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Tausend Und Eine Nacht

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»Guter Vater«, sagte hierauf die Prinzessin, »ich komme aus weiter Ferne, und es wäre mir höchst unangenehm, wenn ich heimkehren müßte, ohne meinen Plan ausgeführt zu haben. Du sprichst von Schwierigkeiten und Lebensgefahr, sagst mir aber nicht, was dies für Schwierigkeiten sind und worin diese Gefahren bestehen. Ich wünschte indes sehr, es zu erfahren, damit ich mich darüber besinnen und sehen kann, ob ich auf meine Entschlossenheit, meinen Mut und meine Kräfte Vertrauen fassen darf oder nicht.« Hierauf wiederholte der Derwisch der Prinzessin Parisade dieselbe Rede, die er an die Prinzen Perwis und Bahman gehalten hatte, ja er übertrieb sogar die Schwierigkeiten, die mit der Übersteigung des Berges verbunden seien, auf welchem der Vogel sich in seinem Käfig befinde. Des Vogels, sagte er, müsse sie sich zuerst bemächtigen, dieser werde ihr dann über den Baum und das goldgelbe Wasser Auskunft geben. Sodann schilderte er ihr des Getöse und den Wirrwarr der drohenden und erschrecklichen Stimmen, die sich von allen Seiten hören lassen, ohne daß man jemand sehe, und endlich erzählte er von den vielen schwarzen Steinen, die allein schon sowohl sie, als jeden anderen abschrecken sollten, indem diese Steine tapfere Ritter seien und diese Verwandlung deswegen erlitten haben, weil sie die Hauptbedingungen zur glücklichen Ausführung des Unternehmens, nämlich sich vor Erreichung des Käfigs nicht umzudrehen und zurückzuschauen, nicht gehörig beobachtet.

Als der Derwisch seinen Vortrag geendet hatte, sagte die Prinzessin zu ihm: »Soviel ich aus deiner Rede ersehe, so bestehen die Hauptschwierigkeiten bei dieser Unternehmung darin, daß man bis zum Käfig hinanklimmen muß, ohne sich durch das Getöse der unsichtbaren Stimmen erschrecken zu lassen, und zweitens, daß man nicht rückwärts schauen darf. Was nun die letzte Bedingung betrifft, so hoffe ich, Herrschaft genug über mich zu besitzen, um sie pünktlich einzuhalten; in Beziehung auf die erste gestehe ich, daß solche Stimmen, wie du sie mir schilderst, wohl imstande sein können, auch die Beherztesten zu erschrecken. Da es indes bei keiner sehr wichtigen und gefährlichen Unternehmung verboten ist, List zu gebrauchen, so frage ich dich, ob mir bei diesem für mich so hochwichtigen Abenteuer nicht welche erlaubt ist.« – »Und welcher List würdest du dich wohl bedienen?« fragte der Derwisch. – »Mich dünkt«, antwortete die Prinzessin, »wenn ich mir die Ohren mit Baumwolle verstopfte, so würden jene Stimmen, wie stark und erschrecklich sie auch sein mögen, weit geringeren Eindruck auf mich machen und weniger auf meine Einbildungskraft wirken können; mein Geist würde also seine Freiheit behalten und nicht so sehr in Verwirrung geraten, daß er die Besinnung verlöre.« – »Edles Fräulein«, erwiderte der Derwisch, »ich weiß nicht, ob von allen denen, die sich bisher an mich gewandt und nach eben diesem Wege gefragt haben, sich irgend einer dieser List bedient hat, welche du hier erwähnst. Nur das weiß ich, daß keiner derselben gegen mich gedacht hat, und daß sie alle umgekommen sind. Wenn du indes auf deinem Beschluß beharrst, so magst du wohl eine Probe damit machen und darfst von Glück sagen, wenn es dir gelingt; übrigens rate ich dir noch einmal, setze dich dieser Gefahr nicht aus.« —»Guter Vater«, versetzte die Prinzessin, »nichts kann mich abhalten, meinen Vorsatz auszuführen; mein Herz sagt mir, daß diese List gelingen wird, und ich bin entschlossen, mich ihrer zu bedienen. Ich brauche jetzt bloß noch von dir zu erfahren, welchen Weg ich nehmen muß, und ich beschwöre dich, versage mir diese Gefälligkeit nicht.« Der Derwisch ermahnte sie zum letztenmal, die Sache wohl zu überlegen; da er aber sah, daß sie unerschütterlich war, so zog er eine Kugel aus seinem Sack heraus und überreichte sie ihr mit den Worten: »Nimm diese Kugel, steige wieder zu Pferd, und wenn du sie vor dich hingeworfen hast, so folge ihr auf allen Umwegen, in denen sie rollen wird, bis an den Berg, auf welchem dasjenige ist, was du suchst. Am Fuße desselben wird sie stehen bleiben, dann halte du ebenfalls an, steige ab und erklimme den Berg. Das übrige weißt du; vergiß ja nicht, es zu beobachten und zieh hin.« Die Prinzessin Parisade dankte dem Derwisch, verabschiedete sich von ihm und stieg wieder zu Pferd; sie warf die Kugel vor sich hin und ritt ihr auf dem Wege, welchen sie rollte, nach, bis sie endlich am Fuße des Berges stille stand.

Hier stieg die Prinzessin ab, verstopfte sich die Ohren mit Baumwolle, und nachdem sie den Weg nach dem Gipfel des Berges genau ins Auge gefaßt, fing sie an, festen Schrittes und unerschrockenen Mutes hinanzusteigen. Sie hörte wohl die Stimmen, merkte aber sogleich, daß die Baumwolle ihr von großem Nutzen war. Je weiter sie hinaufkam, um so stärker und vielfacher wurden die Stimmen, doch nicht so, daß sie darüber in Verwirrung geraten wäre. Sie hörte zwar allerlei Schmähworte und beißende Spottreden in Beziehung auf ihr Geschlecht, allein sie verachtete dieselben und lachte ihrer. »Ich ärgere mich nicht über eure Beleidigungen und Spöttereien«, sprach sie bei sich selbst, »ihr dürft noch Schlimmeres sagen, ich spotte eurer, und ihr sollt mich nicht hindern, meinen Weg fortzusetzen.« Endlich kam sie so weit hinauf, daß sie den Käfig und den Vogel zu bemerken anfing, welcher letztere im Bunde mit den unsichtbaren Stimmen sich ebenfalls bemühte, sie einzuschüchtern, indem er ihr, so klein er auch war, mit donnernder Stimme zurief: »Zurück, tritt nicht näher!« Die Prinzessin aber, durch diesen Anblick ermutigt, verdoppelte ihre Schritte, als sie sich dem Ziel ihrer Laufbahn so nahe sah. Sie erreichte auch glücklich den Gipfel des Berges, wo der Boden eben war, lief gerade auf den Käfig zu, ergriff ihn mit der Hand und sagte zu dem Vogel: »Vogel, du bist jetzt trotz deines Sträubens in meiner Gewalt und sollst mir nicht entschlüpfen.«

Indem nun Parisade die Baumwolle wieder aus ihren Ohren zog, sagte der Vogel zu ihr: »Tapferes Fräulein, grolle mir nicht, daß ich mich mit denjenigen vereinigt habe, die sich für die Behauptung meiner Freiheit bemühten. Obgleich in einen Käfig gesperrt, war ich dennoch mit meinem Schicksal zufrieden: da ich nun aber einmal zu Sklaverei bestimmt bin, so will ich lieber dich zur Herrin haben, die du mich auf eine so mutvolle und würdige Art erworben hast als irgend einen anderen Menschen auf der Welt; auch schwöre ich dir von diesem Augenblick an unverbrüchliche Treue und gänzliche Unterwerfung unter alle deine Befehle. Ich weiß, wer du bist, und will dir auch sagen, daß du dich selbst nicht als das erkennst, was du bist; aber es wird ein Tag kommen, da ich dir einen Dienst zu erweisen hoffe, den du mir gewiß sehr danken wirst. Um dir sogleich Beweise meiner Aufrichtigkeit zu geben, so sage mir jetzt, was du wünschst; ich bin bereit, zu gehorchen.«

Die Freude der Prinzessin war unbeschreiblich, um so mehr, da die Eroberung, welche sie soeben gemacht hatte, mit dem Tod zweier aufs zärtlichste geliebten Brüder erkauft und für sie selbst mit so vielen Anstrengungen und Gefahren verbunden war; denn jetzt, nachdem sie die Gefahren überstanden, erkannte sie die Größe derselben viel besser, als damals, da sie sich trotz der Abmahnungen des Derwisches hineinbegab. Sie antwortete nun dem Vogel also: »Vogel, es war meine Absicht, dir zu sagen, daß ich mehrere Dinge wünsche, die für mich von äußerster Wichtigkeit sind; es freut mich nun ungemein, daß du mir zuvorgekommen bist und deine Willfährigkeit zugesagt hast. Fürs erste habe ich gehört, es gebe hier ein goldgelbes Wasser, das ganz wunderbare Eigenschaften habe; ich bitte dich nun, mir vor allen Dingen den Ort zu sagen, wo es zu finden ist.« Der Vogel sagte ihr den Ort, der nicht weit entfernt war, sie ging hin und füllte ein silbernes Fläschchen, das sie mitgebracht hatte, mit dem Wasser an; dann kam sie zum Vogel zurück und sagte zu ihm: »Vogel, ich bin noch nicht zufrieden, ich suche auch den singenden Baum; sage mir, wo er ist.« Der Vogel antwortete: »Drehe dich um und du wirst hinter dir einen Wald erblicken, worin dieser Baum sich befindet.« Der Wald war ganz in der Nähe; die Prinzessin ging hin und erkannte an dem wohllautenden Zusammenklang von Stimmen unter mehreren anderen Bäumen bald denjenigen, den sie suchte. Da er aber sehr dick und sehr hoch war, so ging sie zum Vogel zurück und sagte zum ihm: »Vogel, ich habe den singenden Baum zwar gefunden, kann ihn aber weder aus der Erde heben, noch mitnehmen.« – »Dies ist auch nicht nötig«, antwortete der Vogel, »du brauchst bloß den kleinsten Zweig abzubrechen, mit nach Hause zu nehmen und in deinen Garten zu pflanzen; er wird alsbald Wurzeln schlagen und in kurzer Zeit wirst du ihn zu einem ebenso schönen Baum erwachsen sehen, wie dieser ist.« Als nun die Prinzessin Parisade sich im Besitz der drei Dinge sah, nach welchen die fromme Frau ein so heißes Verlangen in ihr erregt hatte, sprach sie also weiter zu dem Vogel: »Vogel, soviel du auch schon für mich getan hast, so ist es immer noch nicht genug. Du bist schuld an dem Tod meiner beiden Brüder, die unter den schwarzen Steinen sein müssen, welche ich beim Heraufsteigen gesehen habe; ich möchte sie gerne nach Hause nehmen.«

Es schien, als ob der Vogel dieses Gebotes gern enthoben gewesen wäre, denn er machte Schwierigkeiten. Die Prinzessin bestand indes darauf und fuhr fort: »Erinnere dich, Vogel, daß du eben gesagt hast, du seist mein Sklave; du bist es wirklich und dein Leben steht in meiner Gewalt.« – »Ich kann«, antwortete der Vogel, »diese Wahrheit allerdings nicht bestreiten, und obgleich deine jetzige Forderung mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist, als die andern, so will ich sie dennoch ebenfalls erfüllen. Sieh dich überall hier um, ob du nicht einen Krug erblickst.« – »Allerdings«, sagte die Prinzessin, »da steht einer.« – »So nimm ihn«, fuhr der Vogel fort, »und beim Hinabsteigen vom Berg gieße auf jeden der schwarzen Steine ein wenig von dem Wasser, womit er angefüllt ist: auf diese Art wirst du deine Brüder wieder finden.« Die Prinzessin Parisade ergriff den Krug, nahm ihn samt dem Vogel im Käfig, dem Fläschchen und dem Zweig mit sich, und beim Hinabsteigen sprengte sie auf die schwarzen Steine alle nacheinander Wasser aus dem Krug, und siehe da, jeder verwandelte sich in einen Mann. Da sie keinen einzigen überging, so kamen auch sämtliche Pferde, sowohl die der Prinzen, ihrer Brüder, als auch der übrigen Herren, wieder zum Vorschein. Auf diese Art erkannte sie den Prinzen Bahman und Perwis wieder, und diese erkannten sie ebenfalls und umarmten sie. Sie erwiderte ihre Umarmung mit großer Herzlichkeit, und noch voll Erstaunen fragte sie: »Liebe Brüder, was macht ihr denn hier?« Als sie nun beide geantwortet hatten, sie haben soeben geschlafen, so fuhren sie fort: »Ja wohl, aber ohne mich würde euer Schlaf noch fortdauern und hätte vielleicht bis zum Tage des Gerichts gewährt. Erinnert ihr euch nicht, daß ihr ausgezogen seid, den sprechenden Vogel, den singenden Baum und das goldgelbe Wasser zu suchen, und daß ihr hier auf dem Wege die schwarzen Steine erblickt habt, womit dieser Ort besät war? Schaut euch um und seht, ob noch ein einziger davon übrig ist. Diese Herren hier und ihr ward selbst diese Steine, desgleichen auch eure Pferde, die, wie ihr sehen könnet, euch erwarten. Wenn ihr nun«, fuhr sie fort, indem sie auf den Krug zeigte, dessen sie jetzt nicht mehr bedurfte, und den sie bereits am Fuße des Berges hingestellt hatte, »wenn ihr nun zu erfahren wünscht, wie dies Wunder geschehen ist, so wisset, es geschah durch die Kraft des Wassers, womit dieser Krug angefüllt war und womit ich die Steine alle besprengt habe. Als ich den sprechenden Vogel, den ihr hier im Käfig seht, zu meinem Sklaven gemacht und durch seine Hilfe den singenden Baum, wovon hier ein Zweig, sowie das goldgelbe Wasser, womit das Fläschchen hier angefüllt ist, gefunden hatte, so wollte ich nicht nach Hause kehren, ohne euch mitzunehmen; ich habe daher den Vogel durch die Macht, die ich über ihn erworben, gezwungen, mir das Mittel dazu anzugeben, und er hat mir diesen Krug, sowie den Gebrauch desselben, angezeigt.«

 

Die Prinzen Bahman und Perwis erkannten aus dieser Rede, wie sehr sie der Prinzessin, ihrer Schwester, verpflichtet waren, und die fremden Herren, die sich alle um sie versammelt und diese Rede ebenfalls gehört hatten, taten desgleichen. Sie erklärten ihr, daß sie weit entfernt seien, ihr diese Eroberung, nach welcher sie ebenfalls gestrebt hatten, zu mißgönnen, sondern daß sie vielmehr ihren Dank für das Leben, das sie ihnen wieder geschenkt, nicht besser an den Tag legen zu können glauben, als indem sie sich für ihre Sklaven erklären, bereit, alles zu tun, was sie ihnen gebiete. »Edle Herren«, antwortete die Prinzessin, »wenn ihr auf meine Rede acht gegeben habt, so kann es euch nicht entgangen sein, daß ich bei dem, was ich tat, keine andere Absicht hatte, als meine Brüder wieder zu finden; wenn es nun auch euch zugute gekommen ist, so seid ihr mir dafür keinen Dank schuldig. Ich sehe euer Anerbieten nur als einen Beweis von Höflichkeit gegen mich an, und danke euch dafür, wie sich‘s gebührt. Im übrigen betrachte ich euch, einen wie den andern, als ebenso freie Leute, wie ihr vor euerm Unglück wart, und freue mich mit euch über das Glück, das euch durch meine Vermittlung geworden ist. Laßt uns indes nicht länger an einem Ort bleiben, wo uns weiter nichts mehr aufhalten kann: steigen wir jetzt zu Pferd und kehren nach den Ländern zurück, woher wir gekommen sind.«

Die Prinzessin Parisade ging mit ihrem Beispiel voran, indem sie ihr Pferd holte, welches sie auf derselben Stelle wiederfand, wo sie es gelassen hatte. Bevor sie aufstieg, bat sie der Prinz Bahman, sie möchte ihn zu ihrer Erleichterung den Käfig tragen lassen. »Lieber Bruder«, antwortete die Prinzessin, »der Vogel ist mein Sklave und ich will ihn selbst tragen; wenn du indes den Zweig des singenden Baumes übernehmen willst, so ist es mir lieb. Halte auch den Käfig, bis ich aufgestiegen bin, und gib ihn mir dann zurück.« Als sie nun wieder zu Pferd saß und der Prinz Bahman ihr den Käfig mit dem Vogel zurückgegeben hatte, wandte sie sich zu ihrem zweiten Bruder Perwis und sagte zu ihm: »Und du, Bruder Perwis, nimm die Flasche mit dem goldgelben Wasser in Verwahrung, wenn es dir nicht beschwerlich ist.« Der Prinz Perwis tat es mit großem Vergnügen. Als nun die Prinzen Bahman und Perwis, sowie die anderen Herrn alle, zu Pferd saßen, wartete die Prinzessin Parisade, bis einer von ihnen sich an die Spitze stellen und den Zug beginnen würde. Die beiden Prinzen wollten aus Höflichkeit den fremden Herren den Vorzug lassen, und diese wiederum der Prinzessin. Da nun die Prinzessin sah, daß keiner von den Herren sich die Ehre zueignen, sondern alle dieselbe ihr überlassen wollten, so sagte sie zu ihnen: »Ihr Herren, ich warte darauf, daß ihr euch in Bewegung setzt.« – »Edles Fräulein«, antwortete einer der Nächststehenden im Namen aller, »wenn wir auch nicht wüßten, welche Ehre deinem Geschlecht gebührt, so gibt es doch nach dem, was du für uns getan hast, keine Ehre, die wir nicht dir zu erweisen bereit wären, obschon deine Bescheidenheit sich dawider setzt. Wir bitten dich nun, daß du uns nicht länger des Glücks berauben mögst, dir zu folgen.« – »Ihr Herren«, sagte darauf die Prinzessin, »ich verdiene die Ehre, die ihr mir erweiset, nicht, und nehme sie nur an, weil ihr es so wünscht.« Mit diesen Worten stellte sie sich an die Spitze des Zugs und die beiden Prinzen folgten ihr, unter die übrigen Herren gemischt, ohne Rangordnung. Diese Gesellschaft wollte im Vorbeireiten den Derwisch begrüßen und ihm für einen guten Empfang und seine wohlmeinenden Ratschläge, deren Wahrheit sie empfunden hatten, danken; allein er war gestorben, und man hatte nicht ermitteln können, ob aus Altersschwäche, oder weil man seiner nicht mehr bedurfte, um den Weg nach den drei Wunderdingen zu zeigen, welche die Prinzessin Parisade jetzt erobert hatte. So ritt denn die Gesellschaft ihres Weges fort, verminderte sich aber mit jedem Tag. Die Herren, die wie schon oben erzählt, aus verschiedenen Ländern gekommen waren, verabschiedeten sich, nachdem sie der Prinzessin ihren tiefgefühlten Dank wiederholt hatten, einer nach dem anderen von ihr und den Prinzen, ihren Brüdern, sowie jeder auf die Straße kam, die er hergeritten war. Die Prinzessin und die Prinzen Bahman und Perwis aber ritten auf demselben Weg weiter, bis sie nach Hause kamen.

Hier stellte die Prinzessin vor allem den Käfig in den mehrfach erwähnten Garten, an welchen der Saal stieß, und sobald der Vogel seine Stimme hören ließ, flogen die Nachtigallen, die Finken, die Lerchen, die Grasmücken, die Stieglitze und eine zahllose Menge anderer Vögel des Landes herbei, um in seinen Gesang mit einzustimmen. Den Zweig ließ sie in ihrer Gegenwart auf einem Rasenplatz in der Nähe des Hauses einsenken. Er faßte Wurzel und wurde in kurzer Zeit zum starken Baum, dessen Blätter bald dieselbe liebliche Musik und denselben vielstimmigen Gesang hören ließen, wie der Baum, von dem sie ihn abgebrochen hatte. Was endlich das Fläschchen mit dem goldgelben Wasser betrifft, so ließ sie mitten im Garten ein großes schönes Marmorbecken machen und goß das gelbe Wasser, das sie in dem Fläschchen hatte, bis auf den letzten Tropfen hinein. Sogleich fing es an aufzuschwellen, und als es beinahe den Rand des Beckens erreicht hatte, sprang es aus der Mitte in einer dicken Strahlengarbe fünfzig Schuh hoch empor, fiel dann nieder und fuhr so fort, ohne daß das Becken überlief.

Die Nachricht von diesen Wunderdingen verbreitete sich in der Nachbarschaft, und da weder die Türe des Gartens noch des Hauses jemandem verschlossen war, so strömte bald aus der Umgegend eine große Volksmasse herbei, um sie zu bewundern.

Die Prinzen Bahman und Perwis fingen einige Tage nach ihrer Heimkehr, als sie sich von den Beschwerden ihrer Reise völlig erholt hatten, ihre alte Lebensweise wieder an, und da die Jagd ihre gewöhnliche Belustigung war, so stiegen sie zu Pferd und ritten zum erstenmal seit ihrer Rückkehr nicht in den eigenen Park, sondern zwei bis drei Meilen weit von ihrem Hause weg. Während sie hier jagten, kam der Sultan von Persien, ebenfalls auf der Jagd begriffen, an denselben Ort. Sobald sie an der Menge von Reitern, die von allen Seiten zum Vorschein kamen, seine nahe Ankunft erkannten, wollten sie aufhören und sich zurückziehen, um seine Begegnung zu vermeiden; allein gerade auf dem Weg, den sie zu diesem Behufe einschlugen, begegneten sie ihm an einer so engen Stelle, daß sie weder ausweichen, noch umkehren konnten, ohne gesehen zu werden. In ihrer Überraschung hatten sie nur noch Zeit, abzusteigen und sich vor dem Sultan niederzuwerfen. So blieben sie mit der Stirn am Boden liegen, ohne ihn anzublicken; der Sultan aber, der sie so wohlberitten und anständig gekleidet sah, wie wenn sie zu seinem Hofstaat gehörten, war neugierig, ihr Gesicht zu sehen; er hielt an und befahl ihnen, aufzustehen. Die Prinzen richteten sich auf und standen mit edlem Anstand und in bescheidener, ehrfurchtsvoller Stellung vor ihrem Sultan. Der Sultan betrachtete sie einige Zeit von Kopf bis zu Fuß, ohne ein Wort zu sprechen, und nachdem er ihr gutes Aussehen und ihre edle Bildung bewundert hatte, fragte er sie, wer sie seien und wo sie wohnen. Der Prinz Bahman nahm das Wort und sprach: »Herr, wir sind Söhne des verstorbenen Aufsehers deiner Gärten und wohnen in einem Haus, das er kurz vor seinem Tode bauen ließ, damit wir darin bleiben sollen, bis wir das Alter erreicht hätten, unserm Herrn zu dienen, wenn sich Gelegenheit dazu finden würde.« – »Wie ich sehe«, fragte der Sultan weiter, »liebt ihr die Jagd?« – »Herr«, erwiderte der Prinz Bahman, »dies ist unsere gewöhnliche Übung, und keiner von den Untertanen meines Herrn, der sich dazu bestimmt, dereinst die Waffen in seinen Heeren zu führen, vernachlässigt sie.« Der Sultan war hoch erfreut über diese kluge Antwort und sagte zu ihnen: »Da dem so ist, so möchte ich euch wohl jagen sehen. Kommt und wählt euch eine Jagd, wie sie euch beliebt.« Die Prinzen stiegen wieder zu Pferd, folgten dem Sultan und waren noch nicht weit geritten, als sie mehrere Tiere zugleich hervorkommen sahen. Der Prinz Bahman erwählte sich einen Löwen und der Prinz Perwis einen Bären. Sie ritten beide zu gleicher Zeit mit einer Unerschrockenheit auf dieselben los, welche den Sultan überraschte; auch erreichten sie ihre Tiere fast zu gleicher Zeit und warfen ihre Speere mit solcher Geschicklichkeit, daß der Prinz Bahman den Löwen und der Prinz Perwis den Bären durchbohrte, und der Sultan beide Tiere bald nacheinander fallen sah. Ohne sich länger aufzuhalten, verfolgte der Prinz Bahman einen anderen Bären und Prinz Perwis einen anderen Löwen, und in wenigen Augenblicken durchbohrten sie auch diese, so daß sie tot niederstürzten. Sie wollten noch weiter jagen, aber der Sultan gab es nicht zu; er ließ sie zurückrufen, und als sie wieder in seine Nähe gekommen waren, sagte er zu ihnen: »Wenn ich euch schalten und walten ließe, so würdet ihr bald meine ganze Jagd verwüstet haben. Indes will ich nicht sowohl meine Jagd schonen, als euch selbst, denn euer Leben soll mir fortan sehr teuer sein, da ich die Überzeugung hege, daß eure Tapferkeit mir dereinst noch nützlicher sein wird, als sie mir soeben ergötzlich war.« Kurz, der Sultan Chosra Schah fühlte für die beiden Prinzen eine so starke Zuneigung, daß er sie einlud, sogleich bei ihm zu bleiben und ihm zu folgen. »Herr«, erwiderte der Prinz Bahman, »du erweist uns eine Ehre, die wir nicht verdienen, und wir bitten unsern Herrn, daß er uns dies erlassen wolle.«

Der Sultan, der nicht begriff, welche Gründe die Prinzen wohl haben konnten, diesen Beweis seiner Achtung abzulehnen, fragte sie darum und verlangte dringend, es zu erfahren. »Herr«, sagte der Prinz Bahman, »wir haben eine Schwester, die jünger ist als wir beide, und mit der wir in so inniger Eintracht leben, daß wir niemals etwas unternehmen oder tun, ohne ihren Rat eingeholt zu haben, so wie auch sie ihrerseits nichts tut, ohne uns zu befragen.« – »Diese eure geschwisterliche Eintracht gefällt mir sehr wohl«, versetzte der Sultan; »so befragt denn eure Schwester und kommt dann morgen wieder zu mir auf die Jagd, dann will ich ihren Bescheid hören.« Die Prinzen ritten nach Hause, dachten aber beide nicht mehr daran, daß der Sultan ihnen begegnet war, und daß sie die Ehre gehabt hatten, mit ihm zu jagen, und somit erzählten sie der Prinzessin auch nichts davon, daß er ihnen die Ehre erwiesen hatte, sie mit sich nehmen zu wollen. Als sie sich nun am anderen Morgen wieder beim Sultan zur Jagd eingestellt hatten, fragte sie dieser: »Nun, habt ihr mit eurer Schwester gesprochen? Will sie mir das Vergnügen gönnen, das ich erwarte, euch näher um mich zu sehen?« Die Prinzen blickten einander an, und die Röte stieg ihnen ins Gesicht. »Herr«, antwortete der Prinz Bahman, »wir bitten demütiglich um Entschuldigung; weder mein Bruder noch ich haben daran gedacht.« – »So denkt heute daran«, fuhr der Sultan fort, »und vergeßt nicht, mir morgen Bescheid zu bringen.« Die Prinzen vergaßen die Sache abermals, und der Sultan ärgerte sich nicht über ihre Gleichgültigkeit, sondern zog vielmehr drei kleine goldene Kugeln aus seiner Börse, steckte sie dem Prinzen Bahman in den Busen und sprach dabei lächelnd: »Diese Kugeln werden verhindern, daß ihr heute zum drittenmal das vergesset, was ihr mir zuliebe tun sollt; sie werden heute Abend, wenn du deinen Gürtel ablegst, ein solches Geräusch machen, daß du dich der Sache erinnern wirst, im Fall du nicht schon vorher daran gedacht hast.« Es erging, wie der Sultan vorausgesehen hatte. Ohne die drei goldenen Kugeln hätten die Prinzen abermals vergessen, mit der Prinzessin Parisade, ihrer Schwester, zu sprechen. Sie entfielen dem Busen des Prinzen Bahman, als er seinen Gürtel abgenommen hatte und sich anschickte, zu Bett zu gehen. Er eilte nun sogleich zu dem Prinzen Perwis, und beide gingen zusammen durch die Zimmer der Prinzessin, die sich noch nicht niedergelegt hatte. Sie baten um Verzeihung, daß sie so zur ungebührlichen Stunde stören und setzten ihr dann die Sache samt allen Umständen ihres Zusammentreffens mit dem Sultan auseinander. Die Prinzessin Parisade war durch diese Nachricht beunruhigt und sagte: »Euer Zusammentreffen mit dem Sultan ist glücklich und ehrenvoll für euch und kann es in der Folge noch mehr werden; für mich aber ist es verdrießlich und sehr traurig. Ich sehe wohl, daß ihr aus Rücksicht auf mich den Wunsch des Sultans abgelehnt habt und bin euch unendlich dafür verbunden; denn ich erkenne daraus, daß eure Freundschaft für mich vollkommen der meinigen zu euch entspricht. Ihr habt sozusagen lieber eine Unhöflichkeit gegen den Sultan begehen wollen, indem ihr seinen Wunsch eurer Meinung nach auf eine anständige Art ablehntet, als der geschwisterlichen Vereinigung, die wir uns geschworen haben, Eintrag zu tun; und ihr habt wohl bedacht, daß ihr, sobald ihr ihn einmal besucht habt, allmählich genötigt sein werdet, mich zu verlassen, um euch ihm ganz zu widmen. Haltet ihr es indes für so leicht, dem Sultan eine Sache gänzlich abzuschlagen, die er so angelegentlich zu wünschen scheint? Der Wunsch der Sultane ist ein Wille, dem zu widerstehen Gefahr bringt. Wenn ich euch also auch meiner Neigung zufolge abreden wollte, ihm die Gefälligkeit zu erzeigen, die er von euch fordert, so würde ich euch nur seinem Zorn aussetzen und mit mir unglücklich machen. Dies ist meine Ansicht hierüber; ehe wir jedoch einen Entschluß fassen, laßt uns den sprechenden Vogel befragen und hören, was er uns rät. Er ist verständig und voraussehend, und er hat uns für schwierige Fälle seine Hilfe versprochen.« Die Prinzessin Parisade ließ den Käfig bringen, und nachdem sie dem Vogel in Gegenwart der beiden Prinzen diese verwickelte Sache vorgetragen hatte, fragte sie ihn, wozu er ihnen unter solchen Umständen rate. Der Vogel antwortete: »Die Prinzen, deine Brüder, müssen dem Willen des Sultans entsprechen und sogar ihrerseits ihn einladen, euch hier zu besuchen.« – »Aber Vogel«, wandte die Prinzessin ein, »meine Brüder und ich, wir lieben uns ohnegleichen, und wird dieser Liebe durch einen solchen Schritt kein Eintrag geschehen?« – »Nichts weniger«, antwortete der Vogel, »sie wird dadurch nur um so stärker werden.« – »Auf diese Art«, versetzte die Prinzessin, »wird der Sultan auch mich sehen.« Der Vogel antwortete ihr, es sei notwendig, daß er sie sehe, und alles werde dann um so besser gehen.

 

Am folgenden Morgen stellten die Prinzen Bahman und Perwis sich wieder zur Jagd ein, und der Sultan fragte sie schon aus der Ferne, so weit er nur gehört werden konnte, ob sie diesmal daran gedacht haben, mit ihrer Schwester zu sprechen. Der Prinz Bahman nahte sich ihm und sprach: »Herr, gebiete über uns nach deinem Wohlgefallen, wir sind bereit, dir zu gehorchen; wir haben nicht nur keine Mühe gehabt, die Einwilligung unserer Schwester zu erlangen, sondern sie hat es sogar mißbilligt, daß wir in einer Sache, welche unsere Pflicht gegen unsern Herrn mit sich bringe, diese Rücksicht auf sie genommen haben. Aber, Herr, sie hat sich derselben auch so würdig gemacht, daß wir hoffen, du werdest uns verzeihen, wenn wir gefehlt haben.« – »Laßt euch das nicht bekümmern«, erwiderte der Sultan, »ich nehme das, was ihr getan habt, nicht nur nicht übel, sondern billige es sogar so sehr, daß ich hoffe, ihr werdet auch mich mit derselben Ergebenheit und Anhänglichkeit an meine Person erfreuen, sofern ich nur ein wenig Anteil an eurer Freundschaft habe.« Die Prinzen gerieten bei dieser überschwenglichen Güte des Sultans in Verwirrung und antworteten nur durch eine tiefe Verbeugung, um die hohe Ehrfurcht zu bezeugen, womit sie dieselbe empfingen.

Der Sultan jagte wider seine Gewohnheit an diesem Tage nicht lange. Da er erkannte, daß die Prinzen ebenso viel Geist besaßen als Tapferkeit und Kühnheit, so beschleunigte er seine Rückkehr, um sich recht bald und bequem mit ihnen unterhalten zu können. Sie mußten unterwegs an seiner Seite sein, eine Ehre, die, um von den vornehmen Hofleuten seines Gefolges zu schweigen, selbst die Eifersucht des Großveziers erregte, den es tief kränkte, sie vor sich reiten zu sehen.

Als der Sultan in seine Hauptstadt einritt, heftete das Volk, das die beiden Seiten der Straßen besetzt hielt, seine Augen nur auf die beiden Prinzen Bahman und Perwis und forschte, wer sie wohl sein möchten, Fremdlinge oder Eingeborne. »Wer sie auch seien«, sagten die meisten, »wollte Gott, daß der Sultan uns zwei so wohlgebildete und stattliche Prinzen geschenkt hätte! Er könnte sie fast von demselben Alter haben, wenn die Geburten der Sultanin, die schon so lange dafür leidet, glücklicher gewesen wären.«

Das erste, was der Sultan nach der Rückkehr in seinen Palast tat, war, daß er die Prinzen in den vorzüglichsten Zimmern umherführte, deren Schönheit, Reichtümer, Gerätschaften, Zierraten und Einteilung sie ohne Übertreibung lobten, wie Leute, die sich darauf verstanden. Man trug endlich ein herrliches Mahl auf, und der Sultan hieß sie neben sich zu Tisch sitzen. Sie wollten es anfangs ablehnen, gehorchten aber, als der Sultan sagte, daß dies sein Wille sei.

Der Sultan, der ungemein viel Verstand besaß und große Fortschritte in den Wissenschaften, namentlich in der Geschichte, gemacht, hatte wohl vorausgesehen, daß die Prinzen aus Bescheidenheit und Ehrfurcht es nicht wagen würden, die Unterhaltung anzufangen. Um ihnen nun Anlaß zum Sprechen zu geben, brachte er selbst etwas auf die Bahn und tat dies während der ganzen Mahlzeit; aber auf was er auch zu sprechen kommen mochte; sie zeigten in allem so viele Kenntnisse, Verstand, Scharfsinn und Urteil, daß er darüber in Verwunderung geriet. »Wenn es meine eigenen Kinder wären«, sprach er bei sich selbst, »und wenn ich sie ihren Geistesgaben gemäß hätte erziehen lassen, so könnten sie nicht besser unterrichtet, gewandter und gebildeter sein.« Kurz, er fand so großes Wohlgefallen an ihrer Unterhaltung, daß er, nachdem er länger als gewöhnlich bei Tisch geblieben war, aus dem Speisesaal mit ihnen in sein Zimmer ging und sich dort noch sehr lange mit ihnen besprach. Endlich sagte der Sultan zu ihnen: »Ich hätte nie geglaubt, daß es auf dem Lande unter meinen Untertanen so wohlerzogene, so verständige und so gewandte junge Herren gäbe; in meinem Leben habe ich keine Unterhaltung gehabt, die mir mehr Vergnügen gemacht hätte als die eurige. Für heute ist es indes genug und Zeit, daß ihr euch durch irgend eine Ergötzlichkeit an meinem Hofe unterhaItet, und da nichts die Wolken besser zerstreuen kann als Musik, so sollt ihr ein Konzert von Gesang und Saitenspiel hören, das euch nicht unangenehm sein wird.