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Tausend Und Eine Nacht

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Geschichte Nuruddins und seines Sohnes und Schemsuddins und seiner Tochter

Djafar erzählte nun dem Kalifen Harun Arraschid folgendes: Beherrscher der Gläubigen! Einst lebte in Ägypten ein gerechter, beschützender, wohltätiger und freigebiger Sultan, der ein Freund der Armen und ein Gönner der Schriftgelehrten war, zugleich ein wackerer Krieger, dem niemand den Gehorsam versagte. Er hatte einen alten und verständigen Vezier, der im Schreiben und Rechnen große Fertigkeit besaß und auch in manchen anderen Wissenschaften bewandert war. Dieser hatte zwei Söhne von hübschem Wuchse und vollkommener Schönheit, so daß sie dem Monde oder einer Gazelle verglichen werden konnten. Der ältere hieß Schemsuddin Mohammed und der jüngere Nuruddin Ali; dieser war besser als sein Bruder, er war das edelste Geschöpf Gottes zu jener Zeit. Als nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge ihr Vater, der Vezier, starb, war der Sultan sehr betrübt darüber, er ließ daher, aus Liebe zum Vezier, dessen beide Söhne zu sich rufen, beschenkte sie mit dem Ehrenkleide ihres Vater und sagte zu ihnen: »Ihr sollt nun an eures Vaters Stelle treten und gemeinschaftlich das Amt eines Veziers von Ägypten versehen.« Die jungen Waisen verbeugten sich vor dem Sultan und gingen, um ihres Vaters Leichenbegängnis zu besorgen. Kaum war ein Monat nach dem Tode ihres Vaters verflossen, so versahen sie auch schon das Amt eines Veziers, eine Woche um die andere sich im Dienste ablösend. Eben so begleiteten sie auch den Sultan abwechselnd auf seinen Reisen. Beide Brüder bewohnten ein Haus und beide hatten nur einen Willen und einen Wunsch. Nun begab es sich, daß die Reihe der Begleitung des Sultans auf einer Reise den älteren Bruder traf. Die Nacht vor seiner Abreise, als beide Brüder vertraulich beisammen saßen und plauderten, sagte der ältere: »Willst du wohl, mein Bruder, daß wir zwei Schwestern heiraten, den Ehekontrakt an demselben Tage unterzeichnen und in einer und derselben Nacht unsere Ehe vollziehen?« Nuruddin antwortete: »Tue was dir gut dünkt, mein Bruder, denn all dein Vorhaben führt zu einem guten Ende; sobald du also von deiner Reise zurückkehrst, wollen wir um zwei Schwestern werben, und Gott wird uns dazu seinen Segen verleihen.« Hierauf fuhr der ältere weiter fort: »Wenn wir nun an einem Tage uns verloben und verheiraten, und unser Frauen zur nämlichen Zeit guter Hoffnung werden und an einem Tage niederkommen, dann deine Frau einen Knaben und meine Frau ein Mädchen gebärt, wirst du nicht deinen Sohn mit meiner Tochter vermählen?« – »Gewiß recht gern, mein Bruder«, erwiderte Nuruddin; »aber wieviel Mitgift müßte mein Sohn deiner Tochter zubringen?« – »Weniger würde ich nicht nehmen«, erwiderte der ältere, »als 3000 Dinare, drei Gärten und drei Sklaven, außer dem, was gewöhnlich einer Frau verschrieben wird.« Hierauf versetzte Nuruddin: »Wozu die ungerechte Forderung einer solchen Mitgift? Sind wir nicht Brüder und beide Vezier? Jeder von uns kennt schon seine Pflicht. Du hättest wohl deine Tochter meinem Sohne ohne Mitgift zur Frau geben können, der Mann ist doch edler als das Weib; du verfährst mit mir wie jener, von dem man einen Dienst verlangte, und der darauf erwiderte: morgen, so Gott will! dann folgenden Vers rezitierte:

»Verweist man dich in einer Angelegenheit auf morgen, so kannst du wenn du verständig bist, daraus schließen, daß man deiner los sein will.«

Schemsuddin ward sehr aufgebracht darüber und sprach: »Wehe dir! schäme dich, zu sagen, dein Sohn sei edler als meine Tochter; wie wagst du es nur, ihn mit ihr zu vergleichen? Bei Gott, du hast weder Verstand noch Erfahrung. Auch sagst du, wir seien beide Veziere, während ich dich eigentlich nur als Gehilfen neben mir dulde, um dich nicht zu tief zu kränken. Nun aber schwöre ich bei dem Allmächtigen: meine Tochter soll deinen Sohn nicht heiraten, wenn du mir auch noch soviel Gold geben willst, als sie wiegt; nie werde ich deinen Sohn als Eidam annehmen, sollte ich auch deshalb den Todeskelch leeren müssen!« Nuruddin geriet über diese Worte seines Bruders gleichfalls in heftigen Zorn und fragte noch einmal: »Wie, mein Bruder, du würdest deine Tochter meinem Sohne verweigern?« – »Nie«, erwiderte der ältere, »werde ich zu einer solchen Ehe meine Einwilligung geben; nicht einen abgeschnittenen Nagel von ihr soll er erhalten. Müßte ich nicht morgen abreisen, so würde ich dich gleich wegen deines Übermutes zur Strafe ziehen; sobald ich aber von meiner Reise zurückkehre, werde ich dir zeigen, was meine Ehre erfordert.« Nuruddins Zorn ward immer heftiger, doch wußte er ihn zu verbergen, und erst, als er bewußtlos hinstürzte, hörte sein Bruder auf zu drohen. So brachte jeder von ihnen die Nacht in einem besondern Winkel zu, und der eine blieb gegen den anderen gleich aufgebracht. Als des Morgens Schemsuddin, weil es seine Reihe war, den Sultan nach den Pyramiden begleitete, ging der von seinem Bruder so tief gekränkte Nuruddin in die Schatzkammer, füllte einen kleinen Sack mit Gold und rezitierte folgende Verse:

»Reise, du findest leicht andere Leute für die, welche du verlässest; sei tätig, dann erlangst du des Lebens Reiz! Nur in der Fremde, nicht zu Hause sammelt man Ruhm oder Erfahrung, drum verlasse die Heimat und wandre umher; leicht verdirbt ein stehendes Wasser, nur wenn es in Bewegung kommt, bleibt es frisch. Bliebe die Sonne immer am Firmamente fest stehen, so würden alle Menschen, Araber und andere, ihrer bald überdrüssig werden; und könnte man nicht aus den Veränderungen des Mondes wahrsagen, so würde kein Beobachter stets zu ihm hinaufsehen. Der Löwe fände keine Beute, wenn er den Wald nicht verließe, und der Pfeil würde nichts treffen, wenn er am Bogen bliebe. Gold liegt wie Staub im Schachte, und Aloe ist nicht mehr als anderes Holz da, wo es wächst; jenes wird gesucht, wenn es der Erde entrissen, und dieses wird zu Gold in fremdem Lande.«

Nachdem er diese Verse gesprochen, befahl er einem seiner Diener, seiner Mauleselin den mit Silber verzierten Sattel aufzulegen. Diese war eine der besten und vortrefflichsten, mit Ohren wie geschnittene Rohrfedern, und Füßen wie eine aufgebaute Säule; er ließ ihr das schönste Geschirr anlegen, einen seidenen Teppich über den Sattel ausbreiten und den Quersack darauf packen. Dann sagte er seinen Sklaven und Dienern: »Ich will mich auf dem Lande zerstreuen, ich will die Gegend von Kaliub und andere noch bereisen; ich werde daher einige Tage ausbleiben, es braucht mir aber niemand von euch zu folgen.« Hierauf bestieg er seine Mauleselin, nachdem er sich mit Lebensmitteln versehen hatte, ritt von Kahirah weg und nach dem Weg zur Wüste. Gegen Mittag kam er in eine Stadt, Bilbeis genannt; er ruhte daselbst ein wenig aus, aß zu Mittag und versah sich wieder mit frischen Lebensmitteln für sich und seine Eselin. Alsdann machte er sich wieder auf den Weg und kam gegen Abend, nachdem er seine Eselin nicht geschont hatte, nach Saidije. Durch mehrere Straßen dieser Stadt von seiner Eselin getragen, hielt er an der Post, fütterte sein Tier, aß selbst etwas, legte seinen Quersack unter den Kopf, ein Kissen auf den Boden und breitete einen Teppich darüber aus. Je mehr er über das Betragen seines Bruders nachdachte, desto heftiger ward sein Zorn, und er schwor, nicht zurückzukehren, und sollte er auch bis Bagdad reisen. Als er des Morgens wieder seine Reise fortsetzte, traf er einen Kurier; er trieb seine Mauleselin und ritt gleichen Schrittes mit diesem, und Gott ließ ihn glücklich nach BaßrahBaßrah, auch Bassora oder Balsora genannt, ist eine Stadt am Tigris, auf Befehl des Kalifen Omar im Jahre 636 nach Chr. gegründet. kommen. Nuruddin ging einst vor den Toren der Stadt spazieren und traf zufällig den Statthalter von Baßrah daselbst. Als dieser den jungen Mann erblickte und an seinem feinen, vornehmen Wesen bemerkte, daß er von edler Geburt sein müsse, ging er auf ihn zu, grüßte ihn und erkundigte sich nach seinen Umständen. Nuruddin erzählte ihm alles; dann auch, wie er geschworen habe, nicht nach Hause zurückzukehren, bis er die ganze Welt gesehen, und lieber sterben wolle als unbefriedigt die Heimat wieder zu betreten. Als der Vezier dies hörte, sprach er zu ihm: »Thue dies nicht mein Sohn! denn viele Länder sind unsicher; es könnte dir leicht ein Unglück begegnen.« Er nahm ihn dann mit nach Hause, erwies ihm viele Ehre, da er ihn bald sehr lieb gewonnen hatte. Eines Tages sagte er zu ihm: »Du weißt, mein Sohn, daß ich schon sehr alt bin und keine männlichen Nachkommen, sondern nur eine einzige Tochter habe, die dir an Schönheit gleicht; schon habe ich große und reiche Freier abgewiesen, doch fühle ich so große Zuneigung zu dir, daß ich dich frage: ob du wohl meine Tochter als Sklavin annehmen willst, so daß sie deine Frau werde und du ihr Mann? Ich werde dich dann als meinen Sohn anerkennen, dich als solchen dem Sultan vorstellen und ihn bitten, daß er dich an meiner Stelle zum Vezier mache. Ich selbst will mich in mein Haus zurückziehen; denn, bei Gott! sieh‘ mein Sohn, ich bin schwach und alt, und du wirst daher wie mein Kind mein Vermögen verwalten, und dem Vezier-Amte der Provinz Baßrah vorstehen.« Als der Vezier ausgeredet hatte, blickte Nuruddin eine Weile zur Erde nieder, dann antwortete er, daß er bereit sei, alles zu tun, was der Vezier befehle. Dieser freute sich sehr über seine Antwort und befahl seinen Dienern, allerlei Speisen und Süßigkeiten zu bereiten und den großen Saal auszuschmücken, der zu solchen Festlichkeiten bestimmt war. Nachdem diese Befehle vollzogen waren, ließ der Vezier seine Freunde und die Großen des Reichs versammeln, sowie alle Vornehmen der Stadt Baßrah einladen, die auch sogleich eintrafen. Er sprach dann zu ihnen: »Wisset, daß ich einen Bruder in Ägypten hatte, der daselbst Vezier war und dem Gott einen Sohn geschenkt hat; mir, wie ihr wohl wißt, ist nur eine Tochter beschert worden. Da nun mein Neffe ebenso wie meine Tochter heiratsfähig ist, so hat mein Bruder seinen Sohn, den ihr vor euch seht, zu mir geschickt, um ihn mit meiner Tochter zu vermählen. Es soll nun die Hochzeit hier bei mir gefeiert werden; dann werde ich ihn mit allem Nötigen zur Rückreise ausstatten und ihn mit meiner Tochter nach Hause zurückkehren lassen.« Alle antworteten: »Du hat einen glücklichen Gedanken und ein lobenswertes Vorhaben, Gott wird deine Hoheit mit seiner Gnade krönen und den Weg segnen, den du eingeschlagen.«

 

Nach einer Weile kamen die Gerichtszeugen, die Diener deckten den Tisch, es wurde aufgetragen, und als man satt war, wurden noch verschiedene Speisen gereicht, dann wurde der Ehekontrakt geschlossen und der Saal mit dem feinsten Räucherwerk durchduftet. Nach und nach zogen sich die Gäste zurück, und der Vezier befahl seinen Dienern, Nuruddin ins Bad zu führen. Während er im Bade war, schickte ihm der Vezier einen vollständigen Anzug, der eines Königs würdig gewesen wäre; auch Tücher zum Abtrocknen, Weihrauch und anderes, dessen er bedurfte, wurden nicht vergessen. Als er aus dem Bade kam, glich er dem Vollmonde oder dem heranleuchtenden Morgen, wie ein Dichter sagte:

»Der Atem ist Moschus, die Wangen Rosen, die Zähne Perlen, der Speichel Wein, der Wuchs der Zweig eines Baumes, die Haare sind die Nacht und das Gesicht der Vollmond.«

Er ging dann zu seinem Schwiegervater und küßte ihm die Hand. Dieser erhob sich vor ihm, ließ ihn neben sich sitzen und sagte dann zu ihm: »Erzähle mir nun, warum du dein Vaterland verlassen und wie deine Leute dir erlaubten, dich von ihnen zu trennen; sprich wahr und verhehle mir nichts, merke dir die Worte des Dichters:

»Bleibe immer bei der Wahrheit, sollte sie auch mit dem Feuer der Hölle dich brennen, suche nur den Beifall des Herrn, denn wehe dem, der, um Sklaven zu gefallen, den Herrn erzürnt.«

Übrigens weißt du ja, daß ich dich an meine Stelle erheben und dich deshalb dem Sultan vorstellen will.« Nuruddin erzählte ihm, was zwischen ihm und seinem Bruder vorgefallen, und wie er heimlich seine Leute verlassen, zufällig nach Baßrah gekommen, wo er endlich durch des Veziers Wohltaten so glücklich geworden war, dessen Tochter zur Gemahlin zu erhalten. Der Vezier wunderte sich über diese Erzählung und lachte darüber. »Wie«, sagte er, »ihr habt schon Streit gehabt, ehe ihr geheiratet und Kinder gezeugt hattet? Doch lassen wir das beiseite, gehe jetzt zu deiner Gemahlin; morgen werde ich dich dein Sultan vorstellen, um ihm deine Geschichte zu erzählen, und ich hoffe, Gott wird dir seinen Segen nicht entziehen.« Nuruddin begab sich hierauf zu seiner Gemahlin, wie ihm sein Schwiegervater befohlen.

Schemsuddin aber, der, wie früher erwähnt worden ist, sich mit dem Sultan von Ägypten auf die Reise begeben hatte, und erst nach einem Monat zurückkam, wollte gleich nach seiner Rückkehr Nuruddin zu sich rufen lassen, als man ihm sagte, daß man ihn seit seiner Abreise vermisse und daß er wohl in fremden Ländern herumreise; er habe zwar gesagt, er werde nur wenige Nächte ausbleiben, man habe aber seither gar nichts mehr von ihm vernommen. Als Schemsuddin dies hörte, war er sehr betrübt und konnte sich diese lange Abwesenheit gar nicht erklären. Gewiß, dachte er, ist ihm ein Unglück widerfahren. Er beschloß daher, ihn bis in die entferntesten Länder aufsuchen und überall Boten ausschicken zu lassen, um Nachricht von ihm zu erhalten. Es kamen Boten nach Haleb,Haleb, auch Aleppo, besser aber Haleb, ist eine Stadt im nördlichen Syrien; wahrscheinlich das alte Berrhaea. konnten aber, da Nuruddin schon in Baßrah war, daselbst nichts von ihm erfahren; sie kehrten daher bestürzt nach Kahirah zurück. Schemsuddin verlor bald die Hoffnung, seinen Bruder wiederzufinden. Gott, der allein Mächtige, stehe mir bei, dachte er, ich habe meinem Bruder zu viel getan, als wir von unserer Vermählung sprachen. Nach einiger Zeit vermählte sich Schemsuddin mit der Tochter eines vornehmen Mannes aus Kahirah und der Zufall wollte, daß er seine Gemahlin in derselben Nacht heimführte, wie sein Bruder in Baßrah die seinige, und Gott, um den Menschen seine Weisheit zu offenbaren, fügte es, daß Schemsuddins Frau eine Tochter und Nuruddins Frau einen Sohn gebar. Nuruddins Sohn war so schön, daß er Mond und Sonne beschämte; leuchtend war seine Stirne, rot seine Wangen, marmorn sein Hals, und auf seiner rechten Wange war ein braunes Fleckchen, wie ein Ambrabogen, wie ein Dichter ihn beschrieben:

»Schlank ist sein Wuchs, sein schönes Gesicht und seine schwarzen Haare verbreiten abwechselnd Licht und Finsternis in der Welt; verkennt auch nicht das Fleckchen auf seinen Wangen, denn auch bei der Rose findet ihr ein solches wieder.«

Kurz, der Kleine war so hübsch und wohl gewachsen, daß seine Anmut alle Herzen bezauberte, sowohl seine Gestalt, als sein ganzes Wesen gewannen ihm die Liebe aller. Nichts fehlte an seiner Schönheit, ein Reh mußte sogar ihn um seinen Hals und seinen Blick beneiden; wohl bezeichnet wird er noch durch folgende Verse:

»Bringt man die Schönheit selbst, um sie mit ihm zu vergleichen, wird sie aus Scham ihr Gesicht niederschlagen; fragt man sie aber: hast du je etwas Ähnliches gesehen? so antwortet sie: nein, niemals!«

Nuruddin nannte diesen Knaben Bedruddin Hasan; sein Großvater, der Vezier von Baßrah, freute sich unendlich mit ihm; es war eine große Mahlzeit gegeben, und der Vezier machte seinem Schwiegersohne Geschenke, die eines Königs würdig waren; er ging dann mit ihm zum Sultan, der ein schöner, wohltätiger und verständiger Mann war, verbeugte sich vor ihm und sprach folgende Verse:

»Dein Leben und dein Ruhm mögen so lange dauern, als Morgen und Abend miteinander wechseln! Möchtest du, so lange es eine Nacht gibt, in ununterbrochenem Glücke fortleben!«

Nachdem der Sultan ihm für seinen Wunsch gedankt, fragte er ihn, wer der junge Mann sei, den er mitgebracht; der Vezier erzählte ihm Nuruddins ganze Lebensgeschichte und setzte dann hinzu: »Lasse, o König! diesen Mann an meiner Stelle Vezier werden, denn er besitzt eine ausgezeichnete Beredsamkeit; ich, dein Sklave, bin schon sehr alt. Mein Geist hat abgenommen, mein Gedächtnis ist schwach geworden, darum wünsche ich von der Gnade des Sultans, daß mein Schwiegersohn nun meinen Platz einnehme; ich glaube wohl, daß er dessen durch meine treuen Dienste würdig geworden.« Er küßte dann den Boden vor dem Sultan, der Nuruddin sogleich liebgewonnen, sobald er ihn nur angesehen hatte; er ließ daher ein Ehrenkleid herbeibringen und bekleidete Nuruddin selbst damit, auch schenkte er ihm eine von seinen besten Mauleselinnen, und setzte ihm sogleich ein Jahrgeld fest, wie es seinem Range gebührte. Der alte Vezier kehrte sodann wieder mit seinem Schwiegersohne nach Hause zurück, und im Übermaße ihrer Freude sagten sie zueinander: »Dies Glück bringt uns allein das neugeborene Kind!« Am folgenden Tag ging Nuruddin wieder zum Sultan, trat sein neues Amt an und versah alle Geschäfte eines Veziers; nichts war ihm zu schwer, als hätte er schon darin eine lange Übung gehabt. Der Sultan liebte ihn immer mehr, und Nuruddin kehrte höchst beglückt über die Huld des Sultans, der ihn reich beschenkte, nach Hause zurück, wo seine Freude mit seinem Sohne, dem er die sorgfältigste Erziehung gab, nicht minder groß war. So vergingen Tage und Nächte, und Bedruddin war immer größer und hübscher. Als er aber das vierte Jahr erreicht hatte, war sein Großvater krank, er vermachte ihm sein ganzes Vermögen und starb. Man bereitete die Trauermahlzeit und verrichtete die üblichen Leichen-Zeremonien und Trauerfeierlichkeiten einen ganzen Monat lang. Als Bedruddin sieben Jahre alt war, führte ihn sein Vater in die Schule und empfahl ihn angelegentlich dem Lehrer: »Gib wohl acht auf dieses Kind«, sagte er zu ihm, »und vernachlässige weder seinen Unterricht, noch seine moralische Bildung.«

So war der Kleine immer klüger, verständiger, gebildeter und beredter, der Lehrer freute sich sehr über ihn, und nach zwei Jahren hatte er schon recht viel gelernt.

Im Alter von zwölf Jahren, so fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, hatte der Kleine Schönschreiben, Theologie, Grammatik, arabische Literatur, Arithmetik und den Koran gelernt. Auch ließ ihn Gott immer schöner und liebenswürdiger werden, so daß folgende Verse ihn recht gut bezeichnen:

»Sein schlanker Wuchs gleicht einem kräftigen Baumstamme, der Mond scheint von seiner leuchtenden Stirne aufzugehen, die Sonne geht in den Rosen seiner Wangen unter; er ist der König der Schönheit, und die Schönheit alles Geschaffenen ist von ihm entlehnt.«

Als ihn zum erstenmale sein Vater hübsch kleidete und sich mit ihm auf den Weg machte, um zum Sultan zu reisen, drängten sich alle Leute um den Vezier, damit sie diesen schönen Knaben besser sehen konnten. Sie überhäuften den Vater und seinen Sohn mit Glückwünschen; alle waren über des Knaben Schönheit entzückt und konnten ihn nicht genug bewundern, so oft sie ihn sahen, denn er war wirklich wie ein Dichter sagte:

»Gepriesen sei der, der ihn so schön geschaffen! Er ist der König aller Schönheit, alle Menschen sind ihm ergeben, sein Speichel ist fließender Honig, seine Zähne sind eingereihte Perlen. Er allein vereinigt alles Schöne in sich, und alle Menschen verirren sich in seiner Anmut. Die Schönheit hat auf seine Stirne geschrieben: »Ich bezeuge, daß nur er wahrhaft schön ist.«

Er war die Verführung aller Liebenden, der Lustgarten, nach dem jeder sich sehnte, süß waren seine Worte, freundlich sein Lächeln, er beschämte den Vollmond und war schmiegsamer als die Zweige des Ban,Ein Baum, mit dessen schmiegsamen Zweigen sich leicht bewegende Jünglinge und Mädchen oft verglichen werden. seine Wangen konnten alle Rosen ersetzen. Als er zwanzig Jahre zählte, ward sein Vater krank: er ließ seinen Sohn zu sich rufen und sprach zu ihm: »Wisse, daß diese Welt ein vergänglicher Aufenthaltsort ist, daß jenes Leben aber ewig dauert; ich will dir daher fünf Dinge empfehlen, über die ich viel nachgedacht habe.« Er erinnerte sich dann auch an seine Heimat und an seinen Bruder Schemsuddin, und er mußte weinen bei dem Gedanken, nun fern von seinem Vaterlande sterben und von allen Freunden sich trennen zu müssen; er seufzte schwer und sprach folgende Verse:

»Was sollen wir sagen bei der Entfernung von der Heimat, was tun, wenn heftige Sehnsucht uns überfällt? Kein Bote kann von unserer Liebe Nachricht bringen. Wie sollen wir uns trösten, wenn wir von vielen Freunden keinen einzigen mehr finden? Nun bleiben uns nur Klagen und Seufzer und Tränen, die über unsere Wangen herabrollen. O ihr, die ihr von meinen Augen fern, doch meinem Herzen so nahe seid, wißt ihr wohl, daß trotz der langen Trennung meine Freundschaft doch standhaft blieb? Habt ihr in der Entfernung einen Freund vergessen, der so oft eure Tränen getrocknet? Schwere Vorwürfe werde ich euch zu machen haben, wenn uns dort wieder ein neues Leben vereint.«

Als er diese Verse gesprochen und heftig geweint hatte, sagte er zu seinem Sohne: »Bevor ich dir meinen letzten Willen offenbare, wisse, daß du einen Oheim hast, der Vezier in Kahirah ist, von dem ich mich gegen seinen Willen getrennt habe.« Er nahm hierauf ein Papier und schrieb alles, was zwischen ihm und seinem Bruder vorgefallen, nieder; ferner alles, was ihm in Baßrah wiederfahren war, den Tag seiner Hochzeit und sein Alter, legte dann dieses Papier zusammen, versiegelte es und gab es seinem Sohne, indem er ihm befahl, es wohl aufzubewahren.

Hasan nahm das Papier und nähte es in seine Kappe unter der Binde ein, während er viele Tränen über den Verlust seines Vaters vergoß, der im Todeskampfe dalag. Als dieser sich wieder ein wenig erholt hatte, sprach er: »Daß Erste, was ich dir anempfehle, daß du nicht mit jedem Verbindungen anknüpfest; nur so entgehst du vielem Übel; wer ruhig leben will, muß Zurückgezogenheit lieben, wie ein Dichter sagte:

»Es gibt niemand in deiner Zeit, von dem du wahre Freundschaft erwarten kannst; kein Freund bleibt dir treu, wenn das Glück dich verläßt, lebe einsam und baue auf niemanden, dies ist mein Rat, es bedarf keines weitern.«

» Zweitens: Mein Sohn, tue niemandem Unrecht, es möchte sonst das Schicksal auch dir Unrecht tun; denn das Schicksal ist heute für dich, einen anderen Tag gegen dich; die Welt ist ein geliehenes Gut, das man wieder zurückgeben muß. Schon hat ein Dichter gesagt:

»Besinne dich und folge nicht zu rasch deiner Leidenschaft, sei barmherzig gegen Menschen, sie werden dich den Milden nennen. Gottes Hand ist über jede Hand erhaben; niemand übt eine Gewalttat aus, dem sie nicht wieder vergolten wird.«

» Drittens: Gewöhne dich zu schweigen und vergiß anderer Leute Fehler bei deinen eigenen; es ist ein allgemeines Sprichwort: wer schweigen kann, entgeht vieler Gefahr. Du weißt auch, wie es bei einem Dichter heißt:

»Schweigen ist eine Zierde, stille sein ist Heil; sei nicht voreilig im Sprechen, denn kannst du auch einmal es bereuen, geschwiegen zu haben, so wird es dich gar oft reuen, zu viel gesprochen zu haben.«

 

» Viertens: Hüte dich vor dem Weintrinken, denn der Wein ist die Veranlassung großen Unheils, weil er den Verstand raubt; nimm dich wohl in acht, keinen Wein zu trinken und erinnere dich der Worte des Dichters:

»Ich meide den Wein und die, die ihn trinken, auch führen mich die, welche ihn tadeln, zum Muster an, dieses Getränk verwirrt den Pfad des Rechts und öffnet die Pforte zu allem Bösen.«

» Fünftens: Mein Sohn, bewahre dein Vermögen, es wird dich vor vielem Übel bewahren; verschwende nicht was du hast, sonst wirst du noch bei schlechten Menschen Hilfe suchen müssen. Hüte wohl dein Geld, denn es ist ein sicheres Heilmittel; ich weiß, wie ein Dichter sprach:

»Ist mein Vermögen gering, so will niemand mein Freund sein, ist es groß, so nennen sich alle Leute meine Freunde; wie mancher Freund leistete mir Gesellschaft, wenn es galt, mein Geld zu verschwenden, und wie viele ließen mich allein, als ich mein Vermögen verloren!«

Er empfahl ihm dann noch andere Tugenden, bis er in seines Sohnes Armen verschied.

Nach dem Tode seines Vaters trauerte Bedruddin zwei Monate lang; er ritt nie aus, und versäumte sogar sein Amt beim Sultan vor übermäßiger Betrübnis, Der Sultan war so sehr darüber erzürnt, daß er einen seiner Schloßhüter zum Vezier ernannte, und befahl ihm, mit Gefolge ins Haus des verstorbenen Veziers zu gehen, alles, was er hinterlassen, aufzunehmen und zu versiegeln, und keinen Heller zurückzulassen. Der neue Vezier ging sogleich mit einem Gefolge von Kämmerern und Schreibern, und fragte nach dem Hause des Veziers Nuruddin Ali. Unter den Leuten, die er fragte, war ein Sklave Nuruddins, der, als er hörte, was vorgefallen, sogleich zu Bedruddin eilte, der in dem Hofe seines Palastes mit gesenktem Haupte und mit zerknirschtem Herzen saß. Der Sklave warf sich vor ihm nieder, küßte ihm die Hand und sprach: »O mein Herr und Sohn meines Herrn, eile, eile, ehe es nicht mehr Zeit ist!« – Hasan fragte erschrocken, was es gebe? – »Der Sultan«, erwiderte der Sklave, »ist gegen dich aufgebracht und hat befohlen, dich in Verhaft zu nehmen; schon kommen seine Leute hinter mir her, rette dich daher schnell, damit du nicht in ihre Hände fällst, denn sie werden nicht schonend mit dir umgehen.« – Hasan erglühte vor Zorn, dann folgte die Blässe auf seinem Angesichte, und er fragte den Sklaven: »Habe ich nicht so viel Zeit noch, ins Haus zu gehen?« – »Nein!« erwiderte der Sklave; »verlasse dein Haus und mache dich sogleich auf den Weg.« Hierbei rezitierte er folgende Verse:

»Rette nur dein Leben schnell, wenn du Gewalt befürchtest, und lasse das Haus den Verlust seines Erbauers ausrufen; leicht findest du ein anderes Land für das deinige, aber für dein Leben findest du kein anderes zum Ersatz.«

Der junge Mann schlüpfte schnell in seine Pantoffeln und schlug die Schleppe seines Kleides um sein Gesicht, aus Furcht, erkannt zu werden, und da er nicht wußte, wohin er sich wenden sollte, ging er auf das Grab seines Vaters zu, ließ dann sein Oberkleid wieder herunter, an welchem goldgestickte Knöpfchen waren, auf denen geschrieben stand:

»O du mit leuchtendem Gesichte wie Sterne oder Tau, ewig daure dein Ruhm und deine Ehre.«

Als er so in Gedanken fortwanderte, begegnete er einem Juden, der eben zur Stadt zurückkehren wollte; es war ein Geldwechsler und er trug einen Korb in der Hand.

Als der Jude Bedruddin sah, grüßte er ihn und küßte ihm die Hand; dann fragte er ihn: wohin er so spät wolle und warum er so verstört aussehe? Hasan antwortete ihm: »Ich habe ein wenig geschlafen, da erschien mir mein Vater im Traume; als ich nun erwachte, wollte ich noch vor Nacht schnell sein Grab besuchen.« Hierauf sagte ihm der Jude: »Ich weiß, daß dein Vater, unser Herr, vor seinem Tode Waren auf dem Meere hatte; es müssen nun bald mehrere Schiffe mit seinen Ladungen ankommen, und ich bitte dich, sie keinem andern, als mir zu verkaufen; ich gebe dir sogleich 1000 Dinare, wenn du die Ladung des Schiffes, das zuerst einlaufen wird, mir verkaufen willst.« Als Bedruddin einwilligte, nahm er einen versiegelten Sack aus dem Korbe, öffnete ihn und wog Bedruddin 1000 Dinare vor, und bat ihn, ihm ein paar Worte über diesen Kauf aufzuschreiben. Hasan nahm ein Stückchen Papier und schrieb darauf: »Hiermit verkauft Bedruddin Hasan dem Juden Ishak die Ladung des ersten einlaufenden Schiffes um 1000 Dinare, die er schon bar erhalten hat.« Dann bat ihn der Jude, das Papier in den Sack zu werfen, den er hierauf wieder zuband, versiegelte und sich umhing. Bedruddin verließ nun den Juden, um die Gräber zu durchstreichen, bis er zu dem seines Vaters gekommen war; er ließ sich auf demselben nieder, weinte und sprach folgende Verse:

»Seitdem ihr von Hause fern, ist kein Bewohner mehr darin. Wir haben keine Nachbarn mehr, seitdem ihr abwesend seid. Der Freund, mit dem ich mich dort unterhielt, ist nicht mehr mein Freund, und meine Spielgenossen scheinen mir nicht mehr meine Spielgenossen. Ihr seid fern, darum ist‘s der ganzen Welt unheimlich, die weitesten Länder und Gegenden sind von Dunkelheit umgeben. O hätte doch der Rabe, der unsere Trennung verkündigte, niemals Federn gehabt, hätte nie ein Nest ihn geduldet! Meine Geduld hat abgenommen, mein Körper ist abgezehrt; wie manchen Schleier hat der Trennungstag schon durchbrochen! Bald wirst du vergangene Nächte wiederkehren sehen, denn bald wird eine Wohnung (das Grab) uns wieder umschließen.«

Bedruddin weinte noch lange auf dem Grabe seines Vaters und verzweifelte über seine Lage, denn er wußte gar nicht, was beginnen und wohin sich wenden; endlich legte er sein Haupt auf das Grab, und schlief (gepriesen sei der, der nie schläft), bis tiefe Nacht die Erde bedeckt. Im Schlaf glitt sein Haupt vom Grabe herunter, und er lag auf dem Rücken mit ausgestreckten Händen und Füßen. Nun bewohnte diese Begräbnisstätte ein Geist, der Tag und Nacht auf diesen Gräbern von einem zum anderen schwebte; als dieser Geist nun eben aus einem Grabe hervorkam und umherfliegen wollte, sah er einen angekleideten Menschen auf dem Rücken liegen, über dessen Schönheit er, bei näherer Betrachtung, in die höchste Bewunderung ausbrach.

Bei diesem Anblick dachte der Geist, dies ist gewiß eine Huri, ein göttliches Geschöpf, um die Welt zu verführen. Er betrachtete ihn noch eine Weile, flog davon und erhob sich hoch in die Luft bis er in der Mitte zwischen Himmel und Erde schwebte. Hier stieß er an die Flügel eines anderen Geistes; er fragte: »Wer ist da?« – »Eine Fee!« ward ihm zur Antwort. – »Willst du, o Fee!« erwiderte hierauf der Geist, »mit mir auf meine Gräber kommen? du wirst sehen, was für einen Menschen der erhabene Gott geschaffen.« Als sie einwilligte, ließen sie sich miteinander auf das Grab nieder; da sprach der Geist zur Fee: »Hast du wohl in deinem ganzen Leben einen schönern Jüngling gesehen?« Als sie ihn näher betrachtete, sprach sie: »Gelobt sei der, dem nichts ähnlich ist; bei Gott! mein Bruder, erlaube mir, dir eine wunderbare Begebenheit zu erzählen, bei welcher ich diese Nacht in Ägypten zugegen war.« Als der Geist sie zu erzählen bat, fing sie wie folgt an: Wisse, daß der König von Kahirah einen Vezier hat, der Schemsuddin Mohammed heißt; dieser hat eine Tochter, die nun bald zwanzig Jahre alt wird und die größte Ähnlichkeit mit diesem Jüngling hat; vollkommen schön ist ihr Gesicht und ihr Wuchs ausgezeichnet. Als der Sultan von Kahirah von diesem schon erwachsenen Mädchen sprechen hörte, ließ er den Vezier rufen und sagte zu ihm: »Ich habe vernommen, du habest eine schöne Tochter; ich begehre sie von dir zur Gattin.« – Der Vezier antwortete: »Entschuldige, mein König, daß ich deinem hohen Willen nicht willfahren kann; du wirst mich nicht tadeln, gewiß wird deine Milde mir beistehen, wenn ich dir meine Gründe angebe. Du weißt, ich habe einen Bruder, der Nuruddin heißt und neben mir in deinen Diensten Vezier war. Einst saßen wir beisammen und plauderten über die Ehe und über unsere zukünftigen Kinder, da gerieten wir in so heftigen Streit, daß mein Bruder den folgenden Tag entfloh. Nachdem ich seit zwanzig Jahren keine Nachricht von ihm gehabt habe, hörte ich vor kurzem, daß er in Baßrah als Vezier gestorben und einen Sohn hinterlassen habe. Nun hatte ich aber von dem Tage an, wo meine Frau eine Tochter gebar, diese meinem Neffen bestimmt; mein Herr, der Sultan, kann ja unter vielen anderen Frauen und Mädchen wählen.«