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Tausend Und Eine Nacht

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Die Prinzessin Parisade war so ganz damit beschäftigt, die Nachweisung der frommen Frau über den sprechenden Vogel, den singenden Baum und das gelbe Wasser ihrem Geiste einzuprägen, daß sie ihre Entfernung erst bemerkte, als sie noch einige Fragen wegen näherer Auskunft über diese Sache tun wollte. Das, was sie aus ihrem Munde vernommen hatte, schien ihr nicht genug, um mit einiger Aussicht auf Erfolg die Reise unternehmen zu können. Gleichwohl wollte sie der frommen Frau niemand nachschicken, um sie zurückzuholen, sondern sie strengte ihr Gedächtnis an und bemühte sich, alles, was sie gehört hatte, in ihren Geist zurückzurufen. Da sie nun glaubte, daß ihr nichts entgangen sei, so dachte sie mit großem Wohlgefallen daran, wie groß ihre Freude sein würde, wenn sie zum Besitze so wunderbarer Dinge gelangen könnte. Zugleich aber geriet sie in große Unruhe wegen der Schwierigkeiten, die sie dabei erkannte, und weil sie fürchtete, es möchte ihr nicht gelingen. Sie war ganz in diese Gedanken vertieft, als die Prinzen, ihre Brüder, von der Jagd zurückkamen. Sie traten in den Saal und wunderten sich sehr, ihre Schwester nicht wie gewöhnlich mit heiterem Gesicht und in froher Laune, sondern vielmehr in sich gekehrt und beinahe betrübt anzutreffen, denn sie erhob nicht einmal den Kopf, um wenigstens zu erkennen zu geben, daß sie ihre Ankunft bemerkte. Der Prinz Bahman nahm das Wort und sagte zu ihr: »Liebe Schwester, wo ist denn der Frohsinn und die Heiterkeit, die bisher unzertrennlich von dir gewesen? Bist du unwohl? Ist dir vielleicht irgend ein Unfall zugestoßen? Hat dir jemand Anlaß zum Verdruß gegeben? Sage es uns, damit wir den geziemenden Anteil daran nehmen und die nötigen Maßregeln ergreifen, um dich zufrieden zu stellen oder dich zu rächen, wenn jemand sich erfrecht haben sollte, ein Fräulein, wie dich, der alle Ehrfurcht gebührt, zu beleidigen.« Die Prinzessin Parisade blieb noch einige Augenblicke in derselben Stellung, ohne zu antworten. Endlich hob sie die Augen auf, sah die Prinzen, ihre Brüder, an, lenkte aber ihren Blick schnell wieder zur Erde, nachdem sie ihnen geantwortet hatte, die Sache habe nichts zu bedeuten. »Liebe Schwester«, fuhr der Prinz Bahman fort, »du verhehlst uns die Wahrheit und es muß sich wohl etwas Wichtiges zugetragen haben. In der kurzen Zeit, da wir abwesend waren, kann unmöglich um nichts und wieder nichts eine so große und unerwartete Veränderung mit dir vorgegangen sein. Du wirst erlauben, daß wir dich mit dieser ungenügenden Antwort nicht davon kommen lassen. Verbirg uns also nicht, was es ist, denn wir müßten sonst glauben, daß du die Freundschaft und die innige Eintracht, die von unserer zartesten Jugend an bis auf diese Stunde zwischen uns bestanden, nicht länger fortsetzen wollest.« Die Prinzessin, die ganz und gar nicht im Sinne hatte, mit ihren Brüdern zu brechen, wollte sie nicht in diesem Wahne lassen und antwortete ihnen also: »Als ich euch sagte, es sei nichts Wichtiges, was mich so beschäftigte, so meinte ich dies in Beziehung auf euch und nicht auf mich, denn ich finde, daß die Sache doch von einiger Erheblichkeit ist. Da ihr nun vermöge des Rechtes unserer Freundschaft und Eintracht, welche mir so teuer sind, in mich dringet, so will ich euch alles sagen. Ihr glaubtet bisher, und ich glaubte es ebenfalls, das Haus, welches unser seliger Vater uns erbauen ließ, sei in jeder Beziehung vollkommen und es fehle durchaus nicht das mindeste daran. Heute aber habe ich erfahren, daß ihm noch drei Sachen fehlen, welche es weit über alle Landhäuser auf der ganzen Welt erheben würde. Diese drei Sachen sind: der sprechende Vogel, der singende Baum und das goldgelbe Wasser.« Nachdem sie ihnen sofort auseinandergesetzt hatte, worin die Vortrefflichkeit derselben bestehe, fuhr sie also fort: »Eine fromme Frau hat mich darauf aufmerksam gemacht und mir zugleich den Ort, wo sie sind, sowie den Weg dazu angezeigt. Ihr werdet vielleicht finden, daß diese Sache für die Vollkommenheit unseres Hauses durchaus keine Bedeutung haben und daß es auch ohne dieselben immerhin für sehr schön gelten könne, weshalb wir ihrer durchaus nicht benötigt seien. Ihr mögt übrigens davon denken, wie ihr wollt, ich für meine Person kann nicht umhin, euch zu erklären, daß ich sie durchaus für notwendig zu unserm Hause erachte und mich nicht eher zufrieden geben werde, als bis ich mich in ihrem Besitze befinde. Ob nun die Sachen in euren Augen gleichgültig sind, oder nicht, so ersuche ich euch jedenfalls, mir mit euerm Rate beizustehen und zu sagen, wen ich wohl zur Erlangung derselben aussenden kann.« – »Liebe Schwester«, versetzte darauf der Prinz Bahman, »nichts kann dir am Herzen liegen, was uns nicht ebenso wichtig wäre. Da du nun die Erlangung der oben erwähnten Gegenstände so sehr wünschest, so halten wir es für unsere Pflicht, sie dir zu verschaffen. Übrigens fühlen wir uns auch, abgesehen von deinem Wunsch, aus freien Stücken und zu unserer eigenen Befriedigung dazu angetrieben; ich bin fest überzeugt, daß mein Bruder ebenso denkt, wie ich, und wir müssen alles daran setzen, um diese Eroberung zu machen. Die Sache ist von solchem Belang und so merkwürdig, daß ich wohl diesen Ausdruck brauchen darf. Ich übernehme die Ausführung; sage mir nur den Weg, den ich einschlagen muß, und den Ort, so will ich gleich morgen die Reise antreten.

»Geliebter Bruder«, wandte der Prinz Perwis ein, »ich halte es nicht für ratsam, wenn du, das Haupt und die Stütze des Hauses, dich solange entfernen willst; ich bitte daher unsere Schwester, daß sie sich mit mir vereinige, um dich von diesem Vorsatze abzubringen. Gestatte, daß ich die Reise mache; ich werde die Sache so gut ausführen als du, und jedenfalls wäre dies mehr in der Ordnung.« – »Bruder«, erwiderte der Prinz Bahman, »ich bin von deinem guten Willen überzeugt und zweifle keineswegs, daß du das Abenteuer so gut bestehen wirst, als ich. Im übrigen ist es eine abgemachte Sache und du mußt es mir überlassen. Du bleibst bei unserer Schwester, die ich dir nicht erst zu empfehlen brauche.« Nun brachte er den übrigen Teil des Tages mit Vorbereitungen zur Reise zu und ließ sich von seiner Schwester genau die Nachweisungen der frommen Frau wiederholen, um nicht zu verirren. Am anderen Morgen in aller Frühe stieg der Prinz Bahman zu Pferd; der Prinz Perwis und die Prinzessin Parisade, die ihn abreisen sehen wollten, umarmten ihn und wünschten ihm glückliche Reise. Während des Abschieds aber fiel der Prinzessin ein Gedanke aufs Herz, der ihr bisher nicht gekommen war. »Aber, mein Bruder«, sagte sie, »ich habe gar nicht an die Unfälle gedacht, mit denen eine solche Reise verbunden ist. Wer weiß, ob ich dich jemals wiedersehe! Ich beschwöre dich, steig wieder ab und unterlaß diese Reise. Lieber will ich den Anblick und den Besitz des sprechenden Vogels, des singenden Baumes und des goldgelben Wassers entbehren, als Gefahr laufen, dich auf immer zu verlieren.« – »Schwesterchen«, antwortete der Prinz Bahman, lächelnd ob der plötzlichen Ängstlichkeit der Prinzessin Parisade, »mein Entschluß steht fest, im anderen Fall würde ich ihn jetzt noch fassen, und du wirst erlauben, daß ich ihn ausführe. Solche Unfälle, von denen du sprichst, widerfahren nur den Unglücklichen. Es ist wahr, ich kann auch zu diesen gehören, aber vielleicht gehöre ich auch unter die Zahl der Glücklichen, die viel größer ist, als die der Unglücklichen. Da indes der Erfolg ungewiß und es wohl möglich ist, daß ich bei meiner Unternehmung umkomme, so kann ich weiter nichts tun, als dir dies Messer hier lassen.« Mit diesen Worten zog der Prinz Bahman ein Messer hervor, überreichte es der Prinzessin in der Scheide und sagte zu ihr: »Da nimm und mach‘ dir von Zeit zu Zeit die Mühe, dies Messer aus seiner Scheide zu ziehen; so lang du es blank siehst, wie es hier ist, so ist dies ein Zeichen, daß ich noch lebe; wenn du aber Blut herabträufeln siehst, so kannst du mit Gewißheit annehmen, daß ich nicht mehr bin, und dann bete für mich.« Die Prinzessin Parisade konnte den Prinzen Bahman zu keinem anderen Entschluß vermögen, Er sagte ihr und dem Prinzen Perwis zum letzten Mal Lebewohl und ritt dann auf einem stattlichen Rosse, wohlbewaffnet und ausgerüstet, dahin. Er begab sich auf den ihm bezeichneten Weg, und ohne weder rechts noch links abzuweichen, ritt er quer durch Persien hin auf demselben fort, bis er am zwanzigsten Tage seiner Reise seitwärts am Wege einen Greis von abscheulichem Ansehen erblickte, der in einiger Entfernung von einer Hütte, die ihm bei schlimmen Wetter zum Obdach diente, unter einem Baume saß. Seine Augenbrauen, die, wie auch die Haare, der Schnauzbart und der Backenbart, schneeweiß waren, reichten ihm bis auf die Nasenspitze herab; der Schnauzbart bedeckte ihm den Mund, der Backenbart und die Kopfhaare aber fielen ihm fast bis auf die Füße hernieder. An Händen und Füßen hatte er Nägel von übermäßiger Länge, und seinen Kopf bedeckte eine Art flacher, sehr breiter Hut in Form eines Sonnenschirms. Seine ganze Kleidung bestand in einer Binsenmatte, in welche er sich gewickelt hatte. Dieser gute Greis war ein Derwisch, der sich schon vor langen Jahren von der Welt zurückgezogen und seinen Körper vernachlässigt hatte, um sich einzig und allein Gott zu widmen, so daß er am Ende das Aussehen bekam, das ich geschildert habe.

Der Prinz Bahman, der schon den ganzen Morgen genau acht gegeben hatte, ob er nicht vielleicht jemand anträfe, bei dem er sich über das Ziel seiner Reise erkundigen könnte, hielt an, als er in die Nähe des Derwisches kam. Dies war nämlich der erste Mensch, der ihm begegnete, und er stieg daher ab, um allem pünktlich nachzukommen, was die fromme Frau zu der Prinzessin Parisade gesagt hatte. Indem er nun sein Roß am Zügel führte, näherte er sich dem Derwisch und begrüßte ihn mit den Worten: »Guter Vater, Gott verlängere deine Tage und gewähre dir die Erfüllung aller deiner Wünsche!« Der Derwisch erwiderte den Gruß des Prinzen, aber so undeutlich, daß dieser kein Wort davon verstand. Da nun der Prinz Bahman sah, daß der Schnauzbart, der den Mund des Derwisches bedeckte, das Hindernis war, und da er nicht weiter reiten wollte, ohne die nötige Erkundigung eingezogen zu haben, so nahm er eine Schere, die er bei sich führte, und nachdem er sein Pferd an einen Baumaste gebunden, sagte er zu ihm: »Guter Derwisch, ich habe mit dir zu reden, aber dein Schnauzbart hindert mich, dich zu verstehen. Darum bitte ich dich, erlaube mir, ihn zu stutzen und ebenso auch deine Augenbrauen, die dich entstellen und dir mehr das Ansehen eines Bären, als eines Menschen geben.« Der Derwisch hatte hiergegen nichts einzuwenden. Er ließ den Prinzen gewähren, und da dieser nach Vollendung seiner Arbeit bemerkte, daß der Derwisch eine frische Gesichtsfarbe hatte und weit jünger aussah, als er wirklich war, so sagte er zu ihm: »Guter Derwisch, wenn ich einen Spiegel hätte, so würde ich dir zeigen, wie sehr du verjüngt bist. Jetzt bist du ein Mensch, vorher aber konnte niemand erkennen, was du warst.« Bei diesen Schmeicheleien des Prinzen Bahman lächelte der Derwisch und erwiderte höflich: »Herr, wer du auch sein magst, ich bin dir unendlich verpflichtet für diese Gefälligkeit, die du mir erwiesen hast; zugleich erkläre ich mich bereit, dir mit allem, was in meinen Kräften steht, meine Erkenntlichkeit zu beweisen. Du bist nicht abgestiegen, ohne daß irgend ein Anliegen dich dazu genötigt hätte; sage mir nun, was es ist, ich will deinen Wunsch zu befriedigen suchen, wenn es mir möglich ist.« – »Guter Derwisch«, erwiderte der Prinz Bahman, »ich komme aus weiter Ferne und suche den sprechenden Vogel, den singenden Baum und das goldgelbe Wasser. Ich weiß, daß diese drei Sachen irgendwo in dieser Gegend sich befinden, aber den Ort, wo sie sind, weiß ich nicht. Wenn er dir bekannt ist, so beschwöre ich dich, zeige mir den Weg dazu, damit ich nicht auf einen falschen gerate und die Frucht der langen Reise, die ich unternommen, verliere.« Der Prinz bemerkte, daß der Derwisch bei seiner Rede nach und nach das Gesicht veränderte, die Augen niederschlug und ein äußerst ernstes Wesen annahm, ja sogar, statt zu antworten, längere Zeit auf seinem Schweigen beharrte. Dies veranlaßte ihn, nochmals das Wort zu nehmen und also fortzufahren: »Guter Vater, ich glaube, daß du mich verstanden hast; sag‘ mir nun, ob du das weißt, was ich durch dich zu erfahren wünsche, oder ob du es nicht weißt, auf daß ich keine Zeit verliere, sondern mich anderwärts erkundige.« Der Derwisch brach endlich sein Stillschweigen und sagte zu dem Prinzen Bahman: »Herr, der Weg, nach dem du fragst, ist mir bekannt, allein ich habe dich gleich auf den ersten Anblick so liebgewonnen, und die Gefälligkeit, die du mir erwiesen, hat diese Freundschaft so sehr gesteigert, daß ich unentschlossen bin, ob ich dir die erwünschte Auskunft erteilen soll oder nicht.« – »Was mag dich davon abhalten?« fragte der Prinz, »und welche Bedenklichkeiten kannst du haben, mir auf meine Frage zu antworten?« – »Das will ich dir sagen«, antwortete der Derwisch; »die Gefahr, der du dich aussetzest, ist weit größer, als du glauben kannst. Schon viele andere Herren, die nicht weniger Kühnheit und Mut hatten, als du besitzen magst, sind hier vorbeigekommen und haben dieselbe Frage getan, wie du. Ich habe nichts unterlassen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, allein sie wollten mir nicht glauben, und so ließ ich mich denn, obwohl mit großem Widerwillen, durch ihre dringenden Bitten bestimmen, ihnen den Weg zu zeigen; ich kann dir übrigens versichern, daß sie alle verunglückt sind und Ich keinen einzigen habe zurückkommen sehen. Wenn dir dein Leben nur im mindesten lieb ist und du meinen Rat befolgen willst, so gehe nicht weiter, sondern kehre sogleich wieder heim.«

 

Der Prinz Bahman aber beharrte auf seinem Entschluß und erwiderte dem Derwisch: »Ich will gerne glauben, daß dein Rat gut gemeint ist, auch bin ich dir für diesen Beweis von Freundschaft sehr verpflichtet. Indes mag die Gefahr, von der du sprichst, so groß sein, als sie will, ich werde mich durch nichts von meinem Vorhaben abbringen lassen. Wenn ich angegriffen werde, so habe ich gute Waffen, und ich glaube nicht, daß mein Gegner tapferer oder beherzter sein wird, als ich.« – »Wenn aber«, wandte der Derwisch ein, »diejenigen, die dich angreifen (denn es sind ihrer mehrere), sich gar nicht sehen lassen, wie willst du dich dann gegen unsichtbare Feinde verteidigen?« – »Gleichviel«, erwiderte der Prinz, »du wirst mich nie überreden, gegen meine Pflicht zu handeln. Da du den Weg weißt, nach welchem ich dich frage, so beschwöre ich dich noch einmal, zeige ihn mir und schlage mir diese Gefälligkeit nicht ab.« Da der Derwisch sah, daß er den Prinzen Bahman nicht auf andere Gedanken bringen konnte, sondern daß derselbe, ungeachtet der wohlmeinenden Warnung, die er ihm gab, hartnäckig auf dem Entschluß beharrte, seine Fahrt fortzusetzen, so griff er in einen Sack, den er neben sich hatte, zog eine Kugel heraus und überreichte sie ihm mit den Worten: »Da ich es nicht über dich gewinnen kann, daß du auf meine Stimme hörst und meinen Rat befolgst, so nimm diese Kugel, und wenn du wieder zu Pferd sitzt, wirf sie vor dich hin und folge ihr bis an den Fuß eines Berges, wo sie stehenbleiben wird. Sobald sie stille steht, steig ab und wirf deinem Pferd den Zügel um den Hals; es wird auf derselben Stelle bleiben, bis du zurückkommst. Wenn du nun den Berg hinaufsteigst, wirst du rechts und links eine große Menge dicker schwarzer Steine erblicken und von allen Seiten ein verworrenes Getöse von Stimmen .hören, die dir tausend Schimpfworte zurufen werden, um dich zu entmutigen und zu verhindern, daß du die Höhe nicht erreichst. Nimm dich indes wohl in acht, darüber zu erschrecken, und vor allen Dingen drehe den Kopf nicht, um zurückzusehen; du würdest im Augenblick in einen schwarzen Stein verwandelt werden, ähnlich denen, die du dort sehen wirst. Denn auch diese sind nichts anderes, als solche Herren, wie du, welchen ihr Unternehmen mißlungen ist, wie ich dir schon gesagt habe. Wenn du nun der Gefahr, die ich dir bloß andeute, damit du ihrer gedenken sollst, entrinnst und wirklich den Gipfel des Berges erreichst, so wirst du dort einen Käfig finden und in dem Käfig den Vogel, den du suchst. Da er sprechen kann, so frage ihn, wo der singende Baum und das goldgelbe Wasser ist, und er wird es dir anzeigen. Mehr habe ich dir nicht zu sagen: du weißt jetzt alles, was du zu tun und zu lassen hast; laß dich indes belehren, folge meinem Rat und setze dich nicht der Gefahr aus, dein Leben zu verlieren. Noch einmal, so lang du noch Zeit hast, zu überlegen, bedenke wohl, daß dieser unwiderbringliche Verlust an eine Bedingung geknüpft ist, die man, wie du gewiß einsehen wirst, leicht, selbst durch bloße Achtlosigkeit, übertreten kann.«

Darauf erwiderte der Prinz Bahman, nachdem er die Kugel empfangen hatte: »So sehr ich dir auch für deinen Rat verbunden bin, den du soeben wiederholt hast, so kann ich ihn doch nicht befolgen, werde mir indes Mühe geben, deine Warnung, daß ich beim Hinaufsteigen auf den Berg nicht hinter mich sehen soll, zu benützen; auch hoffe ich, daß du mich bald mit der gewünschten Beute zurückkommen sehen wirst, um dir noch umständlicher zu danken.« Auf diese Worte, nach welchen der Derwisch nichts mehr erwiderte, als daß er sich freuen würde, ihn wieder zu sehen, und wünsche, daß es so gehen möchte, stieg der Prinz wieder zu Pferd, verabschiedete sich von dem Derwisch mit einer tiefen Verneigung des Kopfes und warf die Kugel vor sich hin.

Die Kugel rollte mit derselben Schnelligkeit, die der Prinz Bahman ihr durch den Wurf gegeben hatte, fort und fort, so daß er den Lauf seines Pferds beschleunigen mußte, um ihr zu folgen und sie nicht aus dem Gesicht zu verlieren. Am Fuße des Berges hielt sie, wie der Derwisch gesagt hatte, still, der Prinz stieg ab, legte dem Pferd die Zügel um den Hals und es rührte sich nicht mehr vom Fleck. Nachdem er nun den Berg gehörig besehen und die schwarzen Steine darauf bemerkt hatte, fing er an, ihn zu ersteigen, aber kaum hatte er vier Schritte getan, so ließen sich schon die Stimmen vernehmen, von denen der Derwisch ihm gesagt hatte, ohne daß er jemand erblickte. Einige sprachen: »Wohin will dieser Tollkopf? was will er? Laßt ihn nicht vorbei!« Andere: »Haltet ihn an, greift, tötet ihn!« Wieder andere schrien mit einer Donnerstimme: »Ein Dieb, ein Mörder, ein Taugenichts! « Noch andere riefen in spöttischem Ton: »Nein, tut ihm nichts zuleide, laßt das hübsche Büblein ziehen; wahrhaftig nur für ihn hat man den Käfig und den Vogel aufbewahrt.« Ungeachtet dieser ärgerlichen Stimmen klomm der Prinz Bahman eine Zeitlang standhaft und fest den Berg hinan, indem er sich selbst Mut einsprach; nun aber wurden die Stimmen immer lauter, sie machten ein so schreckliches Getöse und kamen ihm sowohl von hinten, als von vorne so nahe, daß Angst und Entsetzen sich seiner bemächtigte. Seine Füße und Knie fingen an zu zittern, er wankte und bald darauf, als er spürte, daß ihm die Kräfte versagten, vergaß er die Warnung des Derwisches und drehte sich um, um schnell den Berg wieder hinabzusteigen; allein in demselben Augenblick wurde er in einen schwarzen Stein verwandelt, wie es schon vielen anderen vor ihm ergangen war, welche dieselbe Unternehmung versucht hatten. Seinem Roß wiederfuhr dasselbe.

Seit der Abreise des Prinzen Bahman hatte die Prinzessin Parisade, welche das Messer mit der Scheide, das er ihr zum Kennzeichen seines Todes oder Lebens zurückgelassen, stets an ihrem Gürtel trug, es nicht versäumt, dasselbe häufig, ja sogar mehreremale des Tages hervorzuziehen und zu befragen. Auf diese Weise hatte sie den Trost gehabt, zu wissen, daß er vollkommen gesund sei, und sich oft über ihn mit dem Prinzen Perwis unterhalten, der manchmal zuerst davon anfing und sie um Nachrichten fragte. So auch an dem unglückseligen Tage, wo der Prinz Bahman in einen Stein verwandelt wurde. Der Prinz Perwis und die Prinzessin unterhielten sich abends nach ihrer Gewohnheit von ihm, und der Prinz sagte zu seiner Schwester: »Liebe Schwester, ich bitte dich, zieh das Messer hervor, auf daß wir erfahren, wie es ihm ergeht.« Die Prinzessin zog es heraus, und als sie es betrachteten, sahen sie von der Spitze Blut herabträufeln. Von Schmerz und Entsetzen ergriffen, warf Parisade das Messer weg und rief: »Ach, mein geliebter Bruder, so habe ich dich also verloren, durch meine eigene Schuld verloren, und werde dich nie wiedersehen! Wehe mir, o ich Unglückliche! Warum mußte ich dir auch von dem sprechenden Vogel, dem singenden Baum und dem goldgelben Wasser sagen, oder vielmehr, was konnte es mich kümmern, ob die alte Betschwester unser Haus schön oder häßlich, vollkommen oder unvollkommen fand. Wollte Gott, es wäre ihr nie eingefallen, hier einzusprechen! Heuchlerin, Betrügerin!« fügte sie hinzu, »mußtest du den freundlichen Empfang, den ich dir werden ließ, so vergelten! Warum hast du mir von einem Vogel, einem Baum und einem Wasser erzählt, welche gewiß nur in der Einbildung der Toren vorhanden sind, wie ich an dem unglücklichen Ende meines geliebten Bruders erkenne, aber dennoch durch deine Verzauberung fortwährend mein Gemüt beunruhigen!« Der Prinz Perwis war über den Tod seines Bruders Bahman nicht minder betrübt, als die Prinzessin Parisade; da er aber aus den Wehklagen seiner Schwester erkannt hatte, daß ihr Herz noch immer mit aller Macht nach dem Besitz des sprechenden Vogels, des singenden Baumes und des goldgelben Wassers verlangte, so beschloß er die Zeit nicht mit fruchtlosen Klagen zu verlieren. »Liebe Schwester«, sagte er zu ihr, »vergeblich betrauern wir unsern Bruder Bahman: unser Klagen und unser Schmerz werden ihm das Leben nicht wiedergeben. Dies ist nun einmal Gottes Wille, wir müssen uns ihm unterwerfen und seine Ratschlüsse verehren, wenn wir sie auch nicht verstehen können. Warum willst du jetzt auf einmal die Worte der frommen Frau bezweifeln, nachdem du sie mit so festem Glauben für wahr und zuverlässig gehalten hast! Meinst du, sie würde dir von diesen drei Sachen erzählt haben, wenn sie nicht wirklich vorhanden wären, und sie habe dieselben bloß erfunden, um dich zu betrügen, während du ihr doch durchaus nie und nimmermehr Anlaß dazu gegeben, sondern sie vielmehr so ehrenvoll und gütig aufgenommen und bewirtet hast? Lieber wollen wir glauben, daß der Tod unseres Bruders durch irgend ein Versehen von ihm oder durch einen Unfall herbeigeführt worden ist, den wir uns freilich nicht denken können. Darum, liebe Schwester, wollen wir uns durch seinen Tod nicht abhalten lassen, unser Ziel zu verfolgen; ich hatte mich gleich anfangs erboten, statt seiner die Reise zu machen, und bin noch jetzt dazu bereit. Sein Beispiel vermag mich nicht von meinem Vorhaben abzubringen, und ich will mich gleich morgen auf den Weg machen.« Die Prinzessin tat alles mögliche, um es dem Prinzen Perwis auszureden; sie beschwor ihn mit den rührendsten Ausdrücken, er möchte sie doch nicht der Gefahr aussetzen, statt eines Bruders beide zu verlieren, allein er blieb taub gegen alle ihre Vorstellungen. Vor seiner Abreise gab er ihr, damit sie beständig den Erfolg seiner Reise wissen möchte, wie sie von dem Schicksal des Prinzen Bahman durch das zurückgelassene Messer unterrichtet worden war, einen Rosenkranz von hundert Perlen zu demselben Behufe, und indem er ihr denselben überreichte, sprach er zu ihr: »Sprich diesen Rosenkranz für mich während meiner Abwesenheit. Wenn du ihn abbetest und die Perlen wie angeleimt feststehen, so daß du sie nicht mehr bewegen und nacheinander fallen lassen kannst, so ist das ein Zeichen, daß ich dasselbe Schicksal erlitten habe, wie unser Bruder. Hoffen wir indes, daß dies nicht geschehen wird, sondern daß ich vielmehr Glück habe, dich nach Erreichung unseres Zweckes wieder zu sehen.«

 

Der Prinz Perwis ritt also fort, und am zwanzigsten Tag seiner Reise traf er denselben Derwisch an derselben Stelle, wo der Prinz Bahman ihn gesehen hatte. Er ritt auf ihn zu, und nachdem er ihn begrüßt hatte, bat er ihn, wenn er es wüßte, ihm den Ort anzuzeigen, wo der sprechende Vogel, der singende Baum und das goldgelbe Wasser zu finden seien. Der Derwisch machte ihm dieselben Schwierigkeiten und Vorstellungen, wie dem Prinzen Bahman, und setzte noch hinzu, erst vor ganz kurzer Zeit habe ein junger Herr, mit dem er viele Ähnlichkeit besitze, ihn um denselben Weg gefragt; durch seine dringenden und ungestümen Bitten bewogen, habe er ihm denselben gezeigt, eine Art Wegweiser mitgegeben und genau vorgeschrieben, was er zu beobachten habe, wenn der Erfolg glücklich sein solle. Indes habe er ihn nicht zurückkommen sehen und könne daher nicht zweifeln, daß ihm dasselbe Schicksal geworden sei, wie seinen Vorgängern. »Gut Derwisch«, antwortete der Prinz Perwis, »ich weiß, wer derjenige ist, von welchem du sprichst: es war mein älterer Bruder, und ich weiß zuverlässig, daß er tot ist; auf welche Art er aber gestorben ist, kann ich mir nicht denken.« – »Das will ich dir sagen«, versetzte der Derwisch; »er ist wie alle seine Vorgänger in einen schwarzen Stein verwandelt worden, und auch du hast dieselbe Verwandlung zu erwarten, wenn du die guten Ratschläge, die ich ihm ebenfalls erteilt hatte, nicht besser befolgst, oder nicht lieber deinen Plan ganz aufgeben willst, wozu ich dich noch einmal recht dringend ermahne.« – »Derwisch«, antwortete der Prinz Perwis, »ich kann dir meinen Dank für den Anteil, den du an der Erhaltung meines Lebens nimmst, obgleich ich dir ganz fremd bin und nichts getan habe, um dein Wohlwollen zu verdienen, nicht genugsam ausdrücken. Auch das muß ich dir bemerken, daß ich die Sache reiflich überlegt habe, ehe ich meinen Entschluß faßte, und jetzt nicht mehr davon abgehen kann. Darum bitte ich dich, erweise mir dieselbe Gnade, wie meinem Bruder: vielleicht wird es mir besser als ihm gelingen, denselben Anweisungen, die ich von dir erwarte, nachzukommen.« – »Da es mir also«, sagte der Derwisch, »nicht gelingen will, dich von deinem Entschluß abzubringen, so sei es denn; wenn mein hohes Alter mich nicht daran verhinderte und ich mich aufrecht auf meinen Beinen halten könnte, so würde ich aufstehen, um dir die Kugel zu geben, die ich hier habe und die dir zum Wegweiser dienen muß.« Der Prinz Perwis ließ den Derwisch nicht mehr sagen, sondern stieg sogleich vorn Pferd und trat auf den Alten zu. Der Derwisch hatte soeben die Kugel aus seinem Sack hervorgeholt, worin er noch einen großen Vorrat davon hatte; er gab sie ihm und setzte ihm auseinander, welchen Gebrauch er davon zu machen hätte. Nachdem er ihn nun, wie früher den Prinzen Bahman, aufs dringendste gewarnt hatte, vor den unsichtbaren Stimmen, so bedrohlich sie auch sein mögen, nicht zu erschrecken und nicht abzulassen, bis er den Berg erstiegen und den Käfig mit dem Vogel gefunden hätte, ließ er ihn weiter ziehen. Der Prinz Perwis dankte dem Derwisch, und als er wieder aufgestiegen war, warf er die Kugel vor sich hin, gab seinem Pferd beide Sporen und folgte ihr. Endlich gelangte er an den Fuß des Berges, und als er sah, daß die Kugel stehen blieb, so stieg er ab. Ehe er den ersten Schritt den Berg hinan tat, blieb er noch einen Augenblick stehen, um sich die Anweisungen, die der Derwisch ihm gegeben hatte, recht lebhaft ins Gedächtnis zurückzurufen. Endlich faßte er sich Mut und stieg hinan, fest entschlossen, den Gipfel des Berges zu erklimmen; kaum aber war er fünf bis sechs Schritte vorwärts gegangen, so hörte er hinter sich eine Stimme, die ihm sehr nahe zu sein schien, als wenn jemand ihn mit Schimpfworten zurückriefe und ihm zuschrie: »Halt ein, Verwegener! Ich werde dich für deine Frechheit züchtigen.« Bei dieser Beleidigung vergaß der Prinz alle Warnungen des Derwisches, legte die Hand an seinen Säbel, zückte ihn und drehte sich um, um Rache zu nehmen; kaum aber konnte er noch sehen, daß niemand ihm folgte, als er schon in einen schwarzen Stein verwandelt war, desgleichen auch sein Roß.

Indes hatte die Prinzessin Parisade seit der Abreise ihres Bruders Perwis es keinen Tag versäumt, den im Augenblick des Abschieds von ihm empfangenen Rosenkranz an der Hand zu tragen, und wenn sie gerade nichts anderes zu tun hatte, ihn abzubeten, indem sie die Perlen, eine nach der anderen, durch die Finger laufen ließ. Sie hatte ihn diese ganze Zeit hindurch sogar nachts nicht von sich gelassen; jeden Abend, wenn sie zu Bett ging, hatte sie ihn um ihren Hals gelegt und morgens gleich beim Erwachen mit der Hand danach gegriffen, um zu untersuchen ob die Perlen noch immer sich bewegen ließen. Endlich an dem Tag und in dem Augenblick, da dem Prinzen Perwis dasselbe Schicksal wie seinem Bruder Bahman wiederfuhr, in einen schwarzen Stein verwandelt zu werden, hielt sie wie gewöhnlich den Rosenkranz in der Hand und betete ihn. Da fühlte sie auf einmal, daß die Perlen sich nicht mehr bewegen ließen, wenn sie ihnen mit dem Finger einen Druck gab, und zweifelte nicht daran, daß dies ein sicheres Zeichen vom Tode ihres Bruders sei. Da sie nun für diesen Fall bereits ihren Entschluß gefaßt hatte, so verlor sie keine Zeit damit, ihren Schmerz durch äußere Zeichen zu verraten. Sie tat sich Gewalt an, ihn ganz in ihr eigen Herz zurückzudrängen; am folgenden Morgen aber kleidete, bewaffnete und rüstete sie sich wie ein Mann, sagte ihren Leuten, sie werde in wenigen Tagen zurückkommen, stieg zu Roß und ritt auf derselben Straße dahin, welche die beiden Prinzen, ihre Brüder, gezogen waren. Die Prinzessin Parisade, die von ihren Jagdbelustigungen des Reitens gewohnt war, ertrug die Strapazen der Reise leichter, als andere Frauen vermocht hätten. Sie machte dieselben Tagesreisen, wie die Prinzen, ihre Brüder, und traf ebenfalls am zwanzigsten Tag den Derwisch. Als sie in seine Nähe kam, stieg sie ab, führte ihr Roß am Zügel und setzte sich neben ihm nieder. Nachdem sie ihn hierauf gegrüßt hatte, sprach sie also zu ihm: »Guter Derwisch, wirst du mir wohl erlauben, daß ich einige Augenblicke bei dir ausruhe, und hättest du wohl die Güte, mir zu sagen, ob du nie gehört hast, daß irgendwo in dieser Gegend ein Ort ist, wo man den sprechenden Vogel, den singenden Baum und das goldgelbe Wasser finden kann?« Der Derwisch antwortete: »Edles Fräulein – denn trotz deiner Verkleidung erkenne ich dein Geschlecht an deiner Stimme und muß dich also so nennen – ich danke dir für deinen Gruß und nehme die Ehre, die du mir erweist, mit großem Vergnügen an. Ich kenne allerdings den Ort, wo die genannten Dinge sich finden, aber in welcher Absicht fragst du mich darum?« – »Guter Derwisch«, erwiderte die Prinzessin Parisade, »man hat mir so viel Schönes von diesen Sachen erzählt, daß ich vor Verlangen brenne, sie zu besitzen.« – »Edles Fräulein«, versetzte der Derwisch, »man hat dir die Wahrheit gesagt; diese Dinge sind sogar noch weit erstaunlicher und wunderbarer, als man sie dir geschildert hat; aber von den Schwierigkeiten scheint man dir nichts gesagt zu haben, die du überwinden müßtest, um zu ihrem Genuß zu gelangen. Hätte man dich gebührend davon unterrichtet, so hättest du dich gewiß nicht auf eine so mühsame und gefährliche Unternehmung eingelassen. Laß dir einen guten Rat geben: reite nicht weiter, sondern kehre wieder um und mute mir nicht zu, daß ich zu deinem Verderben beitragen soll.«