Von Pirna bis Bad Schandau

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Geschichte der Menschen

Wenn wir von der Geschichte des Elbsandsteingebirges sprechen, verbindet sich das bei vielen vor allem mit den Felsenburgen oder der mittelalterlichen Kolonisation. Weitaus geringer aber und weniger bekannt, sind dagegen die Spuren von Menschen, die vor Tausenden von Jahren hier durchzogen, sich kürzer oder länger aufhielten, siedelten oder lebten. Das zerklüftete Felsengewirr belebt die Phantasie mit Geheimnissen.

Die Felsenwelt der heutigen Böhmisch-Sächsischen Schweiz haben schon in der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) vor annähern achttausend Jahren kleine Gruppen von Jägern und Sammlern bewohnt. Es wird angenommen, dass ihre Lebensweise ähnlich war wie bei den Waldindianern Nordamerikas vor der Ankunft der Europäer. Ihre Werkzeuge und Waffen bestanden aus Holz, Knochen, Feuerstein oder Quarzitgestein. Es waren kleine Gruppen von Menschen, die in dieser Fels- und Waldwildnis gejagt haben und sich unter den Felsüberhängen Rastplätze errichteten. Die Funde aus dieser Zeit wie Knochensplitter, Feuersteinabschläge und verkohlten Holzreste sind zwar geringfügig, aber sie können für die Forscher bemerkenswerte Erkenntnisse bringen.

Auch von den ersten Landwirten wurden die Felsüberhänge der niedrigeren Lagen als Unterschlupf genutzt. Rund fünftausend Jahren sind die ältesten Funde im Elbsandsteingebirge alt. Als erstes wurde durch die jungsteinzeitlichen Landwirte das Landschaftsbild geändert. Auf abgeholzten Flächen legten sie Felder und Weideplätze an.

Anfänglich benutzten sie noch steinerne Werkzeuge und Waffen, später lernten sie Kupfer, Bronze und Eisen zu verarbeiten und erzeugten bereits Tongefäße.

Vor ca. 1000 Jahren dann war die Sächsisch-Böhmische Schweiz als Grenzgebiet dreier slawischer Gaue in Erscheinung getreten. Der Gau Nisane (ostelbisch von Dresden bis Pirna), der Gau Milzane (heutige Oberlausitz) und im Süden der Gau Dacine prägten die damalige politische und ökonomische Landschaft.

Seit dem 7. Jahrhundert u. Z. drangen Slawen (Sorben-Wenden) in das unwirtliche Waldgebirge ein. Ihre Zahl mag bescheiden gewesen sein. An sie erinnern noch verschiedene Orts- und Flur-, Berg- und Flussnamen; z. B. Kirnitzsch, Sebnitz, Pplenz, Wesenitz, Biela, Müglitz; Rathen, Wehlen, lähmen, Pirna, Olsen, – Weißig, Gohrisch, Postelwitz, Schmilka, Prossen, Wendischfähre, Wendische Aue (in Flur Heeselicht) und Wendisch-Heinersdorf, Wünschendorf („das Windische dorf“) usw. Auch in der Volkssprache der Sächsischen Schweiz sind manche wendische Reste erhalten geblieben. Die hauptsächlichste Nahrungsquelle der hier ansässigen Slawen dürfte der Fischfang und daneben die Zeidelweide (Waldbienenpflege) gewesen sein; Ackerbau und Viehzucht scheinen nur bescheidenen Umfang gehabt zu haben. Außerdem deuten Namen wie Lohnten (altslawisch lomu „Steinbruch“) und Kleppisch (slawisch klepafi „Hammer“) auf alte industrielle Tätigkeit. Man vergleiche auch Orts- und Flurnamen, wie Brausnitz, Bahra, Oatza. Die deutsche Kolonisation setzt hier frühestens im 12. Jahrhundert ein; ihren Höhepunkt erreicht sie offenbar erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Ob zuerst Wiprecht v. Groitzsch deutsche Siedler nach dem Meißner Hochland gerufen hat, da ihm Judith (gestorben 1109), die Tochter des Bohmenherzogs, späteren Königs Wratislaus, die beiden Gaue Milsca (Budessin) und Nisani, zu denen der größte Teil der Sächsischen Schweiz gehörte, als Mitgift zugebracht hatte, muss noch dahingestellt bleiben. Auf dem linken Elbufer begegnet uns schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der Johanniterorden, seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts die böhmisch-mährische Ordensbailei der Herren vom Deutschen Hause. Vermutlich sind beide geistliche Ritterorden die Leiter der deutschen Kolonisation in dieser Gegend gewesen. Untergegangene Ortschaften (Erdmannsdorf, Nebelsehitz, vielleicht auch Stolzenhain, Reichenau und Altkunnersdorf) und Dörfer mit wohl verkümmerten Ansätzen zu städtischer Entwicklung (Krippen, Rosenthal, Struppen, Schöna, Reinhardtsdorf) scheinen aber darauf hinzudeuten, dass dem Deutschen Orden (besonders nach der Niederlage bei Tannenberg 1410) Kraft und Neigung fehlten, hier weiterzubauen.


Abb. 3: Darstellung der Schlacht bei Tannenberg in der Berner Chronik von Diebold Schilling dem Älteren um 1483

Ob und in welchem Umfange die Burggrafen v. Dohna in ihrem Gebiete zwischen Gottleuba und Lockwitz an der deutschen Kolonisation beteiligt waren, liegt noch ganz im Dunklen. Auf dem rechten Elbufer darf die Herbeiführung deutscher Siedler im 13. Jahrhundert, wenn sie nicht durch die böhmischen Könige unmittelbar erfolgte, vielleicht den Herren v. Michelsberg, die mit dem um die Einführung deutscher Kultur in Böhmen so außerordentlich verdienten Herrengeschlechte der Markwarte verwandt waren, zugeschrieben werden. Wahrscheinlich hat die im Besitz des Hauptteils der Sächsischen Schweiz östlich der Elbe nachweisbare Familie der Birken v. d. Duba dieses Gebiet erst von den Michelsbergen erworben; letztere besaßen noch bis 1406 die Herrschaft Rathen. Namentlich aus sprachlichen Gründen ist als Heimat der deutschen Kolonisten in unserem Gebiete das Frankenland (die Bamberger und Würzburger Gegend) anzusehen. Die Mundart der Sächsischen Schweiz auf dem linken Elbufer zeigt Anklänge an das Osterzgebirgische; vielleicht sind hier Franken und Thüringer gemischt angesiedelt worden. In der Hauptsache verdankt die Sächsische Schweiz ihre deutsche Kultur dem Pfluge.

Als im 13.Jahrhundert die deutsche Besiedelung begann, kam es zur systematischen Rückdrängung des böhmischen Einflusses und zahlreichen lokalen kriegerischen Auseinandersetzungen um die strategisch wichtigen Festungsanlagen, die in erster Linie der Grenzsicherung und der Sicherung der Verkehrswege diente. Aufgrund fehlender Zentralgewalt wurde diese „Schutzfunktion“ durch die ansässigen Rittergeschlechter wahrgenommen. Durch eine fortschreitende Zergliederung der Einflussbereiche aufgrund Erbteilung, war das wirtschaftliche Gleichgewicht in der Region nicht mehr gegeben. Zahlreiche Trutzanlagen verkamen zu Raubritterburgen. Erst die Machtübernahme zahlreicher Burgen durch die Wettiner Mitte des 16. Jahrhunderts machten diesem Treiben ein Ende.

Auch in späteren Zeiten dienten die Felsüberhänge nicht nur als Unterschlupf vor der Witterung, sondern auch vor Feinden. Wir werden noch darauf kommen. Die Menschen im Mittelalter hinterließen uns größere „schmutzige“ Schichten mit Knochensplittern, teilweise auch mit Keramikscherben. Durch die Gesetze der Natur ist die letzte neuzeitliche Schicht auch die stärkste. Sie durchdringt und zerstört die unteren älteren Schichten.

Geschichte der Gesteine und Felsen

Häufig trifft man im Elbsandsteingebirge Felsstrukturen an, die auf Brauneisenanreicherungen zurückzuführen sind. Eisenoxide wurden vom durchsickernden Wasser gelöst und lagerten sich in bestimmten Sandsteinschichten ab. Dort verfestigen sie den Sandstein und schützten ihn vor schneller Erosion. Über einen längeren Zeitraum entwickelten sich die charakteristischen Brauneisenbänder, -röhren und -schwarten.

Wenn sich zwei nahe beieinander liegende Felsöffnungen durch Erosion vergrößern, entstehen sogenannte Sanduhren. Dort wo der Sandstein am weichsten ist, kommt es zunächst zur Verbindung der hinteren Teile der Löcher. Die Felskruste im vorderen Teil ist widerstandsfähiger. Dies führt dazu, dass sich eine Säule herausbildet.


Abb. 4: Wabenverwitterung

Eine der typischen Verwitterungsform im Sandstein sind die Waben. Ihre Entstehung geschieht vorwiegend durch chemische Kräfte und nicht, wie man früher annahm, durch Winderosion. Salze werden an der Gesteinsoberfläche ausgeschieden. Dabei bilden sich Kristalle, die den Sandstein sprengen und damit die Verwitterung beschleunigen. Gleichzeitig kommt es unter dem Einfluss von Kieselsäure zu einer Verfestigung des Felsens. Diese beiden entgegengesetzten, in enger Nachbarschaft ablaufenden Vorgänge führen zu der charakteristischen Wabenstruktur.

An einigen Stellen der Felswände lassen sich auch sogenannte schiefe Schichtungen beobachten. Deren Ursprung liegt darin, dass sich Sand aus fließendem Wasser in Schwemmkegeln absetzte. Hier kann man als Schlussfolgerung ableiten, dass die Ablagerung der Sande in einem Flachmeer stattfand und dass der Sedimenteintrag durch zufließende Gewässer erfolgte.

Wie kommt es nun zu den Felsstürzen? Die Sandsteinmassive unterliegen einer ständigen Veränderung. Unter den Felswänden häufen sich kleinere herabgestürzte Steine und Blöcke bis zur Größe eines Einfamilienhauses. Um einen solchen Felssturz auszulösen genügt manchmal nur ein Dauerregen. Felsstürze gab es im Laufe der geologischen Geschichte immer wieder, die meisten sind auch heute unabwendbar. Es ist zu befürchten, dass die Gefahr durch den zunehmenden Klimawechsel in den kommenden Jahren immer häufiger auftreten wird. Wir wollen die Hauptmechanismen des Felsabtrags im Elbsandsteingebirge näher beschreiben.

Durch Prozesse der Verwitterung werden von der Felsoberfläche ständig einzelne Sandminerale bis hin zu kleineren, einige Kilogramm schweren Steinen abgelöst. Sie werden von Frost, Baumwurzeln oder durch Salze aufgelockert.

Detaillierte Messungen haben gezeigt, dass die Hänge der Sandsteinebenheiten sich in ständiger Abwärtsbewegung befinden, auch wenn es sich oft nur um Millimeter oder sogar Zehntel von Millimetern im Jahr handelt. Diese langsame Bewegung kann durch Regenwasser beschleunigt werden. Das Wasser weicht nicht nur das Grundgestein auf, sondern macht den Sandstein, der eine durchschnittliche Porosität von 20% aufweist, auch schwerer. Eine besonders gefährliche Jahreszeit ist der zeitige Frühling, wo die Blöcke noch dazu vom Frost gelockert werden.

 

Am 22. November 2000 kam es am Wartturm zu einem der spektakulärsten Felsstürze der vergangenen Jahrzehnte in der Sächsischen Schweiz. Dabei brach etwa ein Drittel des Felsens ab, etwa 450 m³ Sandstein mit einem geschätzten Gesamtgewicht von 800 Tonnen stürzten über 60 bis 75 m zu Tal. Das war die größte Felsmenge seit einem Felssturz im Jahr 1961 am Bienenkorb, der zudem keine so große Fallhöhe hatte.


Abb. 5: Wartturm im April 2001

Die Felsstürze sind oft dadurch bedingt, dass das Sandsteinmassiv unterhöhlt ist.

Die Sandsteinoberfläche verhält sich anders, als das tiefer gelagerte Gestein. Sie wird von der Sonne erwärmt und vom Wasser durchfeuchtet. Dadurch kommt es zu Volumenänderungen und Temperaturspannungen. Es sind zwar nur geringfügige Veränderungen, aber sie erfolgen regelmäßig zu jeder Jahreszeit und manchmal auch jeden Tag und jede Nacht. So kommt es zum ständigen Lostrennen und Abfallen der Oberfläche. Manchmal löst sich der Fels schalenartig. Diese Erscheinung ist z. B. an Felsüberhängen gut erkennbar.

Dennoch: „Ich habe auf meinen früheren Reisen durch das südliche Deutschland, die Schweiz, Salzburg, Österreich und Schlesien sehr viel Schönes dieser Art gesehen, doch solche herrlichen Felsengruppen sind mir dort nirgends aufgestoßen“, sagte Carl Merkel, Höhlen- und Naturforscher 1826.

Der Schwindel vom Elbsandsteingebirge

Fassen wir unser erstes Kapitel zusammen und klären gleich die Frage, ob die Bezeichnung Elbsandsteingebirge ein Schwindel ist. Es mag wie ein Gebirge erscheinen. In Wirklichkeit handelt es sich, wie wir nun wissen, um den Grund eines Kreidemeeres.

In der Kreidezeit vor 135 bis 65 Mio. Jahren wurden die wesentlichen Grundlagen für das heutige Erscheinungsbild der Sandsteinablagerung der Sächsischen Schweiz geschaffen. Zu Beginn der Oberkreide vor 95 Mio. Jahren begann sich die nahezu ebene Landoberfläche aus Erzgebirgsgneisen, Elbtalschiefer und dem Südlichen Lausitzer Granitmassiv in Richtung Nordost zu senken. Dadurch konnte das Kreidemeer vordringen und sich ausdehnen. Während der mittleren Oberkreide bestand eine Meeresverbindung zwischen dem Böhmischen und dem Nordwestdeutschen Kreidemeer, im Umfeld der Sächsischen Schweiz begrenzt vom Festland des Erzgebirgskristallins im Südwesten und im Nordosten von der Lausitzer Granitinsel. Die Sandablagerung auf dem Boden des Kreidemeeres dauerte etwa 8 Mio. Jahre – eine Zeit, während der sich die Elbzone weiter senkte. Dabei wurden Sandsteinmächtigkeiten gebietsweise von heute mindestens 600 m erreicht. Allgemein einsetzende Hebungsvorgänge in der Oberkreide drängten das Meer zurück, wodurch die Ablagerung der Sedimente, also von Schottern, Sand und Schlamm zum Erliegen kam. Eine weite ungegliederte Sandsteintafel blieb zurück.

Im Tertiär (als Tertiär bezeichnet man informell den geologischen Zeitabschnitt der Erdneuzeit vor Beginn des Quartärs – Das Quartär ist der jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte einschließlich der „Jetztzeit“-). Das Tertiär begann vor 65 Millionen Jahren (Ende der Kreidezeit) und dauerte bis zum Beginn der Klimaveränderung vor rund 2,6 Millionen Jahren, in deren Folge das Eiszeitalter im Quartär einen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten brachte. Das Klima auf der Erde war im Tertiär wesentlich wärmer als heute. Nach dem Massenaussterben der großen Saurier und vieler anderer Tierarten am Ende der Kreidezeit entwickelte sich hauptsächlich im Tertiär die Tier- und Pflanzenwelt, wie wir sie heute kennen. Klüfte und Brüche unterteilten das Gesteinspaket in Quader. Im Nordosten schob sich die Granitdecke des heutigen Lausitzer Berglands über den Sandstein, im Süden hob sich die Erzgebirgsscholle und stellte sich schräg. Die Flüsse bekamen dadurch ein viel größeres Gefälle und schufen Durchbruchstäler und die tiefen Schluchten an den Bruchstellen und senkrechten Spalten der einzigen Sandsteinplatte. An den Bruchstellen quollen zum Teil Basaltische Magmen hervor und bildeten Vulkankegel. Dieser Prozess wurde zum Ende der Eiszeit beschleunigt, denn das Abschmelzen des Eises führte zu einer stärkeren Wasserführung der Flüsse, insbesondere der Elbe. Diese grub sich insgesamt ca. 300 m in den Sandsteinsockel ein, Schluchten und Klammtäler, wie die Kirnitzschklam, entstanden.

Über Jahrmillionen wurde also diese Schichttafel stark zerklüftet. Die Elbe und ihre Nebenflüsse fraßen sich ein und „räumten“ sie aus. Es entstand eine bizarre Ruinenlandschaft aus Quadersandstein, die ganz allmählich weiter zu Sand zerfällt. Kegelförmige Basaltberge und angrenzende Hanglagen aus Granit ergänzen das Landschaftsbild.


Abb. 6: Sandstein-Felsbrücke Prebischtor

Diese Landschaft geht von eigenartigen Funktionen aus: Im Gegensatz zur Klimaabfolge eines richtigen Gebirges herrscht im Sommer in den Gründen und Schluchten ein feuchtkühles Kellerklima. In den höheren Lagen, auf den Felsriffen, ist es dagegen warm und trocken. Deshalb steht auch die Verbreitung der Pflanzen- und Tierarten praktisch auf dem Kopf: Gebirgsbewohner siedeln im Keller und Flachländer haben die Gipfel erobert. Wie sonst nur im Hochgebirge, markieren auf den Felsriffen geringwüchsige Kiefern, die an Bonsai erinnern, die Kampfzone zwischen Wald und Fels.

Eine typische Erscheinung im Elbsandstein ist die Wasserarmut. Die Schwammwirkung des porösen Steins lässt Fließgewässer schnell versickern. Die Bezeichnung „Dürre Bäche“ weist darauf hin.

Elbsandstein, das Material für die zerstörenden und zugleich formenden Kräfte der Natur, ist trotz seiner einfachen Zusammensetzung vielgestaltig und wandelbar. Die Farbe des Quarzsandsteines ist grauweiß bis gelblich. Im Süden des Gebietes ist er grob-, im Norden feinkörnig. Das hat großen Einfluss auf die Form der Felsen.

Die Quarzkörner werden durch verschiedenste Bindemittel zusammengehalten. Werden diese herausgelöst, entstehen beeindruckende Formen.

Sie reichen von bizarren Eisenröhren bis hin zu Felswänden volle Wabenstrukturen.

Aber nun soll unsere geschichtliche Zeitreise den ersten Ort passieren.

Pirna – Das Tor zur Sächsischen Schweiz


eit wann existiert menschliches Leben im Gebiet um Pirna? Feuersteinwerkzeuge aus dem späten Paläolithikum am Ende der letzten Eiszeit sind die ältesten Zeichen einer menschlichen Besiedlung in diesem Gebiet. Durch die klimatisch günstige Lage und fruchtbare Lößböden begünstigt, lebten hier Ackerbauern und Viehzüchter in der Zeit der Bandkeramik und ihre nachfolgenden Kulturen. Nach dem Abzug von germanischen Stämmen aus dem Elbtal, welche hier ab dem 4. Jahrhundert v.u.Z. ansässig waren, besiedelten um etwa 600 n.u.Z. die slawischen Sorben als Fischer und Bauern dieses Gebiet. Der Name Pirna soll sich aus dem sorbischen „Perno“ – „na pernem“ – „auf dem Harten (Stein)“ ableiten. Der heutige Forschungsstand der Namensdeutung bezieht sich auf einer Darstellung von Professor Ernst Eichler auf die slawische Form von pirno oder pirna. Das Wort pir bedeutete glühende Asche in der slawischen Sprache. Geografisch könnte dieses eine Feuer-Rodungsstelle oder Opferstätte mit Feuer bedeuten.

Die Geschichte

Wir schreiben das Jahr 1233. Eine Urkunde des Bischofs Heinrich von Meißen nennt erstmals ein Ort namens Pirna. Diese Urkunde von 14. März 1233 hat aber als solche nichts mit Pirna zu tun. Lediglich am Schluss der Urkunde wird der Name erwähnt, da dort als Zeuge der Beurkundung, ein Priester Gottschalk aus Pirna („godeschalcus de pne, plebanus”) erwähnt wird. Stadtgründer mag da wohl Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meissen sein. Er urkundete hier erstmals. So erwähnt ein Schriftstück aus dem Jahre 1245 einen Bürger („burgensis”) aus Pirna, so dass die junge Ansiedlung spätestens zu diesem Zeitpunkt Stadtrecht besessen hat. Das geschah aber bereits fünf Jahre früher. Zum einen gab es möglicherweise auf der Anhöhe des heutigen Sonnensteins weit vor ihrer Erwähnung als Burg eine slawische Burgwarte. Außerdem wird angenommen, dass es bereits Ansiedlungen am Hausberg und „Am Plan“ gegeben hat. Im Bereich der Breiten Straße könnte auch schon eine Kaufmannsniederlage bestanden haben. Doch das sind alles nur vage Vermutungen, die bisher nicht sicher erwiesen wurden. Frühere Namen von Pirna waren Pern, Perne, Perna, Pernis, Pernaw und Pyrn. Die Ableitung des Namens von dem auf dem Stadtwappen dargestellten Birnbaum ist nicht nachgewiesen. Einerseits dehnte sich die alte Burggrafschaft Donna auf langer Strecke bis zu Gottleuba aus und dieser Ort bildete vermutlich einst die Ostgrenze des Doninschen Reichslehens und andererseits aber der Burgbezirk von Königstein gegen Westen noch die Fluren von Struppen, Leupoldishain und Nikolsdorf einschloss, so kann Pirna ursprünglich nur einen geringen Umfang gehabt haben. Wahrscheinlich bestand sie bloß aus der Burg und ihrem allernächsten Zubehör, also etwa aus einzelnen Fluren, wobei es sich hier um Cunnersdorf, Ebenheit, Nieder-Vogelgesang, Mannewitz, Rottwerndorf und Krietzschwitz bzw. Neundorf gehandelt haben kann.

Die Stadt Pirna aber mag einen riesengroßen Verwaltungsbezirk gebildet haben, in dem ein Burggraf als Vertreter des Landesherrn nur die hohe Gerichtsbarkeit und den militärischen Befehl hatte. Die Gegend um Gottleuba endlich scheint namentlich durch den Bergbau erschlossen worden zu sein. In jene Zeit fällt wohl auch die Anlage der schon immer zu Pirna gerechneten Fluren Langenhennersdorf, Hermsdorf, Markersbach und Erdmannsdorf. Gleichzeitig und vermutlich im Zusammenhang mit diesen Vorgängen erblühte Pirna. Durch seine Lage am Elbstrome, an dem uralten Straßenzügen Bautzen – Stolpen – Prag sowie unter der nahen Schutzburg (Sonnenstein) begünstigt, erhielte sie um 1240 das Stadtrecht. Dabei bildete der Marktplatz den Mittelpunkt.


Abb. 7: Marktplatz Pirna von Canaletto

Vom fast rechteckigen (leicht trapezförmigen) Markt gingen rechtwinklig die Straßen ab. Dieses System ist mit einem Schachbrett vergleichbar. So verliefen viele Wege der Stadt von Ost nach West sowie von Nord nach Süd parallel. Nur um die Kirche herum waren die Gassen etwas unregelmäßiger angelegt. Ursachen dafür waren aller Wahrscheinlichkeit nach der Anstieg zum Burgberg und bereits vorher existierende Ansiedlungen. Dieses Straßennetz ist noch heute in der Altstadt vorhanden.

Außer seinem geringen Umfange ist aber Pirna auch noch seine ungewöhnliche Gestalt auffallend. Während die viel größeren Nachbarämter gut abgerundete Landkomplexe darstellen, die auch über natürliche Gebilde (Flussgebieten) verfügten, so erscheint Pirna wie ein schmales, in der Mitte noch besonders verengtes Band, das sich an die Gottleuba anschmiegt. Nach allem ist davon auszugehen, dass sich Pirna aus einem alten Markwaldstreifen entwickelt hat, der ursprünglich die Burggrafschaf Dohna von dem Königreich Böhmen (zu dem es in der Hauptsache gehörte), trennte. Das Schloss Pirna war zunächst nur eine Geleitburg an der Kreuzung von Strom und Straße.

Das Aufblühen Pirnas und seine industrielle Erschließung eben dieser Markwaldstrecke leitete die besondere Entwicklung dieses Landstriches ein. Vermutlich hat hierbei Markgraf Heinrich der Erlauchte (1221 – 1288) mitgewirkt, denn durch besagten Markgrafen erhält Pirna Stapelrecht und wird damit privilegierte Handelsstadt an der oberen Elbe.


Abb. 8: Pirna, Kupferstich von Merian (1650)

1269 ist dann der erste urkundliche Nachweis der Burg Pirna vorhanden, obwohl die Burg bzw. Schloss vermutlich schon früher vorhanden waren (siehe dazu den Kapitelunterpunkt). Im Jahre 1292 wird mit den Schuhmachern die erste Handwerkerzunft durch den Bischof bestätigt. 1293 wurde Stadt, Schloss und Pflege Pirna durch den Meißner Bischof an den böhmischen König veräußert. Das war aber zur damaligen Zeit eigentlich mit vielen Gebieten gang und gäbe.

 

Die Dominikaner, ein Bettelmönchorden, gründen in Pirna um 1300 ein Kloster und um 1317 eine Lateinschule. König Johann von Böhmen erneuert 1325 die durch ein Feuer verlorenen Privilegien und festigt Pirnas Stellung als wirtschaftlich starke Grenzstadt zur Mark Meißen. Zu hohen Ehre kommt Pirna im Jahre 1351, als Kaiser Karl IV. in Pirna einen Fürstentag abhält.

1405 kommt die Stadt wieder unter Markmeißnischer Herrschaft (bedeutendste Ansiedlung im oberelbischen Raum) und daraus ergibt sich, dass im Pirnaischen Wappen 1462 der meißnische Löwe erscheint. Die Stadt war von einer ca. 10 m hohen Stadtmauer umgeben, welche um 1628 ausgebaut wurde und bis Ende des 18. Jahrhunderts noch in einem gut erhaltenen Zustand existierte. Durch die Mauer führten 4 Tore (Elbtor, Schifftor, Obertor und Dohnaisches Tor) sowie eine Pforte für Fußgänger. Bereits 1811 begann der Abriss der Stadtbefestigung und keines der Tore blieb erhalten. Nachdem 1836 Pirnas Stadtmauern und Stadttore gefallen waren, wurden die außerhalb gelegenen Ansiedlungen der Stadt zugeordnet. Einige Reste der Stadtmauer sind bis heute noch erhalten.


Abb. 9: Pirna vom rechten Elbufer von Canaletto

Dann im Jahre 1472 wird die Eisenkammer als Handelsniederlage errichtet. Diese garantiert die kurfürstliche Kontrolle über den Eisenhandel, 1686 erfolgte aber dann die Schließung. Infolge der sächsischen Landesteilung gelangt Pirna 1485 zum albertineschen Sachsen und erlangt 1491 die Obere Gerichtsbarkeit.

Auch eine unrühmliche Persönlichkeit ist in dieser Zeit in Pirna zu verzeichnen: Johann Tetzel (um 1465-1519). Der Dominikaner und Ablassprediger Johann Tetzel wurde um 1465 in Pirna geboren (Geburtshaus in der Schmiedestraße). Nach unterschiedlichen Überlieferungen soll Tetzels Vater ein kleines Fuhrmanns- und Handelsgeschäft betrieben bzw. das Handwerk des Weißbäckers ausgeübt haben. Nach der Vorbildung des begabten Sohnes an der Pirnaer Lateinschule brachte er ihn zu theologischen Studien nach Leipzig. Etwa 1489 trat Johann Tetzel in das Leipziger Dominikanerkloster ein. Er entwickelte sich zum Gegenspieler Martin Luthers. Wiederholt besuchte er seine Heimatstadt Pirna. (1539 kam es Einführung der Reformation in Pirna – siehe dazu entsprechende Unterkapitel).

1519/20 opponiert die Bürgerschaft gegen den Rat. Herzog Georg erlässt daraufhin eine neue Ratsverfassung. Im Jahre 1532 stirbt etwa ein Drittel der Stadtbevölkerung an der Pest. Mit dem Stadtpfeifervertrag 1545 begründet Pirna als erste Stadt im meißnisch-sächsischen Raum eine Stadtpfeiferei. Ferdinand I., der spätere Kaiser verleiht 1549 ein neues Stadtwappen und das Recht, mit rotem Wachs zu siegeln.

Schon im 16. und 17. Jahrhundert gelangte Pirna durch die rege Handelstätigkeit zu Wohlstand. Dieser spiegelte sich in der Architektur wieder, die heute noch an vielen Bauwerken der Altstadt erhalten ist. Pirna war Umschlagort für Salz, Getreide, Stoffe, Tonwaren und vor allem für Sandstein.

Im 17. Jahrhundert kommt es dann um 1620 zur Niederlage der Böhmischen Stände. Mit der Vertreibung der böhmischen Protestanten wird Pirna ein Hauptzufluchtsort. Neun Jahre später leben in der Stadt über 2000 böhmische Flüchtlinge. Die Exulantengemeinde versammelt sich in der Nicolaikirche zu Gottesdiensten in tschechischer Sprache. 1634 wird dann Pirna zum Ort der Friedensverhandlungen zwischen Sachsen und Habsburgern, die 1635 zum Prager Frieden führten.

Eine Besonderheit war das „Pirnisch Eisen“ (Pirnaer Eisenwaren). Das war ein wichtiges Handelsgut. Das Erz kam aus dem nahegelegenen Berggießhübel. Das verarbeitete Eisenerz wurde monopolistisch durch die kurfürstliche Eisenkammer, welche sich 1472-1686 im jetzigen Stadthaus befand, gehandelt. Abgebrochen wurde die Wohlstandsentwicklung durch die Eroberung der Stadt durch die Schweden im Jahr 1639. Diese belagerten 1639 die Stadt, wie viele andere Orte der Sächsischen Schweiz auch, und plünderten sie aus. Das „Pirn’sche Elend“ wird sprichwörtlich. Dieser schwerwiegende Einschnitt in die Entwicklung der Stadt brachte die Wirtschaft zum Erliegen. Der Apotheker Theophilius Jacobäer verhinderte die völlige Zerstörung Pirnas durch einen Fürbittbrief, unterzeichnet von der Kurprinzessin in Dresden, den er bei der schwedischen Herrschaft einreichte.

1679 wird dann in Pirna wird der Buchdruck dauerhaft ansässig.

Johann Siegmund von Liebenau (1607-1671) wurde im nahe bei Pirna gelegenen Krumhermsdorf geboren und durchlief eine glänzende militärische Karriere. Verdienste für die Stadt Pirna erlangte er 1639 während des Dreißigjährigen Krieges durch erfolgreiche Verteidigung der Festung Sonnenstein gegen die Schweden. Als Amtshauptmann zu Pirna hatte der Obrist Besitzungen im heutigen Ortsteil Zehista sowie in Struppen. Dem Oberkommandanten der Bergfestungen Königstein und Sonnenstein wurde 1674 auch das Kommando über die Haupt- und Residenzfestung Dresden übertragen. 1668 befehligte er sämtliche Festungen in Sachsen und deren Besatzungen. Seine letzte Ruhestätte befindet sich in der Pirnaer Stadtkirche Sankt Marien.

Die Stadt hat 1706 über 100.000 Taler Schulden durch den Nordischen Krieg. 1719 kommt es zum prachtvollen Einzug des sächsischen Kurprinzen mit der österreichischen Kaisertochter Maria Josepha. Das Paar ist auf dem Weg zur Hochzeit nach Dresden und 1731 kann die Stadt erstmals seit dem Dreißigjährigen Krieg wieder einen Gesandten zu den Landtagen schicken.

Der bereits erwähnte bedeutende venezianische Vedutenmaler Bernardo Michiel Bellotto, gen. Canaletto (1721-1780) kam 1747 nach Dresden und wurde ein Jahr darauf vom sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. zum Hofmaler ernannt. Der Künstler war bis dahin mit hervorragenden Gemälden italienischer Städte in Erscheinung getreten. Nachdem er Dresden im wahrsten Sinne des Wortes „ins Bild“ gesetzt hafte, schuf er in den Jahren 1753 – 1755 insgesamt elf große Ansichten von der Stadt Pirna, die als einzige Kleinstadt überhaupt unter den Werken Canalettos vertreten ist. Sämtliche Pirna-Bilder sind erhalten geblieben und gehören zum Bestand der Dresdener Kunstsammlungen, einige Repliken befinden sich in den Galerien zwischen Houston und Sankt Petersburg.


Abb.10: Blick vom Schloss Sonnenstein auf Pirna von Canaletto

Während des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) weilte der sächsische Kurfürst, zugleich auch König von Polen, in Warschau. Canaletto hatte in dieser Zeit in Dresden keinen Auftraggeber und ging deshalb nach Wien und München, um auch dort Stadtansichten zu malen. Nach dem Ende des Krieges und dem Tode Friedrich August III. war der Höhepunkt für den Künstler in Dresden überschritten. Er wollte in Sankt Petersburg ein neues Auskommen suchen, wurde aber in Warschau vom polnischen König in Dienst genommen. Dort ist Canaletto auch gestorben und hinterließ 24 Veduten der Stadt.

Friedrich II. von Preußen (der Große) (1712 – 1786) hat ebenfalls Bezug zu Pirna. Er führte zwei Schlesische Kriege. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) nahm er bereits im ersten Kriegsjahr die gesamte vernachlässigte sächsische Armee am Lilienstein gefangen. Der Preußenkönig weilte im Juli 1757 persönlich in Pirna. 1759 verlor er bei Maxen eine seiner Armeen unter dem Befehl des Generalleutnants von Finck („Finckenfang“).

Im Siebenjährigen Krieg 1756-63 und auch 1813 durch Napoleons Eroberungsversuch kam es nochmals zu größeren Zerstörungen Pirnas, dennoch blieb der Großteil des alten Stadtkerns erhalten.

Im 19. Jahrhundert werden vorwiegend aktive Bildungsprojekte im Mittelpunkt stehen. So 1805 die Einführung der Schulpflicht, 1805 die Gründung einer Fabrikschule, 1810 erscheint regelmäßig ein Pirnaisches Wochenblatt und 1811 erfolgt die Gründung der Königlich-Sächsischen Heil- und Verpflegungsanstalt auf dem Sonnenstein. Unter Dr. Ernst Gottlob Pienitz entwickelt sie sich zu führenden psychiatrischen Anstalt in Europa. 1830 wird eine neue Bürgerschule für Jungen und Mädchen eingeweiht.