Durch die Hölle in die Freiheit

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Astronomie

Als ich in jener Zeit ein Gespräch über Astronomie hörte, konnte ich nur passiv zuhören, weil ich kaum etwas davon verstand. Daher entschied ich mich dafür, dieses Thema soweit zu erforschen, dass ich nicht mehr als Laie dastand. Mit großem Interesse wälzte ich viele Fachbücher, und mein Lieblingsautor war Hoimar von Ditfurth. Dieser deutsche Schriftsteller schrieb von Gott weder positiv noch negativ. Er verschwieg einfach dieses Thema, weil er sich auf die weltlichen Angelegenheiten konzentrierte. Seine Werke wie zum Beispiel „Im Anfang war der Wasserstoff“ oder „Kinder des Weltalls“ begeisterten mich sehr, und daher verschlang ich solche Bänder. Ich las auch die Bücher von anderen Schriftstellern, weil ich mir Einblicke verschaffen wollte, was die Wissenschaftler von der Existenz Gottes hielten. Ich wollte dadurch meine neuen Ansichten untermauern. Da ich keine gebildete Meinung dazu hatte, ging ich davon aus, dass die Wissenschaftler vertrauenswürdige Menschen sein würden, die man zum Vorbild nehmen sollte.

In seinen Schriften stellte ein amerikanischer Astronom die Existenz Gottes deutlich in Frage. Er erklärte, dass die besten Teleskope schon fast das ganze Weltall ins Visier genommen hätten, und es sei kein „Versteck“ entdeckt worden, wo sich Gott aufhalten würde. Nach vielen Jahren finde ich solche Aussagen über Gott witzig, naiv und einfach dumm. Der Autor – angeblich ein aufgeklärter Mensch – hatte keine Ahnung davon, dass der Geist über die Materie herrscht. Derzeit wusste ich es auch nicht und schenkte den Wissenschaftlern Gehör, die ich jetzt für bedauernswerte Menschen halte.

In dem Buch eines französischen Schriftstellers („Geschichte des Gottesvolkes“) wurden die biblischen Wunder wissenschaftlich kritisch hinterfragt. Alles war fachlich begründet und für die Leute wie mich sehr überzeugend. Das war eines der atheistischen Werke, die mich zutiefst beeindruckten.

Als ich mich weiter in diese Theorien vertiefte, wurde ich darin bestärkt, dass Religion lediglich ein Märchen für die großen Kinder sei und dass es Gott wahrscheinlich gar nicht gebe. Dadurch entfernte ich mich immer weiter von dem Schöpfer und verlor eine spirituelle Verbindung mit Ihm. Infolgedessen verlor ich auch den Kontakt mit der Realität des Lebens. Ich ließ mich von dummen Weisheiten leiten, die nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich waren. Ich hatte gar keine Ahnung, dass ich Makulatur las. In dieser Literatur waren lediglich die nicht zum Ziel führenden und vergeblichen Erörterungen und Auslegungen, aber keine wahre Weisheit zu finden.

Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.

(1 Mose; 2:16-17; Einheitsübersetzung).

Die Botschaft der oben zitierten Bibelstelle lässt sich folgendermaßen auslegen: Es gibt Geheimnisse, die man nicht zu sehr ergründen darf. Es ist tatsächlich ratsam, bestimmten Dingen nicht auf den Grund zu gehen. Sonst kann uns ihre furchtbar unerklärliche Heimlichkeit der Lebensfreude berauben. Was mich anbelangte, waren es nicht Geheimnisse, sondern Lügen, die mich später tragisch verkommen ließen. Ich starb einen geistlichen Tod, weil ich mich von den Lügen verführen ließ. Ich strebte so sehr danach, Allgemeinwissen zu besitzen, dass ich mich gar keine Gedanken darüber machte, dass diese Lektüren einen negativen Einfluss auf mich haben konnten. Innere Unruhe und Unsicherheit – das waren die Früchte, die meine Forschungen trugen. Nicht die Himmelskunde selbst brachte mich zu Schaden. Es ging nämlich darum, dass ich in dieser Literatur nach den Beweisen suchte, die mir helfen sollten, die uralten Grundsätze des biblischen Glaubens als ungültig zu betrachten. Ich weiß jetzt gar nicht, warum ich danach strebte, und ob ich mir überhaupt im Klaren darüber war, was ich eigentlich tat.

Diese Bestrebungen brachten eine Unruhe mit sich, die in mir keimte, und die schon durch frühere nutzlose Erkundigungen gesät wurde. Daher kam ich ganz locker an die vermeintlichen Beweise dafür, dass das Weltall nicht von göttlicher Weisheit, sondern von sich selbst gesteuert wird. Vielleich wollte ich sie finden, seien sie wahr oder nicht. Ohne Gott war ich schon ein anderer Mensch. Die Lebensfreude, die mich bisher begleitete, verschwand jetzt. Ich ließ mich seitdem mit dem Alkohol erfreuen, was nur oberflächlich funktionierte. Vielleicht führten gerade diese tragischen Entdeckungen dazu, dass Alkohol zu meinem besten Begleiter und Mittel zur Bekämpfung der Langeweile wurde.

Um ein Haar dem Zusammenstoß entkommen

Im Juni 1990 fuhr ich mit meinem ersten Auto in den Urlaub nach Polen – mit einem Renault 5. Ich war ein frisch gebackener Fahrer. Gerade einen Monat früher erhielt ich in Deutschland meinen Führerschein. Mit dem Fahren ging es mir immer besser, und ich wagte immer kühnere Manöver beim Überholen. Dass ich mir immer größere Herausforderungen stellte, hieß nicht, dass sich meine Erfahrung und Fähigkeiten so rasch entwickelten. Die Kunst des Autofahrens richtig zu beherrschen braucht Zeit. Ich wollte dies beschleunigen. Meine Leichtsinnigkeit hätte für mich tragische Folgen haben können. Ich drückte immer mal wieder auf die Tube und überschätzte meine Fähigkeiten somit total.

Ich war gerade dabei, ein Auto zu überholen. Ich bemühte mich nicht genügend darum, die Geschwindigkeit des entgegenfahrenden Fahrzeugs etwas genauer einzuschätzen um zu wissen, ob ich mir diese Manöver leisten konnte. Ich richtete mich nach dem Prinzip: „Erst handeln, dann denken“. Auf dem Weg ist das immer wieder der Fall.

Ein Auto, das ich überholen wollte, drosselte das Tempo aber nicht. Im Gegenteil. Der Fahrer gab noch Gas. Das sah ich nicht vorher. Trotzdem versuchte ich hartnäckig, dieses Fahrzeug hinter mir zu lassen. Plötzlich wurde mir klar, dass ich es nicht hinkriege, weil ich überhaupt nicht daran gewöhnt war, so schnell zu fahren. Ich zögerte kurz. Vielleicht sollte ich meine Absicht aufgeben und das vorbeifahrende Auto nicht überholen? Die Situation war gefährlich. Das entgegenkommende Fahrzeug fuhr rasant auf mich zu, und der Fahrer im Auto neben mir behandelte mich wie Luft. Trotz all dem setzte ich mein Überholungsmanöver fort und verlor dadurch kostbare Sekunden. Im letzten Augenblick, als mir schon himmelsklar war, dass ich keinen Ausweg hatte, bremste ich plötzlich stark. Das entgegenfahrende Auto bremste auch, sonst wären die Maschinen frontal zusammengestoßen und in Stücke zerrissen worden. Wir hielten zwei Meter voneinander an. Ich spürte kurz die pulsierende Hitze in meinem Körper. Der Fahrer, der dazu gezwungen war, auf eigener Spur zu bremsen zeigte mir den Vogel, als ob er sagen wollte, dass ich nicht ganz richtig im Kopf wäre. Mir wurde es sehr peinlich. Ich entschuldigte mich bei ihm um fuhr schnell ab, um den Weg nicht zu blockieren. Ich musste aber irgendwo Halt machen, um mich von dem Schrecken zu erholen. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht in der Lage war weiter zu fahren. Ich musste trotzdem ein paar Kilometer zurücklegen, weil ich den Eindruck hatte, dass alle Leute auf mich schauten. Erst dann fand ich einen Rastplatz und erholte mich. Ich versprach mir, dass ich fortan nicht mehr so auf die Tube drücken würde, da ich doch ein unerfahrener Fahrer war, der seinen Führerschein erst seit einem Monat hatte. Ich musste noch viel lernen.

Schönes Jahr 1990

Am Anfang dieses schönen Jahres schaffte ich meinen deutschen Führerschein. Ich konnte es kaum erwarten, mit dem Auto zu fahren. Noch vor dem Kurs schaffte ich mir ein Auto an. 1990 war ich dreimal im Urlaub in Polen. Das war für mich ein großer Aufwand, vielleicht deshalb, weil ich viel Geld für die Saufereien ausgab. Ich lernte verschiedenste Mädels kennen und fuhr sie mit meinem Wagen, auch in kleinen Gruppen. Das machte mir viel Spaß. Ich besuchte mehrere Frauen am Tag, flirtete mit allen zugleich und machte daraus keinen Hehl. Jede Frau wusste, dass sie nicht „die Richtige“ war und viele Rivalinnen hatte, und keine machte mir deswegen Ausflüchte. Sie genossen die Zeit mit mir und waren dankbar dafür.

Eine von ihnen war Anna. Dieses kultivierte und intelligente Mädchen hätte meine Ehefrau werden können. Jedenfalls sagten mir das die Leute. Ich beherzigte ihre Ratschläge aber nicht und ließ sie unbeachtet. Anscheinend hatte sie das gewisse Etwas nicht. Ihr fehlte diese körperliche Anmut, sodass ich sie nicht anziehend fand. Was nützte es mir, dass die anderen in ihr eine passende Kandidatin für meine Lebensgefährtin sahen, wenn ich es mir selbst kaum vorstellen konnte? Meiner Meinung nach sollte sich die Anziehungskraft einer Frau nicht aus ihrer Intelligenz, sondern aus ihrem Sexappeal ergeben. Anna war sehr hübsch, niedlich und intelligent, aber ich spürte keine sexuelle Anziehungskraft. Sie bedeutete mir daher nicht sehr viel, und deshalb bemühte ich mich nicht um ihre Gunst.

Ab und zu begegnete ich aber einer Frau, für die ich durchs Feuer gegangen wäre. Niemand müsste mich dann davon überzeugen, dass diese oder jene Frau für mich geschaffen war. In jener Zeit wusste ich noch nicht genau, welche physischen Merkmale einer Frau mir am besten gefielen und welche mich am stärksten anzogen. Mein Traumbild einer Frau entstand Stück für Stück. Ich machte Mädels mit unterschiedlichen Figuren an. War ich aber zu diesem Zeitpunkt ausreichend verantwortlich, um eine ernsthafte Beziehung einzugehen? Die alkoholreichen Partys waren für mich um ein ganzes Stück wichtiger. Der Alkohol war ein Muss. Eine Feier ohne Sprit war keine Feier für mich. Ich geriet Schritt für Schritt in den Bann des feuchtfröhlichen Feierns. Dieser Lebensstill verschleierte mir die nüchterne und realistische Wahrnehmung der Realität. Wenn ich mich für Anna entschieden hätte, hätte ich dann ein stabiles Leben führen können? Wer weiß. Aber bestimmt hätte ich dieses Buch letztendlich nicht geschrieben. Darum bedaure ich meine schwierigen Erfahrungen und leichtsinnigen Jugendstreiche gar nicht. Meine Erinnerungen können andere dazu bringen, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken. Darüber hinaus ist all das schon vorbei, und man kann nichts daran ändern. Es macht keinen Sinn, sich nun damit zu quälen. Man muss jedoch im Kopf behalten, dass wir selbst den höchsten Preis für unsere Fehler bezahlen müssen.

 

Jeder, der mein Leben auf den Seiten dieses Buches betrachtet und ein wenig Vernunft und Demut hervorbringen kann, nimmt auch sein eigenes Leben unter die Lupe. Vielleicht fängt der Leser an, sein eigenes Universum zu erkunden und seine Identität zu entdecken. Vielleicht begreift er, welche Kräfte im Spiel sind, die versuchen, die Oberhand über ihn zu gewinnen, und warum sie uns manchmal nicht unsere eigenen Wege gehen lassen.

Der Herr lenkt die Schritte eines jeden. Wie könnte der Mensch seinen Weg verstehen?

(Sprüche 20:24; Einheitsübersetzung).

Was bedeutet diese Bibelstelle? Wer ist der Herr? Wer ist der Herr, dem du dienst? Erkanntest du Ihn schon? Und vielleicht ist Er nicht derjenige, der du glaubst, dass Er ist? Und was dann? In der Tat herrscht über uns das Gesetz, dem wir unterliegen, und zwar ohne Rücksicht darauf, welchen Glauben und welche Anschauungen wir vertreten. Der Glaube kann wie ein zweischneidiges Schwert sein. Wenn wir unseren Glauben in eine falsche Richtung lenken, kann das für uns tragische Folgen haben. Welche Kraft kann uns also zu unserem Wohl durchs Leben führen?

Ich bin mir mittlerweile bewusst, was in meinem Leben wahrhaftig und nachhaltig funktioniert, und was nur scheinbar und vorläufig ist. In jener Zeit aber lag noch ein langer, beschwerlicher und trostloser Weg zu dieser Wahrheit vor mir. Ein Weg zur Weisheit, die tatsächlich auf unser Wohl ausgerichtet ist. Ihr könnt euch selbst davon überzeugen, wie schwierig es ist, den richtigen Weg zu finden. Um jede Ecke findet ihr Berater, die Allheilsmittel für euch parat haben. Und der ersehnte Weg wird näher sein, als wir denken. Dieser wahre Weg versucht leidenschaftlich uns selbst zu finden und uns neues Leben einzuhauchen. Wieso ist es also so schwierig die Weisheit zu erlangen?

Die Weisheit ruft laut auf der Straße, auf den Plätzen erhebt sie ihre Stimme. Am Anfang der Mauern predigt sie, an den Stadttoren hält sie ihre Reden: Wie lang noch, ihr Törichten, liebt ihr Betörung, gefällt den Zuchtlosen ihr dreistes Gerede, hassen die Toren Erkenntnis? Wendet euch meiner Mahnung zu! Dann will ich auf euch meinen Geist ausgießen und meine Worte euch kundtun. Als ich rief, habt ihr euch geweigert, meine drohende Hand hat keiner beachtet; jeden Rat, den ich gab, habt ihr ausgeschlagen, meine Mahnung gefiel euch nicht. Darum werde auch ich lachen, wenn euch Unglück trifft, werde spotten, wenn Schrecken über euch kommen, wenn der Schrecken euch wie ein Unwetter naht und wie ein Sturm euer Unglück hereinbricht, wenn Not und Drangsal euch überfallen. Dann werden sie nach mir rufen, doch ich höre nicht; sie werden mich suchen, aber nicht finden. Weil sie die Einsicht hassten und nicht die Gottesfurcht wählten, meinen Rat nicht wollten, meine ganze Mahnung missachteten, sollen sie nun essen von der Frucht ihres Tuns und von ihren Plänen sich sättigen. Denn die Abtrünnigkeit der Haltlosen ist ihr Tod, die Sorglosigkeit der Toren ist ihr Verderben. Wer aber auf mich hört, wohnt in Sicherheit, ihn stört kein böser Schrecken.

(Sprüche 1:20-33; Einheitsübersetzung).

Während meines ersten Aufenthalts in Polen lernte ich einen jungen Priester kennen, der meine Verwandten gerne besuchte. Man kann sagen, dass ich mich mit ihm anfreundete. Wir saßen uns gegenüber und tranken Schnaps, auch wenn wir gegensätzliche und sogar sich ausschließende Weltanschauungen vertraten. Ich war fast ein Atheist, und er glaubte an die Wahrheiten, die für mich reine Abstraktion waren. Ich fragte ihn dann: „Glaubst du tatsächlich daran, was du machst oder geht es dir nur ums Geld? Du bist ein aufgeklärter Mensch und weißt Bescheid, dass es Gott nicht gibt.“ Er schaute mich kurz an und erwiderte, ohne große Anstrengung: „Gott existiert, und die katholische Kirche ist die mächtigste Institution der Welt.“ Ich hatte vielleicht nicht Respekt, sondern Achtung vor ihm, weil er mich mit seiner Ruhe, Besonnenheit und Klugheit beeindruckte. Außerdem war ein einfach ein netter und geselliger Kerl. Er war ein toller Gesprächspartner und war den Atheisten deutlich überlegen. Sein Selbstvertrauen war so stark, dass die atheistischen Diskussionspartner kaum noch Chancen bei ihm hatten.

Im Sommer 1990 feierte ich wieder mit dem befreundeten Priester. Ich hielt das für ganz normal, dass er feierte. Jeder hat Recht auf etwas Unterhaltung. Auch diesmal griff ich das Thema Gott auf, und jetzt unter vier Augen. Ich wollte, dass er mir vertraulich seine wahre Meinung darüber äußerte, ob Gott tatsächlich existiert. Er bestätigte mir das, was er letztes Jahr gesagt hatte, wieder ohne Anstrengung, diesmal aber noch etwas nachdrücklicher: „Gott existiert bestimmt!“ Er versuchte nicht, mich dazu zu bringen, in den Schoß der katholischen Kirche zurück zu kehren. Wahrscheinlich wusste er, dass seine Versuche vergeblich wären, und dass nur schwierige und peinliche Erfahrungen mich dazu führen könnten. Er schaute mich manchmal geheimnisvoll an, ohne etwas zu sagen, als ob er meine Zukunft mit ihren stürmischen Erlebnissen gekannt hätte. Er sagte mir aber nicht, was er von mir hielt. Er war ein sehr interessanter und freundlicher Mann. Ich führte gerne Gespräche mit ihm. Die Priester sind doch ganz gut ausgebildete und intelligente Typen, die sich mit jedem über verschiedene Themen unterhalten können. Sie haben Fähigkeiten, die einen guten Diplomaten ausmachen. Sie können einen Kompromiss eingehen, und zwar ohne in ihrem Standpunkt nachzugeben, aber auch ohne ihre Gesprächspartner zu verurteilen. Ich hielt mich im Zaum. Auch wenn meine Meinung von den Überzeugungen des Gegenübers abwich, kritisierte ich ihn nicht und verletzte seine Gefühle auch nicht. Die Ideologien der anderen waren mir gleichgültig, aber ich versuchte auch nicht, meine Meinung durchzusetzen. Letztendlich war ich von meinen eigenen Ansichten nicht hundertprozentig überzeugt. Ich unterhielt mich gerne mit jedem, der seine Meinung zu einem bestimmten Thema hatte und etwas Wissen mit mir teilte, da auch ich dann etwas mitbekommen konnte.

Das Jahr 1990 war das letzte Jahr, in welchem der Alkohol meine Freizeit angenehmer machte ohne besonders auffällige Spuren und Nebenwirkungen zu hinterlassen. Bald sollte sich meine Beziehung zu ihm radikal ändern, und zwar unwiederbringlich. Diese schönen Momente in der Zukunft noch einmal zu erleben mit der Flasche dabei und gleichzeitig ganz locker – das ging nicht mehr.

Die Minderjährigen

Es war im Sommer 1990 in Zwoleń. Ich war gerade in einem kleinen, behaglichen Park im Stadtzentrum. Ich wollte Mädchen aufreißen, die sich dort herumtrieben. Ich kam auf zwei sehr junge, niedliche Teenies zu, die auf der Bank saßen. Ich sprach sie an. Mir schien, dass sie aus dem Dorf kamen, das an mein Heimatdorf angrenzt. Ich erkannte sie, weil sie ihren Geschwistern ähnlich waren, die mir bekannt waren. Sie jedoch wussten nicht, wer ich war, zumindest machten sie einen solchen Eindruck. Ich lud sie zum Eis ein. Sie nickten mir zu. Dann schlug ich vor, dass ich sie zur Spazierfahrt mit meinem Auto mitnehmen könnte. Sie ließen sich ohne Zögern herumfahren. Ich dachte mir: Das war ein einfaches Spiel, sie aufzureißen.

Als ich sah, wie gerne die Mädels mitmachten, kam ich auf die Idee, dass sich jetzt eine Gelegenheit bot, ein angenehmes Abenteuer mit ihnen zu erleben. Ich schaute sie an mit den Augen eines Mannes, der eine bestimmte Sache beabsichtigt, und fragte, wie alt sie seien. Sie begriffen schnell, worum es mir ging und antworteten im Chor: Siebzehn. Es war mir nun sonnenklar, dass sie mit mich gerne ficken würden und wegen ihres jungen Alters nicht abgelehnt werden wollen. Mir dämmerte es, dass ich jetzt vor einer Chance stand, die nicht so oft vorkommt. Mir standen gerade zwei liebeshungrige Mädchen zur Verfügung. Die Versuchung war richtig stark. Ich fing an, das Für und Wider abzuwägen.

Ich glaubte, dass die Mädels nicht älter als vierzehn waren. Das waren also noch Kinder, die unter der schützenden Hand des Staatanwalts standen. Man musste vorsichtig sein: Ich kannte sie aber sagte es ihnen nicht. Es konnte sein, dass sie mich auch kannten, ohne das zu verraten. Wenn es tatsächlich der Fall war, konnte es dazu führen, dass sie mich erpressten, wenn ich mit ihnen schon intim werden würde. Wenn man die rechtlichen Verhältnisse betrachtet, kann meine Lage dann alles andere als schön sein. Mein Gewissen ließ es nicht zu, mit diesen Krabben intim zu werden. Und vielleicht ersparte ich mir dadurch Probleme, mit denen sich Roman Polański auseinandersetzen musste.

Ich fuhr die Mädchen zu meiner Verwandten zum Kuchen und Kaffee. Dann konnte ich die Versuchung problemlos bekämpfen. Ich war doch kein Schafbock, der keine Gelegenheit ungenutzt vorbeigehen ließ. Im Gegenteil. Vor solchen Typen ekelte ich mich regelrecht. Das ganze Leben stand vor ihnen. Warum sollte ich der erste sein, der sie ihr Liebesabenteuer erleben lässt? Oder vielleicht hatten sie schon solche Abenteuer hinter sich? Vielleicht waren sie es, die mich aufrissen und nicht umgekehrt? Schwer zu sagen. In ihren Augen sah ich nur Schuldlosigkeit und gar keine Routine. Aber wer weiß, vielleicht ist gerade diese Schuldlosigkeit, die die Männer wahrnehmen der verführerischste Köder, den man sich vorstellen kann.

Unbewusstes Fahren

Zum ersten Tag von Weihnachten 1990 wurde ich von einem Mädel eingeladen, das in der Nähe von Zwoleń wohnte. Ich versprach ihr früher, dass wir mal ein Date haben würden. Sie bestand darauf, und ich besuchte sie endlich. Ich konnte mich doch stets nicht damit herausreden, dass ich keine Zeit hatte. Schon im Sommer merkte ich, dass sie auf mich aufmerksam geworden war, aber mein ständiges Flirten mit anderen Mädeln ließ keinen Spielraum für dieses Treffen. Sie studierte Jura an der Warschauer Universität, und ich konnte mich mit ihr über viele Themen unterhalten, die ich interessant fand. Wir holten uns eine Flasche Wein aus der lokalen Saufbude.

Für Ende Dezember war es verhältnismäßig warm. Ich schlug vor, dass wir die Zeit draußen verbringen. Ich brachte sie zu einer abgelegenen Kreuzung mitten in den Feldern, damit wir in einer romantischen Szenerie nette Gespräche führen und den Wein genießen konnten. Es war wunderbar. Der Mond war voll, was die Atmosphäre noch romantischer machte. Ich sah das strahlende Gesicht von diesem Mädel, das sehr froh darüber war, dass wir endlich unter vier Augen sprechen konnten und dass ihre Träume in Erfüllung gingen. Plötzlich geriet das Gespräch ins Stocken, weil ich keine Lust zeigte, mit ihr zu ficken. Das Weintrinken, intellektuelle Gespräche und der Charme der Nacht sprachen mich mehr an als ein Date mit Geschlechtsverkehr. Wenn ich nachts mit dem Auto fuhr, hielt ich manchmal an und ging raus, um den Vollmond zu betrachten. Ich machte alles andere als das, was ich machen sollte. Das Mädel gab mir eindeutig zu verstehen, dass es ihr gar nicht um das Gespräch ging. Ich reagierte darauf nicht. Ich wusste nicht, was in mich fuhr. Wollte ich diesen wunderschönen Mondabend nicht verderben? Lag es daran, dass man sich mit kaum einer Frau so gut unterhalten konnte? Ich wollte die Zeit nicht für intime Sachen vergeuden. Von dem Intimen hatte ich schon die Nase voll. Dem Mädchen ging es mehr darum, was für mich nur zweitranging war. Später beschwerte sie sich über mich und sagte, dass ich ein echt komischer Typ wäre.

Das war nicht das erste Mal, dass mich Alkohol zum Egoisten machte und dass ich deshalb nicht darauf achtete, was die Frau zum jeweiligen Zeitpunkt machen wollte. Glücklicherweise kamen solche Situationen nur sporadisch vor, und zwar nur dann, wenn ich einiges intus hatte.

Er als ich von dem Treffen mit der Studentin zurück nach Hause kam, bekam ich richtig Lust auf eine Frau. Ich hatte schon einen ordentlichen Schwips, aber ich entschied mich trotzdem dafür, eine Freundin von mir in Radom zu besuchen. Meine Dummheit triumphierte über Vernunft. Vergebens versuchten meine Mutter und mein Bruder Boguslaw mir diese Idee auszureden. Ich hatte insofern Glück, dass in der Weihnachtszeit kurz vor Mitternacht fast kein Verkehr herrschte. Kaum hatte ich meine verrückte Fahrt aufgenommen, hatte ich einen Filmriss. Eine Zeitlang fuhr ich einfach ohne Bewusstsein. Das erlangte ich erst wieder, als ich über die Schlaglöcher auf dem Feldweg fuhr. Ich gelang hierher, weil der richtige Weg in einer Rechtskurve verlief, und ich fuhr geradeaus. Offensichtlich sah ich es nicht. Die Unebenheiten des Weges ließen mich wieder zu Bewusstsein kommen. Endlich bekam ich die Lichter meiner Zielstadt zu sehen. Ich schaffte es zu einem anderen Mädchen und bekam was ich wollte.

 

Noch viele Jahre nachher, wenn ich diese Fahrt in Erinnerung brachte, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ich hatte in dieser Situation definitiv mehr Glück als Verstand. Stück für Stück verfiel ich einem schrecklichen Alkohol-Wahnsinn. Mein Gewissen war blind und kaum funktionsfähig. Ich erkannte meine Fehler vielleicht daher nicht, weil ich sie einfach nicht erkennen wollte. Diejenigen, die versuchten, mich zur Vernunft zu bringen, ignorierte ich ganz und gar. Allmählich geschah etwas Schreckliches mit mir.