Durch die Hölle in die Freiheit

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Vorwort II

Bestimmt hätte mein Leben einen anderen Lauf genommen, hätte ich die Existenz Gottes nicht angezweifelt und den katholischen Glauben nicht beiseitegelassen. Als ich nach meiner erneuten Bekehrung die Nähe zu Gott gesucht habe, bin ich den “falschen Christen” begegnet. Als ich dann versucht habe, mich von ihnen zu befreien, habe ich ohne Sinn und Verstand die sehr gefährlichen Geheimnisse der Esoterik erforscht und einige Praktiken an mir selbst versucht. Gerade diese Bestrebungen von mir, sowie die sektiererischen Einflüsse, von denen ich auch nicht frei war, haben in mir eine gespenstische spirituelle Macht entstehen lassen. Daraufhin wurde ich vier Jahre lang vielen heftigen Angriffen ausgesetzt. Es stellt sich die Frage, ob ich als praktizierender Katholik Gott wahrhaftig kennengelernt hätte, hätte ich die Hölle auf Erden nicht durchgemacht.

Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dahin ist schmal und nur wenige finden ihn. Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen. Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes! Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut. Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört. Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrte

(Matthäus, 7:13-29, Einheitsübersetzung).

Ich wohne seit 1986 in Deutschland, und ich persönlich habe einen negativen Einfluss der freikirchlichen protestantischen Gemeinden erlebt, die hier stark verbreitet sind. Allerdings waren die Leute, die mich in die finsteren Sackgassen von diesen Gruppierungen eingeführt haben, nicht die Deutschen, sondern ironischer weise die Polen selbst und zwar jene, die mir eng vertraut waren. Meine Tragödie hat 1995 ihren Anfang genommen, als mich die polnisch stämmigen “Brüder und Schwestern im Herrn” (Der Autor setzt diesen Ausdruck in Anführungsstrichelchen, weil er ein verzerrtes Verständnis des Glaubens im Sinne hat), die katholische Wurzeln hatten, jedoch aus der Pfingstbewegung kamen, mich “in Obhut genommen“ haben. Sie haben angefangen, meine Wenigkeit mit pietistischer Frömmigkeit zu evangelisieren. Ihrer Meinung nach war ich in der Welt von Satan gefangen. Meine Geschwister, die solch einer Gruppe angehören, wollten mich auf dieser Art und Weise “erlösen”. Sie und die anderen ähnlich gesinnten Menschen haben dazu beigetragen, dass mein Leben ein Dutzend Jahre lang der Hölle auf Erden gleichkam. Alle Versuche, mich von diesem “Joch” zu befreien, scheiterten hoffnungslos. Mein Leben war mir schlimmer als der Tod. Um mich dagegen zu wehren, habe ich mich in die Bibel vertieft und versucht, die Strategie des Feindes zu enttarnen. Ich war trotzdem weiterhin nur wie ein Windhauch. Mir war damals noch nicht klar, was für eine zerstörerische Kraft gegen mich gerichtet wurde und wie destruktiv meine Freunde auf mich wirkten. Wie konnte ich aber all das erwarten? Am Anfang hat alles doch so schön und harmlos ausgesehen. Von den Menschen, die sich um mich so liebevoll gekümmert haben, dachte ich: “Was für tolle Menschen voller Gottesliebe”. Es gibt ein Sprichwort, das zu diesen Bekanntschaften wunderbar passt: "Gott schütze mich vor meinen Freunden. Mit meinen Feinden komme ich klar."Gott selbst hat mich von dieser Plage gerettet, weil ich mich selbst nicht mehr befreien konnte. Sie glauben von mir tödlich beleidigt worden zu sein, weil sie mich angeblich erlösen wollten, und ich ließ sie ihr Heilwerk nicht zum Ende führen. Daraufhin möchte ich meine Erlebnisse schildern, um ihre Frechheit ans Tageslicht zu bringen. Das soll auch ein Zeugnis über diejenigen sein, die in dieser trügerischen Welt untergehen, sich stets mit dem Trugbild der Liebe bescheren und die professionelle Gehirnwäsche über sich ergehen lassen. Komischerweise sind manchmal selbst die Agitatoren nicht im Klaren darüber, an welchen Machenschaften sie beteiligt sind. Sie sind bereit zur Hingabe und leben in der felsenfesten Überzeugung, dass Gott durch sie wirkt, und dass sie seine treuen Diener sind. Dieses Denken ist auf die irreführende Bibelauslegung zurückzuführen. Da dieser Irrweg nicht bewusst beschritten wird, führt ihre Bibelforschung dazu, dass sie die in der Heiligen Schrift verborgenen Geheimnisse falsch verstehen.

Man glaubt, dass die radikalen Sekten und die Hausbesucher die größte Gefahr darstellen. Das ist eine furchtbare Fehleinschätzung! Mit den Zeugen Jehovas kam ich hin und wieder in Berührung, aber sie haben mir nichts Schlimmes angetan, weil ich wusste, mit wem ich zu tun habe, und ich konnte mich entsprechend vor ihnen schützen. Von dem Netzwerk der Pfingstbewegung, die mich mit scheinbarer Liebe behandelt hat, konnte ich mich nicht befreien. Hätte Gott nicht eingegriffen, so wäre ich in Elend untergangen.

Die Pfingstbewegung stützt sich auf die Nächstenliebe. Sie greifen also zu den mächtigen Waffen, die die Seelen der Opfer unmerklich durchdringen und versklaven. Ihr Handeln ist sehr verführerisch, weil sie nach außen hin das Gewand der Wahrheit, Wärme und Liebe tragen und die selbstlose Hilfe anbieten. Wenn man ganz am Anfang nicht begreift, worum es tatsächlich geht, so ist man dann komplett verloren. Ihre Manipulationen sind –bewusst oder unbewusst –auf ein Ziel gerichtet, und zwar auf das Ziel, dass du ihre Interessen als deine eigenen anerkennst. Sobald es so weit ist, gibt es keine Rückkehr mehr zur Realität, vernünftiger Wahrnehmung der Welt und Besonnenheit. Man wird dann blind durch die zerstörerische spirituelle Kraft geführt, die in den Köpfen und Herzen der Gruppenmitglieder liegt. Diese Kraft strebt danach, uns die Gaben Gottes, mit denen der Schöpfer uns zu unserem Wohl beschenkt hat, zu einem Fluch zu machen. Ihre Lehre ist durch Lügen geprägt, weil sie die Bedeutung des weltlichen Lebens total herunterspielt. Sie sind der Ansicht, dass ein irdisches Leben nur als Lösegeld gilt, das uns zum ewigen Leben führen kann.

Wenn ein Mensch nach einer Zeit begreift, dass er sich auf dem Irrweg befindet, kommt er auf die Idee, zurückzukommen. Er kann es jedoch nicht, denn die manipulative Wirkung seiner “Brüder und Schwestern im Herrn”, gestärkt mit der Kraft des Teufels, entmündigt ihn und lässt ihn keine selbstständigen Entscheidungen treffen. Daher ist er zum Scheitern verurteilt. Sein Körper, sein Geist und seine Seele sind getrennt. Von der Symbiose dieser drei Mächte kann er nur träumen. Solch ein innerlich zersplitterter Mensch ist einem Segelschiff ähnlich, das ohne Kapitän auf dem Meer driftet und von Stürmen hin und her geschleudert wird. Wenn man in einem solchen Zustand demütig bereut und sich für alles entschuldigt, macht man sich zu einer perfekten Beute für die manipulativen Gehirnbesitzer. Die einzelne unerfahrene Person kann dann gegen den mächtigen Teufel kaum etwas unternehmen. Alle religiösen Gruppierungen, die dem Menschen eine scheinbar selbstlose Unterstützung anbieten, stellen eine grausame Falle für die Seelen dar. In der Welt gibt es keine wahre Selbstlosigkeit!

Im Mai 2006 hat Gott in seiner Großherzigkeit durch Jesus Christus die Kontrolle über mein Leben übernommen. Im Januar 2009 hat Er mich auf den einzigen, wahrhaftigen Mitstreiter hingewiesen, und zwar DIE KATHOLISCHE KIRCHE, die ich erneut als mein Zuhause anerkannt habe. Letztendlich konnte ich mich bei den freikirchlichen Gruppen für unsere bisherige Zusammenarbeit “herzlich bedanken” und mich von ihnen endgültig trennen. Vom März 2007 bis Januar 2009 hat sich meine Persönlichkeit grundlegend verändert, und ich wurde in diesem Zeitraum von dem Heiligen Geist aufgeklärt, was in mir ein radikales Umdenken ausgelöst hat. Infolgedessen hat sich mein Leben vollständig verändert. Dadurch wurde ich unabhängig von allem auf der Welt, und gleichzeitig habe ich mich meinem Gott in Jesus Christus grenzenlos hingegeben. Seitdem habe ich auch die katholische Kirche zu schätzen gelernt. Meine Wurzeln, die in den Zeiten meiner Jugend entstanden sind, haben aus dem Reichtum der katholischen Kirche geschöpft. Ich reagierte gerne auf diese Sehnsucht nach Jesus Christus. Ich bin überzeugt, dass ich dadurch den bestmöglichen Weg eingeschlagen habe.

Diejenigen, die den Glauben ihrer Väter aufgegeben haben, versuchen vergeblich ihr Gewissen zum Schweigen zu bringen und verfolgen somit den Irrweg. Sie machen sich vor, dass sie es schaffen. Sie scheinen nicht zu wissen, was sie eigentlich tun. Angeblich haben sie keine Ahnung, dass sich das Gewissen in diesem Fall nicht so einfach abschieben lässt. Die katholischen Wurzeln kommen lebenslang immer wieder zum Vorschein, und zwar nicht um den armen Kerl zu verdammen, sondern um die Rettung zu bringen. Wenn man sich für die klugen Hinweise des Gewissens taub stellt und auf sein Recht beharrt, so ist man schon auf dem breiten Weg zur Katastrophe.

 

Was mich angeht, habe ich endlich begriffen, dass ich mich mitten in dem Krieg befand, in dem ich weder Argumente noch Chancen hatte und war daher zum Scheitern verurteilt. Und solch eine Niederlage konnte ich mich nicht leisten. Mir wurde klar, dass es für mich keine Alternative zum katholischen Glauben gab. Und wozu bräuchte ich eine solche Alternative? Ich habe meinen Fehler verstanden, weil Gott mich darüber aufgeklärt hat, und ich bin mir sicher, dass es eine richtige Entscheidung war, in die katholische Kirche zurückzukehren. Als eine Bestätigung dafür sehe ich meine Neugeburt in Christus und ein Regen von Gottes Segen. Wo die Freiheit herrscht, da lebt der Geist Gottes.

Mit dem »Herrn« ist Gottes Geist gemeint. Und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Wir alle aber stehen mit unverhülltem Gesicht vor Gott und spiegeln seine Herrlichkeit wider. Der Herr verändert uns durch seinen Geist, damit wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen

(2 Korinther 3,17-18; Hoffnung für Alle).

Ein Albtraum über den Tod

Das war wahrscheinlich der erste Traum in meinem Leben, der mir tief in Erinnerung blieb. Ich war damals vielleicht drei Jahre alt. Ich träumte nämlich, dass ich in einem Bett mit dem Tod schlief. Er sah aus wie ein rötlicher, abscheulicher enthaupteter menschlicher Kopf. Das war ein sehr grausames Erlebnis, und ich bekam dann eine große Angst. Ich war von der Angst sogar gelähmt. Ich wusste aber, dass mir niemand zu Hilfe kommen konnte, und daher blieb mir nichts anderes übrig, als diesen grausamen Albtraum weiterlaufen zu lassen. Diese unglaubliche Begegnung machte mich zunehmend einsam und hilflos, aber dafür strahlte sie eine mysteriöse Anziehungskraft aus. Es schien so, als ob sich mein Gegenüber mit mir anfreunden und sein Geheimnis mit mir teilen wollte. Ich lag neben dem Tod, und allmählich wurde er mir immer vertrauter. Mit der Zeit ließ meine Panik langsam nach. Der Tod war nicht so grausam, wie er am Anfang aussah. Er guckte mich so an, als ob er mir mein Leben aussaugen wollte, aber gleichzeitig machte er nichts zu diesem Zweck. Ich kam mit der Situation immer besser zurecht und fing an, darüber nachzudenken, wie ich diese Kreatur überlisten konnte.

Zum ersten Mal in meiner sorgenfreien Kindheit dachte ich über mein Schicksal nach, und zwar gerade als ich in einer großen Not war. Mir war klar, dass niemand mir helfen kann, auch meine Eltern nicht. Ich gab keinen Schrei von mir. Ich rief nicht um Hilfe. Wozu denn? Niemand war imstande mir zu helfen, weil ich mit den Kräften zu tun hatte, die nicht aus dieser Welt stammten. Bis dahin hörte ich von diesen Kräften gar nichts und hatte absolut keine Ahnung, dass so etwas überhaupt existiert. Jetzt musste mich niemand davon überzeugen, dass sie tatsächlich da waren, weil ich in ihrer Reichweite lag und ihre Wirkung am eigenen Leib erfuhr. Mit dem Verstand des Kindes spürte ich und nahm die Realität genauso wahr, wir die Erwachsenen sie wahrnehmen. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde mir die Welt der Kindheit genommen, und ich wurde in die Welt der Erwachsenen eingeführt. Und vielleicht noch weiter: Ich wurde in die furchtbare Zukunft gebracht, die mich schon kaum erwarten konnte, und wollte mich für einen Augenblick anschauen.

Ich wusste damals gar nicht, dass Gott existierte, aber ich träumte davon, aus dieser Not gerettet zu werden. Das konnte man mit einem Gebet vergleichen. In meinen Gedanken wandte ich mich an etwas, was ich nicht nachvollziehen konnte, in der Hoffnung, dass die Hilfe ankommen würde. In dieser katastrophalen und hoffnungslosen Lage tauchte die Chance für die Rettung auf. Mit diesem Hoffnungsschimmer war mein grauenhafter Traum vorbei. Dieser erschreckende Traum, der meine frühe Kindheit peinlich erschütterte, kam zu mir nach vielen Jahren wie ein Bumerang in vollem Schwung und mit aller Macht zurück, diesmal aber als grausame Realität.

Jahre später wurde mir klar, dass dieser Traum ein deutliches Anzeichen dafür war, was mich erwartete und was für stürmische Abenteuer, oder besser gesagt, grausame und beinahe katastrophale Schicksalsschläge unvermeidlich auf mich zukamen. Jedoch konnten sie mir nichts Schlimmes antun, genauso wie in dem Traum. Was wollte mir, einem kleinen Kind, die Vorsehung Gottes dadurch vermitteln? Wenn ich diesen Traum in Erinnerung rufe, dann ist mir klar, dass die furchtbaren und tödlichen Vorkommnisse, die sich vor meinen Augen abspielen, kein Zufall sind – vielleicht? Oder vielleicht wollte Gott dafür sorgen, dass mir nichts Schlimmes passiert, wenn ich keine Angst kriege?

Bisher erzählte ich niemandem von diesem Traum. Ich brauchte das nicht zu erzählen. Er war mein Geheimnis, welches ich ganz schnell vergaß. Der Albtraum stellte sich mir dann vor Augen, als der Tod erst recht anfing, mir ins Gesicht zu grinsen, um mich konsequent und gnadenlos zu zerstören und von dieser Welt zu nehmen.

Die Kirche meiner Jugend

Die Kindheit ist eine sehr wichtige Zeit, und meine Erinnerungen aus dieser Zeit sind sehr positiv. Das waren nämlich die schönsten Momente, die ich erlebt habe. Mein Leben war damals sorgenfrei und bunt – wie ein Märchen.

An einen Moment kann ich mich besonders gut erinnern: Ich war noch ein kleiner Junge. Ich legte mich in mein Bettchen hinein. Als ich mich dann behaglich ausruhte, merkte ich, dass ich an nichts dachte. Mein kindliches Gehirn war von keinem Gedanken getrübt, weil ich damals keine Sorgen, Probleme oder Verpflichtungen hatte. Ich lag einfach allein da, mitten im Sommer zur Mittagszeit in einem kühlen Raum und genoss diesen wunderbaren Zustand, in dem ich mir keine Gedanken über irgendetwas machen musste. Ich war nicht bloß unbekümmert, sondern musste auch an gar nichts denken. Ich merkte dann, dass ich echt glücklich sein musste. Ich stellte fest, dass das ein richtig tolles Gefühl war. Solch einen Zustand erlebte ich nie wieder, weil ich zum Beispiel überlegte, wie ich mit anderen Kindern spielen sollte. Das war natürlich alles andere als Sorge, verlangte aber von mir eine gewisse Mühe. Diese paradiesische Muße und Unbeschwertheit erfüllten mich mit absoluter Gelassenheit. Ich fühlte mich sehr wohl.

Bis ich fünfzehn war, wohnte ich in einem kleinen, schönen Dorf 100 km südlich von Warschau und einige Kilometer westlich von Zwoleń. Die Gegend war mit vielen Wäldern bedeckt, reich an Pilzen, Beeren und Walderdbeeren. In den Wald zu gehen machte mir viel Spaß. Zunächst ging ich mit den anderen, die älter als ich waren. Später begab ich mich selbst dahin. Das Klima war auch angenehm: heiße Sommer und frostige Winter. Voller Freude erkundete ich meine Gegend. Es gab keinen hohen Baum in der Nähe meines Hauses, auf den ich nicht kletterte. Zwischen den Ästen richtete ich mir ein Häuschen ein. Dort saß ich und konnte alles rundum genau beobachten.

Außer mir meine Mutter brachte auch drei Brüder und eine Schwester auf die Welt. Ich war mitten in meinen Geschwistern. Unser Vater war ein Bauer, und dazu jobbte hier und da. Daher litten wir keinen Mangel. Wir waren eine typische polnische, katholische Familie, in der man sich das Leben ohne Gott und Glauben kaum vorstellen konnte.

Jeden Sonntag und Feiertag fuhren wir in die Kirche. Das war selbstverständlich und von der Moral her sehr nützlich. Wir zogen elegante Kleidung an, und der Vater spannte ein ordentlich geputztes und zu diesem Anlass geschmücktes Pferd vor den Wagen. Die Fahrt war nicht immer schön und angenehm, weil der Vater die Pferde ganz oft wechselte, weil er an dem Verkauf immer etwas verdiente. Die neuen Pferde bekamen immer viel Angst vor den entgegenkommenden oder an uns vorbeifahrenden großen Fahrzeugen. In solchen Fällen, die wir ganz oft erlebten, machte unser Vater alles Mögliche und überhäufte die Tiere mit Beschimpfungen, damit das verzweifelte Tier die Orientierung nicht verlor; sonst konnte es sich in der Panik unter die Räder der Autos werfen, somit “Selbstmord” begehen und auch uns zum Tode bringen. Glücklicherweise kam mein Vater mit solchen Herausforderungen unversehrt klar, weil er die Verhaltensmuster der Tiere aus Erfahrung kannte.

Eines Tages aber überlistete ihn ein Pferd, das keine Absicht hatte, sich das Leben zu nehmen. Es schätzte sein Leben allzu hoch. Als wir in die Kirche fuhren, da kam uns ein Kranfahrzeug entgegen. Unser Pferd erhob sich auf zwei Beine und blieb wie angewurzelt stehen. Vielleicht sah es vor seinen Augen, dass ein vorsintflutliches Ungeheuer auf es zukam und vorhatte es zu fressen. Das Pferd gab den weiteren Lauf auf, bog plötzlich in die Felder ab und zog den Wagen hinter sich. Es übersprang mit uns den Graben, um sich auf diese komische Art und Weise vor dem wohl grausamen Ungeheuer zu retten. Wir hatten die Ostergebäcke dabei und während das Tier seine Akrobatik auf dem Weg vollzog, verloren wir alle Leckereien aus dem Wagen. Ich wurde auch ein wenig verletzt: Ich wurde mit der angespannten Schaufel so auf Kopf geschlagen, dass ich Sterne vor den Augen sah. Immer wieder, wenn wir in die Kirche fuhren, konnte man mit verschiedensten unerwarteten Erfahrungen rechnen. Solche Erlebnisse blieben angenehm in Erinnerung und gehörten zur Tradition unserer Familie.

Ab und zu veranstalteten meine Eltern Partys für Familie und Freunde. Wir hatten eine große Erdbeerenplantage. Zur Erntezeit erhielten wir fast jeden Sonntag einen Besuch der Familie unter dem Vorwand, dass sie uns im Garten helfen wollten. In Wirklichkeit kamen sie um einfach zu feiern und ein wenig ‘Ernte” nach Hause zu holen. Mein Vater war sich dessen bewusst, aber ihn ging das nichts an, weil wir auch eingeladen wurden. Die Tische waren immer üppig gedeckt mit verschiedensten Köstlichkeiten: Bauernschinken aus heimischer Produktion, Kuchen, eigener Erdbeersaft, leckere Limonade, die zu den siebziger Jahren in Polen einfach hinzugehörte und natürlich Schnaps. Ohne Schnaps war solch ein Treffen oder irgendeine Party in Volkspolen kaum vorstellbar.

Ich sah meinen Vater nie betrunken, sah ihn nie, wie er am nächsten Tag einen Kater loswerden musste. Vom Alkohol selbst hielt er sich aber nicht fern, weil er wusste, dass er das Herz des Menschen erfreut. Er war an keiner Saufschau interessiert, weil er wusste, dass er für sich selbst und die Familie verantwortlich war. Sein bester Kamerad war sein Schwager, Onkel Władek. Auf den gemeinsamen Partys war er die Seele der Gesellschaft. Er lachte, scherzte großzügig und konnte auch die Griesgrame zum Lachen bringen. Er wusste jeden Einzelnen aufzumuntern.

Onkel Władek revanchierte sich gerne bei meinem Vater für seine Gastfreundschaft. Er wohnte in dem benachbarten Dorf, wo sich die Kirche befand. Wenn wir nach dem Gottesdienst zurück nach Hause fahren wollten, hielt er uns an drängte darauf, dass wir in seinen Hof einfuhren. Er tat es so, als ob er ein Fürst gewesen wäre, der seine Macht nach Belieben ausübte, und seinem Wunsch nicht nachzugehen konnte folgenschwer sein. Daraufhin hat unser Vater in solchen Situationen nie protestiert, sondern ließ sich gerne “entführen”. Die Mutter war auch sehr zufrieden, weil sie sich mit ihrer Schwester etwas unterhalten konnte. Letztendlich war der Sonntag dazu geschaffen, sich von der Arbeit zu erholen. Das war selbstverständlich, manchmal sogar sehr gewünscht, und meine Eltern wussten davon. Diese Momente habe ich sehr wohl in Erinnerung, weil ich dann viele Kostbarkeiten genießen konnte, die am normalen Arbeitstag nicht auf dem Tisch zu finden waren.

Die Freundschaft zwischen meinem Vater und Onkel Władek entwickelte sich erst in den Siebzigern, zu Zeiten, als in Polen Edward Gierek an der Macht war. Früher lief es zwischen ihnen nicht so gut. Es kam zu heftigen Wortwechseln und regelrechten Familienstreitereien. Onkel Władek hatte zwei Gesichter, was seine Familie immer wieder zu spüren bekam. Meine Familie erlebte das auch, doch in deutlich geringerem Maße. Er fand sogar einen gewissen Gefallen daran, Konflikte im engen Familienkreis anzuzetteln, sonst hatte er den Eindruck, dass das Leben zu monoton wurde. Letzten Endes führte er auch immer zur Versöhnung und verhielt sich so, als ob nichts passiert wäre. Den Betroffenen, die anderer Meinung waren, antwortete er mit höhnischem Lachen und einem winzigen Anflug von Herzlichkeit. Er explodierte vor Freude. Ein unbeteiligter Beobachter konnte in dem Onkel eine frohmutige Person erkennen, die herzlich lachte, weil sie gerade eine frohe Botschaft erhielt oder etwas Witziges hörte. Leider was das nicht der Fall. Die dunkle Seite seiner Natur, die danach gerichtet war, die anderen zu missbrauchen und zu quälen, nahm immer überhand. Sie tarnte sich aber sehr gut unter dem Mantel der Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Onkel Władek war eine sehr kontroverse Figur, aber er kam damit gut zurecht und konnte alle Situationen mit Humor nehmen, auch wenn er gleichzeitig den anderen zusetzte. Mit Stress hatte er nicht viel am Hut.

 

Als er eines Tages mit dem Pferdewagen fuhr, und Walek, ein Nachbar, der ihm gut vertraut war, überholte ihn mit dem Fahrrad, haute er ihn mit der Peitsche. Der Onkel wollte dadurch sein Gemüt aufhellen. Derartige Streiche kamen ihm nicht immer zugute. Der geschlagene blutende Nachbar fing an, den Onkel mit Steinen zu bewerfen. Jetzt nutzte Władek die Peitsche zu ihrem ursprünglichen Zweck, trieb die Pferde ordentlich an und rettete sich dadurch in die Flucht. Als der Vorfall bei der Bürgermiliz angezeigt wurde, zeigte sich der Onkel während des Verhörs so schlau und vergnüglich, dass er ungeschoren davonkam und schob dem Nachbar die ganze Schuld zu. Er behauptete, dass Walek betrunken gewesen wäre und so taumelte, dass er beinahe unter den Wagen geriet. Um das Leben des Nachbarn zu retten, musste er ihn mit der Peitsche abschrecken.

Im Laufe der Zeit wurde Onkel Władek zu einem guten Freund meines Vaters und auch ich gewann ihn lieb. Seine gelassene Art schenkte ihm ein langes und einigermaßen wohlhabendes Leben. Er hat alle seinen Gleichaltrigen und auch die Jüngeren überlebt. Er verließ die Welt in Ruhe. Am Ende seines Lebens hielt er sich fest an den Glauben und die katholische Kirche.

Ich nahm immer mit Vergnügen an den dörflichen Feiern aus Anlass der Kirchweih teil. Es wurden viele Buden mit verschiedensten Spielzeugen eingerichtet, und eine unzählige Menschenmenge drängte sich um die Kirche. Ich war besonders gespannt auf die Korkenpistolen, d.h. die Kinderpistolen, die mit Zündhütchen und Korken mit Schießpulver geladen werden konnten. Wie alle Kinder in dem Dorf arbeitete ich in dem Bauernhof. In diesem schönen Ort am Busen der Natur fühlte ich mich sehr wohl. In der heißen Sommerzeit stellte ich mir vor, dass ich in Afrika war und die Tiere jagte. Als in noch ein Kind war, ging ich mit meiner Schwester Barbara und anderen Kindern gerne zur Rorate messe und zur Christmette. Manchmal kam ich auch die zwei älteren Brüder mit. Auch starke Winter, heftige Schneegestöber und dicker Schnee schreckten mich dabei nicht ab und nahmen mir nicht die Lust, in die Messe zu gehen. Im Gegenteil. Ich fühlte mich dann wie ein Eroberer des Südpols, der durch die Schneefelder streifte. Selbstverständlich ging ich nicht alleine. Es gab viele Draufgänger wie mich. Ich wurde beispielhaft in dem katholischen Glauben erzogen. Nach der Taufe und der ersten Kommunion ging ich an neun ersten Freitagen hintereinander zur Beichte und empfing die Kommunion. Dann ließ ich mich firmen. Ich malte gerne, und so entstanden viele Andachtsbildchen mit Heiligen-Motiven. Einige davon habe ich der Kirche geschenkt.

Als ich fünfzehn war, zog ich zum Internat an der Schule in Gliwice um. Dort hatte ich viel weniger Kontakt mit der katholischen Tradition, und meine Begeisterung am Glauben nahm deutlich ab. Jedes Mal, wenn ich aber das Familienhaus besuchte, nahm ich gerne am Gottesdienst teil, weil das mir eine große Freude bereitete und mir meine sorgenfreie Kinderjahre in Erinnerung brachte.

Zu meiner Kindheit kehrte ich in meinen Träumen auch viele Jahre später zurück. Es kamen dann für mich so schwierige Zeiten, dass mein Leben nicht nur ins Stocken kam, sondern anfing, sich rückwärts zu entwickeln. Die Erinnerungen aus meiner unbeschwerten Kindheit gaben mir in diesen Momenten die psychische Kraft dazu, mich mit den Widrigkeiten des Schicksals auseinanderzusetzen, die mich überstiegen.