Strafrecht Besonderer Teil

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D. Kontrollfragen

16


1. Welche Anforderungen sind an das Todesverlangen des Opfers zu stellen? → Rn. 3 ff.
2. Ist eine Tötung auf Verlangen durch Unterlassen strafbar? → Rn. 10 ff.
3. Wie wirkt sich die sog. Sperrwirkung des milderen Gesetzes im Zusammenhang mit § 216 aus? → Rn. 13 f.

Aufbauschema (§ 216)


1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Einen (anderen) Menschen (2) Töten (3) Durch ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten bestimmt b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld

Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:

Leitentscheidungen: BGHSt 19, 135 – „Gisela-Fall“; BGHSt 32, 367 – „Wittig-Fall“; BGHSt 40, 257 – „Pflegeheimfall“; BGHSt 50, 80 – „Kannibalenfall“; BGHSt 64, 135 – „Berliner Fall“

Aufsätze: Diehn/Rebhan, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, NJW 2010, 326; Gerhold, Schwere Körperverletzung bei Rücktritt von einer versuchten Tötung auf Verlangen, JuS 2010, 113; Reus, Die neue gesetzliche Regelung der Patientenverfügung und die Strafbarkeit des Arztes, JZ 2010, 80

Anmerkungen

[1]

BGHSt 40, 257, 265 f. – „Pflegeheimfall“, auch zur sog. passiven Sterbehilfe; kritisch Otto § 6 Rn. 19 ff.; vgl. auch Kutzer ZRP 1997, 117 ff. zur sog. indirekten Sterbehilfe; ders., NStZ 1994, 110.

[2]

BGHSt 50, 80, 92 – „Kannibalenfall“; 63, 161, 166; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 107: „ernstliches Begehren“.

[3]

S. etwa Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 5.

[4]

BGHSt 32, 367, 379 – „Wittig-Fall“.

[5]

Lackner/Kühl § 216 Rn. 2.

[6]

BGHSt 64, 121, 126 f.; 64, 135, 139 – „Berliner Fall“; BGH NStZ 2012, 85, 86.

[7]

BGHSt 50, 80, 91 f. – „Kannibalenfall“; 63, 161, 166; BGH NStZ-RR 2018, 172, 173; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 9; Rengier BT II, § 6 Rn. 8; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 109.

[8]

Lackner/Kühl § 216 Rn. 5; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 13; zu einem Tatbestandsirrtun BGH NStZ 2012, 85, 86.

[9]

Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 18.

[10]

Lackner/Kühl § 216 Rn. 2 a.E.; Rengier BT II, § 6 Rn. 12; a.A. Otto § 6 Rn. 73.

[11]

BGHSt 19, 135, 139 f. – „Gisela-Fall“; Lackner/Kühl § 216 Rn. 3 a.E.; abwägend LK12/Rissing-van Saan § 216 Rn. 40 ff.

[12]

BGHSt 64, 135, 142 ff.– „Berliner Fall“; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 10; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 112; ausführlich zur Problematik LK12/Rissing-van Saan § 216 Rn. 25 ff.; a.A. noch BGHSt 32, 367, 373 ff. – „Wittig-Fall“.

[13]

Zu diesbezüglichen empirischen Erkenntnissen der Suizidforschung vgl. BGHSt 32, 367, 376 – „Wittig-Fall“.

[14]

Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 212 Rn. 25; Rengier BT II, § 6 Rn. 11; a.A. Gerhold JuS 2010, 113, 115 f.: Lösung auf der Strafzumessungsebene.

[15]

Hierzu Diehn/Rebhan NJW 2010, 326; Reus JZ 2010, 80 (auch zu den strafrechtlichen Konsequenzen); ferner Sowada FS Merkel, 2020, 1109, 1126.

[16]

BGH NJW 2010, 2963, 2967.

[17]

Lackner/Kühl § 216 Rn. 1; LK12/Rissing-van Saan § 216 Rn. 8.

Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 1. Tötungsdelikte › § 4. Fahrlässige Tötung (§ 222)

§ 4. Fahrlässige Tötung (§ 222)

Inhaltsverzeichnis

A. Grundlagen

B. Tatbestand

C. Täterschaft und Konkurrenzen

D. Kontrollfragen

A. Grundlagen

1

Die fahrlässige Tötung schließt den Sechzehnten Abschnitt des StGB ab. Wie die Vorsatztaten (§§ 211, 212 und 216; vgl. §§ 1 bis 3) schützt die Vorschrift das Rechtsgut Leben.

B. Tatbestand

2

Auch § 222 erfordert die Tötung eines (anderen) Menschen (vgl. § 1 Rn. 5 ff.). Diese muss durch Fahrlässigkeit verursacht werden. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze.[1] Es bedarf somit einer – objektiven und subjektiven – Sorgfaltspflichtverletzung des Täters, die für den Tod kausal geworden ist und es erlaubt, diesen dem Täter zuzurechnen (zur Zurechnung vgl. Rn. 3).[2]

Beispiele:

A tritt dem am Boden liegenden B ohne Tötungsvorsatz mehrfach mit dem „bestiefelten“ Fuß gegen den Kopf, bis B das Bewusstsein verliert. Dieser stirbt wenig später infolge der erlittenen Verletzungen (zum § 227 vgl. § 7 Rn. 29 ff.).[3]

C verlässt ihre Wohnung, ohne sich um noch glimmende Zigaretten zu kümmern. Diese verursachen einen Brand, in dem die Kinder der C zu Tode kommen.[4]

Vertiefungshinweise:

Da aus medizinischen Maßnahmen besonders ernste, vom Patienten regelmäßig nicht einzuschätzende Folgen entstehen können, sind an die ärztliche Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen.[5] Im Übrigen kommen im Einzelfall spezielle Bestimmungen als Maßstab der erforderlichen Sorgfalt in Betracht, beispielsweise das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG)[6] oder die StVO, aber auch Sport- oder technische Regeln,[7] die Polizeigewahrsamsordnungen der Länder[8] sowie die Verpflichtung, Waffen und Munition sicher aufzubewahren (§ 36 Abs. 1 WaffG).[9]

Der Vollzugsbehörde kommt bei der Entscheidung, ob einem Strafgefangenen Vollzugslockerungen gewährt werden können, ein Beurteilungsspielraum zu, der hinsichtlich der Frage einer eventuellen Sorgfaltswidrigkeit vom überprüfenden Gericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist.[10]

3

Der Pflichtwidrigkeits- bzw. Zurechnungszusammenhang kann durch Handlungen Dritter unterbrochen werden, insbesondere durch von diesen verübte vorsätzliche Straftaten, sofern der Täter mit deren Begehung nicht rechnen und die er somit nicht vorhersehen konnte.[11]

 

Beispiel:

A hat als Inhaber eines Mietshauses Renovierungsabfälle im Hauseingangsbereich zwischengelagert. Diese setzt B vorsätzlich in Brand. In den Flammen sterben sieben Hausbewohner.[12]

4

Diesbezüglich können auch die Grundsätze des sog. erlaubten Risikos bedeutsam sein. Gleiches gilt für das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit.[13] Mangels einer Haupttat ist nicht strafbar, wer etwa eine auf freiem Willensentschluss beruhende Selbstschädigung oder gar -tötung (vgl. § 1 Rn. 20) vorsätzlich unterstützt. Eine Bestrafung wegen nur fahrlässiger Mitwirkung an einer solchen Selbsttötung verstieße mithin gegen das in den §§ 15 und 18 ausgedrückte Stufenverhältnis beider Schuldformen und bedeutete einen Wertungswiderspruch.[14]

Beachte:

Beim § 222 ist somit die Kontrollüberlegung erforderlich, ob der Täter strafbar wäre, wenn er – sogar – vorsätzlich gehandelt hätte. Denn die Haftung für fahrlässiges Verhalten darf nicht weiter gehen als für vorsätzliches.[15]

Vertiefungshinweis:

Die Richtigkeit dieser Ansicht zeigt die Überlegung, dass andernfalls ein Angeklagter sich mit der Behauptung verteidigen müsste, er habe den sich selbst tötenden Menschen nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich unterstützt.[16]

5

Ist danach die Zurechenbarkeit des von einem Dritten selbst herbeigeführten Todes zu verneinen, fehlt es bereits am Tatbestand. Die Strafbarkeit beginnt nach gängiger Ansicht erst dort, wo der Täter kraft überlegenen Sachwissens das Todesrisiko besser erfasst als derjenige, der sich selbst gefährdet, weil er die Tragweite seines Tuns nicht erkennt.[17] Dies ist jedoch nur für die Strafbarkeit wegen eines Vorsatzdeliktes zutreffend. Für den Tatbestand der fahrlässigen Tötung (oder Körperverletzung) genügt es nach zutreffender Ansicht hingegen bereits, wenn der Täter das Risiko bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt rechtlich erheblich besser als das Opfer hätte erfassen können.[18]

6

Der Bundesgerichtshof schränkt die dargelegten Grundsätze dann ein, wenn der Täter „die naheliegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung dadurch schafft, dass er ohne Mitwirkung und ohne Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut des Opfers oder ihm nahestehender Personen begründet und damit für dieses ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft“.[19]

Beispiel:

A setzt das Wohnhaus des B in Brand. Dessen Sohn C erkennt das für ihn bestehende Risiko, eilt aber gleichwohl in das in Flammen stehende Gebäude, um dort befindliche Menschen zu retten. Dabei stirbt er.

7

Die Einbeziehung sich in derartigen Situationen selbst gefährdender Personen in den Schutzbereich namentlich des § 222 hält der Bundesgerichtshof für sachgerecht, sofern es sich nicht „um einen von vornherein sinnlosen oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen Rettungsversuch handelt“.[20]

8

Dieser – von der h.L. gebilligte –[21] Ansatz verdient keine Zustimmung. Er ist weder dogmatisch begründbar noch praktikabel. Denn für die Eigenverantwortlichkeit ist nur von Bedeutung, ob jemand sich in voller Kenntnis der Situation den sich aus ihr ergebenden Gefahren bewusst aussetzt.[22] Das Motiv dafür kann für die Strafbarkeit des Täters nicht von Bedeutung sein. Gleiches gilt für die – in der Praxis häufig kaum zu klärende – Frage, ob das Handeln des Getöteten „sinnlos“ und „unverhältnismäßig gewagt“ war oder noch „vernünftig“.

C. Täterschaft und Konkurrenzen

9

Eine Beteiligung mehrerer an einer fahrlässigen Tötung ist als Nebentäterschaft möglich.[23]

Beispiel:

Jeweils sorgfaltswidriges Verhalten des Statikers und des Bauleiters führen zum Einsturz eines Hauses, der den Tod eines Menschen verursacht.

10

Auf der Konkurrenzebene tritt § 222 hinter durch den Tod eines Menschen erfolgsqualifizierten Delikten (z.B. §§ 227, 251) als subsidiär zurück.[24] Werden durch eine fahrlässige Handlung mehrere Menschen getötet, liegt gleichartige Tateinheit vor (§ 52), die im Schuldspruch zum Ausdruck kommen muss.[25] Zu einem im Anschluss an einen tödlichen Unfall begangenen Verstoß gegen § 142 besteht in der Regel Tatmehrheit (§ 53; vgl. § 33 Rn. 54).

D. Kontrollfragen

11


1. Welche Maßstäbe sind beim § 222 an die Fahrlässigkeit anzulegen? → Rn. 2
2. Wie wirkt sich das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit im Rahmen des § 222 aus? → Rn. 4 f.
3. Ist dieses Prinzip für bestimmte Fälle einzuschränken? → Rn. 6 ff.

Aufbauschema (§ 222)


1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Den Tod (2) Einen (anderen) Menschen (3) Durch (objektive) Fahrlässigkeit verursachen (4) Pflichtwidrigkeitszusammenhang b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld

Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:

Leitentscheidungen: BGHSt 24, 342 – „Selbstmordfall“; BGHSt 32, 262 – „Heroinspritzenfall“; BGHSt 39, 322 – „Brand-Retter-Fall“; BGH NStZ 1985, 25 – „Stechapfelteefall“

Aufsatz: Mitsch, Grundfälle zu den Tötungsdelikten, JuS 1996, 407

Übungsfallliteratur: Herles/Steinhauser, Übungsklausur Strafrecht: Ein folgenreicher Skitag, Jura 2013, 1281; Riemenschneider, Der praktische Fall – Strafrecht: „Ein Beifahrer steigt aus“, JuS 1997, 627; Siebrecht, Der praktische Fall – Strafrecht: Brutaler Besuch, JuS 1997, 1101

Anmerkungen

[1]

LK12/Krüger § 222 Rn. 25; Mitsch JuS 1996, 407, 410.

[2]

S. nur BGHSt 64, 217, 222 ff., 232 ff.; BGH NJW 2015, 96, 98 f.; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 154.

[3]

Siebrecht JuS 1997, 1101, 1102.

[4]

BGH NStZ 2005, 446.

[5]

BGH NJW 2000, 2754, 2758; zur Verantwortlichkeit eines im Rahmen des Beweissicherungsdienstes einen Brechmitteleinsatz durchführenden Arztes NJW 2010, 2595; zu den Anforderungen bei Bauleistungen BGHSt 47, 224; 53, 38.

[6]

BGHR StGB § 222 Pflichtverletzung 9.

[7]

Ausführlich hierzu MüKo//Hardtung § 222 Rn. 18; speziell zu den Verhaltensregeln des Internationalen Skiverbandes Herles/Steinhauser Jura 2013, 1281, 1287.

[8]

BGH NJW 2015, 96, 98.

[9]

BGH JR 2013, 34, 36 („Amokläufer von Winnenden“) m. Anm. Braun; zu einem auf unzureichender Sorgfalt beruhenden Erlaubnistatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 Satz 2) NStZ 2014, 30, 31.

[10]

BGHSt 64, 217, 225.

[11]

Ausführlich BGHSt 64, 217, 233; LK12/Krüger § 222 Rn. 8; Riemenschneider JuS 1997, 627, 628; s. auch BGH NStZ-RR 2020, 143, 144 (Besorgen einer geladenen Schusswaffe für einen Überfall auf ein „bekanntermaßen wehrhaftes Opfer“).

[12]

OLG Stuttgart NStZ 1997, 190.

[13]

Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 155.

[14]

BGHSt 24, 342, 343 f. – „Selbstmordfall“; 32, 262, 263 ff. – „Heroinspritzenfall“; BGH NStZ 1985, 25 – „Stechapfelteefall“; s. aber BGHSt 37, 179 für Delikte nach dem BtMG.

[15]

BGHSt 53, 288, 292.

[16]

BGHSt 24, 342, 344 – „Selbstmordfall“.

[17]

BGHSt 32, 262, 265 – „Heroinspritzenfall“; BGH NJW 2015, 96, 99; BayObLG NStZ-RR 1997, 51; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 157.

[18]

BGHSt 53, 288, 291 f.; MüKo/Hardtung § 222 Rn. 23; vertiefend Hardtung NStZ 2001, 206, 207.

[19]

BGHSt 39, 322, 325 – „Brand-Retter-Fall“.

[20]

BGHSt 39, 322, 325 f. – „Brand-Retter-Fall“.

[21]

S. nur Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 222 Rn. 5.

[22]

Ebenso Otto § 9 Rn. 11.

[23]

BGHSt 4, 20, 21; BGH NJW 2010, 1087, 1092 m. Anm. Kühl; Lackner/Kühl § 222 Rn. 2.

[24]

BGHSt 8, 54; Lackner/Kühl § 222 Rn. 5; differenzierend Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 222 Rn. 8.

[25]

BGH Urteil vom 21. März 2002 – 3 StR 340/01.

Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

Kapitel 2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

1

 

Die den Schutz menschlichen Lebens bezweckenden Vorschriften (vgl. §§ 1 bis 4) werden vor allem durch die im Siebzehnten Abschnitt des StGB zusammengefassten Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 bis 231) ergänzt, die das Rechtsgut der menschlichen Gesundheit vor fremdverschuldeten Beeinträchtigungen schützen sollen. Mit Wirkung vom 28. September 2013 ist die bis dahin durch die §§ 223 ff. erfasste Verstümmelung weiblicher Genitalien in § 226a als gesonderter Verbrechenstatbestand ausgestaltet worden.[1] Hinzu tritt § 340, der die Körperverletzung im Amt unter Strafe stellt.[2] Gemäß § 340 Abs. 3 gelten die §§ 224 bis 229 entsprechend. Wie sich aus § 228 ergibt, ist das geschützte Rechtsgut prinzipiell disponibel, d.h. dessen Träger kann darauf verzichten (vgl. § 5 Rn. 13 ff.).


Systematik der Körperverletzungsdelikte
Grundtatbestand (vorsätzliche) Körperverletzung (§ 223)
Qualifikationen Gefährliche Körperverletzung (§ 224) Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225) Schwere Körperverletzung (§ 226) Verstümmelung weiblicher Genitalien (§ 226a) Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227) Körperverletzung im Amt (§ 340) Fahrlässigkeitstatbestand Fahrlässige Körperverletzung (§ 229)
Sonderfall Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231)

2

Wie bei den Tötungsdelikten kann auch bei den Körperverletzungsdelikten Tatobjekt nur ein anderer lebender Mensch sein (vgl. § 1 Rn. 5 ff.). Da es insofern allein auf den Zeitpunkt der Verletzungshandlung ankommt, werden Einwirkungen auf die Leibesfrucht durch die §§ 223 ff. selbst dann nicht erfasst, wenn sie sich (auch noch) nach der Geburt in Körperschäden auswirken.[3] Anderes kann allerdings gelten für körperliche Folgen, die bei der Schwangeren selbst eintreten.

Anmerkungen

[1]

Durch das 47. Strafrechtsänderungsgesetz vom 24. September 2013 (BGBl. I 2013, S. 3671); hierzu insbesondere unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kritisch MüKo/Hardtung § 226a Rn. 24 ff.; s. auch BGH Beschluss vom 4. September 2019 – 2 StR 580/18; ausführlich Rittig JuS 2014, 499.

[2]

S. etwa BGHSt 57, 165, 166 (verbeamteter Lehrer); Rengier ZStW 111 (1999), 1, 26 f.; Wolters JuS 1998, 582, 586.

[3]

Zur vergleichbaren Konstellation des nach der Geburt eintretenden Todes s. § 1 Rn. 5; BGHSt 31, 348, 352 – „Fall der verkannten Schwangerschaft“; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 203; differenzierend Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben § 223 Rn. 1b; vertiefend Tepperwien Pränatale Einwirkungen.

Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit › § 5. Vorsätzliche Körperverletzung (§ 223)

§ 5. Vorsätzliche Körperverletzung (§ 223)

Inhaltsverzeichnis

A. Grundlagen

B. Tatbestand

C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Versuch, Rechtswidrigkeit, Konkurrenzen sowie Verfolgbarkeit

D. Kontrollfragen

A. Grundlagen

1

§ 223 stellt den Grundtatbestand der vorsätzlichen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit dar. Es handelt sich um ein Erfolgsdelikt, das als Zustands-, nicht als Dauerdelikt ausgestaltet ist, d.h. es ist mit dem Herbeiführen der körperlichen Folge beendet.[1]

Aufbauhinweis:

Kommen bei der Fallbearbeitung mehrere Körperverletzungstatbestände in Betracht, sollte grundsätzlich mit § 223 begonnen werden. Es empfiehlt sich, das Delikt in Abweichung von der gesetzlichen Überschrift als vorsätzliche Körperverletzung zu bezeichnen, um es von der fahrlässigen Begehungsweise (§ 229) deutlich abzugrenzen. Sind die Voraussetzungen des § 223 unzweifelhaft erfüllt, kann jedoch eine im Rahmen des Qualifikationstatbestands (z.B. § 224) erfolgende Prüfung wegen der größeren Übersichtlichkeit der Darstellung vorteilhaft sein.