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»Sie sind also der Meinung,« frug der Kammerherr, »daß der Prinz sich auf die angebotene Stellvertretung einlassen müsse?«

»Ich habe weder Recht noch Wunsch, hier eine Meinung auszusprechen,« versetzte der Doctor. »Ich kann nur sagen, daß mir die Stellvertretung auch nicht gefällt. Mir scheint die Sache so zu liegen: entweder Vernunft oder wenigstens persönlicher Muth.«

Der Kammerherr stand schnell auf. »Das ist ganz unmöglich; es wäre nicht nur eine unerhörte Abweichung von dem Herkommen und würde für den Prinzen neue peinliche Verwickelungen herbeiführen, es ist auch so vollständig gegen meine Ueberzeugung von dem, was einem Fürsten erlaubt ist, daß davon unter keinen Umständen die Rede sein kann.«

Der Kammerherr entfernte sich, nicht angenehm von der radikalen Auffassung des Doctors berührt. Nach der Heimkehr sagte er dem Prinzen: »Die Angelegenheit muß schnell beendet werden, bevor der Fürst davon erfährt. Höchstderselbe wird bei der Persönlichkeit des Gegners Ew. Hoheit jede Nachgiebigkeit auf das Strengste untersagen; und doch sehe ich, daß die Beziehungen meines gnädigsten Prinzen zu der Studentenschaft und vielleicht sogar andere persönliche Verhältnisse auf das Aeußerste gefährdet sind, wenn es nicht gelingt, den hier üblichen Ansichten einigermaßen zu entsprechen. Darf ich deshalb Ew. Hoheit einen Rath geben, so ist es immer der, daß Höchstsie dem Kreise, in welchem wir einmal leben, eine große Bewilligung machen und Herrn von Halling als Vertreter annehmen.«

Der Prinz sah gedrückt vor sich nieder und sagte endlich: »Das wird wohl das Beste sein.«

Der große Häuptling Beppo, eine der besten Klingen der Universität, sollte sich also für den Erbprinzen schlagen. Nun erwies sich aber, daß die Arminen mit dieser Vertretung keineswegs zufrieden waren, sondern den unverschämten Anspruch erhoben, den Prinzen selbst in Fausthandschuhen und Batisthemd vor sich zu sehen. Namentlich Ulf der Dicke, Urheber des ganzen Skandals, erklärte, daß er den Markomannenführer ohnedies in seiner Brieftasche finde und nicht auf die fröhliche Aussicht verzichten wolle, mit ihm in Privatangelegenheiten einen Gang unter kleinen Mützen abzumachen.

Das war nicht zu leugnen; indeß ein großer Rat aller Senioren, welchen die Markomannen schnell zusammenriefen, entschied dafür, daß der Stellvertreter anzunehmen sei. Dagegen wurde die listige Forderung der Markomannen abgelehnt, daß der Armine zuerst gegen ihre Corpsgenossen auf die Kreide trete. Sie wollten dadurch den Prinzen der ganzen Sache überheben, da anzunehmen war, daß auch die stämmige Kraft des Arminen lange beseitigt sein würde, bevor nur die Hälfte der Namen in seiner Brieftafel getilgt war. Es blieb also nichts übrig, als daß die beiden Kämpfer zu zwei verschiedenen Malen aufeinander loshieben, der Markomanne zuerst im Namen des Prinzen. »Wir wollen uns beide Mühe geben, daß das zweite Mal nicht nöthig wird,« sagte der Markomanne beim Aufbruch bedeutsam zum Vertreter des Arminen.

Jede Vorkehrung war getroffen, den verhängnißvollen Zweikampf geheim zu halten, nur die Betheiligten wußten die Stunde, selbst den Stammgenossen wurde von anderen Tagen gesprochen, denn die Pedelle waren wachsam, die Universität bereits von der höchsten Behörde aufgefordert, mit allen Mitteln weitere Folgen zu verhindern.

Am Mittag vor dem Zweikampf lud der Prinz die Markomannen zu Tische, es war dabei so viel von ähnlichen Geschäften die Rede, daß selbst dem Kammerherrn unheimlich wurde. Kurz vor dem Aufbruch stand der Prinz mit dem Senior in einer Fensternische, plötzlich faßte er die Hand des jungen Mannes, hielt sie fest und ein heftiges Schluchzen erschütterte ihm die Glieder. Bewegt sah der tapfere Knabe auf den Prinzen: »Es wird Alles gut gehen, Hoheit,« sagte er tröstend.

»Für dich, aber nicht für mich,« erwiederte der Prinz und wandte sich ab.

Als gegen Abend der Erbprinz unstät durch die Zimmer ging, machte der Kammerherr, der selbst trübe Gedanken loswerden wollte, den Vorschlag, heut abend das Haus des Rectors zu besuchen. Dies war der einzige Ort, wo er sicher war, nichts von der widerwärtigen Geschichte zu hören, und er war scharfsinnig genug, zu ahnen, daß auch dem Prinzen dieser Besuch am ersten wohlthun werde.

Ilse wußte Alles. Unser Student, der wider Willen die Elster gespielt hatte, welche Unheil stiftend zwischen den Parteien auf und ab lief, umkreiste immer noch ängstlich das Haus des Rectors, er wagte an einem Studentenabend bei Frau Penelope zurückzubleiben, als sich die Anwesenden in das Zimmer des Rectors zogen, erzählte der Fragenden den ganzen Streit, schilderte die gefährliche Lage des Prinzen und flehte, Sr. Magnificenz nichts von dem Vorfall zu sagen. Als heut der Prinz eintrat, war unter den Anwesenden eine Spannung bemerkbar, welche solchen, die in gefährliche Geschäfte verstrickt sind, die Unbefangenheit nicht zu erhöhen pflegt. Der Kammerherr war liebenswürdiger als je und erzählte hübsche Hofgeschichten, aber er machte keine Wirkung. Der Prinz saß verlegen auf seinem Platz neben Frau Ilse, auch aus ihren freundlichen Worten fühlte er den Ernst, er sah, wie ihr Blick traurig auf ihm ruhte und sich schnell abwandte, als er die Augen aufschlug. Endlich begann er mit unsicherer Stimme: »Sie haben mir früher die Köpfe berühmter Männer gezeigt, darf ich Sie bitten, mir den Band noch einmal zu weisen?«

Ilse sah ihn an und stand auf. Der Prinz folgte ihr wie neulich zu der Lampe des Nebenzimmers. Sie legte den Band vor ihn, er sah theilnahmslos darüber weg und begann endlich leise: »Mir lag nichts an den Köpfen, nur mit Ihnen allein zu sein. Ich bin hilflos und sehr unglücklich. Ich habe keinen Menschen auf Erden, der mir ehrlich räth, was ich thun soll. Ich habe einen Studenten gekränkt und bin schwer von ihm beleidigt. Jetzt soll ein Anderer für mich den Streit ausfechten.«

»Arme Hoheit!« rief Ilse.

»Sprechen Sie nicht so zu mir, gnädige Frau, wie ein Weib das ansieht, sondern als ob Sie mein Freund wären. Daß ich Ihnen mit meiner Angst zur Last falle, macht mich in diesem Augenblicke vor mir selbst verächtlich, und ich fürchte, ich werde es auch Ihnen sein.« Er sah finster vor sich nieder.

Ilse sprach leise: »Ich kann nur reden, wie mir um’s Herz ist, haben Hoheit ein Unrecht gethan, so bitten Sie es ab, sind Sie beleidigt worden, so verzeihen Sie.«

Der Prinz schüttelte das Haupt. »Das würde nichts nutzen, es würde mich auf’s Neue beschimpfen vor allen Andern und vor mir selbst. Nicht darum frage ich Sie. Nur Eines will ich wissen, darf ich einen Andern meinen Streit auskämpfen lassen, weil ich ein Prinz bin? Alle sagen mir, ich müßte es thun, ich habe zu Keinem Zutrauen, nur zu Ihnen.«

Ilse stieg das Blut in das Antlitz: »Ew. Hoheit legen eine Verantwortung auf meine Seele, vor der ich erschrecke.«

»Sie haben einmal zu mir die Wahrheit gesprochen,« sagte der Prinz finster, »wie noch niemals ein Mensch auf Erden, und jedes Wort aus Ihrem Munde war gut und herzlich. Und deshalb fordere ich auch, daß Sie mir heut Ihre wahre Meinung sagen.«

»Dann also,« rief Ilse, ihn groß ansehend, und das alte Sachsenblut wallte in ihr auf, »wenn Ew. Hoheit Streit angefangen, so müssen Sie ihn auch selbst als Mann zu Ende führen, und Sie selbst müssen dafür sorgen, daß es in ehrenvoller Weise geschehe. Ew. Hoheit dürfen nicht zugeben, daß ein Anderer um Ihres Unrechts willen Ihrem Gegner trotzt und seine gesunden Glieder in Gefahr setzt. Denn einen Fremden zu Unrecht verleiten und in Gefahr stürzen und dabei ruhig zusehen, das ist das Schrecklichste von Allem.«

Der Prinz versetzte kleinlaut: »Er ist muthig und dem Gegner überlegen.«

»Und wie dürfen Ew. Hoheit Ihren Gegner einer fremden Kraft preisgeben, die stärker ist als die Ihre? Wenn Ihr Stellvertreter gewinnt oder verliert, Sie werden ihm mehr schuldig, als man einem Fremden schuldig sein darf, und durch Ihr ganzes Leben wird Sie der Gedanke drücken, daß er Muth bewiesen hat, wo Sie ihn nicht gezeigt haben.«

Der Prinz wurde bleich und schwieg. »Ich fühle ebenso,« sagte er endlich.

»Furchtbar ist Alles, was auf diesem Wege liegt,« fuhr Ilse mit gerungenen Händen fort, »Frevel hier und dort und blutdürstige Rache. Aber ist Ihnen unmöglich, ein Unrecht zu verhindern, so besteht doch Ihre Pflicht zu sorgen, daß es nicht größer werde und daß seine Folgen nicht auf Anderer Haupt sinken, nur auf das Ihre. Und Alles in mir ruft: Sie selbst müssen thun, wo nicht, was Recht ist, doch was am wenigsten Unrecht ist.«

Der Prinz nickte mit dem Kopfe und saß wieder schweigend. »Ich darf keinem von meiner Umgebung etwas sagen,« begann er endlich, »am wenigsten dem dort,« er wies auf den Kammerherrn. »Wenn ich verhindern soll, daß ein Anderer an meiner Statt den Streit ausficht, so muß das in den nächsten Stunden geschehen. Wissen Sie Jemand, der mir dabei helfen würde?«

»Meinem Mann verbietet sein Amt, in dieser Sache etwas für Ew. Hoheit zu thun. Der Doctor aber.«

Der Prinz schüttelte den Kopf.

»Unser Student,« rief Ilse, »er ist Ew. Hoheit aufrichtig ergeben, er ist ein Landsmann und fühlt großen Kummer über die Sache.«

Der Prinz überlegte. »Wollen Sie mir Ihren Diener für einige Stunden dieses Abends erlauben, sobald Sie seiner nicht mehr bedürfen?«

Ilse rief Gabriel, der am Tische beschäftigt war, in das Zimmer und sagte zu ihm: »Thun Sie, was Se. Hoheit aufträgt.« Der Prinz trat an das Fenster und sprach leise mit dem Diener.

»Verlassen sich Ew. Hoheit ganz auf mich,« sagte Gabriel und ging zu seinen Tassen zurück.

Der Prinz trat zu Frau Ilse, welche unbeweglich dasaß und auf das Buch starrte. »Ich habe die Köpfe angesehen,« sagte er ruhiger als er noch den Abend gewesen war, »und ich habe gefunden, was ich suchte. Ich danke Ihnen.«

Ilse erhob sich und kehrte mit ihm zur Gesellschaft zurück.

Die Gäste hatten sich entfernt und Ilse saß allein in ihrem Zimmer. Was hatte sie gethan! Vertraute eines Mannes bei blutigem Beginnen, geheime Beratherin bei gesetzloser That! Sie, ein Weib, war Verbündete eines Fremden, sie, die Gattin des Mannes, der jetzt ein Wächter des Gesetzes sein sollte, war Helferin bei einem Verbrechen geworden. Welcher finstere Geist hatte ihr die Sinne bethört, als sie vertraulich der Rede des Andern antwortete und flüsternd mit ihm verhandelte, was sie dem eigenen Mann nicht zu gestehen wagte?

 

Nein, der sie verlockt hatte, ein Fremder war er nicht. Seit ihrer Kindheit hatte sie mit innigem Antheil von ihm gehört, er war der künftige Gebieter ihrer Heimat, einst Herr über Leben und Tod auf dem Felsen, von dem sie hinabgestiegen war in die Fremde. Seit er zuerst vor sie trat, so rührend in seiner freudelosen Jugend, in der weichen Hilflosigkeit seines Standes, hatte sie zärtlich um ihn gesorgt, und was er ihr erwiesen hatte seit demselben Tage, war ein liebenswerthes, lauteres Gemüth. Jetzt faßte sie bebende Angst auch um ihn. Sie hatte ihn in sein Schicksal getrieben, sie trug die Schuld eines Beginnens, das seinem Stande für ungeheuer galt. Wenn ihm zum Unheil wurde, was sie gerathen, wenn der Gegner den armen schwachen Jüngling bis zum Tode traf, wie wollte sie das ertragen in ihrem Gewissen?

Sie sprang auf und wiederrang sie die Hände. Der Gatte rief ihren Namen, sie fuhr zusammen, denn sie fühlte sich in einer Schuld gegen ihn. Und wieder frug sie bange: »Welcher böse Geist hat mich verwirrt? Bin ich nicht mehr, die ich war? Wehe mir, ich habe mich nicht gehalten wie einer Christin geziemt, nicht als eine bescheidene Frau, die den Schrein ihrer Seele öffnen soll nur vor Einem. Dennoch aber,« rief sie, ihr Haupt erhebend, »wenn er wieder vor mir stände und noch einmal früge, ob er als Mann handeln soll oder als ein Schwächling, ich würde ihm wieder dasselbe sagen und immer wieder. Der Herr schütze mich!« –

Als Krüger in das Schlafzimmer trat, den Prinzen auszukleiden, gab ihm dieser in kurzem Ton Aufträge, welche den Lakaien höchlich befremdeten. Da er aber dadurch seine vertraute Stellung befestigt sah, versprach er Gehorsam und Schweigen. Er löschte die Lampen und ging auf seinen Posten. Nach einer Stunde führte er den Studenten, welcher von Gabriel abgeliefert wurde, durch eine Seitenthür in das Schlafzimmer des Prinzen. Dort fand eine leise Unterredung statt, deren Folge war, daß der Student in großer Aufregung aus dem Hause eilte und dem harrenden Gabriel den Auftrag gab, zu früher Morgenstunde eine Droschke an die nächste Straßenecke zu bestellen.

In dem Saale eines abgelegenen Kaffehauses vor der Stadt war beim ersten Morgenlicht eine ernste Gesellschaft versammelt, die Blüthe der Corps und Verbindungen, erprobte Gesellen von verwegenem Aussehen, für jedes Studentenherz ein gewaltiger Anblick; heut sollten nacheinander mehre von den vielen Blutverträgen jenes Abends ausgeführt werden. Das erste Geschäft sollte der Studentenehre des Erbprinzen gelten. Die Kämpfer waren ausgezogen und in ihre Fechtertracht gekleidet; Jeder stand mit seinem Secundanten und Zeugen in einer Ecke des Saales, der Doctor – es war der alte Teutone von der Geige – hatte in einem Winkel sein Verbandzeug ausgebreitet und sah mit grimmigem Behagen auf die bevorstehende Arbeit, welche ihm neue lehrreiche Curen versprach. Aber die Arminen waren aufsässig, noch einmal traten ihre Secundanten vor den Unparteiischen und erhoben Beschwerde, daß der Prinz nicht gegenwärtig sei, um wenigstens durch seine Anwesenheit den Vertreter zu bestätigen. Sie forderten deshalb, daß der bevorstehende Gang nicht für ihn gerechnet werde, sondern als persönlicher Kampf der beiden Studenten, welche miteinander in mehrfache zarte Beziehungen getreten waren. Da die Markomannen kein gutes Gewissen hatten, denn sie hatten bei den Verhandlungen diesen Punkt zweideutig zu umgehen gewußt, machten sie jetzt den Vorschlag, daß der Prinz nachträglich mit dem Arminen oder dessen Secundanten am dritten Ort zusammenkommen sollte, damit zwischen beiden die gebräuchliche Versöhnung stattfinde.

Noch wurde darum gehandelt, mit Erbitterung, aber in kurzen Worten, wie der Zwang dieser Stunde gebot, da pochte der Fuchs, welcher die Wache an der Treppe hatte – es war ein junger Armine –, zweimal an die Thür. Alle standen unbeweglich. Nur die Secundanten rafften die Schläger zusammen und warfen sie in eine finstere Kammer, und unser Student, der als Zeuge seinem Stammgenossen noch seidene Stränge über die Pulsadern der Hand legte, sprang schnell an die Thür und öffnete. Eine kleine Gestalt im Mantel und runden Hut trat herein, es war der Erbprinz. Er nahm den Hut ab, sein Gesicht sah etwas bleicher aus gewöhnlich, aber er begann mit ruhiger Haltung: »Ich bin heimlich hergekommen; ich bitte die Anwesenden, mir zu erlauben, daß ich mir selbst Genugthuung hole, und ich bitte Sie, Nachsicht mit mir zu haben, wenn ich mich in dem Brauch ungeübt zeige, denn es ist das erste Mal, daß ich mich versuche.«

Es entstand eine Stille, so tief, daß man das leise Schwirren des Rappiers hörte, welches in eine Ecke geschleudert war, alle Anwesenden empfanden, daß dies ein wackeres Thun war. Nur Beppo, der Markomanne, stand bestürzt und begann: »Schon deine Gegenwart genügt, die letzten Schwierigkeiten zu beseitigen, ich bestehe darauf, daß nicht umgeworfen wird, was beschlossen ist,« und leiser fügte er hinzu: »Ich beschwöre Ew. Hoheit, nicht das Unnöthige zu thun, es ladet uns allen eine Verantwortung auf, die wir nicht übernehmen dürfen.«

Der Prinz erwiederte fest: »Du hast dein Versprechen erfüllt, ich werde dir für den Willen ebenso dankbar sein als für die That. – Aber ich bin entschlossen.« Er zog seinen Rock aus und sagte: »Legt mir die Binden an.«

Der Secundant des Arminen wandte sich zum Unparteiischen. »Ich bitte, den Gegner zur Eile zu mahnen, wir sind nicht hier, um Artigkeiten zu wechseln; will sich der Prinz selbst Genugthuung holen, wir sind bereit.« Die Markomannen rüsteten den Prinzen, und man darf den tapfern Gesellen das Zeugniß nicht versagen, sie thaten es mit so inniger Ehrerbietung und ängstlicher Sorgfalt, als ob sie in der That Krieger des Volksstammes wären, dessen Namen sie trugen, und ihr junges Königskind zum tötlichen Einzelkampfe stellen sollten.

Der Prinz trat auf den Kreidestrich, seinem Secundanten, einem harten Balafré zitterte die Waffe in der Hand, als er sich neben ihm auslegte. »Gebunden – Los!« Die Klingen sausten in der Luft. Der Prinz hielt sich nicht schlecht, eine lange Gewöhnung, sich vorsichtig zu beherrschen, kam ihm zu gut, er vermied, gefährliche Blößen zu geben, und sein Secundant zog sich eine herbe Warnung des Unparteiischen zu, weil er ohne Rücksicht auf seine eigenen Glieder im Bereich des feindlichen Stahles lag. Der Armine war an Kraft und Kunst weit überlegen, aber er gestand später seinen nächsten Freunden, es sei ihm doch störend gewesen, das Fürstenkind leibhaftig im Bereich seines Schlägers zu sehen. Nach dem vierten Gange strömte das Blut von Ulfs breiter Backe auf das Hemd. Sein Secundant forderte Fortsetzung des Kampfes, der Unparteiische erklärte den Streit für beendet. Der Prinz stand still auf seinem Platze, jetzt entfiel der Schläger seiner Hand, und ein leises Zittern bewegte die Finger, aber sein Mund lächelte, und es war ein guter Ausdruck in den frohen Zügen. Ein Knabe hatte durch die ernste Viertelstunde das Selbstgefühl eines Mannes gewonnen. Bevor der Prinz sich zu seinem Gegner wandte, fiel er dem Markomannen um den Hals und sagte: »Jetzt kann ich dir von Herzen danken.« Der Unparteiische führte ihn zum Gegner, der unwillig vor dem Doctor stand, und doch auch ein Lächeln nicht unterdrücken konnte, das ihm weh genug that, und Beide reichten einander die Hände. Nun traten auch die Arminen grüßend zu dem Prinzen, während der Unparteiische in den Saal rief: »Zweiter Fall.«

Aber der Prinz, der seinen Mantel wieder umgethan hatte, ging zu dem Leiter des Zweikampfes und begann: »Ich kann nicht fortgehen, ohne eine große Bitte auszusprechen. Ich bin unglücklicher Weise die Veranlassung des peinlichen Vorfalles gewesen, welcher jetzt die Studentenschaft entzweit, ich weiß wohl, daß ich gar kein Recht habe, hier einen Wunsch zu äußern, aber es wäre mir eine freudige Erinnerung für immer, wenn ich dazu beitragen könnte, daß Versöhnung und Friede beschlossen würde.«

Von seinen Markomannen hätte er in diesem Augenblick das Schwerste fordern dürfen, aber auch die Andern standen unter dem Eindruck eines ungewöhnlichen Erlebnisses. Ein beifälliges Murmeln ging durch den Saal, sogar der Unparteiische rief mit lauter Stimme: »Der Prinz hat ein gutes Wort gesprochen.« Die düstern Blicke Einzelner wurden nicht beachtet, die Secundanten und Senioren beriethen in der Mitte des Saales, das Ergebniß war, daß die schwebenden Forderungen zunächst zwischen den Anwesenden ausgeglichen und eine allgemeine Versöhnung eingeleitet wurde.

Der Prinz verließ, von den Markomannen umdrängt, das Haus und sprang in den Wagen, Krüger öffnete ihm die Thür des Schlafzimmers. Der Kammerherr war über die lange Ruhe seines jungen Herrn gerade an diesem Morgen sehr verwundert; als er nach der Meldung des Kammerlakaien zum Frühstück eintrat, fand er seinen Prinzen behaglich am Tisch sitzen. Nachdem Krüger hinausgegangen war, begann der Prinz: »Das Duell ist abgemacht, Weidegg, ich habe mich selbst geschlagen.« Der Kammerherr stand erschrocken auf. »Ich sage Ihnen das, weil es Ihnen doch kein Geheimniß bleiben würde. Ich hoffe, der Streit unter den Studenten wird damit abgemacht sein. Sprechen Sie mir nichts dagegen und regen Sie sich selbst nicht auf, ich habe gethan, was ich für recht hielt, oder doch für das kleinste Unrecht, und ich bin froher als ich seit langer Zeit war.«

Die Häupter der Markomannen hatten von den übrigen Anwesenden das Wort erbeten, daß die einzelnen Vorgänge dieses Morgens nicht verbreitet werden sollten, und man muß annehmen, daß Jedermann sein Wort gehalten habe. Dennoch flog durch Universität und Stadt blitzschnell die Kunde, daß der Prinz selbst durch wackeres Verhalten die Händel ausgeglichen habe. Und der Kammerherr erkannte aus frohen Andeutungen der Markomannen und aus den freundlichen Grüßen, welche sein junger Herr auf der Straße erhielt, noch mehr aber aus der veränderten Haltung des Prinzen selbst, daß der heimliche Zweikampf doch eine gute Seite gehabt hatte, und das versöhnte ihn ein wenig mit dem ärgerlichen Ereigniß.

Als der Prinz einige Zeit darauf das Haus des Rectors betrat, wurde er in das Arbeitszimmer geführt und Werner begrüßte ihn lächelnd. »Ich war genöthigt, meiner Regierung über die letzten Vorfälle zu berichten, und, gemäß der übereinstimmenden Aussage der vorgeladenen Studenten, beizufügen, daß Ew. Hoheit Dazwischentreten wesentlich dazu beigetragen hat, den Frieden wieder herzustellen. Mir ist der Auftrag geworden, Ihnen dafür warme Anerkennung der akademischen Behörde auszusprechen. Persönlich erlaube ich mir, dem Wunsch Worte zu geben, daß Alles, was Ew. Hoheit in diesen Tagen erlebt, Ihnen immer eine angenehme und fruchtbare Erinnerung sein möge.«

Als der Prinz sich vor Frau Ilse verneigte, sagte er leise: »Es ist Alles gut gegangen, ich danke.« Ilse sah stolz auf ihren jungen Herrn, und doch war die bange Unsicherheit der letzten Tage nicht ganz von ihr genommen, sie war dem Prinzen gegenüber stiller als gewöhnlich.