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Tausend Und Eine Nacht

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»Meine Tochter«, sagte die Mutter zu ihr, »ich bringe dir hier den berühmten Hund des Bäckers, der das falsche Geld so gut von dem echten zu unterscheiden weiß. Du wirst dich erinneren, welche Ansicht ich gleich im Anfang, als das Gerücht sich verbreitete, aussprach, daß es nämlich vielleicht ein Mensch sei, der durch irgend eine Bosheit in einen Hund verwandelt worden. Heute fiel es mir ein, zu dem Bäcker zu gehen und Brot bei ihm zu kaufen. Ich überzeugte mich von der Wahrheit des Gerüchts, und es gelang mir, diesen seltenen Hund, den Gegenstand der Bewunderung von ganz Bagdad, hierher zu locken. Was sagst du dazu, liebe Tochter? Sollte ich mich in meiner Vermutung etwa getäuscht haben?« – »Du hast dich nicht getäuscht, liebe Mutter«, antwortete die Tochter, »und ich werde es dir sogleich beweisen.«

Das Mädchen stand auf, nahm ein Wassergefäß, tauchte die Hand hinein, bespritzte mich mit dem Wasser und sagte: »Wenn du von Geburt ein Hund bist, so bleibe Hund; bist du aber von Geburt ein Mensch, so nimm kraft dieses Wassers wieder menschliche Gestalt an.« Augenblicklich war nun der Zauber gelöst, ich verlor die Gestalt eines Hundes und wurde wieder Mensch, wie zuvor.

Durchdrungen von der Größe dieser Wohltat warf ich mich dem Mädchen zu Füßen, küßte den Saum ihres Kleides und sagte dann zu ihr: »Meine teure Befreierin, ich fühle in der tiefsten Tiefe meines Herzens deine unendliche und beispiellose Güte gegen einen Unbekannten, wie ich, und bitte dich nun, mir selbst zu sagen, was ich für dich tun kann, um meine Dankbarkeit auf eine würdige Weise an den Tag zu legen; oder vielmehr, verfüge über mich wie über einen Sklaven, der dir von Rechts wegen zugehört. Ich gehöre nicht mehr mir an, sondern dir, und damit du denjenigen, den du dir zum Eigentum erworben, näher kennenlernst, will ich dir mit wenigen Worten meine Geschichte erzählen.«

Ich sagte ihr hierauf, wer ich sei, erzählte von meiner Vermählung mit Amine, von meiner Gefälligkeit und Geduld, womit ich ihre Launen ertragen, von ihrer seltsamen Lebensweise und von der Schändlichkeit, womit sie mich aus unbegreiflicher Bosheit mißhandelt habe. Zu guter Letzt dankte ich auch ihrer Mutter für das unaussprechliche Glück, das sie mir verschafft habe.

»Sidi Numan«, sagte die Tochter zu mir, »laß uns nicht mehr von der Verbindlichkeit sprechen, die du gegen mich zu haben glaubst. Das Bewußtsein, einem anständigen Manne, wie du bist, einen Dienst erwiesen zu haben, ist mir lieber, als alle Danksagungen. Laß uns lieber jetzt von Amine, deiner Frau, sprechen. Ich habe sie noch vor deiner Vermählung mit ihr gekannt, und wie ich wußte, daß sie eine Zauberin war, so war auch ihr nicht unbekannt, daß ich ebenfalls etwas von dieser Kunst verstand; denn wir hatten bei einer und derselben Lehrerin Unterricht genommen. Wir trafen uns oft im Bade; da aber unsere Gemütsarten nicht zusammenpaßten, so vermied ich geflissentlich jede Gelegenheit, mit ihr in Berührung zu kommen, was mir um so leichter gelang, da sie aus demselben Grunde nichts mit mir zu tun haben wollte; auch wundere ich mich gar nicht über ihre Bosheit. Um indes wieder auf dich zurückzukommen, so ist das, was ich soeben für dich getan habe, noch lange nicht genug: Ich will auch vollenden, was ich angefangen. Ich begnüge mich keineswegs damit, den Zauber, wodurch sie dich auf eine so garstige Art aus der menschlichen Gesellschaft gestoßen hat, zu brechen: Du mußt ihr auch die verdiente Züchtigung auflegen, indem du in dein Haus zurückkehrst und die dir gebührende Würde wieder geltend machst, wozu ich dir Mittel und Weg an die Hand geben will. Unterhalte dich jetzt einen Augenblick mit meiner Mutter, ich bin sogleich wieder da.«

Meine Befreierin ging jetzt in ein Nebengemach, und solange sie darin verweilte, hatte ich Zeit, der Mutter nochmals meine unendliche Verpflichtung, sowohl gegen sie als ihre Tochter, auszudrücken. »Meine Tochter«, sagte sie zu mir, »ist, wie du siehst, in der Zauberkunst nicht minder erfahren, als Amine; allein sie macht einen so guten Gebrauch davon, daß du dich wundern würdest, wenn du erführest, wieviel Gutes sie vermöge dieser ihrer Wissenschaft schon getan hat und täglich noch tut. Deshalb habe ich ihr nie etwas in den Weg gelegt und tue es auch jetzt nicht. Ich würde es übrigens nicht zulassen, wenn ich bemerkte, daß sie ihre Kenntnis im mindesten mißbrauchte.«

Die Mutter hatte soeben angefangen, mir eine dieser Wundertaten, die sie mit eigenen Augen gesehen, zu erzählen, als ihre Tochter mit einer kleinen Flasche in der Hand zurückkam. »Sidi Numan«, sagte sie zu mir. »ich habe soeben meine Bücher um Rat gefragt und daraus ersehen, daß Amine in diesem Augenblick nicht zu Haus ist, aber in Bälde zurückkommen muß. Sie sagen mir ferner, die Heuchlerin stelle sich vor deinen Bedienten, als ob sie über deine Abwesenheit in großer Unruhe wäre, und sie habe ihnen weisgemacht, als sie mit dir zu Mittag speiste, sei dir plötzlich ein Geschäft eingefallen, das dich genötigt habe, unverzüglich auszugehen; du habest beim Ausgehen die Türe offen gelassen und dann sei ein Hund hereingekommen und bis in den Speisesaal gelaufen, von wo sie ihn mit Stockschlägen habe wegjagen müssen.«

»Kehre also, ohne Zeit zu verlieren, mit diesem kleinen Fläschchen, das ich dir hiermit übergebe, in dein Haus zurück. Wenn man dir geöffnet haben wird, so warte in deinem Zimmer, bis Amine zurückkommt; sie wird nicht lange ausbleiben. Sobald sie kommt, gehe ihr in den Hof hinab entgegen und stelle dich ihr Stirn gegen Stirn gegenüber. Sie wird durch dieses unerwartete Wiedersehen so bestürzt sein, daß sie dir den Rücken kehren wird, um die Flucht zu ergreifen. Dann aber spritze du einiges Wasser aus diesem Fläschchen, das du in Bereitschaft halten mußt, auf sie hin und sprich dreist die Worte: Empfange hiermit die Strafe für deine Bosheit. Mehr brauche ich dir nicht zu sagen, du wirst die Wirkung schon sehen.«

Nach diesen mir unvergeßlichen Worten meiner Wohltäterin verabschiedete ich mich, da ich hier nichts mehr zu tun hatte, von ihr und ihrer Mutter mit den Ausdrücken der innigsten Dankbarkeit und mit der aufrichtigen Versicherung, daß ich meiner Verpflichtung gegen sie ewig eingedenk sein würde und kehrte sodann nach meiner Wohnung zurück.

Alles ging so, wie die junge Zauberin mir vorausgesagt hatte. Amine blieb nicht lange aus, und als sie im Hofe war, trat ich ihr mit dem Wasser in der Hand entgegen, um sie damit zu bespritzen. Sie stieß einen lauten Schrei aus und wollte sich schnell nach der Türe umdrehen, allein ich bespritzte sie mit dem Wasser und sprach die Worte, weiche mich die Zauberin gelehrt hatte, und in diesem Augenblick wurde sie in eine Stute verwandelt, in dieselbe, die du gestern sahst.

Ich faßte sie in ihrem Schrecken sogleich an der Mähne und zog sie trotz ihres Sträubens in einen Stall; hier warf ich ihr ein Halfter über, und nachdem ich sie unter bitteren Vorwürfen über ihre abscheuliche Bosheit angebunden, züchtigte ich sie mit Peitschenhieben so lange, bis ich vor Müdigkeit aufhören mußte, nahm mir aber dabei vor, tagtäglich diese Probe mit ihr zu wiederholen.

Beherrscher der Gläubigen, fuhr Sidi Numan fort, indem er seine Erzählung schloß, ich wage zu hoffen, daß du mein Benehmen nicht mißbilligen, sondern einsehen wirst, daß eine so boshafte und verderbliche Frau immer noch mit weit mehr Nachsicht behandelt worden ist, als sie verdient.

Als der Kalif sah, daß Sidi Numan nichts mehr hinzuzufügen hatte, sprach er zu ihm: »Deine Geschichte ist sehr seltsam, und die Bosheit deiner Frau läßt keine Entschuldigung zu. Auch verdamme ich nicht durchaus die Züchtigung, womit du sie belegt hast; indes wünsche ich, daß du wohl überlegest, welche Pein es für sie ist, zum Tiere erniedrigt worden zu sein, und daß du dich begnügest, sie in diesem Zustande büßen zu lassen. Ich würde dir sogar befehlen, dich an die junge Zauberin, welche diese Verwandlung hervorgebracht hat, zu wenden, und sie zur Lösung dieses Zaubers zu veranlassen, wenn mir nicht die Halsstarrigkeit und unverbesserliche Verstocktheit solcher Zauberer und Zauberinnen, die ihre Kunst mißbrauchen, bekannt wäre, und ich nicht fürchten müßte, sie möchte sich noch grausamer an dir rächen, als das erste Mal.«

Der Kalif, der von Natur sanft und mitleidig gegen die Unglücklichen war, selbst wenn sie ihr Elend verschuldet hatten, wandte sich, nachdem er Sidi Numan seine Willensmeinung erklärt, nunmehr an den dritten Mann, den der Großvezier Djafar hatte kommen lassen. »Chogia Hasan«, sprach er zu ihm, »als ich gestern an deinem Hause vorüberkam, fand ich es so prächtig, daß ich neugierig wurde, wem es gehörte. Ich erfuhr, du habest es erbauen lassen, nachdem du zuvor ein Gewerbe getrieben, das dich kaum notdürftig ernährte. Auch sagte man mir, du erhebest dich der Reichtümer, die dir Gott geschenkt, nicht, sondern machest einen guten Gebrauch davon, und deine Nachbarn wissen sehr viel Gutes von dir zu erzählen.«

»Dies alles«, fuhr der Kalif fort, »hat mir viel Vergnügen gemacht, und ich bin überzeugt, daß die Mittel und Wege, auf denen es der Vorsehung gefallen hat, dir ihre Gaben zufließen zu lassen, ganz außerordentlicher Art sein müssen. Ich wünschte sie aus deinem eigenen Munde zu erfahren, und habe dich kommen lassen, damit du mir dieses Vergnügen bereiten sollst. Erzähle mir alles aufrichtig, damit ich mich mit um so mehr Sachkenntnis deines Glückes freuen kann, woran ich von Herzen teilnehme. Auf daß dir meine Neugierde aber nicht verdächtig sei, und damit du nicht glaubst, es könnten eigennützige Triebfedern mit ins Spiel kommen, so erkläre ich dir hiermit, daß ich durchaus keinen Anspruch auf deine Reichtümer mache, sondern dir vielmehr meinen Schutz bewillige, um sie in ungestörter Sicherheit genießen zu können.«

Auf diese Versicherung des Kalifen warf sich Chogia Hasan vor seinem Throne nieder, berührte mit der Stirne den Teppich, der darüber gebreitet war, und begann dann, nachdem er wieder aufgestanden, also: »Beherrscher der Gläubigen! Jeder andere, der sein Gewissen nicht so rein und unbefleckt fühlte, als ich es fühle, hätte beim Empfang des Befehles, vor deinem Throne zu erscheinen, erschrecken können. Da ich aber niemals gegen andere Gesinnungen, als die der Ehrfurcht und Ehrerbietung, gehegt und nie etwas gegen den dir schuldigen Gehorsam, noch gegen die Gesetze begangen habe, was mir deinen Unwillen hätte zuziehen können, so hatte ich bloß die einzige Besorgnis, ich möchte den Glanz deiner Herrlichkeit nicht zu ertragen vermögen. Indessen ist es ja bekannt, daß du selbst den Geringsten deiner Untertanen huldreich und gnädig aufnimmst und anhörst; eben dies beruhigte mich und ich zweifelte nicht, daß du auch mir den Mut und die nötige Zuversicht einflößen würdest, um dir die verlangte Auskunft zu geben.

 

»Dieses, o Beherrscher der Gläubigen, hast du soeben getan, indem du mir deinen mächtigen Schutz zusichertest, ohne daß ich weiß, womit ich ihn verdient habe. Gleichwohl hoffe ich, daß du in deiner günstigen Stimmung gegen mich bestärkt werden wirst, wenn ich, um deinem Befehle zu genügen, dir mein Abenteuer erzählt haben werde.«

Nach dieser höflichen Anrede, wodurch er sich des Wohlwollens und der Aufmerksamkeit des Kalifen versichern wollte, und nachdem er sich noch einige Augenblicke das, was er zu sagen hatte, in sein Gedächtnis. zurückgerufen, ergriff Chogia Hasan das Wort und sprach folgendermaßen:

Geschichte des Chogia Hasan Alhabbal

Beherrscher der Gläubigen! – begann er – um dir besser begreiflich zu machen, auf welchen Wegen ich zu dem Glücke gelangt bin, dessen ich gegenwärtig genieße, muß ich dir vor allen Dingen von meinen zwei Busenfreunden erzählen, die ebenfalls Bürger der Stadt Bagdad und noch am Leben sind, so daß sie von der Wahrheit meiner Aussage Zeugnis ablegen können. Nächst Gott, dem ersten Urheber alles Guten und alles Glücks, verdanke ich ihnen am meisten.

Diese beiden Freunde heißen der eine Saadi, der andere Saad. Saadi, der gewaltig reich ist, hatte von jeher den Grundsatz, alles Glück in der Welt beruhe auf dem Besitz großer Reichtümer, wodurch man in den Stand gesetzt werde, von jedermann unabhängig zu leben.

Anderer Ansicht ist Saad. Er gibt zwar zu, daß man freilich Reichtümer besitzen müsse, insofern sie zum Leben notwendig sind, behauptet aber, der Mensch müsse sein Glück auf die Tugend gründen und dürfe sich um die Güter der Welt nur insofern bekümmern, als sie ihm zur Befriedigung seiner Bedürfnisse dienlich seien und ihn in den Stand setzen, Wohltaten an andere zu spenden. Saad lebt auch diesem Grundsatz getreu und ist sehr glücklich und zufrieden mit seinen Verhältnissen. Obgleich Saadi unendlich reicher ist als er, so ist ihre Freundschaft doch dessenungeachtet sehr aufrichtig, und der reichere bildete sich nicht ein, er verdiene einen Vorzug vor dem ärmeren. Sie haben nie einen Streit unter sich gehabt, außer über diesen einzigen Punkt; in allen übrigen Stücken waren sie von jeher ein Herz und eine Seele.

Eines Tages, als sie sich, wie ich von ihnen selbst erfuhr, über einen ähnlichen Gegenstand besprachen, behauptete Saadi, die Armen seien bloß deswegen arm, weil sie in der Armut geboren worden, oder im entgegengesetzten Falle ihre ererbten Reichtümer entweder durch Ausschweifungen oder durch einen jener unvorhergesehenen unglücklichen Zufälle, die nicht gar so selten sind, verloren haben. »Meine Meinung«, fuhr er fort, »geht dahin, daß diese Armen nur deswegen arm sind, weil sie nie eine Geldsumme zusammenbringen können, die groß genug wäre, bei verständiger Anlegung in einem Geschäfte sie aus ihrem Elend zu ziehen; auch glaube ich, wenn sie es je so weit brächten und einen angemessenen Gebrauch von dieser Summe machten, so könnten sie mit der Zeit nicht nur wohlhabend, sondern sogar sehr reich werden.«

Saad war mit diesem Satze Saadis nicht einverstanden. »Das Mittel, das du vorschlägst«, sagte er, »einen Armen reich zu machen, scheint mir durchaus nicht so zuverlässig, wie du glaubst. Im Gegenteil ist es höchst zweifelhaft, und ich könnte meine Ansicht, gegenüber von der deinen, mit mehreren guten Gründen unterstützen, die uns aber zu weit führen würden. Jedenfalls ist es ebenso wahrscheinlich, daß ein Armer durch jedes andere Mittel reich werden kann, als gerade durch eine Summe Geldes. Man macht oft durch Zufall ein weit größeres und überraschenderes Glück, als mit einer solchen Geldsumme, die du zur Bedingung machst, wenn man auch noch so sparsam und haushälterisch damit umgeht, um sie in einem gut geführten Geschäft zu vervielfältigen.«

»Saad«, antwortete Saadi, »ich sehe wohl, daß ich nichts ausrichte, wenn ich auch noch so beharrlich meine Meinung gegen die deinige verteidige. Um dich aber zu überführen, will ich selbst einen Versuch machen, und zum Beispiel eine Summe, die ich für hinlänglich halte, einem jener Handwerker schenken, die, von Haus aus arm, von ihrem täglichen Verdienste leben und in derselben Dürftigkeit sterben, wie sie geboren wurden. Wenn es mir damit nicht gelingt, so wollen wir sehen, ob vielleicht du mit deiner Art glücklicher bist.«

Einige Tage nach diesem Wortwechsel traf es sich, daß die beiden Freunde auf einem Spaziergange in das Stadtviertel kamen, wo ich in meinem Handwerk als Seiler arbeitete, das ich von meinem Vater erlernt hatte, und dieser wiederum von dem seinigen und so weiter hinauf. Meine Kleidung und mein ganzer Anzug ließ sie leicht schließen, daß ich sehr arm sein mußte.

Saad, der sich an Saadis Versprechen erinnerte, sagte zu ihm: »Wenn du nicht etwa vergessen hast, wozu du dich gegen mich anheischig machtest, so hast du hier einen Mann, den ich schon lange Zeit sein Seilerhandwerk treiben sehe und immer in derselben Dürftigkeit. Er ist ein würdiger Gegenstand deiner Freigebigkeit und zu einem Versuche der Art, wie du neulich sagtest, vollkommen geeignet.«

»Ich habe es so wenig vergessen,« antwortete Saadi, »daß ich seitdem immer so viel Geld bei mir trage, als zu einem solchen Versuche nötig ist; ich wartete nur auf Gelegenheit, wo du zugegen wärest und Augenzeuge sein könntest. Wir wollen ihn anreden und zu erfahren suchen, ob er wirklich bedürftig ist.«

Die beiden Freunde kamen auf mich zu, und da ich sah, daß sie mit mir sprechen wollten, so hielt ich mit meiner Arbeit inne. Sie begrüßten mich beide mit dem gewöhnlichen Gruße: »Friede sei mit dir!« und Saadi ergriff hierauf das Wort, um mich zu fragen, wie ich heiße.

Ich erwiderte ihren Gruß und antwortete auf Saadis Frage: »Herr, mein Name ist Hasan, und wegen meines Handwerks bin ich allgemein unter dem Namen Hasan Alhabbal bekannt.«

»Hasan«, sagte hierauf Saadi, »da es kein Handwerk gibt, das seinen Mann nicht ernährte, so zweifle ich nicht, daß dir das deinige so viel einträgt, um bequem davon leben zu können; ja ich muß mich wundern, daß du es schon so lange treibst, ohne etwas erspart und einen bedeutenden Vorrat von Hanf angekauft zu haben; du könntest dann noch weit mehr Arbeit fertigen, sowohl durch eigenen Fleiß, als auch durch angenommene Gesellen, und dir so nach und nach dein Leben etwas bequemer machen.«

»Herr«, antwortete ich ihm, »du würdest dich nicht mehr wundem, daß ich nichts erspart und den von dir bezeichneten Weg nicht eingeschlagen habe, um reich zu werden, wenn du wüßtest, daß ich mit all meiner Arbeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend kaum so viel verdienen kann, um für mich und meine Familie Brot und einiges Gemüse zu kaufen. Ich habe eine Frau und fünf Kinder, von denen noch keins alt genug ist, um mich unterstützen zu können. Ich muß sie nähren und kleiden, und wenn eine Haushaltung auch noch so klein ist, so gibt es doch immer tausenderlei Bedürfnisse, die man nicht wohl entbehren kann. Der Hanf ist zwar nicht teuer, aber man muß Geld haben, um einzukaufen, und das ist immer das erste, was ich von dem Erlös meiner Arbeit beiseite lege; sonst wäre es mir nicht möglich, die Kosten meiner Haushaltung zu bestreiten. Du kannst nun leicht urteilen, Herr«, fuhr ich fort, »daß es mir unmöglich wäre, etwas zu ersparen, und mich und meine Familie auf einen größeren und bequemeren Fuß einzurichten. Es ist für uns genug, daß wir mit dem wenigen, was Gott uns gibt, zufrieden sind und das andere, was uns fehlt, weder kennen noch entbehren. Ja, wir finden nicht einmal, daß uns etwas fehlt, wenn wir nur unser tägliches Auskommen haben und niemand darum ansprechen müssen.«

Als ich auf diese Art Saadi meine Verhältnisse auseinandergesetzt hatte, sprach er zu mir: »Hasan, ich wundere mich jetzt nicht mehr und begreife recht wohl, warum du dich mit deiner gegenwärtigen Lage begnügen mußt. Wenn ich dir aber einen Beutel mit zweihundert Goldstücken schenkte, würdest du nicht einen guten Gebrauch davon machen, und glaubst du nicht, daß du mit dieser Summe bald wenigstens ebenso reich werden könntest, als die angesehensten Männer deines Handwerks?«

»Herr«, antwortete ich, »du scheinst mir ein so rechtschaffener Mann zu sein, daß ich überzeugt bin, du willst keinen Scherz mit mir treiben und bietest mir dies Geschenk in allem Ernst an. Ich wage daher, ohne daß ich mir zu viel einbilde, zu behaupten, daß schon eine weit kleinere Summe hinreichen würde, um mich nicht nur ebenso reich zu machen, wie die vornehmsten meiner Handwerksgenossen, sondern ich wollte sogar in kurzer Zeit für mich allein reicher werden, als alle miteinander, die in dieser großen und wohlbevölkerten Stadt Bagdad wohnen.«

Der großmütige Saadi bewies mir sogleich, daß er in vollem Ernst gesprochen hatte. Er zog den Beutel aus seiner Tasche und überreichte ihn mir mit den Worten: »Da, nimm diesen Beutel, du wirst zweihundert Goldstücke darin finden. Ich bitte zu Gott, daß er seinen Segen dazu geben und dir die Gnade verleihen möge, sie so gut anzuwenden, wie ich es wünsche. Auch darfst du überzeugt sein, daß mein Freund Saad hier und ich uns sehr freuen werden, wenn wir einmal hören, daß sie dazu beigetragen haben, dich glücklicher zu machen, als du jetzt bist.«

Als ich nun, o Beherrscher aller Gläubigen, den Beutel empfangen und in meinen Busen gesteckt hatte, so war ich so entzückt und von Dank durchdrungen, daß die Sprache mir versagte und ich meine Erkenntlichkeit gegen meinen Wohltäter durch kein anderes Zeichen ausdrücken konnte, als daß ich die Hand nach dem Saume seines Kleides ausstreckte, um es zu küssen. Allein er entfernte sich schnell und ging mit seinem Freunde weiter. Als ich mich nun wieder zu meiner Arbeit zurückbegab, war mein erster Gedanke der, wo ich wohl den Beutel mit Sicherheit aufbewahren könne. Ich hatte in meinem armseligen kleinen Häuschen weder einen Kasten noch einen Schrank, der verschlossen werden konnte, auch wußte ich sonst keinen Ort, wo ich sicher war, daß mein Schatz nicht entdeckt würde, wenn ich ihn dahin versteckte.

In dieser Verlegenheit wollte ich es machen, wie die anderen armen Leute meines Standes, die das bißchen Geld, das sie haben, in die Falten ihres Turbans stecken, verließ daher meine Arbeit und ging nach Hause unter dem Vorwand, etwas an meinem Turban zurecht zu machen. Ich traf meine Maßregeln so gut, daß ich, ohne daß meine Frau und Kinder es merkten, zehn Goldstücke aus dem Beutel zog, die ich für die dringendsten Ausgaben beiseite legte; das übrige aber hüllte ich in die Falten der Leinwand, womit ich meine Kopfbedeckung umwickelte.

Die erste Ausgabe, die ich noch an demselben Tag machte, war für einen bedeutenden Vorrat Hanf; dann aber ging ich, da schon seit langer Zeit kein Fleisch mehr auf meinem Tisch gesehen worden war, zu einem Fleischer und kaufte mir einiges zum Abendessen.

Als ich so mit dem Fleisch in der Hand nach Hause gehen wollte, schoß auf einmal ein ausgehungerter Hühnergeier, ohne daß ich mich seiner erwehren konnte, auf mich herab und hätte es mir sicher aus der Hand gerissen, wenn ich es nicht sehr fest gehalten hätte. Aber, ach! Es wäre besser gewesen, ich hätte es ihn nehmen lassen, so hätte ich doch meinen Geldbeutel nicht eingebüßt. Je mehr er nämlich Widerstand fand, um so hartnäckiger bemühte er sich, mir das Fleisch zu entreißen. Er zog mich herüber und hinüber, während er selbst in der Luft schwebte, ohne seine Beute fahren zu lassen. Unglücklicherweise aber fiel mir während der Anstrengungen des Kampfes mein Turban zu Boden.

Sogleich ließ der Hühnergeier seine Beute fahren, stürzte auf meinen Turban los und flog mit ihm davon, noch ehe ich Zeit hatte, ihn von der Erde aufzuraffen. Ich stieß ein so gellendes Geschrei aus, daß die ganze Nachbarschaft darüber erschrak, und Männer, Weiber und Kinder herbeikamen und ebenfalls schrieen, um den Hühnergeier dadurch zu bewegen, seinen Raub fallen zu lassen.

Es gelingt bisweilen durch ein recht lärmendes Geschrei, dieser Art von Raubvögeln ihre Beute wieder abzusagen. Mein Hühnergeier aber ließ sich nicht irre machen, sondern flog mit meinem Turban so weit davon, daß wir ihn aus dem Gesichte verloren, ehe er ihn fallen ließ. Es wäre auch ganz vergeblich gewesen, wenn ich mir die Mühe hätte nehmen wollen, ihm nachzulaufen.

 

So kehrte ich denn sehr betrübt über den Verlust meines Turbans und meines Geldes nach Hause zurück. Ich mußte mir nun einen anderen kaufen, wodurch die Summe von zehn Goldstücken, die ich aus dem Beutel genommen, abermals geschmälert wurde. Den Einkauf des Hanfes hatte ich bereits davon bestritten, und was mir noch übrig blieb, reichte nicht hin, um die schönen Hoffnungen, die ich gefaßt, zu verwirklichen.

Was mich am meisten peinigte, war der Gedanke, mein Wohltäter werde vielleicht, wenn er mein Unglück erfahre, es ganz unglaublich finden und für eine leere Entschuldigung ansehen, und dann werde er sich darüber ärgern, daß sein Geschenk in so schlechte Hände geraten sei.

So lange die wenigen Goldstücke, die mir übrig geblieben, noch nicht ganz ausgegeben waren, ließ ich es mir mit meiner kleinen Familie davon wohl sein. Bald aber geriet ich wieder in dieselbe Lage, und es war mir ebenso unmöglich, mich aus meinem Elend hervorzuarbeiten wie vorher; gleichwohl murrte ich nicht darüber. »Gott«, sprach ich bei mir selbst, »hat mich prüfen wollen, indem er mir zu einer Zeit, wo ich es am wenigsten erwartete, Geld zufließen ließ; er hat es mir ebenso schnell wieder entzogen weil es ihm so gefallen hat und er schalten kann, wie er will; sein Name sei gepriesen, wie ich ihn stets für alles Gute gepriesen habe. das er mir in seiner Gnade verliehen hat. Ich unterwerfe mich seinem göttlichen Willen.«

Dies war meine Stimmung; meine Frau dagegen, der ich nicht umhin gekonnt hatte, meinen Verlust und die Veranlassung desselben zu erzählen, war ganz untröstlich darüber. In meiner Bestürzung war mir auch gegen meine Nachbarn die Äußerung entschlüpft, daß ich mit meinem Turban zugleich einen Beutel mit hundertundneunzig Goldstücken verloren habe. Da ihnen indes meine Armut bekannt war und sie nicht begreifen konnten, wie ich mir durch meine Arbeit eine so große Summe Geldes hätte verdienen können, so lachten sie bloß darüber und die Kinder spotteten meiner.

Es waren etwa sechs Monate seit meinem Unglück mit dem Hühnergeier vergangen, als die beiden Freunde nicht weit von dem Stadtviertel, wo ich wohnte, vorübergingen. Die Nähe machte, daß Saad sich meiner erinnerte. Er sagte zu Saadi: »Wir sind hier nicht weit von der Straße, wo Hasan Alhabbal wohnt; laß uns einmal hingehen und sehen, ob die zweihundert Goldstücke, die du ihm geschenkt, ihm vielleicht den Weg zu einer besseren Lage gebahnt haben, als die war, in der er sich damals befand.« – »Recht gern«, antwortete Saadi; »ich habe schon vor einigen Tagen an ihn gedacht, und freute mich zum voraus über das Vergnügen, das ich haben würde, wenn ich dich zum Zeugen des Erfolgs meines Versuchs und der Wahrheit meines Satzes machen könnte. Du wirst sehen, daß eine große Veränderung mit ihm vorgegangen ist; ja ich glaube, wir werden ihn kaum wiedererkennen.« Während Saadi so sprach, hatten die beiden Freunde bereits in meine Straße eingelenkt. Saad, der mich schon von fern und zuerst bemerkte, sagte zu seinem Freunde: »Es scheint mir, du hast etwas zu voreilig triumphiert. Ich sehe Hasan Alhabbal, kann aber an seiner Person nicht die mindeste Veränderung entdecken; er ist noch so schlecht gekleidet, wie damals, als wir mit ihm sprachen, und der ganze Unterschied besteht darin, daß sein Turban etwas sauberer aussieht. Überzeuge dich selbst, ob es wahr ist oder nicht.«

Saadi, der mich ebenfalls bemerkt hatte, sah, als er näher kam, recht gut, daß Saad recht hatte, und wußte nicht, was er von der geringen Veränderung denken sollte, die er an mir wahrnahm. Er war darüber so erstaunt, daß er kein Wort zu mir sprach; Saad aber begrüßte mich mit dem gewöhnlichen Gruße und sagte dann: »Nun, Hasan, wir dürfen wohl nicht erst fragen, wie es seit unserem letzten Zusammentreffen mit deinen Angelegenheiten steht; ohne Zweifel haben sie einen besseren Gang genommen und die zweihundert Goldstücke haben deine Lage verbessert?«

»Edle Herren«, antwortete ich, »ich muß euch zu meinem großen Leidwesen gestehen, daß eure Wünsche und Hoffnungen, wie auch die meinigen, nicht den Erfolg hatten, den ihr davon erwarten durftet, und den ich selbst mir versprach. Ihr werdet das seltsame Abenteuer, das mir zugestoßen ist, kaum glauben wollen; gleichwohl versichere ich euch, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, daß ich euch die blanke Wahrheit berichten will.«

Ich erzählte ihnen nun mein Abenteuer mit all den Umständen, die ich soeben meinem Herrn und König mitzuteilen die Ehre hatte.

Saadi verwarf meine Erzählung ganz und gar. »Hasan«, sagte er, »du willst dich über mich lustig machen und mich zum besten haben; was du da sagst, ist ja ganz unglaublich: Die Hühnergeier machen nicht auf Turbane Jagd, sie begehren nur das, was ihren Heißhunger befriedigen kann. Du hast indessen getan, wie alle Leute deines Gelichters zu tun pflegen. Sobald sie einen außerordentlichen Gewinn machen, oder ihnen ein unerwartetes Glück zuteil wird, so vernachlässigen sie ihr Geschäft, gehen den ganzen Tag ihrem Vergnügen nach, schmausen und leben herrlich und in Freuden, solange das Geld währt, und wenn dann alles verzehrt ist, so befinden sie sich wieder in derselben Not und Dürftigkeit, wie zuvor. Du bleibst darum in deinem Elende stecken, weil du es verdienst, und dich der Wohltat, die man dir erweist, unwürdig machst.«

»Herr«, antwortete ich, »ich muß mir diese und noch viel bitterere Vorwürfe von dir gefallen lassen; ich ertrage sie mit um so größerer Geduld, als ich überzeugt bin, daß ich sie nicht verdient habe. Die Sache ist übrigens in dem ganzen Stadtviertel so ruchbar, daß jedermann sie dir bezeugen wird. Erkundige dich selbst, so wirst du finden, daß ich dich nicht belüge. Ich muß gestehen, auch ich habe noch nie sagen gehört, daß Hühnergeier Turbane entführen, allein mir ist es begegnet, und so geschehen tagtäglich tausend Sachen, die früher nie vorgekommen sind.«

Saad ergriff meine Partei und erzählte seinem Freunde Saadi so viel andere gleich merkwürdige Geschichten von Hühnergeiern, daß dieser zuletzt seinen Beutel aus dem Busen zog und mir zweihundert neue Goldstücke in die Hand zählte, die ich in Ermangelung eines Beutels ebenfalls in meinen Busen steckte.

Als Saadi mir diese Summe hingezählt hatte, sagte er: »Hasan, ich will dir noch diese zweihundert Goldstücke schenken, aber verwahre sie ja an einem sicheren Orte, damit du nicht wieder so unglücklich bist, sie zu verlieren, und denke darauf, dir durch sie diejenigen Vorteile zu verschaffen, die du eigentlich schon aus den ersten hättest ziehen sollen.« Ich versicherte ihm, daß ich ihm für diese zweite Gnade um so innigeren Dank wissen werde, als ich sie nach dem oben gedachten Vorfall nicht verdiene, und daß ich alles aufbieten werde, um seinen guten Rat mir zunutzen zu machen. Ich wollte noch mehr sprechen, allein er ließ mir keine Zeit dazu, sondern ging schnell mit seinem Freunde weiter.

Als sie weg waren, ließ ich meine Arbeit liegen und kehrte nach Hause zurück, wo ich aber weder Frau noch Kinder antraf. Ich legte nur zehn Goldstücke von den zweihundert beiseite und hüllte die übrigen in ein Stück Leinwand, das ich zuknüpfte. Die Hauptsache war jetzt, dasselbe an einem sichern Ort zu verbergen. Nach reiflicher Überlegung fiel mir endlich ein, es in ein irdenes mit Kleien angefülltes Gefäß, das in einem Winkel stand, zu legen, da ich nicht glauben konnte, daß meine Frau oder Kinder es hier suchen würden. Meine Frau kam bald darauf nach Hause, und da ich nur noch sehr wenig Hanf mehr vorrätig hatte, so sagte ich zu ihr, ich wolle ausgehen und welchen kaufen, erwähnte aber der beiden Freunde mit keinem Worte.