Strafrecht Besonderer Teil

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b) Wehrlosigkeit



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Wehrlos ist, wer zu seiner Verteidigung überhaupt nicht imstande oder mindestens in seiner Abwehrbereitschaft und -fähigkeit stark eingeschränkt ist. Da es auf den

Augenblick des

 Angriffsbeginns ankommt (vgl.

Rn. 17

), ist es für die Frage der Wehrlosigkeit ohne Bedeutung, wenn es dem Opfer im Verlauf eines Kampfgeschehens gelingt, doch noch Abwehrmaßnahmen zu entfalten und ob diese erfolgreich sind. Hingegen ist ein Mensch nicht wehrlos, wenn er von vornherein mit Aussicht auf Erfolg Verteidigungsmittel (z.B. Faustschläge) einsetzen, Hilfe herbeirufen oder auch zu fliehen versuchen kann.





Beachte:



Das Opfer muss gerade

infolge seiner Arglosigkeit

 wehrlos sein, d.h. es bedarf insoweit einer ursächlichen Verknüpfung. An dieser fehlt es etwa, wenn eine Abwehr infolge schwacher körperlicher Konstitution unmöglich ist.





Beispiel:



B lässt sich von ihrer Bekannten A freiwillig an Armen und Beinen fesseln. Im Anschluss daran kommt A der Gedanke, B zu erdrosseln. Als sie ein Kopftuch mehrfach umschlägt, erkennt B das Vorhaben, kann sich dagegen jedoch aufgrund der Fesselung nicht wehren. – Eine heimtückische Tötung liegt nicht vor. Denn B ist zur Tatzeit zwar wehr-, aber nicht mehr arglos. Ihre ursprüngliche Arglosigkeit ist ohne Bedeutung, weil A – etwa bei der Fesselung der B – noch keinen Tötungsentschluss gefasst hatte.






c) Versuche restriktiver Auslegung des Merkmals Heimtücke



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Die dargestellten

Grundanforderungen

 (vgl.

Rn. 9 ff.

) reichen anerkanntermaßen nicht aus, um den Anwendungsbereich der Heimtückemodalität hinreichend einzugrenzen. Denn ein Täter wird dem vorgesehenen Opfer überwiegend gerade nicht offen entgegentreten, so dass derartige Tötungen in der Regel ohne weitere Differenzierungsmöglichkeit als heimtückisch zu bewerten wären.



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Dies aber entspräche nicht der gerade für das Merkmal der Heimtücke – und im Übrigen nur noch für die sog. Verdeckungsabsicht (vgl.

Rn. 84 f.

) – aufgestellten Forderung des Bundesverfassungsgerichts, Fälle mit deutlich vermindertem Unrechts- und Schuldgehalt, bei denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe unverhältnismäßig wäre, aus dem Mordtatbestand „herauszufiltern“.



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Beispielsfall 1 – Tod im Wald:



Der Langstreckenläufer B absolviert sein abendliches Training in einem Waldgebiet. Dabei hört er Musik aus seinen Umgebungsgeräusche ausblendenden Kopfhörern und hängt seinen Gedanken nach. An einer Lichtung hat sich A in einem Gebüsch versteckt. Als B sich nähert, wird er von A mit einer Pistole erschossen. Diesem war klar, dass ihn der ihm unbekannte B aufgrund der Umstände nicht wahrnehmen konnte.



Strafbarkeit des A?





Lösung:





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A hat vorsätzlich einen Menschen getötet (§ 212 Abs. 1). Er könnte dies heimtückisch getan haben. Für andere Mordmerkmale – insbesondere für ein Handeln aus Mordlust (vgl.

Rn. 55 ff.

) – sind die Angaben im Sachverhalt dagegen nicht ausreichend. B war in der konkreten Situation arg- und infolgedessen wehrlos. Da A dies bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt hat, sind die Grundvoraussetzungen einer heimtückischen Tötung (§ 211 Abs. 2; vgl.

Rn. 9 ff.

 und

53

) erfüllt. Deren weitergehende Anforderungen sind jedoch umstritten.



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(1)

 Der Bundesgerichtshof und Teile der Literatur verlangen ergänzend eine Tatbegehung in sog.

feindlicher Willensrichtung

. Hierdurch sollen vor allem die Fälle ausgeschieden werden, denen wegen Fehlens von Feindseligkeit und Eigensucht der Unrechts- und Schuldgehalt eines Mordes nicht innewohnt, weil der Täter „zum Besten seines Opfers“ zu handeln meint. Das Motiv muss ernsthaft und achtenswert, die zugrundeliegende Wertung seitens des Täters objektiv nachvollziehbar sein.



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Merke:



Der Bundesgerichtshof hat dies neuerdings dahin präzisiert, dass die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen kann, wenn die Tötung dem ausdrücklichen Willen des Opfers entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht.





Beispiel:



A verabreicht dem schwerkranken B – auf dessen Wunsch – aus Mitleid eine tödliche Injektion, um ihm weiteres Leiden und einen schweren Todeskampf zu ersparen.



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In diese Richtung gehende Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise „positiv motivierte“ Tötung lassen sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, so dass A nach dieser Auffassung heimtückisch getötet hat.



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(2)

 Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof die sog.

Rechtsfolgenlösung

 entwickelt. Diese bezieht sich

ausschließlich

 auf das Merkmal der

Heimtücke

. Denn ihre Anwendung auf andere Mordmerkmale ist weder von Verfassungs wegen noch einfachgesetzlich geboten. Dieser Ansatz eröffnet trotz Erfüllung des Mordtatbestands die Möglichkeit, in „Grenzfällen“ im Wege einer analogen Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 eine zeitige Freiheitsstrafe von drei bis zu fünfzehn Jahren zu verhängen. Dafür sind allerdings Entlastungsfaktoren erforderlich, die nicht lediglich nach § 213 Berücksichtigung finden würden, sondern den Charakter

außergewöhnlicher Umstände

 haben, d.h. der Bundesgerichtshof wollte nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle einführen. Auch darf auf diese „außerordentliche“ Strafrahmenverschiebung erst zurückgegriffen werden, wenn eine solche nicht schon durch einen gesetzlich vertypten Milderungsgrund möglich ist. Für diesen Ansatz sprechen diese

Argumente:



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            –





            In Fällen, in denen aufgrund sog. vertypter Milderungsgründe (z.B. §§ 13 Abs. 2, 17 Abs. 2, 21, 23 Abs. 2) eine Strafmilderung vorgeschrieben oder zugelassen ist, tritt an die Stelle lebenslanger eine zeitige Freiheitsstrafe. Vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene, aber außergewöhnliche Entlastungsfaktoren können bei wertender Betrachtung dieselbe Wirkung haben.








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            –





            Diese Lösung ermöglicht in allen in Betracht kommenden Heimtückefällen die Verhängung der schuldangemessenen Strafe, ohne in die allgemeine Dogmatik zum § 211 einzugreifen.










Aufbau- und Vertiefungshinweis:



Durch eine notstandsnahe, ausweglos erscheinende Situation motivierte, in großer Verzweiflung begangene, aus tiefem Mitleid oder aus „gerechtem Zorn“ aufgrund einer schweren Provokation verübte Taten können solche Umstände aufweisen, ebenso Taten, die in einem vom Opfer verursachten und ständig neu angefachten, zermürbenden Konflikt oder in schweren Kränkungen des Täters durch das Opfer, die das Gemüt immer wieder heftig bewegen, ihren Grund haben. – Die Prüfung der Rechtsfolgenlösung des Bundesgerichtshofs hat am Ende des den § 211 betreffenden Teils zu erfolgen, d.h. nach der Schuld, da es insoweit allein um den

Strafausspruch

 geht.



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Derart „notstandsnahe“ Tatmotive des A sind im Beispielsfall ohnehin nicht ersichtlich.



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(3)

 Das Schrifttum fordert dagegen für die Heimtückemodalität überwiegend einen (besonders)

verwerflichen Vertrauensbruch

, d.h. der Täter muss ihm entgegengebrachtes Vertrauen bewusst missbrauchen. Das Ausnutzen eines Vertrauensverhältnisses – vor allem, aber nicht nur aus persönlichen Bindungen – berechtigt zum Vorwurf gesteigerter Verwerflichkeit der Tat. Hierfür wird dieses

Argument

 vorgebracht:



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            –





            Dieser Ansatz verhindert, dass „jeder Überfall auf einen Ahnungslosen“ einen Totschlag zum Mord macht (vgl.

Rn. 20

), und ermöglicht somit, dass § 211 nur „höchstverwerfliche“ Tötungen erfasst.








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Will man es für einen derartigen Vertrauensbruch nicht schon genügen lassen, dass das Opfer allgemein vom „Wohlwollen seiner Umgebung“ ausgeht und diese Erwartung widerlegt wird, so fehlt es im Beispielsfall an einem den besonderen Mordunwert (vgl.

Rn. 1

) begründenden Vertrauensbruch des A gegenüber B, so dass nur § 212 erfüllt ist.



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(4)

 Eine andere Meinung will trotz heimtückischer Begehungsweise Mord verneinen, wenn eine Tötungshandlung aufgrund umfassender Gesamtwürdigung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit als nicht besonders verwerflich erscheint (sog.

negative Typenkorrektur

). Dieses Korrektiv soll – im Unterschied zum Vorschlag des Vertrauensbruchs (vgl.

Rn. 31 ff.

) – nicht auf Heimtücke beschränkt sein. Es wird auf folgendes

Argument

 gestützt:

 



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            –





            Die negative Typenkorrektur erlaubt eine flexible Erfassung vorsätzlicher Tötungen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit trotz „formaler“ Verwirklichung eines Mordmerkmals.








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Gesichtspunkte, die im Beispielsfall gegen die besondere Verwerflichkeit der Tötung des B durch A sprechen könnten, enthält der Sachverhalt nicht.





(5) Stellungnahme:





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            –





            Die negative Typenkorrektur vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie sich auf sämtliche Mordmodalitäten bezieht. Dessen bedarf es nicht, da die meisten Merkmale – auch unter verfassungsrechtlichem Aspekt – eng genug gefasst sind. Der „korrigierende“ Ansatz ist aber auch dann abzulehnen, wenn man ihn auf die Heimtücke beschränkt. Denn der bezeichnete Maßstab der (besonderen) Verwerflichkeit ist als tatbestandsbegrenzendes Moment mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG zu unbestimmt.








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            –





            Der letztgenannte Einwand greift auch gegen das vorgeschlagene Kriterium des Vertrauensbruchs durch, zumal auch in Bezug darauf eine Prüfung besonderer Verwerflichkeit erfolgen soll. Zudem zieht dieser Ansatz das kaum verständliche Ergebnis nach sich, dass Heimtücke ausscheidet, weil zwischen Täter und Opfer bis zur Tat keine persönliche Beziehung bestanden hat (vgl.

Rn. 33

).








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            –





            Da es sich bei der sog. Rechtsfolgenlösung

nicht

 um eine

tatbestandliche Restriktion

 handelt, ändert sie an dem auf Mord lautenden Schuldspruch nichts; dieser signalisiert aber gerade schwerstes Unrecht. Sie begegnet im Übrigen erheblichen methodischen Einwänden, weil sie dem bezüglich der Rechtsfolge klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht, d.h. jedenfalls eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke fehlt, und eine Berechtigung für eine derartige richterliche Rechtsfortbildung nicht besteht.








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            –





            Auch der eine feindliche Willensrichtung fordernde Ansatz des Bundesgerichtshofs kann nicht restlos zufriedenstellen. Denn er vermag eine nicht plausible Begünstigung von Tätern, die die Möglichkeit und keine Skrupel haben, einen Menschen mit dem Ziel der Tötung offen anzugreifen, nicht auszuschließen. Gleichwohl erscheint der vom Bundesgerichtshof eingeschlagene Weg beim jetzigen Stand der Diskussion als vorzugswürdig. Seine Vorteile überwiegen die Bedenken jedenfalls dann, wenn man ihn im Zusammenhang mit den hohen Anforderungen sieht, die der Bundesgerichtshof zu Recht an die subjektive Seite der Heimtücke stellt (vgl.

Rn. 53 f.

).










Hinweis:



Eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansichten ist bei der Bearbeitung von Aufgaben nur notwendig, wenn diese – wie im Beispielsfall – zu unterschiedlichen Lösungen führen. Sonst genügt eine knappe Darstellung des Streitstands nebst der Feststellung, dass dieser sich im konkreten Fall nicht auswirkt.





Ergebnis:





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A hat sich somit eines Mordes (§ 211 Abs. 2) in – von seinem Vorsatz umfasster – heimtückischer Begehungsweise schuldig gemacht.






2. Grausamkeit



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Grausam

 ist nach allgemeiner Ansicht eine Tötung, die schwere Leiden körperlicher oder seelischer Art hervorruft und zudem einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung entspringt. Die Schmerzen oder Qualen müssen dafür nach Art und Dauer das für die Tötung erforderliche Maß übersteigen. Hierfür kann bereits ein Zeitraum von wenigen Sekunden genügen, wenn etwa ein mit Benzin übergossenes Opfer in Brand gesetzt wird und unter sog. Vernichtungsschmerzen stirbt.





Beispiele:



A wirft den schwer verletzten B in einen Abwasserschacht und verschließt diesen mit einem schweren Deckel in dem Bewusstsein, dass B sich aus dieser Situation nicht mehr werde befreien können.



C lässt ihr einjähriges Kind „planmäßig“ verhungern.



D erwürgt seine Freundin E. Um ihr Sterben zu verlängern, lockert er über geraume Zeit hinweg immer wieder seinen Griff, damit E jeweils kurzfristig wieder zu Bewusstsein kommt.



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Bei der Bewertung der Auswirkungen des Täterverhaltens kommt es auf das konkrete Opfer an. Ist dieses beispielsweise infolge eingetretener Bewusstlosigkeit nicht (mehr) zum Empfinden ihm zugefügter Schmerzen fähig, scheidet das Mordmerkmal aus.



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Für sich genommen kann grausames Verhalten den Tatbestand des Mordes nur dann erfüllen, wenn es

Bestandteil des Tötungsgeschehens

 selbst ist. Was vor dessen Beginn liegt – z.B. grausames Vorgehen „nur“ mit Körperverletzungsvorsatz –, reicht in der Regel insoweit nicht aus.





Beispiel:



A drückt auf Armen und Beinen des gefesselten B Zigaretten aus. Erst im Anschluss daran kommt A die Idee, B zu töten. Diese setzt er mit einem gezielten Pistolenschuss um.



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Entsprechendes gilt für ein Verhalten, das dem Vorgang des Tötens erst nachfolgt. Deshalb genügt „grausiges“ Verhalten wie etwa das Zerstückeln der Leiche nicht. Die Grausamkeit muss allerdings nicht notwendig in der Ausführungshandlung i.e.S. liegen, sondern kann sich auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Tötung eingeleitet und vollzogen wird.



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Die der Grausamkeit zugrundeliegende Gesinnung braucht schließlich kein allgemeiner Charakterzug des Täters zu sein, was in der Praxis ohnehin kaum feststellbar wäre. Es genügt, wenn sie ihn bei der Tatbegehung beherrscht hat. Dies ist regelmäßig schon anzunehmen, wenn der Täter dem Opfer die Schmerzen bewusst zugefügt hat.






3. Mit gemeingefährlichen Mitteln



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Diese Modalität ist am meisten auf das äußere Tatgeschehen bezogen.





Merke:



Gemeingefährlich

 sind solche Mittel, deren konkreter – vom Täter nicht beherrschbarer (vgl.

Rn. 49

) – Einsatz geeignet ist, eine Mehrzahl von Menschen an Leib oder Leben zu gefährden. Dazu zählen typischerweise etwa Brandsetzungsmittel und Explosionsstoffe.





Beispiele:



A setzt ein von mehreren Mietparteien bewohntes Haus mit Benzin in Brand, um den ebenfalls dort wohnenden B zu töten.



C zündet in einer von über 200 Menschen besuchten Diskothek eine Bombe.



D öffnet das Ventil einer Gasflasche, so dass sich in einer Garage ein Luftgasgemisch bildet, das beim Einschalten des Lichtschalters explodieren und in einer Entfernung von 50 Metern Zerstörungen verursachen kann.



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Die Einbeziehung der

Leibesgefahr

 ist grundsätzlich zu befürworten, nachdem der Gesetzgeber den vergleichbaren Streit im Rahmen des § 221 ungeachtet der Überschrift des Sechzehnten Abschnitts des StGB mit dem 6. StrRG i.d.S. entschieden hat. Jedoch bedarf es zumindest der Gefahr einer

schweren

 Gesundheitsschädigung.



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Das Mordmerkmal hat seinen Grund in der besonderen

Rücksichtslosigkeit

, mit der der Täter sein Ziel durch die Schaffung unberechenbarer Gefahren für andere durchzusetzen sucht. Daraus ergibt sich, dass die Verwendung eines abstrakt-generell gefährlichen Mittels für sich allein nicht ausreicht. Vielmehr muss sein Einsatz derart erfolgen, dass der Täter eine Ausdehnung der Gefahr über das von ihm gezielt angegriffene Tatopfer hinaus nicht in seiner Gewalt hat. Kann er die konkrete Situation dagegen ausnahmsweise – evtl. aufgrund besonderer Fähigkeiten – in diesem Sinn kontrollieren, ist das Merkmal „gemeingefährlich“ zu verneinen.





Beispiele:



A tötet B zwar mittels einer Bombe. Als Tatort wählt er aber ein einsames Waldgebiet, so dass eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist.



C wirft einen 30 kg schweren Stein von einer Autobahnbrücke auf das allein nahende Fahrzeug des D.



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Dasselbe gilt grundsätzlich erst recht, wenn der Täter sein Opfer mit einem typischerweise beherrschbaren Tatmittel (z.B. einer Pistole) angreift, selbst wenn er dabei in Kauf nimmt, dass der Schuss fehlgeht und einen Unbeteiligten aus einer größeren Personengruppe treffen kann. Denn bei dieser Konstellation fehlt es an der für das erhöhte Unrecht des Mordtatbestands erforderlichen Möglichkeit der

kumulativen Gefährdung

 mehrerer Menschen.





Vertiefungshinweise:



Will der Täter durch sein Vorgehen mehrere individualisierte Opfer töten, so handelt es sich nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung um eine das Mordmerkmal nicht erfüllende „

schlichte Mehrfachtötung

“, solange nicht wiederum weitere Zufallsopfer gefährdet werden. Neuerdings hat der Bundesgerichtshof bedenkenswerte Zweifel geäußert, ob hieran festzuhalten sei. Denn dieses Verständnis führe zu einer unberechtigten Privilegierung des von vornherein größeres Unrecht anstrebenden Täters.



Geht es um den Einsatz eines

Kraftfahrzeuges

, ist zu differenzieren: Die Gemeingefährlichkeit ist etwa zu bejahen, wenn der Täter „zügig“ über Caféterrassen und Gehwege fährt und es dabei nicht in der Hand hat, wie viele der sich dort aufhaltenden Menschen er als „Repräsentanten der Allgemeinheit“ gefährdet. Ist es dagegen in der konkreten Tatsituation ausgeschlossen, dass über das ausersehene Opfer hinaus andere Personen gefährdet werden, lenkt der Täter das Fahrzeug z.B. auf eine neben der Straße befindliche leere Grünfläche, so setzt er es nicht gemeingefährlich ein.



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Ebenfalls genügt es nicht, wenn der Täter nur eine bereits vorgefundene gemeingefährliche Situation zur Tat ausnutzt. Insofern ist es gleichgültig, auf welche Weise diese Lage entstanden ist. Abzulehnen ist hingegen die Ansicht, das Mordmerkmal des „gemeingefährlichen Mittels“ sei generell durch ein

Unterlassen

 nicht zu verwirklichen, weil es dann nicht „eingesetzt“ werde. Denn zumindest dann, wenn der Täter selbst – noch ohne Tötungsvorsatz – der Gefahrenverursacher ist und ihm hieraus eine Garantenstellung erwächst, ist nicht ersichtlich, weshalb sein garantenpflichtwidriges Unterlassen, die von ihm als unkontrollierbar erkannte Gefahr abzuwenden, das in Rede stehende Mordmerkmal nicht erfüllen soll.





II. Subjektiver Tatbestand






1. Vorsatz



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In Bezug auf die Tötung eines Menschen genügt bedingter Vorsatz. Insoweit sind die zum § 212 dargestellten Maßstäbe (vgl.

§ 1 Rn. 12 f.

) bei Mord ebenfalls anzulegen.



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Bedingter Vorsatz reicht nach h.M. auch als subjektive Entsprechung der objektiven Mordmerkmale aus. Der Täter muss aber insbesondere die Umstände kennen, aus denen die Gemeingefährlichkeit des eingesetzten Tatmittels folgt. Ebenso verhält es sich bei der Bewertung einer Tötung als heimtückisch oder grausam. Der Täter muss jedoch zur Einschätzung seiner Tat als sozialethisch unerträglich nicht selbst gelangen.

 





Merke:



Für Heimtücke ist es zudem erforderlich, dass der Täter die Situation, aus der sich vor allem die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ergibt,

bewusst

 zur Tötung

ausnutzt

.