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Tausend Und Eine Nacht

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Der Kaufmann, über Nushat Assamans Beredsamkeit erstaunt, sagte: »Ich glaube nicht, daß du eine Sklavin bist; ich glaube, du bist nur aus Mutwillen verkauft worden; du kannst also lesen und schreiben?« – »Noch viel mehr als dies«, versetzte Nushat Assaman; »ich verstehe auch Chemie und Medizin; ich habe Galen, Avicenna und Ibn Beitar gelesen; ich habe Theologie, Geschichte, Grammatik, Logik, Rhetorik, Mathematik und Philosophie studiert, und selbst über Metaphysik geschrieben; ich habe immer unter Gelehrten gelebt und mit ihnen über die schwierigsten theologischen Streitfragen disputiert; doch bringe mir jetzt Tinte und Papier!« Als der Kaufmann dies hörte, rief er: »Heil dem, der dich in seinem Schloß besitzt!« Er holte dann, was sie wünschte, und überreichte es ihr mit einer tiefen Verbeugung; sie nahm Papier und Kalam und schrieb folgende Verse:

»Warum ist der Schlaf aus meinen Augen gewichen? hast du sie durch deine Trennung das Wachen gelehrt? Bei dem Gedanken an dich entzündet sich eine helle Sehnsuchtsflamme in meinem Herzen; denn nie wollte ich von dir scheiden, aber wer kann seinem Geschick entgehen? Wie schön waren die verflossenen Tage, doch sie sind dahin mit allen ihren Freuden; höre meine Klagen über unsere Trennung, sie sind so ergreifend, daß sie Steine erweichen.«

Sie schrieb dann darunter:

»Von der, die der Kummer niedergeschlagen, die das Wachen geschwächt, die in ihrer Dunkelheit kein Licht findet und den Tag nicht von der Nacht unterscheiden kann, die stets sehnsuchtsvoll nach den Sternen blickt. Von der traurigen und von ihrer Familie und Heimat entfernten Nushat Assaman.«

Nushat Assaman versiegelte dann das Briefchen und überreichte es dem Kaufmann. Der Kaufmann bewunderte sie, nahm das Briefchen mit Freude an und versprach sich viel Glück davon. Er behandelte sie nun mit noch größerer Achtung, so daß er selbst auf den Markt ging, um für sie einzukaufen, und des Abends schickte er sie ins Bad.

Als Nushat Assaman im Bad war, schickte ihr der Kaufmann ein Badmädchen, um sie zu waschen und anzukleiden, und sagte diesem Mädchen: »Wenn sie angezogen ist, so laß mich es wissen.« Während sie badete, ließ er die kostbarsten Speisen, Süßigkeiten und Früchte zubereiten und auf das Sofa des Vorsaals bringen, und als sie herauskam, aßen sie miteinander, bis sie satt waren, und schenkten das Übrige den Bedienten des Bades.

Am folgenden Morgen brachte ihr der Kaufmann die schönsten und teuersten Kleider und den kostbarsten Schmuck, goldene Ohrringe mit großen Perlen und Diamanten für tausend Drachmen, eine Halskette mit Smaragdsteinen, eine über die Brust herabhängende Kette von Ambra, mit Kugeln und Halbmonden von Hyacinthen und Diamanten, kurz, Kleidung und Juwelen waren von unendlich hohem Preis. Als sie angekleidet war, bat sie der Kaufmann, ihm zu folgen. Auf der Straße erstaunten alle Leute, die sie sahen, und sagten: »Wohl dem, der eine solche Sklavin besitzt.« Der Kaufmann führte sie in Scharkans Schloß und bat, vorgelassen zu werden. Als er die Erlaubnis erhielt, vor Scharkan zu erscheinen, verbeugte er sich und sprach: »O du glückseliger, einsichtsvoller Herr! ich bringe dir ein wunderbares Geschenk, desgleichen in dieser Zeit höchst selten ist: ein Mädchen voller Reize und Tugenden.« Als Scharkan sie zu sehen wünschte, ging der Kaufmann hinaus, holte Nushat Assaman und stellte sie ihm vor.

Scharkan kannte Nushat Assaman nicht, denn aus Haß zu ihr und ihrem Bruder hatte er sie ja verlassen, als sie noch klein waren; doch fühlte er sich, ohne zu wissen warum, so sehr zu ihr hingezogen, daß er dem Kaufmann sagte, er wolle ihm das Geld, das er für sie ausgegeben, wieder erstatten und sie bei sich behalten. Der Kaufmann sagte: »Ich überlasse sie dir, jedoch nur unter der Bedingung, daß du mir ein Empfehlungsschreiben an deinen Vater gibst, daß ich gar keine Abgaben in seinem Lande zu entrichten habe.« Scharkan erwiderte: »Recht gern; doch sage mir, was hast du für sie gegeben?« – »Ich habe sie für hunderttausend Dinare gekauft und ebenso viel für ihre Kleidung ausgegeben.« – »Ich bin so sehr mit dir zufrieden, daß mein Schatzmeister dir dreihunderttausend Dinare ausbezahlen soll.« Scharkan ließ dann die vier Kadhis der Stadt kommen und den Kaufmann in ihrer Gegenwart ausbezahlen; dann sagte er: »Ich erkläre hiermit, daß ich diesem Mädchen vor dem Angesicht Gottes die Freiheit schenke und sie zur Gattin nehme.« Die Kadhis schrieben sogleich den Freibrief und den Ehekontrakt, und Scharkan streute Gold und Silber unter die Umstehenden aus. Er ließ dann einen Firman ausfertigen, wodurch der Kaufmann für immer von allen Abgaben freigesprochen wurde, auch schenkte er ihm noch ein Ehrenkleid und andere Kostbarkeiten. Da er aber auch wissen wollte, ob die Sklavin wirklich so gelehrt sei, wie sie ihm der Kaufmann schilderte, ließ er die vier Kadhis hinter einem Vorhang ein gelehrtes Gespräch mit ihr anknüpfen, woraus sich bald ergab, daß der Kaufmann sie noch viel zu wenig gerühmt hatte. Die Kadhis gestanden, sie haben in ihrem Leben in den gelehrtesten Büchern nicht so viel Schönes gefunden, als sie zu sagen wußte. Bald sprach man in der ganzen Stadt so viel von ihr, daß die Frauen der Veziere, Fürsten und Großen des Reichs herbeikamen, ihr die Hand küßten und sich mit ihr unterhielten. Alle waren über ihren Geist, ihre Bildung, ihre Beredsamkeit und ihre Liebenswürdigkeit so erstaunt, daß sie sagten: »Die war nie Sklavin: das ist eine Königin oder eine Prinzessin.«

Scharkan sagte dann zu seinen Dienern: »Eilt nun und bereitet alles zur Hochzeit vor, und bringt die kostbarsten Speisen herbei!« auch bat er die Damen, noch solange bei Nushat Assaman zu bleiben, bis sie des Abends hochzeitlich geschmückt sein würde. Die Diener stellten besondere Tische für Männer und besondere für Frauen auf. Alle Sängerinnen und Musiker aus Damaskus wurden herbeigerufen, und die vornehmsten Bewohner der Stadt zur Hochzeit geladen. Des Nachts wurde die ganze Stadt, vom Tor bis ans Schloß, beleuchtet. Die Kammermädchen gingen dann mit Nushat Assaman in ein besonderes Zimmer, fanden sie aber so natürlich schön, daß sie wenig mit ihr zu tun hatten. Scharkan ging indessen ins Bad, und als er zurückkam, stellte man ihm die Braut siebenmal in verschiedener Kleidung vor, und ließ sie dann allein beisammen, Scharkan liebte Nushat Assaman täglich mehr, und seine Freude war grenzenlos, als sie ihm nach einiger Zeit ihre Schwangerschaft anzeigte. Er ließ es sogleich in der ganzen Stadt bekannt machen, und die Veziere und Staatsräte kamen freudig zu ihm, um ihm Glück zu wünschen. Sobald er wieder allein war, ließ er durch seinen Geheimsekretär seinem Vater schreiben: Er habe eine durch Bildung, Verstand und Kenntnisse ausgezeichnete Sklavin gekauft, sie befreit und geheiratet, und nun sei sie schon in gesegneten Umständen; er werde sie ihm einmal später schicken, damit sie seinen Bruder und seine Schwester auch kennenlerne; zum Schluß grüßte er seine Geschwister, den Vezier Dendan und die übrigen hohen Staatsbeamten. Nach einem Monat kehrte der Bote, der diesen Brief Omar überbrachte, nach Damaskus mit folgender Antwort zurück:

»Von dem traurigen und niedergeschlagenen wegen der Trennung derer, die ihm teuer sind, vom König Omar, der über das Scheiden seiner Kinder bestürzt ist, an seinen teuren Sohn Scharkan: Wisse, mein Sohn, daß es mir durch deine Abreise so unheimlich zumute wurde, daß ich auf die Jagd ritt; dies benutzte dein Bruder, dem ich, aus Furcht vor einem Unglück, nicht erlaubte, zu wallfahren, um mit seiner Schwester heimlich den Pilgern zu folgen. Ich erwartete mit Sehnsucht die Rückkehr der Pilger und weinte Tag und Nacht, aber niemand wußte etwas von ihnen; es ist, als wenn die Erde sie verschlungen hätte. Ich zog um ihretwillen Trauerkleider an, denn mein Herz ist sehr betrübt.«

Dann folgte in Versen:

»Ihr Bild entschwindet mir keinen Augenblick, ich habe ihnen den höchsten Platz In meinem Herzen eingeräumt; hätte ich keine Hoffnung mehr auf ihre Wiederkehr, ich würde keine Stunde mehr leben, und besuchte mich ihr Bild nicht im Traum, ich könnte nie schlafen.«

Der Brief schloß mit vielen Grüßen und der Bitte: Er möchte doch keinen Augenblick säumen, Nachforschungen anzustellen, um die Schande, die ihm eine solche Flucht zufügte, zu tilgen.

Als Scharkan diesen Brief gelesen hatte, schmerzte ihn die Trauer seines Vaters, hingegen freute er sich über das Verschwinden seiner Geschwister. Er ging dann wieder zu Nushat Assaman, die er ebensowenig als sie ihn kannte, und blieb Tag und Nacht bei ihr, bis sie von einer Tochter entbunden wurde. Da überreichte sie ihm seine Tochter und bat ihn, ihr einen Namen zu geben. Scharkan antwortete: »Es ist nicht Sitte bei uns, dem Kind vor dem siebenten Tag einen Namen zu geben.« Als er dann am folgenden Tag sein Töchterchen küßte, sah er an seinem Hals eine der drei Perlen, welche Ibris aus Griechenland mitgebracht hatte. Er war außer sich vor Zorn und sagte: »Wehe dir, Sklavin! woher hast du diese Perle?« Nushat Assaman antwortete: »Deine Mutter und alle Damen dieses Schlosses sind meine Dienerinnen; schämst du dich nicht, mich Sklavin zu nennen? Ich bin Herrin und dir zum Trotz Königin und Prinzessin. Wisse, ich bin Nushat Assaman, Tochter des Königs Omar, des Herrn von Bagdad und Chorasan.« Bei diesen Worten fing Scharkan an zu zittern, wurde blaß und verlor das Bewußtsein.

Als er wieder zu sich kam und über die Sache nachdachte, sagte er ihr, ohne sich zu erkennen zu geben: »Wenn du die Tochter des Königs Omar bist, wie bist du denn verkauft worden und wieso hast du deinen Vater verlassen?« Da erzählte sie ihm die ganze Geschichte ihrer Pilgerfahrt mit ihrem Bruder, die des Beduinen, der sie geraubt, und des Kaufmanns, der sie von ihm gekauft.

Scharkan hätte nun keinen Zweifel mehr, daß er wirklich seine Schwester von väterlicher Seite geheiratet, und beschloß, sie einem seiner ersten Offiziere zur Frau zu geben, damit, wenn einmal das Geheimnis entdeckt würde, er sagen könne, sie sei schon vor ihrer Schwangerschaft dessen Gattin gewesen. Er sagte ihr in einem sanften Ton: »O Nushat Assaman! du bist meine Schwester, ich bin Scharkan, der Sohn Omars; der Pfeil des Schicksals hat uns getroffen, und wir mußten vollbringen, was im Himmel beschlossen. Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen! wir sind Gottes und kehren zu ihm zurück: er möge mir mein großes Verbrechen verzeihen.« Als Nushat Assaman dies hörte, weinte sie heftig, schlug sich ins Gesicht und rief ganz außer sich: »Was soll ich meinem Vater antworten, wenn er mich fragt, woher ich diese Tochter habe?« Scharkan antwortete: »Meine Absicht ist, dich mit meinem ersten Schloßverwalter zu verheiraten und das Kind bei ihm erziehen zu lassen, und hier sagen wir niemand, daß wir Geschwister sind; so kann alles geheim bleiben.« Einige Monate, nachdem der Verwalter Nushat Assaman geheiratet und das Kind, welches man Kadha Fakana nannte, zu sich genommen hatte, erhielt Scharkan folgenden Brief von seinem Vater:

 

»Wisse, o teurer König! daß ich noch immer wegen der Trennung von meinen Kindern in großer Trauer bin und keine Nachtruhe finden kann; wenn du daher diesen Brief empfängst, so schicke mir die Sklavin, die du geheiratet und von der du mir geschrieben hast, sie sei so schön, so gelehrt und so verständig; ich wünsche sehr, sie zu sehen und kennenzulernen; schicke mir auch die Abgaben von Damaskus, denn es ist vor zwei Monaten ein altes, frommes, gottesfürchtiges Weib mit fünf Jungfrauen zu mir gekommen, deren Gelehrsamkeit gar nicht zu beschreiben ist. Sie gefielen mir so gut, daß ich sie sogleich in mein Schloß nahm und die Alte fragte, wie teuer diese Mädchen wären? Die Alte antwortete mir: sie würde sie nur für die diesjährigen Abgaben von Damaskus hergeben. Diese Forderung schien mir wahrlich nicht zu groß, denn eine allein ist so viel wert; darum gewährte ich auch ihren Wunsch. Die Jungfrauen sind nun in meinem Schloß, und die Alte wartet, bis die Abgaben von Damaskus ankommen; eile daher, sie mir zuzusenden, und schicke auch die Sklavin mit; ich will sehen, ob sie die meinigen an Kenntnissen übertrifft. Ich werde sie nicht lange hier behalten und sie dir mit den Abgaben Bagdads zurückschicken.«

Als Scharkan diesen Brief gelesen hatte, ging er damit zu seinem Schwager, ließ Nushat Assaman rufen, machte sie mit dem Inhalt desselben bekannt und fragte sie, was wohl hierauf zu erwidern sei? Da Nushat Assaman sich sehr nach ihrem Vater sehnte, sagte sie: »O mein Bruder, schicke mich mit meinem Gatten nach Bagdad, daß ich meinem Vater erzähle, wie es mir auf der Pilgerfahrt ergangen; ich will ihm sagen, du habest mich mit dem Verwalter verheiratet, sobald du mich gekauft und befreit hattest; auch meine Tochter Kadha will ich mit mir nehmen.« Scharkan ließ alles zur Reise vorbereiten, gab dem Verwalter das nötige Geld, sorgte für Kamele, Diener und Maulesel, nahm Abschied von seiner Schwester und ihrem Gatten, und ließ sie von einer Abteilung Truppen mit dem Tribut von Damaskus begleiten. Diese Karawane war es, welche Dhul Makan vorüberziehen sah und der er sich mit dem Badheizer anschloß.

Nach fünf Tagen erreichte die Karawane Hamah, wo sie drei Tage ausruhte; von hier zog sie nach Moßul, wo sie wieder einige Tage verweilte, so daß dem Badheizer bald der Proviant ausging. Dhul Makans Sehnsucht nach seiner Heimat und seiner Familie wurde immer heftiger, je näher er derselben kam; eines Nachts, als der Wind aus Irak ihn anwehte, rezitierte er folgende Verse:

»O Freunde, wie lange muß ich noch meine Liebe geduldig verbergen, ohne daß ein Bote mir Nachricht von euch bringt? O möchten doch die Tage der Vereinigung lang, und die der Trennung bald zu Ende sein!«

Da sagte ihm der Badheizer: »O mein Freund, laß doch dieses Weinen und Jammern, wir sind in der Nähe des Zeltes des Schloßverwalters.« Dhul Makan erwiderte: »Ich kann mich nicht fassen, ich muß durch Verse das Feuer meines Herzens zu löschen suchen.« Er wandte dann sein Gesicht gegen Bagdad, rezitierte noch einige Verse und weinte, bis er ohnmächtig wurde.

Nushat Assaman, welche diese Nacht viel an ihren Bruder dachte und vor Kummer nicht schlafen konnte, fühlte sich leichter, als sie ihn hörte, und befahl ihrem Diener, den Mann herbeizuholen, der in der Nähe ihres Zeltes Verse rezitierte. Der Diener antwortete: »Ich habe niemanden gesehen, noch gehört, die Leute schlafen alle.« Aber Nushat Assaman erwiderte: »Sieh dich um und bring mir den, der wacht, der ist‘s gewiß, der Verse rezitierte.«

Der Diener ging im Lager umher, bis er zu Dhul Makan und dem Badheizer kam; als dieser ihn sah, fiel er fast in Ohnmacht vor Furcht. Der Diener sagte ihm: »Wehe dir! du bist‘s, der eben Verse rezitiert hat; meine Herrin hat dich gehört.« Der Badheizer, welcher glaubte, die Verwalterin sei dadurch vom Schlaf geweckt worden, fürchtete sich, ja zu sagen, und schwor bei Gott, er habe keine Verse rezitiert. Da schrie ihn der Diener an: »So sage mir, wer es war; da du doch wachst, mußt du es wissen.« Da aber der Badheizer besorgte, der Diener möchte Dhul Makan etwas zuleide tun, schwur er bei Gott, er kenne ihn nicht. »Du lügst, Teufel, es ist ja außer dir und dem Jungen niemand hier!« – »Es war ein Reisender, der vorüberging und auch mich im Schlaf störte, aber ich kenne ihn nicht.« – »Wenn du ihn wieder siehst, so ergreife ihn: ich lasse ihn hängen.« – »Gut, geh nur, ich führe dir ihn zu, wenn er wiederkommt.« Der Diener kehrte nun zu seiner Herrin zurück und erzählte ihr, was er vom Badheizer gehört. Indessen kam Dhul Makan wieder zu sich, der Mond hatte eben die Mitte des Himmels erreicht, die Nachtigallen zwitscherten, da erhob auch er seine Stimme und wollte singen, aber der Badheizer sagte ihm: »Was beginnst du da? weißt du, daß ich dem Tode nicht entgangen wäre, wenn ich nicht den Diener des Verwalters gewonnen hätte, der, während du in Ohnmacht lagst, mit einem großen Haselnußstocke kam und den, der Verse rezitierte, suchte? Ich bitte dich also, laß die Gedichte für diese Nacht, die ja bald vorüber sein wird.« Als Dhul Makan dies hörte, weinte er heftig und sagte: »Wer will mit verbieten, Verse zu rezitieren? Es geschehe, was da wolle, ich bin nun meiner Heimat nahe und frage nach dem Verwalter und seinem Diener nichts.« Der Badheizer entgegnete: »Das ist eine Lust des Satans: was nützen diese Verse, die uns beide in den Abgrund stürzen können? Bei Gott, wenn du es nicht unterläßt, so werde ich nicht länger bei dir bleiben, obschon ich beschlossen hatte, mich nie von dir zu trennen. Wir sind ja so müde vom Gehen und Wachen und haben nichts zu essen mehr, was brauchst du Verse zu rezitieren?« Aber Dhul Makan ließ sich nicht abhalten, noch einige Verse zu singen, in denen er über die lange Trennung von seiner Heimat und von seiner Schwester klagte, bis er wieder bewußtlos hinfiel. Der Badheizer deckte ihn mit seinem Mantel zu und sagte: »Bei Gott! du widerstehst deinem Satan nicht.« Nushat Assaman, welche noch immer vor Sehnsucht nicht eingeschlafen war, hörte auch dieses Gedicht wieder, in welchem sie selbst und ihr Bruder erwähnt wurde; sie weinte lange, rief dann den Diener wieder und sagte ihm: »Wehe dir! ich höre denselben Mann, wie früher, wieder singen, ganz in unserer Nähe; du bist ein träger Mensch und hast dich nicht recht umgesehen; bei Gott! wenn du mir ihn nicht gleich herbringst, so wecke ich den Verwalter, daß er dich prügle und fortjage. Geh‘ und nimm hundert Dinare mit, suche ihn auf, gib ihm das Geld und bring ihn her, tu ihm aber ja nichts zuleid; wenn er nicht kommen will, so gib ihm den Beutel dort mit tausend Dinaren, erkundige dich, wer er ist, was er treibt, woher er ist und laß ihn in Frieden; komm aber ja nicht wieder und sage: ich habe ihn nicht gesehen, sonst, bei Gott! geht‘s dir nicht gut.«

Der Diener ging mißmutig weg und schlug und trat die Leute, die umherlagen und schliefen, bis er wieder zum Badheizer kam, der mit entblößtem Haupt dasaß. Er fragte ihn, ob er nicht eben wieder ein Lied gesungen habe? Da der Badheizer den Diener zornig sah, sagte er aus Furcht: »Bei Gott, mächtiger Führer, ich war es nicht!« – »Bei Gott, Unglückseliger!« rief der Diener, »ich lasse dich nicht, bis du mir zeigst, wer gesungen hat, denn ich habe sonst alles von meiner Herrin zu befürchten.« Der Badheizer weinte vor Furcht und hielt sich und seinen Freund für verloren. Er küßte dann dem Diener die Hand und sagte: »Bei Gott! ich war es nicht und kenne auch den Sänger nicht; versündige dich nicht an mir, ich bin ein unglücklicher Mann aus Jerusalem.« – »So folge mir zur Herrin und erzähle ihr deine Leiden, denn außer dir wacht doch niemand hier.« – »Du kennst mich ja und weißt, wo ich liege, weißt auch, daß die Wache niemanden von seinem Platz weichen läßt; geh also deines Weges, und wenn du noch jemanden singen oder Verse rezitieren hörst, so will ich es gewesen sein oder wenigstens ihn angeben.« Er küßte dann dem Diener solange die Hand, bis er sich bewegen ließ, wegzugehen; da er sich aber fürchtete, zur Herrin zurückzukehren, machte er einen Umweg und blieb dann hinter dem Badheizer stehen, um zu hören, wer wieder singen würde. Kaum glaubte der Badheizer, daß der Diener weggegangen, so weckte er Dhul Makan und erzählte ihm, was sich wieder mit dem Diener zugetragen. Dhul Makan sagte: »Laß mich, ich kümmere mich um niemanden, ich bin meiner Heimat nahe.«

Der Badheizer sagte zornig zu Dhul Makan: »Wie, du willst uns mit Gewalt ins Verderben stürzen? Kannst du nicht ruhig bleiben? Die Herrin ist krank und müde und kann nicht schlafen, und hat nun schon zweimal ihren Diener geschickt, um zu sehen, wer sie stört.« Aber Dhul Makan kehrte sich nicht daran und fing wieder an, Verse zu singen. Der Badheizer, außer sich vor Angst und Zorn, steckte ein Tuch zwischen die Zähne, ging von ihm weg und blieb in der Ferne stehen. Da sah er, wie der Diener sich Dhul Makan näherte und ihm sagte: »Friede sei mit dir und Gottes Segen und Barmherzigkeit! Ich suche dich nun schon zum drittenmal, meine Gebieterin wünscht dich zu sprechen.« Dhul Makan erwiderte: »Was will diese Hündin von mir? Gott verdamme sie und ihren Gatten, und ihren Vater und ihre Mutter!« Der Diener wagte es nicht, ihm Vorwürfe zu machen, weil seine Herrin ihm befohlen hatte, ihn mit der größten Schonung zu behandeln; er sagte ihm daher mit sanfter Stimme: »Mein Sohn, wir waren allerdings sehr kühn gegen dich, doch haben wir nichts Schlimmes mit dir vor; wir bitten dich nur, deine edlen Schritte zu uns zu lenken, du wirst zufrieden wieder entlassen werden, und eine frohe Botschaft wird deiner harren, so Gott will.« Dhul Makan erwiderte: »Gut, in Gottes Namen!« ergriff die Hand des Dieners und ging mit ihm bis zu Nushat Assamans Zelt. Der Badheizer sah ihnen nach und schrie: »Wehe, wehe! der Jüngling ist verloren; es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott, dem Erhabenen! Schade für diesen Jüngling; morgen werden sie ihn hängen.« Er beschloß dann bei sich, nur diese Nacht noch hier zu bleiben und am folgenden Morgen auf seinem Esel wieder heimwärts zu reiten; denn, dachte er, am Ende könnte der Jüngling sagen, ich habe ihn geheißen Verse zu rezitieren, und es wäre auch um mich geschehen.

Als Dhul Makan vor der Tür des Zelts war, ging der Diener hinein und sagte: »Meine Herrin! hier bringe ich dir den Sänger, den du verlangt hast; es ist ein wohlgestalteter Jüngling, dem man den Wohlstand ansieht.« Nushat Assaman, deren Blut in Wallung kam und deren Herz dem Verwandten entgegen pochte, sagte: »Laß ihn etwas rezitieren, daß ich ihn in der Nähe höre; dann frage ihn, wie er heißt, wo er her ist, und was für ein Geschäft er hat.« Der Diener ging hinaus und sagte ihm, die Herrin wolle einige Gedichte von ihm hören und dann auch wissen, wer er sei? Dhul Makan erwiderte: »Ich will recht gerne etwas deklamieren, doch wenn deine Herrin nach meinem Namen fragt, so sage ihr: mein Name ist erloschen, mein Wesen hat sich verändert; mein Körper ist verwelkt; meine Abenteuer sind groß, sie haben keinen Anfang und kein Ende, ich bin betäubter als ein Betrunkener.« Als Nushat Assaman diese Klagen vernahm, weinte sie lange und ließ ihn durch den Diener fragen, ob er von seinem Vater, seiner Mutter oder von einer Geliebten scheiden mußte? Dhul Makan antwortete: »Ich bin von allen geschieden, die mir teuer sind; doch am schmerzlichsten fühle ich die Trennung von meiner teuern Schwester, mit der mich die Launen des Schicksals heimgesucht, das im Verborgenen wirkt.« Nushat Assaman wünschte, daß Gott ihn wieder mit ihr vereinigen möchte, und bat ihn, einige Verse über seinen Zustand zu rezitieren.

Dhul Makan rezitierte einige Verse, in welchen er Nushat Assamans Namen nannte. Als sie die hörte, hob sie den Vorhang ihres Zeltes auf, um ihn zu sehen; sie erkannte ihn sogleich und schrie laut: »O mein Bruder, o Dhul Makan!« Dieser erkannte sie ebenfalls und rief: »O meine Schwester, o Nushat Assaman!« Sie fielen dann einander in die Arme und wurden beide ohnmächtig. Der erstaunte Diener bespritzte sie mit Rosenwasser, bis sie wieder zu sich kamen; da umarmten sie sich abermals und Nushat Assaman sprach folgende Verse:

 

»Als wir uns wiedersahen, klagten wir einander, was uns begegnet war, denn durch einen Boten lassen sich Klagen nicht gut mitteilen; eine gemietete Klagefrau ist nicht wie eine wirklich Betrübte.«

Als Dhul Makan diese Verse hörte, drückte er seine Schwester noch einmal an seine Brust und sprach folgende Verse:

»Ich betrauerte unsere Trennung so sehr, daß ein Strom von Tränen aus meinen Augen floß, und ich gelobte, daß, wenn das Schicksal uns wieder vereint, meine Zunge nie mehr das Wort Trennung aussprechen sollte. Nun hat mich aber die Freude so überrascht, daß auch sie mir Tränen hervorlockt. Mein Aug ist so sehr an Tränen gewöhnt, daß es nun vor Freude, wie einst vor Trauer, weint.«

Nachdem sie eine Weile kosend beisammen vor der Tür des Zeltes saßen, sagte Nushat Assaman zu ihrem Bruder: »Komm herein ins Zelt und erzähle mir, was dir seit unserer Trennung widerfahren; ich will dir dann auch meine Abenteuer mitteilen.« Dhul Makan bat sie, zuerst zu sprechen, und sie erzählte ihm alles, was ihr widerfahren, bis endlich ein Brief von ihrem Vater kam, der sie zu sehen wünschte; und pries Gott, der es so fügte, daß sie nun zusammen ihren Vater wieder sähen, wie sie ihn verlassen. Sie bat ihn dann, ihr zu erzählen, wie es ihm ergangen seit seiner Krankheit in Jerusalem, und er berichtete ihr, wie ihn Gott einen Badheizer finden ließ, der ihn sorgsam pflegte und sein ganzes Vermögen für ihn aufwandte, und ihn so behandelte, wie kein Vater seinen Sohn behandelt. »Dieser Mann«, sagte er, »hungerte, um mir zu essen zu geben; er litt Durst, um den meinigen zu stillen; ging zu Fuß, um mich reiten zu lassen, so daß ich wohl sagen kann: Gott hat nur durch ihn mein Leben erhalten.« Nushat Assaman sagte. »Gott belohne ihn dafür, aber auch ich will seine Wohltaten ihm vergelten, so viel ich es vermag.« Sie rief dann den Diener und schenkte ihm den Beutel Geld, dem sie ihm für den Sänger gegeben, weil sie durch ihn mit ihrem Bruder vereinigt worden, und befahl ihm, schnell den Verwalter zu rufen. Als dieser in das Zelt seiner Gattin kam und einen Jüngling bei ihr sah, fragte er: »Wer ist dieser Mann?« Nushat Assaman erwiderte: »Er ist mein Bruder«, und erzählte ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende; dann fuhr sie fort: »Wisse, mein Herr! du hast keine Sklavin, sondern eine Prinzessin geheiratet: ich bin Nushat Assaman, die Tochter des Königs Omar.« Als der Verwalter dies hörte, freute er sich, auf diese Weise Schwiegersohn des Königs von Bagdad geworden zu sein, und hoffte irgend eine Statthalterschaft zu erlangen. Er ließ dann sein Gefolge und seine Diener rufen und befahl ihnen, für Dhul Makan ein Zelt aufzuschlagen und ihm eines von seinen besten Pferden zu bringen, und er selbst wünschte ihm Glück zu seiner Vereinigung mit seiner Schwester. Nushat Assaman sagte dann ihrem Bruder: »Da wir bald in unsere Heimat kommen, so wollen wir jetzt noch allein beisammen bleiben; wir haben einander doch schon lange nicht gesehen.« Der Verwalter schickte ihnen hierauf Wachslichter, Lampen und Süßigkeiten; auch sandte er drei Paar kostbare Kleider für Dhul Makan.

Auf Dhul Makans Verlangen wurden auch Diener mit einem guten Pferd nach dem Badheizer geschickt, um ihn zu holen. Dieser war schon am Ende des Lagers, im Begriff, seinen Esel zu satteln; er weinte heftig über die Trennung von seinem Freund; dann rief er: »In Gottes Namen, ich habe ihn gewarnt, nicht zu singen, aber er ließ sich nicht abhalten und sagte: Ich bin meiner Heimat nahe und kümmere mich um niemanden. Ich möchte nur wissen, wie es ihm geht.«

Während der Badheizer so vor sich hinsprach, erblickte er auf einmal den ihm wohlbekannten Diener mit mehreren anderen Jungen; da sank er vor Furcht zusammen und wurde ganz blaß, denn er glaubte, Dhul Makan habe ihn verraten und seine Schuld auch ihm aufgebürdet, trotz aller Wohltaten, die er von ihm empfangen. Noch mehr erschrak er, als der Diener ihm zurief: »Du Lügner, du brauchst deinen Esel nicht zu satteln, du Satan! Du sagtest, du wüßtest nicht, wer Verse rezitiert, und es war doch dein Gefährte; nun lasse ich dich nicht, bis wir nach Bagdad kommen; du sollst dort sein Schicksal teilen.« Der Badheizer rief: »Es gibt keinen Schutz und keine Hilfe, außer bei Gott! Was ich befürchtete, ist zugetroffen.« Auf ein Zeichen des alten Dieners hoben ihn dann die Jungen auf das Pferd und folgten ihm. Der Diener sagte ihnen aber leise: »Wer ihm ein Haar verletzt, der muß es büßen; tut ihm nichts zuleide und behandelt ihn mit Anstand!« Als sich der Badheizer von so vielen Dienern umgeben sah, verzweifelte er am Leben und sagte dem Alten: »O Oberster! ich bin weder ein Bruder, noch sonst ein Verwandter dieses Jünglings, sondern ich habe ihn krank auf einem Misthaufen gefunden, aus Mitleid gepflegt und hierher begleitet.« Aber der Zug ging fort, der Badheizer mußte schweigen und der Diener sagte ihm bloß: »Du und der Jüngling, ihr habt meine Herrin mit euren Versen ermüdet.« Als sie dann hinter dem Zelt des Verwalters abstiegen, wurde ihnen eine Schüssel voll Speise und ein Krug mit Zuckerwasser gereicht; der Diener aß mit dem Badheizer aus einer Schüssel, aber dieser weinte noch immerfort wegen der Trennung von Dhul Makan. Die Karawane brach dann bald auf und reiste in einem fort, bis nur noch eine Strecke von drei Tagen nach Bagdad übrig blieb, da ruhte sie eine Nacht aus. Am folgenden Morgen wollte man wieder aufsitzen und aufpacken, als man auf einmal in der Ferne einen dichten Staub entdeckte, der die ganze Atmosphäre verdunkelte; er kam dann immer näher, bis man darunter viele Soldaten zu Pferd und zu Fuß mit Trommeln und Fahnen bemerkte; eine Abteilung von etwa fünfhundert Reitern trennte sich dann von den übrigen und umzingelte den Verwalter.

Der Verwalter fragte die Reiter, »Wer seid ihr, daß ihr mich wie einen Gefangenen behandelt?« Der Anführer dieser Truppen versetzte, »Wer bist du? wo kommst du her und wo willst du hin?« Der Verwalter antwortete: »Ich komme von Damaskus; Scharkan, der Statthalter von Damaskus, schickt mich zu seinem Vater Omar nach Bagdad mit Geschenken und Tribut.« Als sie dies hörten, bedeckten sie ihre Augen mit ihren Tüchern und sagten weinend: »Der König Omar ist vergiftet worden, komm mit uns, wir führen dich zu unserm Vezier Dendan.« Sie drängten sich nun mitten durch die Armee, bis sie zum Vezier gelangten. Dieser ließ schnell ein Zelt aufschlagen, setzte sich, ließ auch den Verwalter Platz nehmen und fragte ihn über seine Person aus, als er hörte, er bringe Geschenke für Omar, weinte er, denn er hatte ihn sehr lieb, und sagte auch: »Omar ist an Gift gestorben; die Geschichte seines Todes ist sehr lang, und es ist jetzt nicht Zeit, sie zu erzählen. Nach seinem Tode entspann sich ein großer Streit über dessen Nachfolger, bis endlich die vier Kadhis und alle Gelehrten sich versammelten und beschlossen, daß man nach Damaskus ziehen und Scharkan zum Sultan von Bagdad ernennen sollte. Manche wollten indessen Omars zweiten Sohn zum König haben, der so fromm war, daß er allein mit seiner Schwester nach dem Hedjas pilgerte; da man aber seither gar nichts mehr von ihm gehört hatte, so fiel die Wahl auf Scharkan, denn die Notwendigkeit hat auch ihre Gesetze.«