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Das Nest der Zaunkönige

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Da sprach neben dem Könige eine leise Stimme: »Lieber Herr König, ich weiß etwas.« Heinrich winkte den jungen Gottfried an sein Ohr, dann befahl er ihm laut zu reden. Der Knabe trat in den Ring vor den Grafen und begann mutig: »Was mein Bruder verschweigt, daran will ich mahnen: Gedenke Graf Gerhard, daß du einst meinen Bruder Immo einen Frosch nanntest, der aus dem Weiher zu der Königstochter hinaufhüpft. Damals fordertest du selbst, daß mein Bruder ihr Geselle werden sollte, und du befahlst der Hildegard, weil sie den kalten Frosch nicht anrühren wollte, daß sie es doch tun mußte. Aus einem Becherlein haben sie getrunken und aus einem Schüßlein gegessen und mit einem Goldfaden haben sie sich gebunden, den sie meinem Bruder Immo geschenkt hat. Heute widerstrebst du mit Unrecht, daß er ihr Gemahl wird, denn du selbst hast deine Tochter dazu angestiftet, daß sie ihn wert halten sollte.«

Der König frug ergötzt: »Was weißt du auf die Sage des jungen Helden zu antworten? Hast du selbst den Jüngling und die Jungfrau vertraulich gemacht, wie darfst du dich beschweren, daß sie auch später sich zueinander gesellten?«

Da rief Graf Gerhard zornig: »Habe ich jemals einiges von dem Frosch gesagt, so vermag der König leicht zu ermessen, daß dies nur scherzweise und beim Trunk geschehen ist, wie man mit Kindern wohl zuweilen handelt. Im Ernst aber habe ich nie daran gedacht, den Helden aus den Waldhecken zum Gemahl für mein Kind zu wählen, denn damals stand er noch in Klosterzucht und später hatte er die Gunst des Königs verloren. Auch war dieses Geschlecht eines Zaunkönigs, welcher hier gegen mich piept, mir und meinen Mannen oft feindselig und abgeneigt.«

Da errötete Gottfried im Eifer und rief: »Darf ich ihm noch einmal antworten, Herr König? Eine andere Sage hörte ich in den Waldhecken, die er schmäht, daß einst Wolf Isegrim, ein Graf unter den vierfüßigen Tieren, das Nest der Zaunkönige verspottete, aber teure Buße zahlte er dafür. Denn die Vögel aus den Lauben begannen einen Streit gegen ihn und als sie in einer Waldlichtung aufeinander trafen, da wurde dem Wolf das Fell gerauft und Isegrim stand am Abend mit entblößtem Haupt an dem Nest der Zaunkönige und bat demütig vor allem Volk die kränkende Rede ab. Laßt euch erzählen, wie Wolf Isegrim damals Abbitte tat. Der jüngste Nestling aus dem Geschlecht, das er geschmäht hatte, wurde ihm gegenüber gestellt, und vor ihm mußte der Wolf sich demütigen. Merke wohl, Graf Gerhard, ich weiß das genau, denn der junge Vogel war ich und du warst der Wolf.«

Der Graf wurde zornrot und unwillkürlich tastete seine Hand nach der Schwertseite. Aber im Kreise der Herren erhob sich ein schallendes Gelächter und Gottfried fuhr fort, indem er dem Grafen näher trat und nach dem Schwerte desselben wies: »Bei diesem Kreuz wurde beschworen, daß die Fehde abgetan sein sollte und aller Groll vergessen. Und beim Mahle trug ich dir die erste Kanne Wein zu, und ich, den du jetzt wegen seiner Stimme schmähst, sang dir den Willkommen. Denke auch daran, Graf Gerhard, wie du damals zu meinem Bruder sprachst: Sehr leid tut es mir, Immo, daß der König mit meiner Tochter anderes im Sinne hat; wenn ich mit ihr verfahren könnte wie ich wollte, so meine ich, sie würde es nirgends besser haben als bei euch in den Waldlauben, und gern würde ich sie dir gewähren, da ich weiß, daß sie dir lieb ist. So hast du geredet, und so hast du selbst ihm den Mut gegeben, sich die Braut zu holen.«

Wieder ging ein Summen und Lachen durch den Ring, der Graf suchte ängstlich im Angesicht des Königs zu lesen und niederkniend sprach er: »Ich flehe, daß die Weisheit des Königs nicht vergangene Reden zu meinem Schaden gelten lasse. Denn wenn ich auch hie und da bessere Gesinnung gegen den Helden Immo hatte, durch den Raub der Jungfrau und durch den Friedensbruch ist er und sein Geschlecht aus Frieden und Ehre gesetzt und kein Edler kann billigen, daß ich mein Kind, auch wenn es nicht geschleiert wird, einem von jenen dort vermähle.«

»Du hast ein Recht, so zu sprechen,« versetzte der König ernsthaft, »und mich freut's, daß du gelernt hast, strenge über einen Mann zu urteilen, der geraubt hat. Nicht vergebens hast du mich gemahnt, denn der König ist dazu gesetzt, jedem sein Recht zu geben, das er sich verdient hat.«

Draußen klang Hufschlag; der Hauptmann trat gegenüber dem König in die Schranken, und warf einen ausgebrochenen Mauerstein vor dem Richterstuhl auf den Boden, zum Beweis, daß des Königs Befehl vollführt sei. Da hob Heinrich seinen Arm und rief den Söhnen Irmfrieds zu: »Die Burg eurer Väter ist in der Hand des Königs und harte Hände meiner Krieger werfen die Steine der Mauer, damit das Volk erkenne, daß der König Herr im Lande ist.« Die Versammlung erhob sich, die Gewappneten schlugen an die Waffen und riefen dem Könige Heil. Aber die Söhne Irmfrieds sprangen erschrocken zusammen und Edith sah bekümmert nach dem Helden Gundomar, der bei den Worten des Königs zuckte wie von einer Natter gestochen.

Und der König fuhr fort: »Die Mauer breche ich so weit, daß der König mit seinem Heergefolge unter freiem Himmel hereinreitet; du Gottfried, magst die Mauer wieder aufbauen und für dein Geschlecht bewahren. Was dem König anheimgefallen ist durch den Frevel deiner Brüder, das gebe ich dir, dem Schuldlosen, zurück in deine Hand als dein freies Eigen, das du fortan behaupten sollst als ein Geschenk, das nicht von der Sonne stammt, sondern von der Gnade des Königs. Denn dem Könige liegt auch am Herzen, die alten Landherren zu schützen, wenn sie nicht Bedrücker ihrer Nachbarn werden.« Er wandte sich zu dem Erzbischof und zu Reinhard und fuhr heiter fort: »Darum mögen mir auch heilige Männer meines Landes nicht übel deuten, wenn ich ihren frommen Wunsch für die Kirche diesmal nicht gewähre. Oft habe ich gewährt, da sie oft bitten. Hier aber geht, wie ihr alle merket, der Handel um Königsgut zwischen zwei Königen, der eine bin ich und der andere ist hier der kleine König aus den Waldhecken, und darum will ich einem Herrn meinesgleichen nicht zuwider sein, wenn sein Krönlein auch nur klein ist.«

Da der Erzbischof sah, daß der König ihm die Mühlburg versagte, so war ihm lieb, daß die Mönche von St. Wigbert sie auch nicht erhielten, sondern ein Knabe, den er sich einst geneigt machen konnte, und er antwortete lächelnd: »Der König hat weise entschieden und uns allen das Herz erfreut, indem er das Geschlecht eines seligen Bekenners vor den Edlen ehrte. Du aber, Jüngling, denke daran, daß du fortan als Herr auf eigenem Grunde gebietest.«

Der Knabe stand nachdenkend, dann trat er vor den König. »Ist's an dem, lieber Herr König, daß ich jetzt Herr bin über die Mühlburg?«

Der König zog einen Ring vom Finger und faßte die Hand des Knaben. »Schwach ist deine Hand, du mußt ihn auf dem Daumen tragen,« sagte er. »Wie ich diesen Ring hier abziehe und dir anstecke, so übergebe ich, was dem Reiche an Berg und Burg deiner Väter gehört, dir zu freiem Eigen.«

Gottfried küßte die Hand des Königs und rief freudig: »Und ich darf mit dem Gut beginnen, wozu nur immer ein Herr sein Gut gebrauchen will?«

»Das darfst du, Jüngling,« versetzte der König unruhig, denn er sah den jungen Burgherrn zwischen dem Erzbischof und dem Mönch Reinhard stehen. »Nur beachte wohl, daß du es nicht zum Schaden des Königs gebrauchst.«

Da schlug der Knabe froh die Hände zusammen und rief: »Nicht zum Schaden des Königs, sondern zu seinem Nutzen, denn ich will der Burg einen Herrn geben, der dem Könige besser dienen kann als ich.« Und er zog den Ring von seinem Daumen, lief damit durch die Versammlung zu seinem Bruder Immo, kniete vor diesem nieder und rief: »Nimm den Ring, mein Bruder, und nimm den Berg aus meiner Hand und dulde, daß ich dich als meinen Herrn ehre, denn lieb bist du mir, und gütig warst du mir immer wie ein Vater.«

Immo warf seine Arme um den Bruder, die Tränen brachen ihm aus den Augen und beide hielten einander umschlungen. Alles in den Schranken war still, die Augen des Königs leuchteten hell, aber auch er schwieg, bis Gottfried seinen Bruder an der Hand nahm und zum König fortriß. Dort warf sich der Knabe nieder, umfaßte die Knie des Herrn und wollte ihn anflehen, aber er legte das Haupt auf die Knie, hielt den König umklammert und schluchzte in seinem Schoß.

Der König, dem ganz ungewohnt war, daß ihn Kinderarme umschlangen, machte zuerst, seiner Würde gedenkend, eine Bewegung, den Weinenden abzuschütteln. Aber das Zutrauen und das heiße Weinen bewegten ihm das Herz, und er sprach leise: »Habt ihr je, edle Herren, bessere Rede eines Bittenden gehört? Auch du schweigst, Immo, und auch dir rinnt Tau von den Wangen? Ist das euer Lied, womit ihr die Herzen rührt? Noch mehr!« fuhr er fort, als er sah, daß die Brüder und die Mutter vor ihm knieten, »ihr versteht gut, wie man eines Königs Gnade gewinnt, leise nur dringt der Gesang in das Ohr, aber er vermag wohl den Zorn zu tilgen. Steh auf, Knabe; und du tritt näher, Immo, dein Recht sollst du erhalten im Guten und Bösen, wie du verdient hast.«

Mit bleichem Antlitz trat Immo vor den Stuhl des Herrn und beugte das Knie. »Ich sehe dich vor mir,« fuhr Heinrich fort, »wie an jenem Abende, wo du den Brief des Grafen zu meinen Füßen niederlegtest. Damals war ich unwillig, weil du zum Vorteil eines Andern schwere Sorge auf mein Haupt sammeltest und ich habe seitdem in meinen Gedanken mit dir gezürnt. Denn, Immo, ich war dir von Herzen zugetan, und ich vertraute ganz fest deiner Treue und deiner guten Gesinnung zu mir. An jenem Abend nun meinte ich mich von dir verraten, und daß du, um das Grafenkind zu gewinnen, die Treue gegen mich verleugnet hättest. Das tat mir von dir weh, und darum war seitdem dein Tun mir verhaßt. Heute aber habe ich erkannt, daß du redlich gegen mich warst, wenn auch unbedacht. Darüber bin ich froh. Und obgleich du gegen den Frieden des Landes gefrevelt und meinen Willen gekreuzt hast, und obgleich ich einen Spruch gegen dich finden muß als Herr, der über Recht und Frieden zu walten hat, so will ich dir doch vorher die Ehre geben, die der König einem Edlen gibt, der ihm lieb ist.« Der König erhob sich schnell, streckte die Hand nach dem knienden Immo aus, hob ihn auf, küßte ihn auf den Mund und lachte ihn freundlich an und sein Antlitz, das sonst bleich war wie das eines leidenden Mannes, rötete sich, wie einem geschieht, der sich heimlich freut.

 

Als der König so huldreich dem Gefangenen seine Ehre gab, schlugen die Gewappneten mit den Waffen zusammen und riefen dem Könige Heil, und um die Schranken erhob sich ein Jubelgeschrei, welches nicht enden wollte.

Aber den Freudenlärm übertönte ein so gellendes und ungefüges Jauchzen, daß auch eifrige Rufer erstaunt innehielten, und eine blinkende Axt flog aus dem Volkshaufen nach dem Gerichtsbaume und schlug krachend in das Holz des Wipfels. Als um den Werfer ein Tumult entstand und der König verwundert auf das Gedränge sah, eilte Brunico heran und auf einen Wink des Königs in die Schranken gelassen, erklärte er begütigend: »Der wilde Sauhirt tat es in übergroßer Freude, weil er den Hofbrauch wenig kennt.«

Heinrich sah über seinem Haupt das Eisen durch die Äste blinken, er ahnte eine überwundene Gefahr und sprach lächelnd zu Immo: »Subulcus surculos secat5. Ist das eure Art, Ruten zu schneiden, wenn ihr einen widerwärtigen Schüler strafen wollt?« Und er nahm ein abgeschlagenes Reis, welches an seinem Gewand haftete und schlug damit auf Immos Finger.

»Jetzt aber höre in Demut, auch was dir leidvoll wird,« begann er wieder mit Königsmiene und setzte sich auf dem Stuhl zurecht: »die Jungfrau, welche du entführt hast, damit sie dein Gemahl werde, verweigert dir der Vater, und du mußt ihr entsagen, wenn dir nicht gelingt, den guten Willen des Grafen für dich zu gewinnen. Bist du zufrieden mit dem Spruch, Graf Gerhard?«

Der Graf stand in großer Verwirrung. Daß der König den Gefangenen durch einen Kuß ehrte, und ihm seine Ehre vor der Versammlung bestätigte, ängstigte ihn sehr, weil er die geheimen Gedanken des Königs falsch gedeutet hatte; und er vermochte, wie gewandt er sich sonst zu biegen wußte, doch nichts Schickliches zu erwidern, sondern stieß nur heraus, nach Art der Thüringe, welche ungern ja sagen: »Hm,« und »allerdinge, es ist, wie der König meint;« aber ihm ahnte, daß er in einem üblen Handel war, und daß der Richter ihm noch Arges sann. Dabei fiel sein umherirrender Blick auf Heriman, welcher außerhalb der Schranken dem König gerade gegenüber stand, und seine Angst wurde noch größer. Der König aber fuhr gegen Immo fort: »Da mein Vogt von Erfurt keine Klage gegen dich erhoben hat wegen deines nächtlichen Rittes, so besteht gegen dich die Klage der Erzbischöflichen wegen Tumults und schwerer Verwundung. Die Wunden wirst du nach Landesbrauch entschädigen, wegen des gebrochenen Stadtfriedens sollst du ohne Schaden an Leib und Leben das Land räumen. Und ich versage dir deine Heimat, Dach und Herd auf ein Jahr und einen Tag von morgen ab.« – Ein leiser Klageton des Gefangenen zitterte durch die Luft.

»Und nach Jahr und Tag,« fuhr der König fort, »falls die Heiligen uns gnädig sind, sollst du, Held Immo, deinen König zu dem Hochfest laden, das du feierst, wenn du dich vermählst. Ich selbst will zur Stelle sorgen, daß ich dir deine Braut werbe, denn ich habe nicht vergessen, daß du einst zwischen mir und meinen Feinden standest. Deshalb gedenke ich jetzt mit dem Grafen zu reden, ob er mir Gehör gibt. Manches weiß ich von seinen Gedanken und Taten, was vertraulich zwischen uns beiden bleibt, und ich weiß auch, daß er dir im Grunde wohl will, nur daß er des Königs Zorn scheut. Denn er hat nicht nur günstig über sein Kind zu dir gesprochen, er hat sogar damals, als du am Main von ihm rittest, schon den Goldstoff erworben, den ein Grafenkind schwerlich tragen würde, außer wenn sie sich einem König vermählt; und der König konntest doch nur du oder ich sein, ich aber habe meine Königin und du noch nicht. Habe ich deinen Sinn recht gedeutet, Graf Gerhard, so sprich.« Und Heinrich warf einen Herrenblick auf den Schuldigen, so daß dieser sich niederbeugend nichts weiter sagen konnte, als »Des Königs Weisheit rät immer das Beste.«

»Dann rate ich dir auch, dem Goldschmied Heriman den Stoff zu bezahlen, und daß du ihm zu dem Preis das Fünffache darauf legst, damit der Schmied eine reiche Spende in die Hand meines hochwürdigen Vaters Willigis von Mainz opfere. Denn auch Heriman hat Ursache, den Heiligen dankbar zu sein, weil sie ihn damals und später aus großer Gefahr befreit haben. Du aber, Held Immo, sollst, bis Jahr und Tag vergangen sind, mit deinem Könige reisen, der jetzt seine Kriegsfahrt rüstet. Unterdes wird die Jungfrau im Hause der edlen Edith zurückbleiben, wenn der Vater, wie ich wünsche, die Herrin gleich zur Stelle darum bittet und diese es ihm gewährt. Du junger Gottfried bewahrst bis zur Heimkehr des Bruders sein Erbe und legst es ihm dann in seine Hand zurück, wie du schon heute getan; ihr andern Söhne des Helden Irmfried aber steigt auf die Rosse und folgt dem Bruder in meinem Heere. So oft die Speere an den Schilden der Welschen dröhnen, hoffe ich euren Gesang zu hören.«

Der König erhob sich, legte den Richterstab in die Hand des Erzbischofs, und trat vor Edith.

»Und jetzt, Base Edith, wenn der König durch die gebrochene Mauer reitet, willst du ihm dennoch freundlichen Willkommen sagen? Mit großem Gefolge komme ich und nur wenige Stunden werden wir dich beschweren; doch man rühmt ja, daß Speicher und Keller, wo du waltest, reichlich gefüllt sind. Heute sollst du deinen Stammgenossen und Vetter gastlich empfangen, denn als Freund schwingt sich des Reiches Aar zu dem Nest der Zaunkönige.«

13
Schluß

Im Lande der Alemannen weilte der gebannte Immo auf einem Hofe des Königs, bis seine Wunde geheilt war und seine Brüder mit reisigem Gefolge dem Heere zuzogen. Als Heinrich über die Alpen nach Italien drang und durch Überraschung und Gewalt den Widerstand seiner Feinde brach, da führte Immo das Banner der freien Thüringe vom Walde, wie einst sein Vater getan; er und seine Brüder fochten in den Straßen Pavias gegen die empörten Welschen, und als König Heinrich von einem treuen Bischof in Pavia zum König des langobardischen Italiens geweiht wurde, klang auch Immos Heilruf unter den Säulen und Steintrümmern der alten Königstadt. Heinrich kehrte im Sommer nach Deutschland zurück, aber er ließ die Brüder als Wächter gewonnener Burgen durch den Winter in Italien.

Seit jenem Gerichte war Jahr und Tag vergangen, ein neuer Sommer zog ins Land und kleine Blätter schlüpften aus den Baumknospen, da legten die Mannen Immos der Mühlburg festlichen Schmuck an, sie hefteten Fichtenkränze an Tor und Zinnen und breiteten schöne Teppiche aus dem Lande Italien an die Wände und über den Fußboden. Denn im Ringe seiner Edlen vermählte König Heinrich den Burgherrn mit der Tochter des Grafen, und der große Erzbischof erteilte den Vermählten den Segen der Kirche. Edith schritt im Brautzug an der Hand des Königs, gefolgt von sechs Söhnen; auch Graf Gerhard trat hinter dem König einher, er lächelte nach allen Seiten und freute sich, aber er war verfallen und gar nicht in seiner alten Kraft, denn auf dem Kriegszuge hatte ihn ein Pfeilschuß verwundet, und im Heere sagten sie, daß der Pfeil nicht aus welschem Köcher gekommen sei, sondern hinterrücks aus dem eines heimlichen Feindes. Da der Graf an der Wunde kränkelte, so sprach er öfter vertraulich mit dem Mönch Reinhard, denn ihn ängstigte jetzt seine Feindschaft mit den Wigbertleuten.

Als am Abend des festlichen Tages der König in seinen nahen Hof zurückkehrte, folgte ihm Gundomar, welcher dem Feste fern geblieben war, in das Gemach. Heinrich hielt dem Helden den Becher entgegen: »Heute bin ich fröhlich, auch du glätte deine Falten auf deiner Stirn, denn Gutes bedeutet dieser Tag deinem Geschlechte.«

»Alles ist dem König wohlgelungen,« versetzte Gundomar. »Ich aber flehe jetzt zu meinem Herrn, daß er mir nicht zürne, wenn ich mein Schicksal von dem seinen scheide.«

Heinrich sah betroffen auf die ernsthafte Miene: »Unverständiges sprichst du. Da ich noch ein Kriegsmann war wie du, gelobten wir, einander Gesellen zu sein; an den Eid habe ich gedacht, auch wenn ich dir einmal zürnte. Wie willst du dich von mir scheiden?«

»Als ich gestern durch die neu geflickte Mauer ritt, dachte ich daran, daß sie von meinem Herrn gebrochen wurde, obwohl ich der Frau, die dort oben gebot, angelobt hatte, daß der Bau meines Geschlechts ihr unversehrt zurückgegeben werden sollte.«

»Du hattest es gelobt, nicht ich,« unterbrach ihn Heinrich.

»Du hast getan nach Art der Könige. Denn sie üben das Vorrecht, das Gute für sich zu begehren, das Unrecht auf das Haupt ihrer Diener zu wälzen. Auch klage ich nicht darüber, denn ich weiß, auch den König zwingt die Königspflicht. Ich aber sah zerbrochen, was zu bewahren meine Pflicht war, und mir war diese Tat eine Mahnung, daß ich genug für meinen Herrn getan und gesündigt habe. Und ich saß im Abendlicht am Fuß der Mauer und sah in die untergehende Sonne, da erkannte ich, daß auch für mich das Tor des Himmels geöffnet wird.«

»Du willst der Welt entsagen?« rief der Kaiser bestürzt. – »Ich aber brauche dich; ein Undankbarer bist du, daß du mich verlassen willst, denn gütig war ich dir und oft habe ich deine harte Mahnung mit Geduld ertragen.«

»Gütig war mein Herr, auch wenn er frug, ob die Treue des andern ihm nütze, gütiger noch ist der Herr in der Himmelshalle.«

»Bist du unzufrieden, weil ich andere mehr ehre als dich, so fordere, Gundomar.«

»Was du von dem einen nimmst, gibst du dem andern, das ist die Art der Mächtigen; ich aber wähle mir jetzt den Herrn, der jedem zu spenden weiß aus dem Schatz seiner Liebe.« Er hob eine goldene Kette vom Halse und legte sie zu den Füßen des Königs. »Dies war die erste Spende, die du mir gabst und vor allem Schmuck habe ich sie hochgehalten. Wie dieses Gold, so will ich hinfort alles entbehren, was ein Mensch dem andern zu schenken vermag.«

Heinrich wandte sich gekränkt ab. Gundomar kniete an seiner Seite nieder und faßte seine Hand: »Laß mich dahinfahren. Gleichgültig ist mir alle Freude der Welt geworden. Wenn ich deine Ritter im Kampfspiel reiten sehe und die langen Züge der Wallenden in ihren Festgewändern, so scheinen sie mir wie spielende Kinder gegenüber den hohen Engeln, die ich im Abendlicht dahinschweben sehe.«

Der König hielt traurig die Hand des Knienden fest und dieser fuhr fort: »Alle Liebe, die du je zu mir in deinem Herzen gehegt, laß sie den Knaben meines Geschlechts zugute kommen. Der junge Held, dem du heute deine Huld erwiesen, wird ihrer würdig sein. Er hat sich gesträubt gegen den fremden Willen, der ihn in das Kloster warf, damit er für die Schuld anderer büße. Jetzt tausche ich mit ihm. Der jüngere Held in blühender Jugend soll meinem König unter Waffen dienen, ich aber wende als müder Mann meine Schritte dem Kloster des heiligen Wigbert zu.«

Auf der Mühlburg saß Edith in dem hohen Herrenstuhl, zu ihren Füßen die sieben Söhne und im Ringe umher die vertrauten Gäste des Geschlechts: Heriman, das Haus Baldhards, voran Brunico und der Mönch Rigbert, auch Nalderich mit seiner Tochter und andere Freie aus den Nachbardörfern. Die Gäste schwenkten fröhlich die Festbecher, welche die junge Wirtin Hildegard ihnen mit holdem Lachen darbot. Als sie den Becher zu Brunico trug, reichte sie ihm die Hand: »Das nächste Hochfest feiern wir im Hofe deiner Braut und erflehen Segen für euch beide.« Und Immo mahnte seinen Klostergenossen Rigbert: »Jetzt ist die Stunde gekommen, wo du vom Kloster und von den Vätern berichten sollst.«

»Gutes und Böses habe ich zu künden,« begann Rigbert. »Ganz verwandelt kehrte Tutilo vor einem Jahre in das Kloster zurück, er hatte mit König Heinrich seinen Frieden geschlossen und demütigte sich bei seiner Ankunft vor Herrn Bernheri. Dieser aber wurde täglich kränklicher, er stieg niemals mehr von St. Peter herab und warf in seinem Gemach mit dem Krückstock nach den Hirschgeweihen, weil er den Stock für einen Speer hielt. Der König jedoch wollte nicht leiden, daß dem Herrn Bernheri, solange dieser lebte, sein Amt genommen würde. Da nun Reinhard fast immer in der Nähe des Erzbischofs weilte, so wurde Tutilo wieder zum Präpositus erhoben und er herrschte in ganz neuer Weise; denn sonst hatte er wenig auf die Regel geachtet, jetzt aber wurde er hart und eifrig und versagte den Brüdern auch Erlaubtes. Du selbst magst ermessen, ob er das getan hat aus frommem Eifer oder aus einem anderen Grunde. Darum wurde der Widerwille der Brüder groß und mehr als einmal kehrten Unzufriedene dem Heiligtum den Rücken und liefen aus. So verbot Tutilo im letzten Herbst dem Vater Bertram, fernerhin in seinem Garten zu arbeiten, weil dieser sein Herz in sündiger Weise an die Obstbäume gehängt habe. Da stieß Bertram seinen Spaten in die Erde und ging schweigend in die Klausur zurück, Sintram aber saß seitdem kraftlos in seinem Garten und vermochte nicht mehr zu graben. Tutilo herrschte auch diesen an und bedrohte ihn mit Buße und Geißel. Als Bertram das vernahm, erhob er sich, und weil gerade wieder Brüder in Empörung von St. Wigbert scheiden wollten, schritt auch er trotzig aus der Klausur in den Garten, nahm seinen Spaten auf den Rücken und winkte Sintram, dasselbe zu tun. So zogen die beiden Alten in die wilde Welt, traurig war ihr Anblick für die wandernden Brüder, denn beide wankten vorwärts wie unter schwerer Last. Als sie nun zur Höhe gekommen waren, wo am Birkengehölz das steinerne Kreuz errichtet ist als Grenzzeichen unseres Glockenschalls, da läutete gerade die Glocke vom Turme des heiligen Michael. Der wandernde Haufe wandte sich um und manche klagten und weinten. Bertram aber sprach: »Weiter vermag ich nicht zu gehen und von der ehernen Stimme des Engels will ich mich nicht scheiden; wandelt ihr dahin und sucht Frieden in der Fremde, mir gefällt diese Stätte und hier will ich bleiben.« Auf der Stelle begann er eine Grube zu graben und die Brüder vermochten ihn nicht abzuhalten, denn er antwortete ihnen nicht mehr. Endlich verließen ihn die andern, nur Sintram blieb bei ihm. Am nächsten Morgen läutete dieser an der Klosterpforte und berichtete, daß sein Geselle Bertram in Frieden geschieden sei und daß er neben einem Grabe liege, das er sich selbst geschaufelt hatte. Sintram wankte in die Klausur zurück und blieb darin, bis sie ihn nach wenigen Tagen auch hinaustrugen. Der gute Vater Heriger setzte durch, daß die beiden an der Stelle bestattet wurden, wo die Glocke von St. Michael sie gemahnt hatte. Und gerade jetzt wird dem hohen Erzengel eine Kapelle über ihrem Grabe erbaut. Jetzt ist Herr Bernheri von uns geschieden, eine neue Ordnung beginnt für St. Wigbert und ein heiliges Leben. Auch ich fahre jetzt dahin zurück.«

 

Immo hob die Hand gen Himmel. »Unter den Engeln weilt ihr liebe Väter, blickt günstig auf den Mann herab, den ihr als wilden Schüler gesegnet habt. Den guten Lehren, die ihr mir übergeben habt, verdanke ich Leben und Glück. Einem Spruch habe ich nicht gehorcht, der Mutter und den Brüdern habe ich zu lange meine Kriegslust geborgen, dadurch habe ich uns allen das Herz krank gemacht. Daß ich aber in der eigenen Bedrängnis meinen Helfer Heriman nicht im Stiche ließ, sondern die letzte Kraft daran setzte, ihn zu retten, das hat, wie ich merke, dem König bessere Gedanken über mich eingegeben, gerade als er mir am meisten zürnte. Und daß ich mir von Gerhard, als er in Not lag, nicht die Tochter angeloben ließ, das hat mir die Neigung des Königs und die Braut wiedergewonnen. Mein Erbteil habe ich nicht in fremde Hand gelegt, darum stehe ich jetzt als froher Herr auf freiem Eigen. So hat sich jede Lehre als heilbringend bestätigt.«

Da rief Edith ihm zu: »Zornig trugst du das Schülerkleid. Dennoch sollst du heute die Mutter preisen, daß sie dich, den Widerwilligen, zu den Altären sandte. Denn nicht die Weisheit allein, sondern auch, was wenigen glückt, die liebe Hausfrau gewannst du dir unter den Mönchen durch die Klosterschule.«

Druck von August Pries in Leipzig
5Der Sauhirt schneidet Reiser.