Romy spielt sich frei

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Magda

Ewig. Ist noch ein wenig länger als das Leben.

Arthur Schnitzler, Liebelei, 1894


Romy und Magda in New York. 1958. Man reist gemeinsam, streckt die Fühler nach Möglichkeiten zur Arbeit in der US-Filmindustrie aus, doch wie das Foto unbewusst verrät, werden sich die beruflichen Wege von Mutter und Tochter bald trennen.

Magda. 1933. Das Porträt stammt von der Wiener Modefotografin Edith Glogau. Ein Jahr zuvor hatte Magda einen Vertrag bei der Ufa unterschrieben.

Vom Büro zur Bühne

In diesem Geschäft, sagt man zu ihrer Zeit über das Filmen, bist du als Frau mit dreißig Jahren alt und mit fünfundreißig so gut wie tot. Es gilt demnach, die Zeit zu nützen, und das hat sie sich frühzeitig antrainiert. Sie lernt, studiert, probiert und verbessert sich, wenn es geht. Dass sie nach einer Zwangspause mit Mitte vierzig noch einmal an frühere Erfolge anschließen kann, die Resultate dieser Zeit ihr sogar eine gewisse „Unsterblichkeit“ zumindest im Feiertagsprogramm diverser Fernsehsender sichern, ist eine der zahlreichen Unwägbarkeiten in ihrem unberechenbaren Geschäft. Der Übergang von Liebhaberinnen- zu Mutterrollen kann Karrieren knicken oder sogar vorzeitig beenden, wie sie es bei vielen erlebt hat. So ist es verständlich, dass Magda Schneider 1956, nachdem ihr Ernst Marischka seine Pläne für eine Fortsetzung von Sissi dargelegt hat, vor allem im Hinblick auf ihre Tochter Romy eine kritische Anmerkung hat: „Nachdem Du uns Sissi II in groben Zügen erzählt hast, musste ich mal 1 Nacht darüber schlafen. Es hat mir sehr gefallen, aber Ernstl, es ist zu früh für Romy, eine Frau und Mutter zu spielen! Der ganze schöne Aufbau geht flöten u. wir unterbrechen mit dieser einen Rolle die ganze schöne Entwicklungslinie. Ich erinnere Dich an Deine eigenen Worte!! Junge, taufrische Geschöpfe muss sie spielen! Ich habe sehr genau überlegt, und ich verstehe Dich gut, es ist sehr naheliegend den Sissi-Erfolg weiter auszunützen, aber ich muss ja in erster Linie an die Weiterentwicklung des Kindes denken.“1

Besagte Weiterentwicklung wird sie vor allem interessieren, als Romy ein Teenager ist und sich zum Motor ihrer eigenen Karriere entwickelt hat. „Diese Jahre möchte ich noch einmal erleben“, das wird sie in Gesprächen deshalb später oft wiederholen und damit die Zeit meinen, in denen sie in den 50er Jahren gemeinsam mit ihrer Tochter acht Filme dreht, sich neuen Starruhm festigt, von Publikum und Presse gefeiert wird, nachdem der erste Erfolg, der sich zwanzig Jahre davor nur um ihre Person drehte, bereits verblasst ist. Dass ein Teil davon während der NS-Zeit stattfand, thematisiert in jenen Tagen niemand. Magda profitiert von der Ära des Wirtschaftswunders, in der man nicht über die zurückliegenden Jahre reden möchte, zumal viele der im Dritten Reich engagierten Personen in Politik und Wirtschaft wieder in guten Positionen sitzen, sondern lieber nach vorne blickt.

Oder weit zurück in die Historie. So lässt sich mit jener Art von „Papas Kino“, in dem Magda ihre erste Karriere begann, wieder gutes Geld verdienen. Sie feiert 1953 ihr Comeback, bei dem sie an ihre Zeit als Ufa-Star anschließen kann. Innerhalb weniger Jahre wurde sie ein Vierteljahrhundert davor zu einem der bekanntesten Gesichter des deutschen Tonfilms und ihr Allerweltsname ein Erfolgsgarant für zahlreiche Kinohits. Inhaltlich oft austauschbar, präsentierten die frühen Musiktonfilme ein Ensemble beliebter Schauspielerinnen und Schauspieler in ihrem Zentrum, vom dem sich das Publikum die immer gleiche Geschichte in leicht variierter Form stets neu erzählen zu lassen bereit war. Auch Magdas Privatleben gab Anlass zu Phantasien, denn im Gegensatz zu anderen Kolleginnen war sie tatsächlich mit einem prominenten, von der Masse verehrten Filmpartner verheiratet und schien somit privat ebenfalls in einer Märchenwelt zu leben. Ihre Tochter, zunächst nur in Homestories als familiärer Background erwähnt, wird später zu einem Weltstar. Allerdings hat Magda früh gelernt, dass das Leben abseits eines gesicherten Drehbuchs, ohne Schminke, schicker Abendkleidung und ausgeklügeltem Lichtdesign für einen Filmstar genauso unwägbar ist wie für eine Durchschnittsperson aus dem Publikum.

Geboren wird Magda am 17. Mai 1909 mittags um 12:30 Uhr in Pfersee, damals noch ein Industrievorort im Westen von Augsburg, der zwei Jahre später eingemeindet wird. Zu jener Zeit drückt ein anderer Augsburger, der später von sich reden machen wird, gerade die Schulbank am heutigen Peutinger Gymnasium auf der anderen Seite des Flusses Wertach: Bertolt Brecht. Später übersiedelt die Familie Schneider zunächst in die Stadtjägerstraße 26 und dann auf den Fasanenweg Nr. 2. Man tauft sie katholisch auf den Namen Maria Magdalena Schneider, ruft sie Leni, Lena, später Magda. Ihre Eltern sind der Installateur Xaver Schneider, geboren am 28. Dezember 1878, und seine Frau Maria, die am 28. Januar 1879 unter ihrem Mädchennamen Meier-Hörmann im Geburtenregister eingetragen wird. Xaver und Maria heiraten am 1. Mai 1904 in Marias Geburtsort Deubach, übersiedeln 1907 nach Pfersee und wohnen dort zunächst in der Stadtbergerstraße auf Nr. 45. Aus den Dokumenten im Augsburger Stadtarchiv geht auch hervor, dass Magda eine Schwester namens Irmengard hatte, die am 15. Dezember 1913 geboren wurde und bereits am 1. März 1917 in Augsburg verstarb.

Im Gegensatz zu ihrem ersten Ehemann hat Magdas Familie keinerlei Beziehung zum Theater. Sie muss sich ihre Karriere daher allein aufbauen und darf sich in der Branche später zu Recht als „Außenseiterin“ definieren. Um sich herum sieht sie in ihrer Kindheit Industrie- und Gewerbebetriebe, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts hier angesiedelt haben. „Und sonst hast du keine Wünsche?“2, fragt ihr Vater sie daher, als sie ihm als Heranwachsende erstmals ihre Träume von einer Bühnenkarriere offenbart. Er selbst hat sich als Sohn des aus dem bayerischen Memmingen stammenden Tagelöhners Thomas Schneider und seiner Frau Anna, geborene Gut, vom Erdarbeiter, Soldat und Tagelöhner zum Installateur hochgearbeitet. Wenn auch rhetorisch gemeint, beantwortet Magda die Frage im Laufe der nächsten Jahre doch mit einem klaren Nein. Sie hat ein Ziel vor Augen und wird es mit der ihr eigenen Gründlichkeit, ihrem Fleiß und dem Hang nach Perfektion auch erreichen.

Das für ein Mädchen aus ihrem Stand vorgegebene Muster – einen einfachen Beruf ergreifen und dann möglichst schnell heiraten – ist nicht nach ihren Vorstellungen. Etwas scheint sich früh in ihr ausgebildet zu haben: Sie weiß genau, wie sie nicht leben will, hat eine vage Ahnung davon, wohin sie sich entwickeln möchte, und dabei sehr früh erkannt, dass sie dafür hart arbeiten muss und auch dazu bereit ist. Das sind Charaktereigenschaften, die sich später auf ihre Tochter übertragen.

Ihre ersten Bühnenerfahrungen macht sie, wie andere Kinder, bei Weihnachtsspielen. Sie tritt einem Gesangsverein bei, nimmt Geigenunterricht. Immer wenn ihr Chor bei festlichen Anlässen ein Stück aufführt, ist Magda mit dabei, adaptiert Geschichten für die Bühne, hilft bei der dramaturgischen Konzeption. Ein von ihr geschaffenes und betreutes Werk öffentlich aufgeführt zu sehen, macht sie stolz, doch bleibt alles noch auf den Amateurbereich beschränkt.

Dem Wunsch der Eltern folgend, ergreift Magda nach dem Abitur zunächst einen bürgerlichen Beruf und wird Stenotypistin in einer Augsburger Getreidehandlung, ohne den Beruf jemals schätzen zu lernen. Im Grunde spielt sie die subalterne Bürokraft nur, wie später in Filmen, dort dann jedoch für bedeutend mehr Gehalt. Über ihren Gesangsverein, dessen Leiter auch dem Chor des kommunalen Theaters vorsteht, gerät sie in Kontakt mit der Bühnenwelt – und dieser Chorleiter ist es, der ihren Vater von ihrem Talent überzeugen kann. Sängerin zu werden ist ihr Berufsziel, sie besteht die Aufnahmeprüfung in das Leopold-Mozart-Konservatorium, studiert dort mit dem sie auszeichnenden Fleiß und eignet sich nach eigenen Angaben über zwanzig Partien an. Ihre Stimme ist nicht groß genug für eine Opernprimadonna, aber in ihrer Leichtigkeit und Beweglichkeit ideal für das in vielen Sparten einsetzbare Fach einer Soubrette. Magda studiert Schauspiel, Gesang, Ballett – all das wird ihr später beim Tonfilm helfen, der sich um 1930 in Deutschland etabliert. Neben dem Theater besucht sie das Kino regelmäßig, sieht zunächst die mit Livemusik begleiteten Stummfilme jener Zeit. Im Augsburger Adressbuch sind 1919 sechs „Lichtspieltheater“ verzeichnet, darunter der Gloria-Palast, die Schauburg und die Hofbräu-Lichtspiele. In Pfersee eröffnet bei wesentlich günstigeren Kartenpreisen in der Augsburger Straße im Jahr 1926 das Odeon. Ab 1928 beherbergt die Stadt mit dem Emelka-Palast sogar eines der zehn größten Kinos in Deutschland, das ab 1930 Tonfilme zeigt, nur ein paar Jahre später auch solche, in denen Magda agiert.

Magda Schneider in Die heimlichen Bräute. 1944. Im deutschen Film punktet Magda durch Natürlichkeit und Charme.

Sammelbild für das Salem Gold-Film-Bilder-Album Nr. 2. 1930er Jahre. Ein „Fan-Artikel“ dokumentiert ihre Beliebtheit.

 

Die Deutschland erfassende Wirtschaftskrise der späten 20er Jahre scheint Magdas Pläne zu vereiteln, der Vater verliert sein Geld, das Konservatorium wird dadurch unbezahlbar. Doch Magda kämpft um ihren Beruf, will nicht umsonst gelernt haben, ist bereit für ein Engagement. Ihr Lehrer auf dem Konservatorium schickt sie zur Überbrückung der Situation in die Ballettschule des Stadttheaters, wo zunächst niemandem auffällt, dass sie kein Schulgeld bezahlt. Der Unterricht ist fordernd, doch sie hat Disziplin und Stärke, und wenn er beendet ist, trainiert sie weiter und perfektioniert sich in Eigeninitiative. Die Ballettschülerinnen erhalten regelmäßig die Chance, in den laufenden Opern- und Operettenproduktionen des Theaters eingesetzt zu werden. Magda ist fest entschlossen, diese Chance zu nutzen, bis ein Ereignis beinahe alles wieder vereitelt. Als man sie auffordert, das Schulgeld zu bezahlen, muss sie eingestehen, dass sie das nicht aufbringen kann. Das würde ihren sofortigen Ausschluss bedeuten, doch Magda reagiert, wie sie das künftig immer tun wird: Mit offensivem Selbstbewusstsein und zutiefst pragmatisch. Sie verweist auf ihr erlerntes Repertoire, bittet um die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis stellen zu dürfen. Karl Lustig-Prean, der Leiter der Schule, der später auch in Wien am Konservatorium arbeitet, ist amüsiert von dem Monolog der selbstbewussten kleinen Elevin und teilt ihr mit, es sich überlegen zu wollen. Tatsächlich wird Magda von einer Probe spontan zum Vorsingen abberufen, ist entsprechend nervös, aber dann tritt etwas ein, auf dass sie ihr Leben lang zählen wird. Im Augenblick der Bewährung kann sie sich auf ihre Fähigkeiten verlassen, wird sie ruhig, agiert präzise, überzeugt mit der Arie der Adele (Mein Herr Marquis) aus dem 3. Akt der Fledermaus von Johann Strauß Sohn.

Am nächsten Tag unterschreibt Magda einen Dreijahresvertrag als zweite Soubrette mit für sie fürstlichen 150 Mark Gehalt im Monat – da sind genau 149 mehr, als sie bisher an Taschengeld erhielt. Damit kann sie sich und ihren Eltern das Leben erleichtern. Nachdem die erste Soubrette öfter als Tänzerin eingesetzt wird, singt sie in der Spielzeit 1929/30 in Operetten wie der Fledermaus, der Puppenfee, dem Land des Lächelns, dem Zigeunerbaron. Ihren ersten Auftritt hat sie in einer Statistenrolle in Giacomo Meyerbeers Oper Die Afrikanerin am 19. Februar 1929. Elf weitere Partien, zumeist Nebenrollen, folgen in dem Jahr. Auf den Fotos aus jener Zeit verkörpert sie den aus Amerika bekannten Typus des „Flapper-Girl“ mit kurzen Röcken und kurzem Haar. Das Publikum nimmt die Neue mit dem hübschen Gesicht und dem bodenständigen Charme freundlich auf, der erste Soloapplaus für sie erschreckt sie fast, doch ist es genau der Moment, auf den sie hingearbeitet hat. Auf dieses Gefühl der Bestätigung, auf das sie nie wieder verzichten will.

Andere Theaterdirektoren werden auf sie aufmerksam, darunter das renommierte Theater am Gärtnerplatz in München. Am 10. Mai 1930 singt sie dort in Robert Gilberts Operette Die leichte Isabell die Titelpartie. Ihr Partner ist der vom Film her bekannte Paul Heidemann, der erste prominente Star, mit dem sie zusammenarbeitet. Er hat unter anderem mit Ernst Lubitsch gedreht, stand mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich vor der Kamera. Dennoch ist Magda das Ereignis der Produktion, das Münchener Tageblatt nennt sie einen aufgehenden Stern, der seine ersten, wenn auch noch schüchternen Strahlen aussendet und voll gewinnender Jugendlichkeit sei. Der Münchener Intendant Julius Dewald bleibt vom Lob der Presse nicht unbeeindruckt, möchte sie fest engagieren, doch sie ist für drei Jahre an Augsburg gebunden. Der dortige Direktor entlässt das Talent jedoch großmütig aus dem Vertrag, so kann Magda ihre Karriere an einer der wichtigsten Operettenbühnen Deutschlands fortsetzen. Zwei Souvenirs aus der Anfangszeit sitzen in den folgenden Jahren auf allen ihren Schminktischen in Theatern bis hin zu Filmateliers: die Figur einer Micky Maus, die sie bei ihrem ersten Auftreten in Augsburg erhielt, und ein kleiner Teddy, der sie seit ihrer Premiere in München begleitet.

Bis zu vierzig Mal steht sie innerhalb eines Jahres in insgesamt 14 Produktionen im Monat auf der Bühne, arbeitet wie besessen, kann sich in der teuren bayerischen Großstadt jedoch keine eigene Wohnung leisten, wohnt zur Untermiete. Vom 24. Mai 1930 bis zum 1. Mai 1931 logiert sie in der Klenzestraße Nr. 27 und danach bis 24. Juni 1931 in der Müllnerstraße Nr. 20. Bei einer Gastspielreise nach Wien im Jahr 1930 ist der Direktor des Theaters an der Wien, Hubert Marischka, von ihrer Leistung so begeistert, dass er ihr spontan das Angebot macht, ihre Karriere in der österreichischen Hauptstadt fortzusetzen, doch München will Magda nicht gehen lassen. Die Verbindung zu Wien und Marischka bleibt dennoch bestehen, mit Huberts Bruder Ernst wird Magda ein Vierteljahrhundert später einige ihrer (und seiner) erfolgreichsten Filme drehen.

Standfoto für Die Puppenfee. 1936. In dem von Joseph Bayer komponierten gleichnamigen Ballett, das motivisch in den Film eingebaut wurde, tanzte Magda Schneider sechs Jahre zuvor noch in Augsburg auf der Bühne.

Von der Bühne ins Studio

Im Jahr 1931 fügen sich die Ereignisse in Magda Schneiders Leben auf seltsame Weise zukunftsweisend. Das Theater am Gärtnertor geht kurzfristig pleite, Magda ist daher ohne berufliche Bindung und erkennt: „Wenn man Karriere machen will ist es wichtig, sich nicht zu sehr festzulegen, keine zu starken Bindungen einzugehen und sich nicht selber durch zu langfristige Verträge Fesseln anzulegen. Man muß und kann damit rechnen, daß immer Angebote und Gelegenheiten kommen, die einen ganz unerwartet weiterhelfen können – aber nur, wenn man nicht gebunden ist.“3

Durch die Theaterpleite eröffnet sich Magda eine Chance, beim Film unterzukommen. Das Ende der Stummfilmzeit hat dem Musiktonfilm zum Erfolg verholfen, ein Genre, für das sie aufgrund ihrer Ausbildung prädestiniert erscheint. Der erste Kontakt zum neuen Medium fällt jedoch negativ aus, denn ihre ersten Probeaufnahmen überzeugen die Verantwortlichen der Ufa nicht. Kurioserweise gefällt sie sich selbst ebenfalls nicht, als sie sich zum ersten Mal auf der Leinwand sieht. Vielen geht es anfangs so, wird sie getröstet. An Aussehen und Stimme muss sie sich erst gewöhnen – und sie wird es ebenso tun wie das Publikum. Der Tonfilm muss sich Anfang der 30er Jahre erst etablieren, die technischen Voraussetzungen der Abspieleinrichtungen sind noch nicht ausgereift, die Tonqualität ist oft mangelhaft.

Dennoch bleibt der Film ihre große Hoffnung. Sie ist es gewöhnt, Ziele zu erreichen. In drei Produktionen spielt sie bei kleineren Filmfirmen in den Jahren 1930 bis 1931 Nebenrollen: eine Zofe, eine Telefonistin und eine Sekretärin. Das neue Gesicht fällt den renommierten Filmemachern dabei auf. Der Österreicher Joe May, einer der wichtigsten Regisseure der Unterhaltungsbranche mit eigener Produktionsfirma, sucht eine Hauptdarstellerin für seinen Film Zwei in einem Auto. Die Rolle beschreibt eine Siebzehnjährige, Magda ist zwar bereits 21, aber von kleinem, zierlichem Körperbau und wird 1931 für ihren ersten erfolgreichen Film engagiert. Das Drehbuch stammt von Ernst Marischka, der sie von ihrem Wiener Gastspiel her kennt und der Film schematisiert ein ewig gleiches Sujet: Ein junges einfaches Mädchen erobert mit ihrem natürlichen Charme einen Adeligen. Das Publikum nimmt den Film begeistert auf, Magdas Typ einer natürlichen Schönheit gefällt, zu ihrer Freude werden erste Künstlerpostkarten mit ihrem Konterfei gedruckt. Bislang hat sie selbst welche von Filmstars gesammelt, innerhalb kurzer Zeit wird sie sich nun einen eigenen Namen gemacht haben und ganze Serien begründen.

In vielen Filmen verkörpert Magda den modernen Aschenputtel-Typus, der letztlich ihre eigene Biografie zu bestätigen scheint. Als „Frau von Nebenan“, Mädchen aus einfachen Kreisen mit Allerweltsberufen, dem praktischen, patenten Zugang zu den Dingen, sticht sie die dem „Prinzen“ in der Geschichte ursprünglich zugedachte „Prinzessin“ aus. Wie manche ihrer Kolleginnen wird Magda verkörpern, wonach sich das Publikum der 30er Jahre sehnt: eine hübsche, adrette Person von natürlicher Frische in einer Handlung, die es für anderthalb Stunden von Alltagssorgen entbindet. Magdas Filme präsentieren eine monochrome Welt möglichen Glücks, die sich spätestens nach eineinhalb Stunden erschließt. Nach dem Happy End wird wohlweislich abgeblendet, wie schon Kurt Tucholsky schrieb. Publikum und Presse sind gleichermaßen begeistert. Mit ihr, so liest man, hätte der Typus des „süßen Mädels“ eine neue Dimension erhalten, mag sein durch eine leicht herbe Note. Man schreibt von „strahlender Jugend“ und „natürlicher Frische“ – schmeichelnde Begriffe, aber solche mit Ablaufdatum, die sich bei ihr wie bei ihren Kolleginnen mit den Jahren zu einer Hypothek auswachsen werden.

Magda übersiedelt nach Berlin, meldet sich am 12. September 1932 am Kaiserdamm 76 in Charlottenburg an, unterzeichnet einen Vertrag bei der Ufa. Es gibt Diskussionen wegen ihres deutschen Allerweltsnamens, den man internationaler gestalten möchte, oder zumindest den Vornamen in „Maggie“ umwandeln, was sie konsequent ablehnt und auf andere erfolgreiche Beispiele mit Durchschnittsvor- und -nachnamen verweist, etwa bei den Kolleginnen Sibylle Schmitz oder Renate Müller. Ihr Kalkül geht auf und sie kreiert ihren eigenen Typus. Magda will nicht unerreichbar strahlen, sondern als authentisches, natürliches Geschöpf agieren, mit dem eine Identifikation leichtfällt. Das porzellanhaft Puppenartige einer Lilian Harvey liegt ihr ebenso wenig wie das Vamphafte einer Pola Negri. Magda prägt das Signum der Natürlichkeit. Ihr Gesicht ist von breitknochiger Symmetrie, die Haare sind ordentlich aus der Stirn zurückgekämmt, damit sie manchmal in einer Szene ins Gesicht fallen dürfen und so etwas Unordnung suggerieren im sonst so kontrollierten Wesen. Ihre künstlich geschminkten Brauen schlagen hohe Bögen, überspannen weit ihre rehbraunen Augen, wirken wie Viadukte, auf denen sie ihre Emotionen leiten kann. Magdas Waffe ist ihr Lächeln. Sie tut es manchmal mit gefletschten Zähnen, aber sie lächelt. Und mit ihr das Publikum. Ihrer Tochter Romy wird sie später bei offiziellen Anlässen ebenfalls zuzischen, sie möge mehr lächeln. Auf den Starfotos blickt sie oft nach oben, vertraut auf etwas in der Ferne Liegendes. Eine erste Publikation über Magda erscheint 1935. Im Rahmen anderer Starporträts verfasst Dr. Werner Holl Das Buch von Magda Schneider, eine Biografie mit vier Umschlagbildern und 52 Seiten. Der Inhalt verspricht „interessante Abbildungen“. Zu haben ist es für 95 Pfennig, plus 15 Pfennig Portospesen.

Die Puppenfee. 1936. Die anonyme Zeichnung zeigt Magda mit selten ernster Miene.

Auch was ihr Domizil betrifft, unterscheidet sich Magda von ihren Kolleginnen, die gerne in mondänen Behausungen repräsentieren. Während andere Stars ihre Gagen in ein aufwändiges Leben in Berlin investieren, hat Magda andere Pläne. Weit weg von der Metropole und Arbeitsstätte Berlin, in Bayern zwischen Berchtesgaden und dem Königssee, erwirbt sie 1934 ein Grundstück in der Schönau, nennt es Mariengrund und lässt sich dort ein imposantes Haus im Stil der Gegend aus Holz und Steinen mit grünen Fensterläden erbauen: „Schlichte, weißgetünchte Mauern, von Wind und Wetter dunkelgefärbte Hölzer, die Dächer ziehen sich weit herunter und lassen Platz für leuchtende Blumenkaskaden, die von Balkonen herunterrieseln.“ 4 Dorthin fließt der Großteil ihrer Einnahmen aus dem Filmgeschäft, auch ihre Eltern ziehen bereits am 22. September 1935 aus Augsburg in die Schönau an den Grabenweg, wo die vielbeschäftigte Tochter nur ihre Ferien verbringt. „Die Familie Schneider wohnte von der bäuerlich-ländlichen Umgebung etwas abgehoben am Gelände des alten Bauernhofes Winkelen in einem villenartigen Haus […]. Es war ein vom äußeren Bild her gehobener Lebensstandard. Sie hatten zum Beispiel ein Schwimmbad und der Garten war von einer geschnittenen Hecke umgeben, was man damals in der Schönau kaum sah“5, erinnert sich ihr Nachbar Wolf Calebow.

Magdas Filme finden großes Publikumsinteresse, mehrjährige Verträge bescheren ihr jedoch auch zahlreiche Rollen, die sie nicht sehr schätzt, später als „Tralala-Hopsasa“ abtun wird. In manchen Produktionen aus jener Zeit, wird sich Magda später beklagen, verkörpert sie nur ein Objekt, das neben dem Hauptdarsteller agieren darf. Das Lied einer Nacht (1933) ist für sie so ein Beispiel, ein der Zeit geschuldeter „Sängerfilm“ mit dem populären polnischen Tenor Jan Kiepura in der Hauptrolle, in dem sie sich retrospektiv bloß als „Sängermaskottchen“ bezeichnet. Aber Kiepura ist erfolgreich, sie dadurch ebenfalls. Manche von Magda interpretierten Lieder werden Schlager, darunter Ich kenn’ dich nicht und liebe dich, den sie 1934 gemeinsam mit Willi Forst in dem gleichnamigen Film singt, oder das textlich etwas weniger anspruchsvolle Mir geht’s immer „danke schön“ aus dem Film Wintertraum (1935). Ihr Partner in diesem Film begleitet sie seit einiger Zeit auch durch ihr Leben.

 

Im Jahr 1933 lernt Magda Wolf Albach-Retty bei dem Film Kind, ich freu’ mich auf dein Kommen kennen, findet ihn gutaussehend, prächtig, gut gelaunt und verliebt sich in ihn, wie schon manche Schauspielerin vor und nach ihr. Ein Vierteljahrhundert später wird sie ihre Tochter Romy warnen, einen attraktiven Mann wie Alain Delon habe eine Frau nie für sich allein – und sie weiß, wovon sie redet. Sie selbst dürfte niemand gewarnt haben. Im Gegensatz zu anderen Traumpaaren wie Willy Fritsch und Lilian Harvey werden Magda und Wolf tatsächlich heiraten. Eine andere schicksalshafte Fügung, nur ein Jahr nachdem sie erstmals mit Wolf dreht, wird sie zunächst vergessen und erst Jahre später wieder daran erinnert werden. 1934 steht sie mit Wolf in Paris vor der Kamera. Der zu drehende Film ist Die Katz’ im Sack, als Wolfs Partnerin ist ursprünglich Elvire Popescu vorgesehen. Als sie erkrankt, wird Magda Schneider an ihrer Stelle nachbesetzt. Eine weitere Rolle im Film spielt die deutsche Schauspielerin Tina Eilers, die von ihrem Verlobten in Paris besucht wird. Der verbringt dadurch öfter Zeit mit Magda, die er nicht nur als Schauspielerin schätzt. Sie verstehen sich gut. Im Scherz meint er zu ihr in Hinblick auf Wolf: „Wenn Sie sich das mal überlegen sollten, dann sagen Sie mir doch Bescheid. Ich würde sie gerne näher kennenlernen.“ 6 Es wird 14 Jahre dauern, bis es dazu kommt, und Magda sich erinnert, damals in Frankreich ihren zukünftigen zweiten Ehemann kennengelernt zu haben: Hans Herbert Blatzheim.

Rosa, Wolf und Magda in Salzburg. 1937. Abseits offizieller Auftritte präsentieren sich die Film- und Theaterstars gerne folkloristisch in Tracht.

Magda und Wolf in Rendezvous in Wien. 1936. In ihren Filmen löst sich die Spannung zwischen den beiden spätestens beim verlässlich stattfindenden Happy End.

Mitte der 30er Jahre ist Magda verliebt in Wolf, hat ihrem Lächeln längst seinen Namen gegeben. Sie machen Reisen nach Budapest, Venedig, logieren in Wien und St. Gilgen bei den Wiener Schwiegereltern. Ebenso wie Magda liebt auch Wolf das Leben auf dem Land abseits formeller Kleidung und Habitus. Privat präsentiert sich der in Filmen stets elegant gekleidete Beau zu ihrem Erstaunen eher als „liebenswerter Lackel“, der am liebsten in Lederhosen und Tracht Hochwild am Großglockner oder in Ungarn Wildschweine jagt. Wenn Wolf bei Magda zu Besuch in der Schönau ist, trägt er oft seine abgenutzte Lederhose und seinen schäbigen Jagdrock. Er sei wohl auf Wanderschaft, meint zu ihm daher einmal ein Einheimischer, der ihn nicht erkennt, und er fragt, ob er sich hier Geld verdienen wollte. Wolf bejaht und fragt, ob es Arbeit für ihn gäbe. Mist abladen wird ihm angeboten, bevor er antworten kann, klärt Magda das Missverständnis auf.

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