Durch die Hölle in die Freiheit

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Spontane Exkursion ins Ausland

Meine Schule in Gliwice hatte ein Ferienhaus in Glatzer Kassel, in der Nähe der tschechischen Grenze. Im April 1979 organisierte der Leiter unseres Internats eine mehrtägige Reise in diese Gegend. Wir wohnten gerade in diesem Ferienhaus. Der Leiter des Internats war jemand anderes, über den ich nichts Schlechtes sagen kann, aber er konnte nicht mit seinem Vorgänger mithalten. Der andere war ihm in allem überlegen.

Wir sahen sehr viel und waren mit dem Ausflug recht zufrieden – außer mir. Am letzten Tag hatte ich noch ein Ziel zu erreichen. Ich fand noch drei mutige Kollegen, und ich wollte einen Abstecher über die Grenze wagen. Ich war noch nie im Ausland gewesen, und nun bat sich solch eine schöne Gelegenheit. Die Gunst der Stunde nicht zu genutzt zu haben hätte ich mir nicht verzeihen können. Ich hätte mir später die Vorwürfe gemacht, dass ich es nicht gewagt hatte. Meinen Kollegen verriet ich meine Absichten nicht. Ich wollte, dass wir spontan entscheiden die Grenzzone zu erkunden. Daher schlug ich ihnen vor, noch vor der Abfahrt in die Berge spazieren zu gehen. Im Hinterkopf verfolgte ich aber mein echtes Ziel. Ich führte meine Kollegen durch den Wald an die Grenze. Ich konnte mich hervorragend orientieren, weil ich auf diese „Mission“ sehr gut vorbereitet war. Ich hatte keinen Kompass, weil ich ihn nicht brauchte. Für die richtige Navigation brauchte ich nur die Sonne und einige Hügel, die ich mir gut merkte. Die Kollegen folgten mir sehr gehorsam. Sie hatten gar keine Ahnung, wohin ich sie führte. Sie ahnten gar nicht, was ich vorhatte. Sie wussten auch nicht, dass wir in Richtung Tschechien gingen, sonst wäre mein Plan in die Hose gegangen. Sie hätten die Wanderung wahrscheinlich abgelehnt aufgrund der Angst vor der Grenzkontrolle in Polen oder Tschechien. Erst als wir die Grenzpfähle sahen, merkten sie, dass wir an der Grenze waren. Auf keinen Fall kamen sie auf die Idee, dass ich sie vorsätzlich dorthin führte. Bis zum Ende verdächtigten sie mich nicht, sie mit Absicht dorthin geführt zu haben, weil ich auch eine Verwunderung vortäuschte, als wir die Grenze erreichten. Dann entschlossen wir uns zusammen einige Schritte ins Ausland zu wagen, und zwar zunächst auf polnischer, dann auf der tschechischen Seite der Grenze, um sicher zu stellen, dass keine Grenzwächter in der Umgebung lauerten.

Nach einer Zeit stellten wir fest, dass es niemanden auf der tschechischen Seite der Grenze gab, und wagten einen Abstecher nach Tschechien. Ich führte meine Kollegen einige Kilometer in das tschechische Gebiet. Ich übernahm jetzt die Rolle eines Reiseführers und die Verantwortung für die Gruppe. Hätten uns die tschechischen Grenzwächter ertappt, so hätten wir ernsthafte Probleme bekommen. Aber darüber machten wir uns keine Sorgen. Wir dokumentierten unser Abenteuer mit meinem Fotoapparat.

Unterwegs stießen wir auf die tschechischen Holzfäller. Als sie erfuhren, dass wir Polen waren, die keine Pässe hatten, fragten sie, was wir hier machen würden. Wir antworten, dass wir einen kleinen Ausflug nach Tschechien machten. Einer von ihnen guckte mich schief an und sagte ganz ernsthaft: „Wenn wir euch ‚schnappen‘, dann bekommt ihr einen richtigen Ausflug“. Ich nahm die Warnung dieses düsteren wäldlichen Mannes ernst, weil ich ahnte, dass er den tschechischen Grenzschutz meinte. Nach diesem Gespräch entschied ich mich dafür, die Gruppe umgehend zurück nach Polen zu evakuieren. Ich ging davon aus, dass die Waldarbeiter von dem Wagnis der vier Jugendlichen aus Polen nicht begeistert waren, und dass sie nun den Grenzschutz darüber benachrichtigen könnten. Ich bekam Angst, dass sie uns so auslieferten, wie es Judas gemacht hatte, und dann wären wir in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.

Auf dem Rückweg überschritten wir die Grenze schon ganz ruhig, wobei wir das Terrain im Vorfeld genau erforschten. Wir wollten auch nicht auf den polnischen Grenzschutz stoßen. Als wir schon in einem sicheren Abstand von der Grenze waren, gingen wir ganz schnell zu unserem Ferienhaus zurück. Uns allen war plötzlich klar, dass alle anderen schon auf uns warten, weil wir zu diesem Zeitpunkt schon nach Gliwice zurückfahren sollten. Daraufhin wurde ich traurig, weil ich merkte, was ich angestellt hatte. Und dazu verlockte ich die Kollegen zu meiner verrückten Idee.

Als wir dem Ferienhaus schon nahe waren, wurden wir, die zurückkehrenden Abtrünnigen, mit großem Beifall begrüßt. Selbst der Leiter des Internats war so froh, dass er uns mit so viel Freude entgegenlief, als ob er ein Kind gewesen wäre, das gerade Bonbons erhalten hat. Er beherrschte sich aber ganz schnell, und seine Miene trübte sich. Sein Gesicht bekam einen strengen Ausdruck. Nun erklärte er uns die Folgen unserer Leichtsinnigkeit. Wir ließen die Gruppe um 4 Stunden später als geplant abreisen. Er gab zu, dass wir ihm viel Angst eingejagt hatten. Er fügte noch mit ernsthafter Stimme hinzu, dass selbst der Schuldirektor aus Gliwice hätte hinkommen und uns abholen müssen, wenn wir in Tschechien festgehalten worden wären. Als Strafmaßnahme ließ er mich zehnmal mit einem Gürtel schlagen. Ich erbat, dass er die Prügelei auf viermal reduzierte. Ich ließ mich würdevoll bestrafen. Die Kollegen bekamen die gleichen Prügel. Die Strafe war eher symbolisch als peinlich, verpasst vor den Augen der amüsierten Gruppe. Am meisten erfreut war der Leiter, weil seine Gruppe wieder vollständig war. Er strotzte vor Humor.

Der neue, treue Begleiter

Meine Schwester Barbara war eine sehr gesellige Person und hatte daher viele nette Freundinnen. Da sie um ein Jahr jünger als ich war, öffneten sich für mich unzählige Möglichkeiten, neue Mädels kennenzulernen. Zu diesen Zeiten pflegte ich mit Barbara eine enge Freundschaft. Wir gingen zusammen auf Partys und in Discos.

Eines Tages gingen wir zu ihrer Freundin. Ich wollte sie genauer kennenlernen, weil sie mir gut gefiel. Am Anfang bot mir ihr Vater ein 100 ml Schnapsglas zu meinem Wohl an. Als wir den Gläsern leer tranken, brannte es mir mächtig in der Kehle, und ich konnte die Luft nicht mehr einatmen. Nach einer Weile, als ich schon zu mir kam, fragte ich den Landwirt diskret, ob es Spiritus gewesen war. Er nickte mir zu. Ich antwortete: „Danke, dass Sie mich nicht vorwarnten, weil ich dachte, dass ich Schnaps trinke. Spiritus trank ich noch nie. Ich wäre beinahe erstickt“. Der Landwirt gluckste vor Vergnügen, anscheinend, weil er sich dadurch überlegen fühlte. Aber konnte er in der Tat stolz darauf sein, dass er sich nach und nach zur Selbstvernichtung führte? Er freute sich, dass er trinkfester als der Achtzehnjährige war.

Einige Jahre später trank ich bewusst ein 100 ml Glas Spiritus und konnte dabei meine Atmung kontrollieren. Ich war gespannt zu sehen, wie ich zum zweiten Mal dieses Feuer spürte. Diesmal lief es problemlos, aber ich trank nie mehr reinen Spiritus. Wenn schon, war er mit Wasser verdünnt.

Ab achtzehn wurde Alkohol auf Partys für mich zum Alltag. Normalerweise trank ich Bier und Wein, manchmal Schnaps. Ich war kein Fan von starken Spirituosen, aber ab und zu bekam ich Lust auf etwas Stärkeres. Ich trank weder viel noch allzu oft, aber Alkohol wurde allmählich zu einem wichtigen Teil meiner Freizeit. Im Laufe der Zeit konnte ich mir eine Party ohne Alkohol kaum vorstellen.

Ich muss zugeben, dass ich ein eifriger Biertrinker war. Ich war der Meinung, dass das einfach eine gute Sache war, ab und zu ein Bierchen zu trinken, besonders in der Gesellschaft von Mädels. Die Stimmung war dadurch anders. Es fiel so viel einfacher, die Mädchen anzusprechen. Manchmal verabredete ich mich mit Mädels, die es nicht ertragen konnten, wenn sich der Mann betrank. Es reichte, wenn ich mich einmal betrank, und ich war dann in ihren Augen ein für alle Mal verloren. Ich entdeckte gewisse Nachteile des Trinkens, aber ich erklärte mir es so, dass man für den Spaß einen bestimmten Preis bezahlen muss. Jeder nahm das in Kauf, und ich war keine Ausnahme.

Dass man sich ohne Alkohol nicht gut amüsieren konnte, war natürlich nicht wahr. Die Kinder trinken doch gar nicht, und an ihren Gesichtern ist manchmal viel mehr Freunde zu finden als bei den Erwachsenen, die auf verschiede „Glücksmittel“ zugreifen. Es ist tatsächlich erschreckend, wie sehr die jungen Menschen zum Alkohol neigen – sie lassen sich so einfach verlocken wie die Wespen zum Kuchen und sehen in diesem Gift das Heilmittel für alle ihre Probleme. Wie viele junge Leute kommen endlich zur Vernunft und begreifen, mit welchem Stoff sie es zu tun haben, ohne dies zuvor am eigenen Leib zu erfahren? Kaum einer. Wenn sie schon die Konsequenzen von ihrem Trinken spüren und in die Fänge der Sucht geraten, ist es für eventuelle Rettungsmaßnahmen in vielen Fällen schon zu spät. Dann ist der Mensch von Alkohol besessen, und es ist schwierig der Tragödie zu entkommen. Man kann nicht mehr nur dann trinken, wenn man Lust darauf hat. Man muss trinken, wenn der Alkohol selbst das verlangt. Das Gefühl, dass man eigene Entscheidungen ganz eigenständig trifft, wird deutlich beeinträchtigt. Man weiß nie mehr, ob man nun trinken möchte oder muss.

Diejenigen, die den dunklen Abgrund des Alkohol-Vergnügens erlebt haben und infolgedessen peinliche Schicksalsschläge erleiden mussten, beobachten voller Mitleid, wie die nächste Generation junger Leute in ihre Fußstapfen tritt. Wie viele Jugendliche nehmen unsere Ratschläge ernst und retten ihr Leben? Wie vielen jungen Menschen gelingt es, sich aus diesem Sumpf herauszuziehen und dem sicheren Tod zu entkommen? Wenn man Alkohol moderat trinkt, dann kann er die Seele richtig erfreuen. Es liegt oft an unseren Vorfahren, und zwar daran, ob wir die Widerstandsfähigkeit gegenüber Alkohol mit der Muttermilch aufgesogen haben. Wenn nicht, dann sind wir von Geburt an Alkoholiker. In diesem Fall, auch wenn wir den Alkohol nur ab und zu in kleinen Mengen kosten, so werden wir ihm allmählich zum Opfer fallen – im Gegensatz zu den Personen, die von Geburt an mit einer „guten Sicherung“ geschützt sind. Das Problem mit Alkohol muss nicht über Nacht auftauchen. Wir können jahrelang daran arbeiten, bis wir merken, dass etwas in unserem Leben nicht stimmt. Niemand kann hundertprozentig sagen, welcher der zwei Gruppen er angehört und wer er in diesem Hinblick tatsächlich ist, wenn er die „Alkohol-Probe“ nicht durchmacht und die Wirkung dieses Giftes nicht am eigenen Leibe erfährt. Das ist aber ein heikles Spiel. Wenn wir unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber Alkohol vorsätzlich an uns testen, so spielen wir mit dem Teufel. Man weiß nie genau, wann die entscheidende Versuchung kommt. Und auch wenn es nicht so schlimm ist: Ist die Angst vor dem Tod nicht schlimmer als der Tod selbst? Wäre es nicht eine Lösung, erst gar nicht zur Flasche zu greifen? Niemand von uns kennt die Grenzen seiner Widerstandsfähigkeit genau. Jeder kann sich aber vorstellen, was passieren kann, wenn diese Grenze überschritten wird.

 

In vielen Fällen fallen die Leute, die jahrelang in Maßen getrunken haben, irgendwann dem Alkohol zum Opfer und lassen sich nicht retten. Ihren Leben können wir entnehmen, dass Alkohol unberechenbar ist und jeden, auch den Stärksten „beherrschen“ kann. Und den Weg aus einer solchen Sucht herauszufinden, gleicht einem Wunder. Wenn der Mensch keine Macht mehr hat mit der Alkoholabhängigkeit aufzuhören, so ist sein Leben zu diesem Zeitpunkt mehr als verloren. Es wäre für solch einen Menschen besser zu sterben, weil er die Welt verschmutzt, Ekel erregt und seine Familie blamiert. Man sollte das aber nicht so verstehen, dass ich zum Selbstmord aufrufe. Auf keinem Fall. Sich das Leben zu nehmen wäre ein unverzeihlicher Fehler. Man muss alles Mögliche unternehmen, um sich aus den Fängen der Sucht zu befreien.

Jedes System, egal wie stark es sein mag, lässt sich zerstören. Und jede, auch eine sehr schwache Struktur lässt sich wiederaufbauen. Wenn wir unsere Sucht besiegen, obwohl unsere Lage schon aussichtlos war, heißt es gar nicht, dass wir das alleine geleistet haben. Manchmal ist unsere Willenskraft nur im geringsten Maße daran beteiligt. Was tatsächlich darüber entscheidet, sind psychische und spirituelle Kräfte. Allerdings hat ein durchschnittlicher Mensch gar keine Ahnung bzw. Vorstellung davon, wie diese Mechanismen funktionieren.

Als ich jung war, war auch mir dieses Wissen nicht bekannt. Daher spielte ich mit dem Teufel, und das bereitete mir viel Leid und vereitelte viele Lebenspläne, die ich schmiedete. Dass ich in der Lage war, mich von diesem Glücksspiel zu befreien, verdanke ich nur Jesus Christus. Ich selbst war nicht in der Lage, den Weg aus dieser Hölle zu finden, obwohl ich darum sehr bemüht war. Ich konnte nur mal längere, mal kürzere Abstinenzperiode aushalten, aber das hatte kaum etwas mit Freiheit zu tun. Die Freiheit bekam ich von Gott geschenkt. Die Bibel warnt uns ausdrücklich vor dem Alkoholkonsum und zeigt wo die richtige Quelle der Freude zu finden ist:

Und trinkt euch keinen Rausch an, denn übermäßiger Weingenuss führt zu zügellosem Verhalten. Lasst euch vielmehr vom Geist Gottes erfüllen.

(Epheser 5:18, Neue Genfer Übersetzung).

Die gleiche Bibelstelle ist etwas anders formuliert in einer anderen deutschen Übersetzung. Und diese zweite Fassung gibt genau das wieder, was ich vermitteln möchte. Die Heilige Schrift macht hier klar, dass wir uns vom Heiligen Geist erfüllen lassen sollten, wenn wir von den Versuchungen frei sein wollen, die der Alkohol mit sich bringt. Den Heiligen Geist finden wir nur in Jesus Christus. Wenn Er handelt, ist Er so wirksam, dass es für uns schon keine Versuchung mehr darstellt sich zu betrinken. Diese zweite Fassung klingt folgendermaßen:

Betrinkt euch nicht mit Wein; sonst ruiniert ihr damit euer Leben. Lasst euch stattdessen vom Heiligen Geist erfüllen

(Epheser 5:18, Neues Leben Bibel).

Es geht hier also nicht bloß um die Unzüchtigkeit, sondern um etwas viel Schlimmeres, und zwar um die Gefahr, dass man sein Leben ruinieren kann. Das ist also kein harmloses Spiel. Sich mit dem Heiligen Geist erfüllen zu lassen heißt so viel, wie unserem Gott Spielraum zu geben und Ihn in uns wirken zu lassen. Wenn wir so handeln, dann können wir nüchtern denken, und das ist notwendig, um mit unserem Schöpfer in Berührung zu kommen. Interessanterweise sind wir auf diesem Weg in der Lage ganz und gar auf Alkohol zu verzichten. Gott empfiehlt uns tatsächlich das zu tun, weil die Sucht unsere Beziehung zu Ihm beeinträchtigt. Auch der Herr strebt danach und hilft uns dabei, uns vom Alkohol zu befreien, weil er in uns und zu unserem Wohl wirken will.

Als ich auf Alkohol setzte und ihn zu meinem Tröster und Lebensbegleiter machte, verlor ich für viele Jahre meine Freiheit und erlebte eine Vorstufe der Hölle. Meine Freiheit bekam ich erst dann zurück, als ich nach mehreren gescheiterten Befreiungsversuchen, Versuchen mich aus meiner äußerst schwierigen Situation heraus zu retten, alle Hoffnung aufgab. Dann öffnete ich ganz unbewusst mein Herzen für Jesus Christus, den lebendigen Gott – die einzige reale Kraft, die in dem Universum heilsam wirkt, die uns befreit, schützt und führt. Ich hatte dann gar keine Ahnung, dass ich die schönste Sache im Leben machte. Darauf folgten die großen Wunder, die mein Leben grundsätzlich veränderten. Die Wunder, die man sich nur in den besten Träumen vorstellen konnte.

Ein Geist in der Försterei

Ich lernte Cezary im Herbst 1981 in Katowice kennen. Ich merkte, dass er ein intelligenter und intrigierender Mann war. Da für uns gleiche Werte wichtig waren, lernten wir uns schnell genauer kennen und befreundeten uns miteinander.

Cezary konnte niemanden und nichts ertragen, was ihm sagen würde, wie er leben und was er tun soll. Daraufhin vereinbarte er mit dem Militär, dass er das zweite Jahr seines Militärdienstes nicht in der Armee, sondern in dem Steinkohlewerk ableisten würde, weil er das für das geringere Übel hielt. Trotzdem verbrachte er nicht besonders viel Zeit in Katowice, weil er von der industriellen Landschaft alles andere als begeistert war. Sobald er seine Verpflichtungen gegenüber der Volksarmee erfüllte, zog er wieder zu seinem Familienhaus in der Nähe von Przasnysz zurück. Er war ein ausgebildeter Forstarbeiter. Sein Traum war, in Masuren, am Busen der Natur wohnen und arbeiten zu können. Er wartete auf ein entsprechendes Arbeitsangebot und züchtete inzwischen Kaninchen. Dadurch wollte er seine Langeweile vertreiben. Er konnte auch kein großer Züchter werden, weil er diese Arbeit nicht besonders eifrig ausführte. Nach einer Zeitlang fing er an sich auf die Arbeit in der Försterei in Masuren vorzubereiten. Ehe er diese Försterei übernahm, ging ich mit ihm zum ersten Mal in diese schöne Seenplatte. Ich muss zugeben, dass mich Masuren tief beeindruckte. Das ist ein richtig wunderschönes Gebiet.

Etwas später besuchte ich Cezary in seiner Försterei zwischen Szczytno und Mrągowo. Das was ein schönes gut erhaltendes, ehemals deutsches Gebäude mit vielen Zimmern. Die Umgebung war auch schön. Die Försterei hatte jedoch einen gewissen Nachteil, und zwar bekam man Angst in diesem Haus zu schlafen, weil sich nachts komische und haarsträubende Dinge ereigneten. Ein Geist spukte nämlich in der Försterei. Deshalb wollte kein Forstarbeiter in diesem Haus wohnen. Cezary nahm dieses Arbeitsangebot an, ohne viel zu überlegen, weil der Ort von vielen an Pilzen reichen Wäldern und Seen umgeben war. Dazu hatte Cezary keine Angst vor Geistern. Ihm war egal, ob diese Geister tatsächlich existieren oder nicht.

Ich hörte schon viele Geschichten über diesen Geist. Ich war aber ganz skeptisch und nahm alle diese Erzählungen nicht ganz so wörtlich. Für mich waren es einfach die Fantasien des abergläubischen Volkes. Endlich konnte ich mich selbst überzeugen und dieses übersinnliche Phänomen ganz real erleben.

Als ich bei Cezary eintraf, kam sein Kumpel Darek aus Danzig zu ihm zu Besuch. Wir verbrachten die Zeit ganz fröhlich zu dritt. Es gab unzählige Ideen, was wir tun könnten. Eines Abends kamen wir ganz spät von der Disco zurück. Cezary verschwand in seinem Zimmer, und auch wir gingen auf unsere Kojen im Wohnzimmer schlafen. An diesem Tag war so viel passiert, dass wir nicht sofort einschlafen konnten. Ich lag also ruhig und wartete, bis der Schlaf kam. Plötzlich bekam ich die komischen Geräusche zu hören. Man konnte vermuten, dass Darek einfach nach etwas im Dunkeln suchte, weil das Licht aus war. Ich wusste aber, dass Darek damit nichts zu tun hatte. Was sollte er doch suchen und warum im Dunkeln? Er lag ruhig und sagte nichts. Ich versuchte einzuschlafen und diese Geräusche einfach zu ignorieren.

Plötzlich klopfte jemand an die Tür, die zum Flur führte. Es wurde mächtig und gleichmäßig geprallt. Es war so laut, dass ich sicher war, dass man dieses Klopfen auch mindestens 500 Meter entfernt vernehmen konnte. Ich war aber der Einzige, der die Schläge hörte. Dieses unglaubliche Phänomen ließ mich fest ans Bett klammern. Ich lag bewegungslos und erschrocken auf meiner Koje. Nach einer Weile fragte ich Darek schüchtern: „Hast du das laute Klopfen an der Tür gehört?“ Darek erwiderte: „Das war bestimmt Wacek“.

Wacek – so nannten Darek und Cezary die Geisterscheinung, an die sie sich schon gut gewöhnten. Das ich etwas hörte und sie nicht, war es für sie schon nichts Besonderes. So etwas kam ganz oft vor und erregte bei vielen Gästen ein großes Entsetzen. Was ich da erlebte, war nichts im Vergleich dazu, was die anderen erfuhren, die dann plötzlich das Hasenpanier ergriffen, und nie wieder wagten, diesen heimgesuchten Ort zu besuchen. Selbst die frisch eingezogenen Forstarbeiter rissen wie Schafleder aus nach der ersten Begegnung mit dem Geist. Der mutige Cezary ließ sich aber nicht so einfach verjagen, auch wenn der Geist verschiedene dreiste Tricks an ihm versuchte. Zum Beispiel zog er ihm die Decke im Schlaf weg. Vergebens versuchte der Geist eine Panik bei dem neuem Landwirt zu wecken. Stattdessen wurde der Spuk zurechtwiesen, dass er ihn nach einem schwierigen Arbeitstag im Wald beim Schlafen störte.

Am nächsten Tag, als ich mit Darek ein Bier trank, überhäufte ich den Geist mit verschiedensten Beschimpfungen. Er verdiente sich das für die Dreistigkeit, die er in der Nacht gegen mich zeigte. Als ich über Wacek lästerte, machte sich plötzlich das Nachtlämpchen an. Das machte auf uns zwar keinen großen Eindruck, aber ich hörte sofort auf mit meiner scharfen Kritik gegenüber dem Geist. Nach diesem Ereignis fing ich an zu glauben, dass es irgendeine spirituelle Realität geben muss, und dass es besser war nicht in Konflikt mit ihr zu geraten.

Zu diesem Zeitpunkt war ich ein Mensch schwachen Glaubens. Ich fragte mich, mit wem ich zu tun hatte. Waren es tatsächlich die Geister, oder spielte meine Vorstellung mir bloß Streiche? Cezary war der Meinung, dass das die Wasseradern waren, die unter dem Haus verliefen. Deshalb kam hier ein Forschungsteam an, um die Situation genau zu erkunden. Sie fanden aber keine Wasseradern.

Später erfuhr Cezary, was sich in dieser Försterei früher abgespielt hätte und erzählte mir die ganze Geschichte. Vor einigen Jahren wohnte hier ein junger Forstarbeiter mit seiner Frau und seiner alten Mutter. Als das Paar im Urlaub war, starb die Dame. Sie starb genau an dem Platz, wo ich später schlief. Es dauerte zwei Wochen, bis sie tot gefunden wurde. Gab es irgendeine Verbindung zwischen dem Albtraum, der ich in jener Nacht erlebte, und diesem Tod? Das weiß ich nicht, weil ich die Sache selbst nicht genauer erforschte. Ich hoffe, dass die alte Frau nicht in demselben Bett lang, in dem ich mich später ausruhte. Doch das war nicht auszuschließen, weil das Bett aus preußischen Zeiten stammte. Ich hoffe auch, dass sie es uns nicht übel nahm, dass wir sie Wacek nannten – wir wussten doch nicht, dass wir es mit einem weiblichen Geist zu tun hatten!