Strafrecht Besonderer Teil

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Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit › § 6. Gefährliche Körperverletzung (§ 224)

§ 6. Gefährliche Körperverletzung (§ 224)

Inhaltsverzeichnis

A. Grundlagen

B. Tatbestand

C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Versuch sowie Konkurrenzen

D. Kontrollfragen

A. Grundlagen

1

§ 224 bedroht als Qualifikationstatbestand fünf Begehungsweisen der „einfachen“ Körperverletzung (§ 223) mit erhöhter Strafe, weil diese allgemein als besonders gefährlich erscheinen.[1]

B. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

2

Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn der Täter in einer der in § 224 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 aufgeführten Weisen „die Körperverletzung begeht“, d.h. die fünf Modalitäten stehen selbstständig nebeneinander. Stets bedarf es einer gewissen Erheblichkeit.[2]

3

Beispielsfall 2 – Denkzettel:

A möchte B einen Denkzettel verpassen, weil dieser ihn zuvor in seiner Stammkneipe beschimpft hat. Als B auf die Toilette geht, folgt A ihm. Im Toilettenvorraum kippt er dem überraschten B zunächst aus kurzer Entfernung Salzsäure in das Gesicht. Anschließend rammt er B sein Taschenmesser in den Arm und verschwindet. Das Eindringen von Säure verätzt das linke Auge und verschlechtert dessen Sehkraft um 10 %. Die durch den Stich verursachte Wunde ist nach zwei Wochen verheilt.

Strafbarkeit des A?

Lösung:

4

Ein (versuchtes) Tötungsdelikt scheidet im Beispielsfall von vornherein aus. A hat B jedoch durch Säure und Stich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1; vgl. § 5 Rn. 3 ff.). Er könnte dies in den qualifizierten Formen des § 224 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 getan haben.

1. Durch Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen (§ 224 Abs. 1 Nr. 1)

5

a) Danach müsste A als Tatmittel – ein im Gesetz exemplarisch hervorgehobenes –[3] Gift oder einen anderen gesundheitsschädlichen Stoff verwendet haben. Als Stoff ist jede feste, flüssige oder gasförmige Materie zu verstehen (vgl. die Beispiele Rn. 6).[4]

Merke:

Gift ist jede Substanz, die im konkreten Fall geeignet ist, durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu schädigen.[5] Andere gesundheitsschädigende Stoffe sind dagegen solche, die mechanisch, thermisch oder biologisch auf den Körper des Opfers einwirken.[6]

6

Je nach den konkreten Tatumständen kommen bei entsprechender Verwendung auch an sich unschädliche Stoffe „des täglichen Bedarfs“ als Tatmittel in Betracht, z.B. Kochsalz[7] oder Zucker.[8] Eine Eignung zur Gesundheitszerstörung ist im Unterschied zur insoweit anders lautenden Vorgängervorschrift (§ 229 a.F.) nicht erforderlich.[9] Jedoch bedarf es im Hinblick auf den Strafrahmen des § 224 (bei erhöhter Mindeststrafe Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren) einer restriktiven Interpretation der möglichen Stoffe (Tatmittel). Deshalb muss die durch sie in Betracht kommende Gesundheitsschädigung – wie beim § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rn. 18 ff.) – erheblich sein.[10]

Beispiele:

(für Gift) Arsen, Blei, Leuchtgas, Pilz- und Schlangengift, Zyankali; (für andere gesundheitsschädigende Stoffe) Bakterien, brandbedingte Rauchgase;[11] Krankheitserreger (HI-Virus, Coronavirus),[12] Materialsplitter,[13] radioaktiv kontaminierte Substanzen, nicht jedoch elektrischer Strom sowie Gamma-, Röntgen- und radioaktive Strahlen, da diese keine Stoffe i.S. der Nummer 1 sind; insoweit kommt aber § 224 Abs. 1 Nr. 5 in Betracht (vgl. Rn. 31).

7

Bei der von A verwendeten Salzsäure handelt es sich um ein Gift.[14] Die damit verursachte körperliche Beeinträchtigung des B lag oberhalb der Erheblichkeitsgrenze. Das verwendete Messer zählt dagegen nicht zu den Tatmitteln des § 224 Abs. 1 Nr. 1, denn es ist als „Stoff“ nicht zur Gesundheitsschädigung durch eigene Wirkungskraft in der Lage.

8

b) Als spezifizierte Körperverletzungshandlung bezeichnet § 224 Abs. 1 Nr. 1 das „Beibringen“. Dafür ist es erforderlich, dass der Täter das Tatmittel derart mit dem Körper des Opfers in Verbindung bringt, dass es seine gesundheitsschädigende Wirkung entfalten kann.[15] Typischerweise wird der schädigende Stoff dabei in das Körperinnere gelangen, etwa durch Einspritzen, Schlucken- oder Einatmenlassen. Nicht zweifelsfrei ist es dagegen, ob auch das Herstellen eines lediglich äußeren Kontakts (z.B. durch Auftragen auf die Haut) ein Beibringen darstellen kann.[16]

9

(1) Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass das Beibringen auch äußerlich wirkende Gifte und Stoffe erfasst.[17] Dafür sprechen folgende Argumente:

10


Die Ansicht, dass ein Beibringen das „Verinnerlichen“ der gefährlichen Stoffe erfordere, ist von einem Teil der Literatur zum § 229 a.F. vertreten worden. Mit diesem Ansatz sollten die als weniger gefährlich erscheinenden Fälle nur äußerer Verwendung der Stoffe aus dem Anwendungsbereich der als Verbrechenstatbestand ausgestalteten Vorschrift ausgenommen werden. Infolge der herabgesetzten Mindeststrafe ist diese restriktive Auslegung nicht mehr geboten.

11



12

(2) Nach anderer Ansicht ist ein Stoff nur dann i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 1 „beigebracht“, wenn seine Wirkung im Innern des Körpers eintritt.[19] Ins Feld geführt werden diese Argumente:

13


Der Wortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 1 weicht von den Qualifikationen der Nummern 2, 3 und 5 ab. Er lässt nicht schon die Begehung der Körperverletzung „mittels“ eines Gifts oder anderen gefährlichen Stoffs genügen, sondern verlangt deren Beibringung. Diese unterschiedliche Fassung muss ernst genommen werden. Ihr kann am plausibelsten dadurch entsprochen werden, dass aus ihr die Notwendigkeit eines besonders engen Kontakts zwischen Tatmittel und Körper des Opfers dergestalt hergeleitet wird, dass das Tatmittel im Körperinnern wirkt.

14


Diese Auslegung erlaubt nicht nur eine trennscharfe Abgrenzung zwischen § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Gifte und andere gesundheitsschädliche Stoffe müssen im Innern des Körpers wirken, gefährliche Werkzeuge i.S. der Nummer 2 können nur solche Gegenstände sein, die von außen auf den Körper einwirken), sondern sie erhält § 224 Abs. 1 Nr. 1 seine eigenständige Bedeutung. Diese wäre anderenfalls zweifelhaft, weil die Vorschrift als spezielle Ausgestaltung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 verstanden werden könnte.

15

(3) Stellungnahme:

Die zweite Auffassung verdient den Vorzug. Sie wird der Gesetzessystematik und der von den übrigen Qualifikationen der gefährlichen Körperverletzung abweichenden Fassung des § 224 Abs. 1 Nr. 1 am ehesten gerecht.

16

Die Ansicht ist jedoch zu präzisieren. Da es nach ihr allein auf die besonders gefährliche Wirkung des Mittels im Körper ankommt, kann es keine Rolle spielen, auf welchem Weg diese Wirkung herbeigeführt wird. Tritt sie beispielsweise allein schon dadurch ein, dass ein Gift auf die Haut des Opfers aufgetragen wird, so liegt darin ein „Beibringen“. Die Grenze des möglichen Wortsinns wird durch ein solches Verständnis nicht überschritten. Denn der Begriff des „Beibringens“ enthält zwar eine Komponente des heimlichen, unmerklichen Vorgehens, das gerade im Einflößen eines Gifts bestehen kann.[20] Sein Sinngehalt wird damit aber nicht ausgeschöpft. Das Wort kann ebenso i.S. des äußeren Versetzens eines Hiebs, Stoßes oder auch einer Wunde verwendet werden.[21]

 

Merke:

Beibringen ist danach jedes Herstellen eines Kontakts zwischen gesundheitsgefährdendem Stoff und Körper des Opfers, sofern der Stoff im Anschluss – in Abgrenzung zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rn. 20) – zumindest auch im Innern des Körpers schädigend wirksam wird.

Beispiel:

A begießt die Kleidung des B mit einer alkoholhaltigen Flüssigkeit und entzündet diese; infolge der thermisch verursachten Verletzungen der Hautschichten bleiben großflächige Narben zurück.[22]

17

Zwischenergebnis:

Im Beispielsfall hat A somit die Salzsäure dem B beigebracht, da diese infolge des Kontakts mit dem Auge zu dessen Verätzung führte. Da A vorsätzlich gehandelt hat (vgl. Rn. 33), ist er einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 schuldig.

2. Mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2)

18

a) A könnte die Körperverletzung zudem mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen haben.

Merke:

Ein gefährliches Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen.[23]

19

Diesem Oberbegriff lassen sich Teile des Körpers (z.B. die Faust oder das Knie) nach h.A. nicht subsumieren.[24] Das Erfordernis der Beweglichkeit folgert die h.M. zutreffend aus der Wortlautgrenze (Art. 103 Abs. 2 GG).[25] Danach genügt es z.B. nicht, wenn das Opfer gegen eine Wand, den Fußboden oder einen Felsen gestoßen wird;[26] insoweit kommt ggf. § 224 Abs. 1 Nr. 5 in Betracht. Setzt der Täter einen beweglichen Gegenstand ein, ist es jedoch unerheblich, ob dieser gegen das Opfer oder dieses gegen den Gegenstand bewegt wird,[27] etwa der Kopf des Opfers auf einen festgestellten Schraubendreher oder ein Messer gestoßen wird.[28]

Vertiefungshinweis:

Teile der Literatur verlangen jedoch, dass der Körper gerade durch den Gegenstand („unmittelbar“) geschädigt wird.[29] Die dem folgende Rechtsprechung sieht daher beispielsweise ein fahrendes Kraftfahrzeug als gefährliches Werkzeug nur an, sofern das avisierte Opfer bereits durch die Kollision selbst verletzt wird (bzw. werden soll), nicht aber dann, wenn dieses erst sturzbedingt körperlich beeinträchtigt wird.[30] Ebenso soll es nicht genügen, wenn der Körperschaden erst durch ein etwa durch Schüsse ausgelöstes Unfallgeschehen eintreten soll.[31] Diese Differenzierung wirkt gekünstelt und überzeugt daher nicht.[32] Sie wird auch nicht durch den Wortlaut des § 224 Abs. 1 Nr. 2 erzwungen, denn das verwendete „mittels“ kann als gleichbedeutend mit dem Wort „durch“ verstanden werden. Dann aber bezeichnet es schlicht die notwendige Kausalität zwischen eingesetztem Werkzeug und körperlichem Schaden.[33]

20

Gefährliche Gegenstände sind in Abgrenzung zu § 224 Abs. 1 Nr. 1 (vgl. Rn. 15 f.) zudem nur solche, deren Wirkung sich darauf beschränkt, den Körper des Opfers von außen zu schädigen.

Beispiele:

Eisenstangen, Steine, Biergläser, Weinflaschen[34], abgeschlagene Flaschenhälse,[35] Gullydeckel, Eishockey- und Baseballschläger, Fahrradketten, Rasierklingen,[36] Metallschläuche,[37] Zaunlatten,[38] Injektionsspritzen[39] sowie feste Straßen- und Turnschuhe bei Tritten gegen den Kopf oder in die Bauchgegend.[40]

21

Auch an sich ungefährliche Gegenstände können Tatmittel i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 2 sein, aber nur dann, wenn sie bei ihrem konkreten Einsatz geeignet sind, Verletzungen erheblicherer Art herbeizuführen.

Beispiele:

A zieht B eine Plastiktüte über den Kopf und verursacht so dessen Bewusstlosigkeit.

C würgt D mit einem Schnürsenkel oder mit einer Krawatte.

E schlägt F mit einem Ledergürtel in das Gesicht[41] und auf das Gesäß.[42]

G gießt H kochendes Wasser auf Unterleib und Beine, was zu Verbrühungen führt.[43]

I verursacht bei J Brandwunden, indem er auf dessen Brust und Armen[44] sowie oberhalb der Nase Zigaretten ausdrückt.[45]

K kippt einen Schrank auf den am Boden liegenden L.[46]

M sticht N Nähnadeln unter die Zehennägel.[47]

O schlägt P mit seiner eingegipsten Hand wuchtig ins Gesicht.[48]

Q versetzt R mit einem ausgeklappten Fahrzeugschlüssel einen Schlag gegen den Hinterkopf.[49]

22

b) Als „ausgestanzten“ Unterfall des „anderen“ gefährlichen Werkzeugs hebt die Vorschrift ausdrücklich Waffen hervor. Dieser Begriff ist im technischen Sinn zu verstehen, d.h. er erfasst neben Schusswaffen i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG (z.B. Selbstladekurzwaffen),[50] insbesondere auch Hieb- und Stoßwaffen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG). Es handelt sich dabei um Geräte, die dazu geeignet und bestimmt sind, Menschen auf mechanischem oder chemischem Wege körperlich zu verletzen.[51] Deren Verwendung erfüllt das Merkmal jedoch nur dann, wenn diese im konkreten Fall gerade als gefährliches Werkzeug erfolgt. Diese Voraussetzung ist beispielsweise bei einem leichten Schlag mit einer Pistole gegen Arme, Beine oder Rücken des Opfers zu verneinen,[52] bei einem Messerstich jedoch zu bejahen.[53]

23

Zwischenergebnis:

Im Beispielsfall hat A durch den Einsatz seines Taschenmessers auch § 224 Abs. 1 Nr. 2 vorsätzlich (vgl. Rn. 33) verwirklicht.

3. Mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3)

24

Da B vom Angriff des A überrascht wurde, könnte dieser die Körperverletzung auch mittels eines hinterlistigen Überfalls begangen haben. Ein Überfall ist ein plötzlicher Angriff, auf den sich der Angegriffene nicht rechtzeitig einstellen kann.[54] Ein solcher Angriff des A liegt vor. Das Gesetz verlangt aber seine hinterlistige Begehung.

Merke:

Hinterlist setzt voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Angegriffenen die Abwehr zu erschweren.[55]

Beispiele:

A streckt B die Hand zur Begrüßung hin, um ihn in Sicherheit zu wiegen, schlägt dann aber wie geplant unvermittelt zu.[56]

C lockt D unter dem Vorwand, sie für eine Zeitschrift fotografieren zu wollen, in seine Wohnung. Dort gibt er ihr einen mit einem Schlafmittel vermischten Saft, um im Anschluss sexuelle Handlungen an ihr ausführen zu können.[57]

25

Ein derart listiges Vorgehen des A lässt sich im Beispielsfall dem Sachverhalt nicht entnehmen. Allein das Ausnutzen des Überraschungsmoments, etwa durch einen plötzlichen Angriff von hinten, genügt für § 224 Abs. 1 Nr. 3 nicht.[58] Im Hinblick darauf ist es nicht unproblematisch, die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 3 in Fällen zu bejahen, in denen sich ein Täter vor dem überraschenden Angriff auf das Opfer vor diesem verbirgt, ihm auflauert oder sich anschleicht.[59]

26

Ergebnis: A hat § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 2 verwirklicht. Er hat B zwar durch zwei Handlungen verletzt. Diese bilden aber eine natürliche Handlungseinheit. A ist daher wegen einer gefährlichen Körperverletzung zu bestrafen.

4. Mit einem anderen gemeinschaftlich (§ 224 Abs. 1 Nr. 4)

27

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 erfüllt, wer die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Danach bedarf es des einverständlichen Zusammenwirkens lediglich zweier Personen.[60]

Beachte:

Diese müssen sich grundsätzlich am Tatort aufhalten, da nur dann die vom § 224 vorausgesetzte besondere Gefährlichkeit der Tatbegehung für das Opfer gegeben sein kann (vgl. Rn. 1).[61]

28

Wirken jedoch drei oder mehr Personen zusammen, ist es ausreichend, wenn wenigstens zwei von ihnen am Tatort sind.[62]

29

Es genügt im Übrigen, wenn es sich bei den Zusammenwirkenden um einen Täter und einen Teilnehmer handelt. Zwar enthält § 224 Abs. 1 Nr. 4 das Merkmal der Gemeinschaftlichkeit und knüpft damit begrifflich an § 25 Abs. 2 an. Er bezeichnet aber die Person, mit der der Täter zusammenwirken muss, ausdrücklich als „Beteiligten“ und verwendet damit einen in § 28 Abs. 2 legaldefinierten Terminus. Daraus lässt sich mit noch hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es eines mittäterschaftlichen Vorgehens nicht bedarf.[63]

30

Merke:

Mit Blick auf die spürbar angehobene Mindestfreiheitsstrafe ist freilich eine Beteiligung notwendig, durch die sich die Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation erhöht.[64]

Dies wird sich beispielsweise bei einer Anstiftung durch einen am Tatort Anwesenden ohne dessen weiteres Eingreifen in die Tatausführung oder bei bloßer psychischer Beihilfe (Anfeuern des Täters, Beifallklatschen) nicht von selbst verstehen.[65] Rein passive Anwesenheit am Tatort genügt nicht,[66] weil diese nicht geeignet ist, die Lage des Verletzten zu verschlechtern.[67]

Vertiefungshinweis:

Ist die Begehungsvariante erfüllt, kann einem ggf. geminderten Unrechts- und Schuldgehalt durch die Annahme eines in § 224 Abs. 1 vorgesehenen minder schweren Falls Rechnung getragen werden.

5. Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5)

31

Gefährlich i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 5 ist eine Körperverletzung, die mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen wird. Dafür ist der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die zu beurteilende Handlung geeignet war, eine Lebensgefährdung herbeizuführen.[68] Diese Auslegung findet nicht zuletzt eine Stütze in den Materialien zum 6. StrRG.[69]

Merke:

Ob eine ,,Behandlung“ geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden, ist zwar unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls zu prüfen. Der Eintritt einer konkreten Gefahr ist dafür aber nicht notwendig.[70]

Beispiele:

A drosselt B mit einem Sicherheitsgurt, so dass dieser „gerade noch Luft bekommt“,[71] Sehstörungen erleidet[72] bzw. bewusstlos wird.[73]

C setzt D „in exzessiver Weise“ medizinisch nicht indizierten Röntgenstrahlen aus.[74]

E versetzt einem neun Wochen alten Kind wuchtige Faustschläge gegen den Kopf.[75]

F schubst G eine steile Steintreppe hinunter.[76]

H tritt in massiver Weise gegen den Kopf des am Boden liegenden I.[77]

J legt den spärlich bekleideten und schwer alkoholisierten K bei 0° C im Freien ab.[78]

32

Wird ein gefährliches Tatmittel (z.B. ein Messer) eingesetzt, deutet dies zwar auf das Vorliegen dieser Begehungsvariante hin. Es ist aber stets zu prüfen, gegen welche Körperregion es geführt worden ist.[79] Das Abfeuern von Gummigeschossen etwa gegen den Hals kann genügen, weil sie dort lebensgefährliche Verletzungen herbeiführen können.[80] Wird das Opfer gewürgt, so kommt es namentlich auf Dauer und Intensität des Einwirkens an.[81] Führt dieses zur Bewusstlosigkeit, ist eine lebensgefährdende Behandlung regelmäßig zu bejahen.[82]

 

Vertiefungshinweis:

Ähnlich wie beim § 224 Abs. 1 Nr. 2 (vgl. Rn. 19) muss gerade die Art der Behandlung geeignet sein, das Leben zu gefährden („mittels“). Daher soll es beispielsweise nicht genügen, wenn das Opfer durch einen für sich genommen ungefährlichen Stoß des Täters auf die Fahrbahn stürzt und erst infolge dessen dem Risiko ausgesetzt ist, durch einen nachfolgenden Unfall getötet zu werden.[83]