noch Geduld haben müssen.«

Das Mädchen sang, und die beiden Liebenden schwammen in Entzücken und bewiesen sich gegenseitig die heißeste Liebe. Ali bat zuletzt noch einmal ein Mädchen, das in seiner Nähe saß, folgende Verse zu singen:

»Die Zeit der Vereinigung wird zu eng nach dieser Verstellung (Verheimlichung der Liebe in der Tat). Ihr seid ja so schön, und Schönheiten pflegen doch nicht, sich lange entfernt zu halten.«