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Tausend Und Eine Nacht

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Geschichte der zwei neidischen Schwestern

Herr, es war einmal ein König in Persien, mit Namen Chosru Schah, der vom Anfang an seit seinem Eintritt in die Welt großes Gefallen an nächtlichen Abenteuern fand. Oft verkleidete er sich mit einem seiner vertrauten Diener, der ebenso verkleidet war, durchstrich die Straßen der Stadt, und es stießen ihm allerlei gar seltsame Abenteuer auf, von denen ich jedoch heute meinen Herrn nicht unterhalten werde; dagegen hoffe ich, daß du mit Vergnügen dasjenige anhören wirst, welches ihm gleich bei seinem ersten Ausgang einige Tage nach seiner Thronbesteigung aufstieß, als sein Vater in hohem Alter gestorben war und ihm das Königreich Persien als Erbe hinterlassen hatte.

Nach den gewöhnlichen Feierlichkeiten bei seiner Krönung und dem Leichenbegängnisse des Sultans, seines Vaters, ging der neue Sultan Chosru Schah sowohl aus Neigung, als weil er es für seine Pflicht hielt, von allem, was da vorging, mit eigenen Augen Einsicht zu nehmen, eines Abends, etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang, mit seinem ebenso wie er verkleideten Großvezier aus seinem Palast. Als er nun in das Stadtviertel kam, wo nur niedriges Volk wohnte, hörte er in einer Straße, die er durchstrich, ziemlich laut sprechen. Er näherte sich dem Hause, von welchem die Töne herkamen, blickte durch eine Spalte der Türe hinein und sah um ein Licht drei Schwestern, die auf einem Sofa saßen und sich nach dem Abendessen miteinander unterhielten. Aus der Rede der ältesten erkannte er bald, daß Wünsche den Gegenstand ihres Gespräches bildeten. »Da wir nun einmal am Wünschen sind«, sagte sie, »so wünschte ich mir den Bäcker des Sultans zum Manne, dann könnte ich mich doch satt essen an dem köstlichen Brote, welches man nur Sultansbrot nennt. Laßt hören, ob ihr auch einen so guten Geschmack habt, wie ich.« – »Und ich«, versetzte die zweite Schwester, »wünsche mir, die Frau des Oberkochs vom Sultan zu werden: Da würde ich gar leckere Gerichte essen, und da ich überzeugt bin, daß das Sultansbrot im ganzen Palast gegessen wird, so würde es mir auch daran nicht fehlen. Du siehst, Schwesterchen«, setzte sie gegen die ältere hinzu, »daß mein Geschmack so gut ist, als der deinige.«

Die jüngste Schwester, die ausnehmend schön war und weit mehr Anmut und Geist besaß, als die beiden älteren, sprach hierauf, als die Reihe an sie kam, also: »Was mich betrifft, Schwestern, so beschränkt sich mein Verlagen nicht auf solche Kleinigkeiten, sondern ich nehme einen höhern Flug, und da es einmal ums Wünschen handelt, so wünsche ich mir, die Gemahlin des Sultans zu werden. Ich würde ihm einen Prinzen schenken, dessen Locken auf der einen Seite von Gold und auf der anderen von Silber wären, dessen Tränen, wenn er weinte, als Perlen aus seinen Augen fielen, und dessen rote Lippen, so oft er lachte, einer sich erschließenden Rosenknospe glichen.« Die Wünsche der drei Schwestern, und besonders der jüngsten, erschienen dem Sultan Chosru Schah so merkwürdig, daß er sie zu erfüllen beschloß. Ohne dem Großvezier etwas von seinem Plane mitzuteilen, befahl er ihm, sich das Haus wohl zu merken und am folgenden Morgen alle drei Schwestern abzuholen und vor ihn zu führen.

Der Großvezier führte am anderen Morgen den Befehl des Sultans so schnell aus, daß er den drei Schwestern kaum Zeit ließ, sich schleunigst anzukleiden, um vor ihm zu erscheinen. Er sagte ihnen indes bloß, der Sultan wolle sie sehen. Als er sie nun in den Palast geführt und dem Sultan vorgestellt hatte, fragte dieser die drei Schwestern: »Saget mir, erinnert Ihr euch noch der Wünsche, die ihr gestern abend tatet, als ihr so guter Dinge waret? Verhehlt mir nichts, ich will sie wissen.« Bei seiner unerwarteten Anrede gerieten die drei Schwestern in große Verlegenheit. Sie schlugen die Augen nieder, der jüngsten aber stieg holde Schamröte ins Gesicht, was ihr einen solchen Reiz gab, daß sie das Herz des Sultans vollends gewann. Da sie aus Scham und aus Furcht, den Sultan durch ihre Reden beleidigt zu haben, alle drei stillschwiegen, so suchte sie der Sultan, der dies bemerkte, zu beruhigen, indem er zu ihnen sagte: »Fürchtet nichts, ich habe euch nicht kommen lassen, um euch etwas zuleide zu tun; da ich sehe, daß meine Frage euch gegen meine Absicht beunruhigt, und da ich ohnehin eure Wünsche schon weiß, so verlange ich nicht, daß ihr sie mir beantwortet. Du«, fuhr er fort, »die du mich zum Gemahl wünschest, sollst heute noch befriedigt, und ihr«, sagte er zur ersten und zweiten Schwester, »sollt mit meinem Mundbäcker und meinem Oberkoch verheiratet werden.« Sobald der Sultan diesen seinen Willen erklärt hatte, warf sich die jüngste Schwester, den beiden älteren mit gutem Beispiel vorangehend, ihm zu Füßen, um ihren Dank zu bezeigen. »Herr«, sprach sie, »meinen Wunsch, der dir bekannt worden ist, habe ich nur gesprächsweise und zur Unterhaltung geäußert; ich bin der Ehre, die du mir antust, nicht würdig und bitte dich um Verzeihung für meine Kühnheit.« Die beiden älteren Schwestern wollten sich ebenfalls entschuldigen, allein der Sultan unterbrach sie mit den Worten: »Nein, nein, es bleibt dabei, der Wunsch von jeder soll erfüllt werden.«

Die drei Hochzeiten wurden, wie der Sultan Chosru Schah beschlossen hatte, noch an dem selben Tage gefeiert, aber auf eine sehr verschiedene Weise. Die der jüngsten Schwester war mit aller Pracht und den glänzendsten Freudenfesten begleitet, wie es sich bei der Vermählung eines Sultans und einer Sultanin von Persien geziemt; die Hochzeiten der beiden anderen Schwestern dagegen wurden mit keinen größeren Feierlichkeiten begangen, als dem Range ihrer Gatten, nämlich des Mundbäckers und des Oberkochs, angemessen war.

Die beiden älteren Schwestern fühlten den unermeßlichen Abstand zwischen ihrer Heirat und der ihrer jüngsten Schwester tief im Herzen. Deswegen begnügten sie sich auch nicht mit ihrem Glücke, das ihnen doch ganz nach Wunsch und ohne daß sie es hoffen konnten, gewährt worden war; sie gaben sich vielmehr dem heftigsten Neide hin, der nicht nur ihre Freude trübte, sondern auch ihrer jüngsten Schwester, der Sultanin, großes Unglück und die kränkendsten Demütigungen und Leiden bereitete. Sie hatten noch nicht Zeit gehabt, einander ihre Gedanken über diese ihrer Meinung nach ungerechte Zurücksetzung von Seite des Sultans mitzuteilen, weil sie sich sogleich auf die Hochzeitfeier vorbereiten mußten. Einige Tage nachher aber, als sie sich verabredetermaßen in einem öffentlichen Bade wieder sahen, sagte die älteste Schwester zu der zweiten: »Nun, was sagst du denn von unserer jüngsten Schwester? Nicht wahr, ein sauberes Stück von einer Sultanin.« – »Ich muß gestehen«, sagte die andere Schwester, »daß ich die ganze Sache nicht begreifen kann; ich kann mir nicht denken, welche Reize der Sultan an ihr gefunden haben mag, daß er sich dermaßen die Augen verblenden ließ. Sie ist ja ein wahres Murmeltier, und du weißt wohl, in welchem Zustande wir beide sie gesehen haben. Konnte das bißchen Jugend, das sie vor uns voraus hat, wohl ein Grund für den Sultan sein, daß er seine Augen nicht auf dich richtete? Du wärest seiner Wahl würdig gewesen; er hätte so gerecht sein sollen, dir den Vorzug zu geben.« – »Liebe Schwester«, erwiderte die älteste, »sprechen wir nicht von mir: Ich hätte durchaus nichts einzuwenden, wenn der Sultan dich gewählt hätte; aber daß er ein so garstiges Ding vorgezogen hat, das kränkt mich tief. Ich will mich aber auch rächen, so gut ich kann, und dir muß die Sache ebenso angelegen sein, wie mir. Ich bitte dich daher, verbinde dich mit mir, laß uns einander in die Hände arbeiten bei einer Sache, die uns beide auf gleiche Weise betrifft, und teile mir die Mittel, sie zu kränken, mit, welche dir einfallen, so wie ich dir hiermit von allem Rechenschaft zu geben verspreche, was der heiße Wunsch, sie zu demütigen, mir eingeben mag.«

Nach diesem boshaften Bündnisse besuchten die beiden Schwestern einander oft und sprachen jedesmal nur von den Mitteln und Wegen, wie sie das Glück ihrer jüngsten Schwester, der Sultanin, trüben oder gar vernichten könnten. Sie brachten mehrere Pläne in Vorschlag; wenn sie aber die Ausführung derselben besprachen, so fanden sie immer so große Schwierigkeiten, daß sie es nicht wagen konnten, Versuche damit zu machen. Indes besuchten sie von Zeit zu Zeit ihre Schwester, und mit verruchter Verstellung gaben sie ihr alle möglichen Beweise von Freundschaft, um sie zu überzeugen, wie sehr sie über diese hohe Erhebung einer Schwester erfreut seien. Die Sultanin ihrerseits empfing sie immer mit allen Beweisen der Achtung und Freundschaft, welche sie von einer Schwester erwarten konnten, die sich auf ihre Würde nichts einbildete und sie nach wie vor mit gleicher Herzlichkeit liebte.

Einige Monate nach ihrer Vermählung fühlte die Sultanin sich schwanger. Der Sultan äußerte große Freude darüber, die sich bald überall in dem Palast mitteilte und von da weiter durch die ganze Hauptstadt von Persien verbreitete. Die beiden Schwestern kamen, um ihr Glück zu wünschen; sie sprachen sogleich davon, daß sie nun einer Hebamme zu ihrer Entbindung bedürfe, und baten sie, keine andere dazu zu wählen, als sie beide. Die Sultanin antwortete ihnen freundlich: »Liebe Schwestern, ihr könnt euch wohl denken, daß dies für mich höchst angenehm sein müßte, wenn die Macht von mir allein abhinge. Ich bin euch für euern guten Willen unendlich verbunden, muß mich aber hierin notwendig dem Willen des Sultans unterwerfen. Sprecht indes mit eueren Männern, daß sie den Sultan durch ihre Freunde um diese Gnade bitten lassen, und wenn der Sultan mit mir darüber spricht, so seid überzeugt, daß ich ihm sagen werde, er könne mir keinen größeren Gefallen tun, als wenn er euch hierzu erwähle.«

Die beiden Ehemänner wandten sich an die Höflinge, deren Gunst sie genossen, und baten sie um Verwendung bei dem Sultan, daß ihren Frauen die Ehre, nach welcher sie strebten, zuteil werden möchte; und die Höflinge betrieben die Sache so nachdrücklich und wirksam, daß der Sultan versprach, er wolle daran denken. Er hielt auch Wort und bei einer Unterredung mit der Sultanin sagte er zu ihr, ihre beiden Schwestern scheinen ihm weit mehr geeignet, ihr bei der Niederkunft beizustehen, als jede andere fremde Hebamme; indes wolle er sie nicht dazu ernennen, außer wenn es ihr lieb und angenehm sei. Die Sultanin empfand die Achtung, wovon ihr der Sultan einen so verbindlichen Beweis gab, tief in ihrem Herzen und sagte zu ihm: »Herr, ich war gesonnen, in dieser Sache nur zu tun, was du mir befehlen würdest, da du indes die Güte hattest, deine Augen auf meine Schwestern zu werfen, so danke ich dir für die Rücksicht, die du auf mich nimmst und will es nicht verhehlen, daß sie mir weit lieber sein werden, als jede Fremde.«

 

Der Sultan Chosru Schah bestimmte also die beiden Schwestern der Sultanin dazu, Hebammendienst bei ihr zu verrichten, und seitdem durften diese im Palast aus— und eingehen und waren äußerst erfreut, endlich eine über alle Erwartung gute Gelegenheit gefunden zu haben, um die abscheuliche Bosheit auszuführen, die sie gegen die Sultanin, ihre Schwester, ausgesonnen hatten.

Die Zeit der Niederkunft kam heran und die Sultanin wurde glücklich von einem Prinzen entbunden, schön wie der Tag. Doch weder seine Schönheit noch sein hilfloser Zustand vermochten das Herz der erbarmungslosen Schwestern zu rühren noch zu erweichen. Sie wickelten ihn nachlässig in Windeln, legten ihn in einen kleinen Korb und überließen diesen Korb dem Strom eines Kanals, der unter den Zimmer der Sultanin vorbeifloß. Statt des Knaben aber brachten sie einen jungen toten Hund zum Vorschein und verkündigten laut, die Sultanin habe ihn geboren. Diese ärgerliche Nachricht wurde dem Sultan verkündigt, der darüber in gewaltigen Zorn ausbrach, welcher der Sultanin leicht hätte verderblich werden können; allein der Großvezier stellte ihm vor, es wäre eine Ungerechtigkeit, sie für die launenhaften Spiele der Natur verantwortlich machen zu wollen. Indes schwamm der Korb, in welchem der kleine Prinz ausgesetzt war, auf dem Kanal bis zur Ringmauer hinaus, welche den Gesichtskreis der Wohnung der Sultanin nach dieser Seite hin begrenzte, und kam gerad so durch den Garten des Palastes. Der Zufall wollte, daß der Aufseher der königlichen Gärten, einer der vornehmsten und angesehensten Beamten des Reiches, oben am Kanal hin im Garten spazieren ging. Da er den schwimmenden Korb bemerkte, rief er einem in der Nähe stehenden Gärtner und sagte zu ihm, indem er darauf hindeutete: »Gehe hin und hole mir diesen Korb da, damit ich sehe, was darin ist.« Der Gärtner ging und zog mit einer Hacke, die er in der Hand hatte, vom Ufer des Kanals aus, den Korb geschickt heran, nahm ihn heraus und überbrachte ihn. Der Aufseher der Gärten verwunderte sich über die Maßen, als er in dem Korbe ein Kind eingewickelt fand, und zwar ein Kind, welches, obgleich man ihm ansah, daß es eben erst geboren war, bereits Spuren von großer Schönheit an sich trug. Der Aufseher war schon geraume Zeit verheiratet, aber so sehnlich er auch Nachkommenschaft wünschte, so hatte der Himmel bisher immer noch nicht seine Gebete erhört. Er stellte nun seinen Spaziergang ein, befahl dem Gärtner, ihm mit dem Korb und dem Kinde zu folgen, ging in seine Wohnung, deren Eingang im Garten des Palastes war, und begab sich sogleich in die Zimmer seiner Frau. »Frau«, sagte er zu ihr, »wir haben bisher keine Kinder gehabt, hier beschert uns Gott eins. Ich empfehle es dir; sorge schleunigst für eine Amme und verpflege es, wie wenn es unser eigener Sohn wäre; denn dafür erkenne ich es von heute an.« Die Frau nahm das Kind mit Freude auf und es war ihr ein großes Vergnügen, es zu verpflegen. Der Aufseher der Gärten wollte nicht ergründen, woher das Kind komme, »Ich sehe wohl«, sprach er bei sich selbst, »daß es von den Zimmern der Sultanin herkommt, aber es steht mir nicht zu, nach dem zu fragen, was dort vorgeht, oder an einem Orte, wo der Friede so notwendig ist, Störung zu verursachen.«

Im folgenden Jahre kam die Sultanin wieder mit einem Prinzen nieder, und die unnatürlichen Schwestern hatten ebenso wenig Mitleid mit ihm, als mit seinem älteren Bruder. Sie setzten ihn auch in einem Korbe auf dem Kanal aus und behaupteten, die Sultanin habe eine Katze zur Welt gebracht. Zum Glück für das Kind war der Aufseher der Gärten wieder am Kanal; er ließ es herausholen, seiner Frau bringen und empfahl ihr, für dieses Kind ebenso große Sorgfalt zu tragen, wie für das erste. Seine Frau tat dies auch ebenso wohl aus eigener Neigung, als um die gute Absicht ihres Mannes zu befördern. Der Sultan von Persien war über diese neue Geburt noch weit zorniger, als das erstemal, und würde seinem Grimme Luft gemacht haben, wenn nicht die Gegenvorstellungen des Großveziers eindringlich genug gewesen wären, ihn zu beruhigen.

Endlich kam die Sultanin zum drittenmale nieder, nicht mit einem Prinzen, sondern mit einer Prinzessin. Die Unschuldige hatte dasselbe Schicksal, wie die Prinzen, ihre Brüder: Die beiden Schwestern, fest entschlossen, ihren fluchwürdigen Anschlägen nicht eher ein Ziel zu setzen, als bis sie ihre jüngste Schwester, die Sultanin, zum mindesten verstoßen, verjagt und gedemütigt sehen würden, setzten auch die Prinzessin auf dem Kanal aus. Aber auch sie wurde durch das Mitleid und die Menschenliebe des Aufsehers der Gärten gerettet, dem sicheren Tode entrissen und mit den beiden Prinzen, ihren Brüdern, gesäugt und erzogen. Die beiden Schwestern fügten zu ihrer Unmenschlichkeit wiederum Lüge und Verleumdung hinzu. Sie wiesen ein Stück Holz vor und behaupteten dreist, die Sultanin sei davon entbunden worden. Der Sultan Chosru Schah aber konnte, als er von dieser neuen Mißgeburt vernahm, seinen Zorn nicht mehr bezähmen. »Hah!« rief er aus, »diese unwürdige Frau würde meinen Palast mit Ungeheuern anfüllen, wenn ich sie länger leben ließe. Nein, das soll nicht geschehen«, setzte er hinzu, »sie ist selbst ein Ungeheuer, von dem ich die Welt reinigen will.« So sprach er denn ihr Todesurteil aus und befahl seinem Großvezier, es vollziehen zu lassen. Der Großvezier und die Höflinge, die zugegen waren, warfen sich dem Sultan zu Füßen und flehten ihn an, den Urteilsspruch zu widerrufen. Der Großvezier nahm das Wort und sprach: »Herr, es möge deinem Knecht erlaubt sein, dir vorzustellen, daß die Gesetze, welche zum Tode verurteilen, nur zur Bestrafung von Verbrechen eingeführt sind. Die drei so unerwarteten Geburten der Sultanin aber sind keine Verbrechen. Denn wie könnte man sagen, daß sie selbst daran schuld sei? Unzähligen anderen Frauen ist dasselbe Schicksal begegnet und es kommt tagtäglich vor; sie sind zu beklagen, aber nicht strafwürdig. Mein Herr möge sie von seinem Angesichte verstoßen, aber leben lassen. Der Gram, in dem sie nach dem Verluste deiner Gunst den Rest ihrer Tage zubringen muß, wird ihr Strafe genug sein.« Der Sultan von Indien ging in sich, und da er die Ungerechtigkeit einsah, die Sultanin wegen Fehlgeburten, selbst wenn sie, wie er fälschlich glaubte, wirklich vorgekommen wären, zum Tode zu verurteilen, so sagte er: »So mag sie denn meinetwegen leben! Ich schenke ihr das Leben, jedoch nur unter einer Bedingung, die ihr täglich mehr als einmal den Tod wünschenswert machen soll. Man zimmere ihr ein Gemach an der Türe der Hauptmoschee mit einem fortwährend offenen Fenster; dort sperre man sie, in das gröbste Gewand gekleidet, ein, und jeder Muselmann, der zum Gebet in die Moschee geht, speie ihr im Vorübergehen ins Gesicht. Wer es unterläßt, soll in dieselbe Strafe verfallen, und damit mein Gebot befolgt werde, befehle ich dir, Vezier, Wächter dabei aufzustellen.« Der Ton, womit der Sultan diesen Ausspruch tat, schloß dem Großvezier den Mund. Der Befehl wurde zum großen Vergnügen der beiden neidischen Schwestern vollzogen. Man baute ein Gemach, und sobald es vollendet und die Sultanin von ihrem Wochenbette aufgestanden war, sperrte man diese wahrhaft bedauernswürdige Frau ganz so, wie der Sultan es befohlen hatte, darin ein, so daß sie auf schmähliche Weise dem Spott und Hohn des ganzen Volkes bloßgestellt war. Sie ertrug indes diese unverdiente Mißhandlung mit einer Standhaftigkeit, welche ihr die Bewunderung und zugleich das Mitleiden aller derjenigen erwarb, die ein richtigeres Urteil über diese Sache hatten, als der Pöbel.

Die beiden Prinzen und die Prinzessin wurden indes von dem Aufseher der Gärten und seiner Frau mit der Zärtlichkeit eines Vaters und einer Mutter verpflegt und aufgezogen, und diese Zärtlichkeit wuchs immer mehr, je älter die Kinder wurden; denn sowohl bei der Prinzessin als bei den Prinzen wurde eine gewisse Hoheit bemerkbar, der niemand widerstehen konnte, und namentlich entwickelte sich die ausnehmende Schönheit der Prinzessin von Tag zu Tag mehr; ferner waren alle drei sehr gelehrig und ihre Neigung nicht wie bei anderen Kindern auf Spielereien gerichtet; endlich aber hatten sie ein gewisses Etwas, das nur Prinzen und Prinzessinnen zukommen kann. Um die beiden Prinzen nach ihrem Alter zu unterscheiden, nannten sie den älteren Bahman und den jüngeren Perwis: Namen, welche alte Könige von Persien geführt hatten. Der Prinzessin gaben sie den Namen Parisade, den gleichfalls mehrere Königinnen und Prinzessinnen des Reichs gehabt hatten.Bahman heißt auf Persisch der Langarmige (Longimanu). Perwis ist der Name des persischen Königs Chosru Pervis zur Zeit Mobammeds; Parisade heißt Feenkind. Sobald die beiden Prinzen alt genug waren, gab der Aufseher der Gärten ihnen einen Lehrmeister im Lesen und Schreiben, und die Prinzessin, ihre Schwester, die bei dem Unterrichte zugegen war, äußerte, obgleich jünger als sie, so großes Verlangen, ebenfalls lesen und schreiben zu lernen, daß ihr Pflegvater voll Freude darüber ihr denselben Lehrer gab. Durch ihre Lebhaftigkeit zum Wetteifer gereizt, wurde sie vermöge ihrer ausgezeichneten Anlagen in kurzer Zeit ebenso geschickt, wie die Prinzen, ihre Brüder. Seitdem hatten die Brüder und die Schwester in allem dieselben Lehrer: In der Erdbeschreibung, der Dichtkunst, der Geschichte und in anderen, sogar in geheimen Wissenschaften, und da ihnen nichts zu schwer war, so machten sie bald so bewundernswürdige Fortschritte, daß die Lehrer darob erstaunten und unverhohlen bekannten, die Kinder würden es in diesen Wissenschaften, wenn sie so fortfahren, noch weiter bringen, als sie selbst. In den Erholungsstunden lernte die Prinzessin auch Musik, nämlich Singen und verschiedene Instrumente. Als die Prinzen reiten lernten, wollte sie auch hierin nicht zurückstehen und nahm Teil an ihren Übungen, so daß sie mit derselben Geschicklichkeit reiten, Bogen schießen und Speere werfen konnte. Im Wettlaufe übertraf sie ihre Brüder manchmal sogar.

Der Aufseher der Gärten konnte seine Freude kaum fassen, als er seine Pfleglinge in allen Übungen des Geistes und des Körpers so vortrefflich ausgebildet und den Aufwand für ihre Erziehung weit über seine Hoffnungen hinaus belohnt sah, und er beschloß, ihnen zulieb noch viel mehr Geld auszugeben, als bisher. Er hatte sich unterdessen mit der Wohnung im Palast des Gartens begnügt und kein eigenes Landhaus gehabt. Jetzt kaufte er eines in der Nähe der Stadt mit großem Zugehör von Feldern, Wiesen und Waldungen, und da ihm das Wohnhaus nicht schön und bequem genug schien, so ließ er es niederreißen und scheute keine Kosten, um das neue, das er baute, zum prachtvollsten in der ganzen Umgegend zu erheben. Er ging selbst täglich auf den Bauplatz, um die große Menge von Arbeitern, die hier beschäftigt waren, anzutreiben, und sobald ein passendes Zimmer im Hause für ihn fertig war, bezog er es und blieb oft mehrere Tage hintereinander dort, wenn seine Geschäfte und seine Amtspflichten es ihm erlaubten. So war das Haus bald erbaut, und während es ebenso schnell mit den reichsten Gerätschaften, wie sie zur Pracht des Gebäudes paßten, versehen wurde, ließ er nach einer von ihm selbst entworfenen Zeichnung an dem Garten arbeiten und ihn ebenso einrichten, wie die anderen großen Herren von Persien. Er fügte auch noch einen sehr großen Park hinzu, den er mit einer guten Mauer einschließen und mit allen Arten von Wild besetzen ließ, damit die Prinzen und die Prinzessin sich darin nach Gefallen mit der Jagd belustigen könnten. Als das Landhaus ganz vollendet und im wohnlichen Stande war, ging der Aufseher der Gärten zum Sultan, warf sich ihm zu Füßen, und nachdem der ihm seine lange Dienstzeit, sowie die Gebrechlichkeit seines Alters vorgestellt hatte, bat er ihn um die Gnade, sein Amt in die Hände seines Herrn niederzulegen und sich von den Geschäften zurückziehen zu dürfen. Der Sultan bewilligte ihm sein Gesuch um so lieber, als er mit seinen langjährigen Diensten, sowohl unter der Regierung seines Vaters, wie auch seit seiner eigenen Thronbesteigung, sehr wohl zufrieden war; zugleich fragte er ihn, was er sonst noch zu seiner Belohnung tun könne. »Herr«, antwortete der Aufseher der Gärten, »du selbst und der Sultan, dein Vater, seligen Andenkens, habt mich dermaßen mit Wohltaten überhäuft, daß mir nichts mehr zu wünschen übrig bleibt, als bis ans Ende meiner Tage im Besitz deiner Gnade zu bleiben, die mich so hoch ehrt.« Er nahm hierauf Abschied vom Sultan Chosru Schah, und bezog mit den beiden Prinzen Bahman und Perwis und der Prinzessin Parisade sein neuerbautes Landhaus. Seine Frau war schon vor einigen Jahren gestorben. Er selbst wurde, nachdem er kaum fünf bis sechs Monate mit den Kindern in seinem neuen Hause gelebt hatte, so schnell vom Tode überrascht, daß ihm keine Zeit übrig blieb, ihnen über ihre wahre Herkunft ein Wort zu sagen. Er hatte es sich indes vorgenommen, dies zu tun, damit sie dadurch veranlaßt werden möchten, wie bisher, so auch fortwährend, ihrem Range und Stande, sowie der Erziehung, die er ihnen gegeben hatte, gemäß zu leben, wozu indes ihre eigene Neigung sie von selbst antrieb. Die Prinzen Bahman und Perwis und die Prinzessin Parisade, die von keinem anderen Vater wußten, als dem Aufseher der Gärten, vertrauten ihn als solchen und erwiesen ihm auch im Tode alle Ehre, wozu kindliche Liebe und Dankbarkeit sie verpflichteten. Zufrieden mit den großen Gütern, die er ihnen hinterlassen hatte, lebten sie nach wie vor in derselben Eintracht beisammen, und die Prinzen ließen sich nicht vom Ehrgeize verleiten, sich am Hofe zu zeigen, um dort nach den höchsten Ämtern und Würden zu trachten, deren Erlangung ihnen etwas leichtes gewesen wäre.

 

Eines Tages, als die beiden Prinzen auf der Jagd, die Prinzessin Parisade aber zu Hause geblieben war, erschien eine sehr alte fromme Muselmännin vor dem Haustor und bat um Erlaubnis, ins Haus zu treten, um ihr Gebet zu verrichten, wozu die Stunde gekommen war. Man meldete ihren Wunsch der Prinzessin, und diese befahl, sie hereinzulassen und ihr das Betzimmer zu zeigen, womit der Aufseher der königlichen Gärten wohlbedächtig sein Haus versehen hatte, weil keine Moschee in der Nähe war. Zugleich befahl sie, wenn die fromme Frau ihre Andacht verrichtete haben würde, so solle man ihr das Haus und den Garten zeigen und sie darauf zu ihr zu führen. Die fromme Frau trat ein, verrichtete ihr Gebet in dem Betzimmer, wohin man sie gewiesen, und als sie damit fertig war, luden zwei Frauen der Prinzessin, die vor der Türe gewartet hatten, sie ein, das Haus und den Garten zu sehen. Da sie sich geneigt zeigte, ihnen zu folgen, so wurde sie von ihnen in allen Zimmern nacheinander herumgeführt, und sie betrachtete alle Sachen wie eine Frau, die sich auf Hausgerätschaften und schöne Anordnung der einzelnen Stücke sehr gut verstand. Auch in den Garten wurde sie geführt, dessen Anlage sie so neu und wohlersonnen fand, daß sie voll Bewunderung erklärte: Derjenige, der den Plan dazu entworfen, müsse ein vortrefflicher Meister in seiner Kunst sein. Endlich kam sie auch zur Prinzessin, welche sie in einem großen Saale erwartete, dessen Schönheit, Anmut und Reichtum alles übertraf, was sie in den anderen Zimmern bewundert hatte. Sobald die Prinzessin die fromme Frau eintreten sah, sagte sie zu ihr: »Komm‘ heran, gute Mutter, und setze dich zu mir. Ich bin sehr erfreut, daß der Zufall mir das Glück darbot, mich einige Augenblicke an dem guten Beispiele und der frommen Unterhaltung einer Frau, wie du bist, zu erbauen, die das bessere Teil erwählt und sich ganz Gott gewidmet hat, und in deren Fußstapfen alle Welt treten sollte, wenn sie ihren wahren Vorteil verstehen würde. Die fromme Frau wollte sich nicht auf das Sofa, sondern nur auf den Rand desselben setzen, allein die Prinzessin gab es nicht zu; sie erhob sich von ihrem Sitze, ging auf sie zu, faßte sie bei der Hand und nötigte sie, sich neben ihr auf dem Ehrenplatze niederzulassen. Die fromme Frau wußte diese Höflichkeit wohl zu schätzen und sage zu ihr: »Edles Fräulein, eine solch ehrenvolle Behandlung gebührt mir nicht, und ich gehorche dir bloß, weil du es befiehlst und Herrin in deinem Hause bist.« Als sie sich gesetzt hatte, stellt, ehe die Unterhaltung begann, eine von den Frauen der Prinzessin einen kleinen, niedrigen, mit Perlmutter und Ebenholz ausgelegten Tisch vor sie hin, und auf den Tisch eine Porzellanplatte mit Kuchen, mehrere andere Platten mit Obst, wie es gerade die Jahreszeit mit sich brachte, und verschiedene andere eingemachte Früchte. Die Prinzessin nahm einen von den Kuchen und überreichte ihn der frommen Frau mit den Worten: »Nimm und iß, gute Mutter, und wähle von diesen Früchten, was dir beliebt; du bedarfst einiger Speise nach dem langen Wege, den du hierher gemacht hast.« – »Edles Fräulein«, antwortete die fromme Frau, »ich bin nicht gewohnt, so leckere Sachen zu essen; wenn ich es aber tue, so geschieht es nur, weil ich nicht verschmähen will, was mir Gott durch eine so freigebige Hand, wie die deinige, zusendet.« Während die fromme Frau aß, richtete die Prinzessin, die ebenfalls etwas zu sich nahm, um sie durch ihr Beispiel zu ermuntern, allerlei Fragen über ihre Andachtsübungen und Lebensweise an sie, worauf die Alte mit großer Bescheidenheit antwortete. Unter anderem fragte die Prinzessin im Laufe des Gesprächs, was sie von dem Hause halte, das sie gesehen, und ob es ihr gefalle, »Edles Fräulein«, erwiderte die fromme Frau, »ich müßte einen sehr schlechten Geschmack haben, wenn ich etwas daran auszusetzen fände. Es ist schön, freundlich, prächtig eingerichtet, jedoch ohne Überladung, trefflich eingeteilt und die Zierraten könnten nicht schicklicher angebracht sein. Dabei liegt es in einer anmutigen Landschaft, und man kann sich keinen Garten denken, der einen lieblicheren Anblick gewährt, als derjenige ist, welcher zum Hause gehört. Wenn du mir übrigens erlaubst, meine ganze Meinung auszusprechen, so will ich mir die Freiheit nehmen, dir zu sagen, daß das Haus ganz unvergleichlich sein würde, wenn noch drei Sachen dabei wären, die nach meiner Meinung fehlen.« – »Gute Mutter«, antwortete die Prinzessin Parisade, »was sind das für drei Sachen? Ich beschwöre dich im Namen Gottes, nenne mir dieselben: Ich werde alles aufbieten, sie zu erwerben, wenn es nur irgend möglich ist.« – »Edles Fräulein«, sagte hierauf die fromme Frau, »die erste von den drei Sachen ist der sprechende Vogel; dies ist ein seltsamer Vogel, Bülbülhesar genannt, welcher die Eigenschaft hat, alle Singvögel aus der ganzen Umgegend an sich zu ziehen, so daß sie herbeikommen, um mit ihm zu singen. Die zweite ist der singende Baum, dessen Blätter ebensoviel Zungen und Kehlen sind, deren mannigfaltige Stimmen unaufhörlich einen höchst anmutigen Gesang bilden. Die dritte endlich ist das goldgelbe Wasser, von dem man nur einen einzigen Tropfen in ein ausdrücklich dazu an irgend einem Orte des Gartens bereitetes Becken ausgießen darf, so schwillt er alsbald dermaßen an, daß des Becken davon voll wird und aus der Mitte eine Garbe von Wasserstrahlen hervorspringt, die unaufhörlich auf— und niedersteigt, ohne daß jedoch das Becken überläuft.« – »Ach! meine gute Mutter«, rief die Prinzessin, »wie sehr danke ich dir, daß du mir von diesen Dingen Kunde gegeben hast! Sie sind sehr wunderbar und ich habe noch nie gehört, daß es etwas so seltsames und merkwürdiges auf der Welt gebe; da ich indes überzeugt bin, daß du den Ort kennst, wo sie sich befinden, so erwarte ich von dir die Gefälligkeit, ihn mir anzuzeigen.« Darauf antwortete die fromme Frau, um den Wunsch der Prinzessin zu erfüllen: »Edles Fräulein, ich würde mich der Gastfreundschaft, die du mir soeben mit so vieler Güte erwiesen hast, unwürdig machen, wenn ich mich weigerte, deine Frage zu beantworten und deine Neugierde zu befriedigen. Ich habe also die Ehre, dir zu sagen, daß die drei Dinge, von denen ich eben sprach, sich an einem und demselben Orte, auf der Grenze dieses Königsreichs nach Indien zu, befinden. Der Weg dahin führt an deinem Hause vorbei. Derjenige, welchen du danach aussenden willst, darf ihn nur zwanzig Tagereisen verfolgen und am zwanzigsten Tage fragen, wo der sprechende Vogel, der singende Baum und das gelbe Wasser seien. Der erste, an den er sich wendet, wird es ihm sagen.« Mit diesen Worten stand sie auf, nahm Abschied und ging ihres Weges weiter.