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«1906». Der Zusammenbruch der alten Welt

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S. M. S. „Wörth“ nahm mit seinem letzten Heckgeschütz das Feuer gegen das ihn verfolgende englische Linienschiff „Eduard VII.“ wieder auf, mit einem famosen Treffer in die eine Geschützpforte von dessen vorderen Turm diesen außer Gefecht setzend. Der Engländer blieb zurück, da er an der Ruine des Roten Sand-Leuchtturms nicht mehr wagte, in das gefährliche Fahrwasser der Jade einzulenken. Die „Wörth“ traf, mit ihren Maschinen immer noch zwölf Seemeilen machend, um 6 Uhr wieder an der Mole von Wilhelmshaven ein, das letzte Schiff des Geschwaders, das am Morgen Wilhelmshaven verlassen hatte. Die anderen drei Schiffe der „Brandenburg“ – Klasse waren draußen während des Kampfes gesunken. Die in Brand geratene „Oldenburg“ lag in den Watten von Wangeroog. Der Küstenpanzer „Hildebrand“ war von seinem Führer ebenfalls dort auf den Strand gesetzt und, nachdem er ihn mit den wenigen Überlebenden der Mannschaft verlassen, gesprengt worden. Das war alles, was von der deutschen Flotte, die von Süden angegriffen, noch über Wasser zu sehen war. Die vier Schiffe der „Sachsen“ – Klasse hatte die See verschlungen.

Von den zehn Linienschiffen der „Wittelsbach“ – und der „Kaiser“ – Klasse, die von der Elbmündung aus angegriffen hatten, war der größte Teil gesunken. Nur „Schwaben“ und „Zähringen“ waren noch imstande, Cuxhaven wieder zu erreichen. „Kaiser Wilhelm II.“ saß draußen auf dem Scharnhörn-Sande. „Wettin“ war dadurch zugrunde gegangen, daß ihm ein feindlicher Torpedoschuß den Boden aufriß. Dadurch wurde der Masutbehälter beschädigt, sein Inhalt lief in die Feuerungen und aus allen Decksöffnungen schlugen die Flammen. Kurz darauf erfolgte eine Explosion, die das Schiff buchstäblich in Stücke riß.

Aber teuer hatte der Feind die Zerstörung der deutschen Flotte erkaufen müssen: drei französische und fünf englische Panzerschiffe waren ebenfalls gesunken. Geschütze, Torpedo und Ramme waren auf deutscher Seite gut bedient und geleitet gewesen. Vier englische und zwei französische Panzer mußten ferner zur Reparatur die heimischen Häfen aufsuchen.

Die Zerstörung einiger havarierter feindlicher Schiffe, verdankte man übrigens der mittags während der Schlacht von Emden ausgelaufenen deutschen Torpedoflotte, die, 16 Boote stark, sich auf die hinter die Schlachtlinie geschleppten außer Gefecht gesetzten feindlichen Schiffe stürzte und von ihnen mehrere nachträglich noch zum Sinken brachte, wobei sie allerdings sechs ihrer Boote opferte.

Um 4 Uhr war die Schlacht zu Ende, durch ein Signal verständigte man sich mit dem Feinde. Es wurde eine Waffenruhe bis zum anderen Morgen festgesetzt, die beiderseits dazu benutzt werden durfte, die auf hoher See noch treibenden Mannschaften zu retten. Die als Hospitalschiff ausgerüstete kaiserliche Yacht „Hohenzollern“ und ein Seeschlepper der Hamburg-Amerika-Linie, von Bremen aus zwei Dampfer des Norddeutschen Lloyd sowie einige Torpedoboote gingen zu diesem Zwecke in See. Als der Seeschlepper „Hamburg“ mit dem ersten Transport von Verwundeten, die von dem gestrandeten „Kaiser Wilhelm II.“ geborgen waren, abends gegen 8 Uhr im Hamburger Hafen eintraf und an den St. Pauli-Landungsbrücken fest machte, läuteten die Glocken von allen Türmen Hamburgs und alle Flaggen sanken auf Halbmast.

* *
*

Der Tag von Helgoland hatte denen eine furchtbare Lehre gegeben, die sich einer Vermehrung der deutschen Flotte gegenüber ablehnend verhalten hatten und die nichts Besseres zu tun wußten, als bis zum Überdruß auf dem Gott weiß von wem in einem Momente politischen Schwachsinns konstruierten Satz herumzureiten: Eine kleine, aber gut bemannte und gut geführte Flotte ist unter Umständen wohl imstande einer größeren Seemacht gegenüber den Sieg zu erringen. Dieses Dogma politischer Kaffeeschwestern war vor der Macht der Tatsachen wie ein Rauch im Winde verflogen. Die Toren, sie hatten aus den verschiedenen Zeitungsmeldungen über Unfälle auf der britischen Marine frischweg gefolgert: „Ja, ja, auf der englischen Flotte ist auch nicht alles so wie es sein sollte“. Diese Marinedilettanten vergaßen einfach die Zahl den Unfälle zu der Zahl der Schiffe in Beziehung zu setzen, wobei dann die englische Flotte nicht schlechter abgeschnitten hätte als die deutsche. Aus solchen Trugschlüssen entstand in der Einbildung dieser Siebengescheiten schließlich das Bild einer völlig verlotterten britischen Marine, mit der die deutsche „kleine, aber gut geführte Flotte“ gegebenenfalls wohl fertig werden könnte. Der Stammtischlöwe, der solche Weisheit von sich gegeben, ging dann heim und zog die Zipfelmütze über seine sehr beträchtlichen Ohren. Andere legten den Finger nachdenklich an ihre hochgeehrten Nasen und dozierten: der Burenkrieg hat erwiesen, wie schlecht die englische Armee ist, da liegt denn doch die Annahme nahe, daß auf der Marine … O, wie oft haben wir verzweifelnd solches Geschwätz hören müssen. Unnötig hinzuzufügen, daß diese Bierbankpolitiker natürlich nie ein englisches Kriegsschiff oder einen englischen Soldaten gesehen hatten.

Diese falsche Selbstzufriedenheit führte uns vor hundert Jahren nach Jena, sie hat uns jetzt über die Ablehnung der Flottenvorlage nach Helgoland geführt. Helgoland, Kiel und Cuxhaven waren andere Tage als die von Santiago, Port Arthur und Tsuschima. Hier standen sich die besten Artilleristen und Schiffsführer auf dem besten Schiffsmaterial gegenüber. Hier entschied demzufolge die Zahl und die Größe der Schiffe. Daß unsere Linienschiffe zu klein waren, daß 11 bis 13000 Tonnen nicht den 15 und 16000 der Feinde gewachsen sind, daß die 24 cm-Geschütze nicht so weit schießen wie die 30,5 cm, ist hundertmal vorher gesagt worden. Den Beweis durfte leider erst Helgoland erbringen. Die unwiderstehliche Tapferkeit auf deutscher Seite, die rücksichtslose Aufopferung in einem von vornherein aussichtslosen Kampfe, die leuchtende Pflichttreue unserer Marine vom höchsten Kommandoführer bis zum letzten Heizer, der schweigend seine Kohlen schaufelte, bis das einbrechende Wasser diese stummen Helden erstickte, sie haben mit dem Verluste fast der ganzen deutschen Flotte Eins erreicht: der Feind wagte solchen Artilleristen und Matrosen gegenüber keinen weiteren Angriff. Nicht daß der moralische Eindruck des deutschen Angriffs so lange vorgehalten hätte – auch moralische Eindrücke sind keine Pökelware. Nein, aber die Niederkämpfung der deutschen Flotte hatte die schweren Kaliber, die 30,5 cm-Turmgeschütze an Bord der Engländer so sehr strapaziert, daß nach der Schlacht von Helgoland alle diese Drahtgeschütze, so weit sie nicht durch deutsche Granaten und eigne Rohrkrepierer – deren sehr hohe Zahl wird man wohl nie erfahren – unbrauchbar geworden waren, die Grenze ihrer auf nur ca. hundert Schuß berechnete Leistungsfähigkeit so weit erreicht hatten, daß die Engländer es nicht wagen durften, noch einmal ernsthaft mit den Küstenforts anzubinden. Denn bis die britischen Panzer neue Rohre erhalten konnten, vergingen lange Monate, da die Anfertigung dieser Riesengeschütze mindestens ein halbes Jahr beansprucht. Das, die Außergefechtsetzung der gesamten feindlichen schweren Artillerie, war der Erfolg den die versinkende deutsche Flotte erreicht hatte.

Er ward bald bemerkbar, da die Blockadeflotte stets auf hoher See blieb. Dazu kam, daß die Engländer im Sommer erfuhren, daß vor Kiel und in der Elbemündung die sechs von der Germaniawerft gebauten deutschen Unterseeboote in Dienst gestellt seien. Diese Tatsache an sich hielt den Feind in größerer Entfernung von der Küste. Hätte man doch diese Fahrzeuge eher gehabt! Der englische Angriff auf Cuxhaven und der scharfe Blockadedienst wären durch sie leicht vereitelt worden. Die Unterseeboote sind unentbehrlich für die Verteidigung an Fluß- und Hafeneingängen, diese Lehre hat jetzt auch der Blödeste begriffen. Daß Unterseeboote auf hoher See eine fragwürdige Offensivwaffe zumal in unbekannten Gewässern sind, erwies der Mißerfolg der Franzosen vor Spezzia. Wie hätten endlich Unterseeboote in Dar-es-Salam, Swakopmund, Tsingtau usw. dem kolonialen Kriege eine ganz andere Wendung geben können!

Zum Schluß noch eins: Die Erfahrungen bei Cuxhaven und im ganzen Blockadedienst haben gezeigt, wie vorteilhaft es ist, wenn Panzerschiffe und Kreuzer dasselbe Aussehen haben, so daß der Feind möglichst lange im Unklaren bleibt, welche Schiffsklasse er vor sich hat. Die gleichmäßige Bauart der englischen Kreuzer und Panzer hat bekanntlich oft zu Verwechslungen Anlaß gegeben. Infolgedessen haben wir uns noch während des Krieges daran machen müssen, den schön geschweiften Bug unserer großen Kreuzer zu beseitigen, da dieser sie schon von weitem als Kreuzer verrät.

Mit den Batterien von Helgoland schoß sich die Blockadeflotte nur selten herum. Man fürchtete das Steilfeuer der Mörserbatterien und verzichtete deshalb auf das Vergnügen, die Insel den Deutschen entzweizuschießen und dadurch die Batterien ins Wasser zu werfen. Der Einsatz an Munition und Abnutzung der Geschütze war zu groß im Verhältnis zu dem möglichen Erfolge. Infolgedessen blieben die englisch-französischen Schiffe immer außer Schußweite der helgoländer Geschütze.

Jenseits des Meeres

Wie erwähnt (vergl. S. 30), hatte Fürst Bülow am 19. März sämtlichen diplomatischen Vertretern des Reiches im Auslande eine letzte Mitteilung zugehen lassen und sie darin auf ihre am Tage vorher in einem chiffrierten Telegramm erhaltenen Instruktion verwiesen. Diese, die alsbald ihre Wirkung äußerte, bedeutete eine notwendige Verteidigungsmaßregel Deutschlands.

Ohne ausländische Flottenstützpunkte und Kohlenstationen, an Kabeln nur über die sehr fragwürdige Verbindung über Vigo-Azoren nach New York verfügend, war man auf dem Weltmeer einfach den feindlichen Seemächten ausgeliefert. Um diesen wenigstens eine sehr wertvolle Waffe zu entwinden, hatte jene chiffrierte Depesche den deutschen Gesandten und Konsuln im Auslande (soweit diese letzteren deutsche Staatsangehörige waren) den Befehl übermittelt, die Führer der in den neutralen Häfen liegenden deutschen Schiffe anzuweisen, diese abzurüsten und die Mannschaften mit der schnellsten Gelegenheit in die Heimat zu entsenden und zwar auf Kosten der Regierung, die in der Auszahlung der Reisegelder den Konsulen freie Hand ließ. Andererseits erhielten mehrere große Handels- und Passagierdampfer in den Hafenplätzen der französischen und englischen Kolonien noch rechtzeitig die Ordre, sofort auszulaufen und, wo ihnen ein Unterseekabel erreichbar, es aufzunehmen und zu zerschneiden. Infolgedessen machte sich in dem überseeischen Nachrichtendienste, als man sich in London im Besitze eines absoluten Kabelmonopoles glaubte, die sehr verblüffende Erscheinung bemerkbar, daß eine große Anzahl englischer Kabel plötzlich nicht mehr funktionierte.

 

So waren im indischen Ozean die Verbindungen nach Australien plötzlich gestört, ebenso die Leitungen nach Kapstadt (in Swakopmund und Dar-es-Salam abgeschnitten) und große Bestürzung herrschte in London als am 24. März sämtliche von Valencia nach der neuen Welt hinübergehenden Seekabeln unbrauchbar waren. Das war ein Verdienst des deutschen Panzerkreuzers „Roon“ der am 20. März mit den beiden kleinen Kreuzern „Leipzig“ und „Medusa“ und zwei Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyd von Wilhelmshaven auslaufend, nördlich um Schottland herumgefahren war. In London glaubte man die gesamte deutsche Flotte in den Nordseehäfen blockiert und dachte auf der Rückseite des Kriegsschauplatzes an keine Gefahr. So wurden die beiden zum Schutze des Kabels bei Valencia stationierten englischen Kreuzer vom Auftauchen des „Roon“ am Abend des 24. völlig überrascht. Ein Gefecht von etwa 20 Minuten entschied über ihr Schicksal. Die Zerstörung der Kabel durch Grundminen wurde dann vom „Roon“ so gründlich besorgt, daß die meisten während der Dauer des Krieges nicht wieder hergestellt werden konnten. Der Feind war auf die südenglischen und die französischen Leitungen und die Kabel über die Azoren angewiesen. Aber auch hier hatte unser Kreuzer „Bremen“ vorübergehend das deutsche Kabel unbrauchbar gemacht. Nachdem so dem Feinde der Nachrichtendienst erschwert war, suchte unser kleines fliegendes Geschwader den Atlantic nach fremden Schiffen ab, und versenkte zahlreiche große englische und französische Dampfer, aus denen es vorher stets seine Kohlen ergänzte. Riesige Transporte von Lebensmitteln und Kriegsmaterial (made in America) wurden so vernichtet, und panischer Schrecken herrschte an der französischen Küste, als die geheimnisvollen deutschen Kaperschiffe Ende April plötzlich vor St. Nazaire auftauchten und einige Granaten in die Stadt warfen. Hierauf wurde in Brest ein englisch-französisches Kreuzergeschwader gebildet, welches auf die deutsche Flottille Jagd machte. Doch erst Ende Mai wurden diese an der amerikanischen Küste von großer feindlicher Übermacht gestellt. Das abendliche Gefecht auf der Höhe von Kap Hatteras endete mit dem Untergange der „Medusa“ und der beiden Lloyddampfer – der Feind verlor zwei große Kreuzer – wogegen es dem „Roon“ und der „Leipzig“ noch gelang, im Dunkel der Nacht nach Fort Monroe zu entkommen. Beide Kreuzer mußten auf Verlangen der amerikanischen Regierung im Hafen von Baltimore abrüsten, wo sie von der Bevölkerung mit ungeheurem Jubel empfangen wurden, von denselben Leuten, die an den Lieferungen für englisch-französische Rechnung und an den Versicherungsprämien, wenn die Schiffe durch deutsche Granaten versenkt wurden, Unsummen verdienten. Der Kriegsgott hat eben zwei Gesichter.

Auch Singapore befand sich plötzlich außer Verbindung mit den chinesischen Häfen. Die Leitung Aden-Bombay war unterbrochen und das englische Kabelnetz hörte wenige Tage nach Ausbruch der Feindseligkeiten an vielen Stellen auf zu arbeiten. Das verhinderte freilich nicht, daß englische Kreuzer massenweis deutsche Schiffe aufbrachten. Fast ein Drittel des schwimmenden Nationalvermögens des deutschen Volkes befand sich Mitte April als Kriegsbeute im Besitz des Feindes. Die deutschen Reedereien bezifferten den Wert dieses Verlustes an großen Dampfern mit ihrer Ladung auf etwa eine halbe Milliarde Mark. Dem gegenüber war es deutschen Kreuzern nur gelungen, etwa 180 größere englische Schiffe – meist im Atlantic – zu kapern und sie, da man sie in keinen Heimathafen oder neutralen Hafen führen konnte, zu versenken, was an der Londoner Börse mit einem Minus von 9 Millionen Pfund notiert wurde.

Die deutschen Schiffe im Auslande

Leichte Arbeit hatte der Feind mit den im Auslande stationierten deutschen Kreuzern. Die nach den westindischen Gewässern zusammengezogenen drei Schiffe „Bremen“, „Falke“ und „Panther“ lieferten auf der Höhe von St. Thomas der britischen „Isis“ und dem französischen Kreuzer „Jurien de la Gravière“ ein Gefecht. Nach einer Stunde sank die „Bremen“ als letztes deutsches Schiff mit wehenden Flaggen. Der kleine Stationskreuzer „Sperber“ und das Vermessungsfahrzeug „Wolf“ wurden vor Bimbia an der Mündung des Kamerunflusses von drei französischen Kreuzern zusammengeschossen, worauf eine Abteilung französischer Senegalschützen von den Kameruner Gouverneurgebäuden Besitz nahmen, nachdem die deutsche Schutztruppe am Lande fast bis auf den letzten Mann vernichtet war. Kamerun und wenige Tage darauf auch Togo waren französisch.

Der kleine „Seeadler“ schoß zwar vor Sansibar ein englisches Kanonenboot in den Grund, doch war Ostafrika nicht zu halten, als von Aden vier größere englische Kreuzer herannahten. Aus einer Entfernung, in der die deutschen 10 cm an Bord der Stationäre längst nicht mehr trafen, zerstörten die englischen Granaten binnen kurzem „Seeadler“ und „Bussard“ und bombardierten sodann Dar-es-Salam, Bagamojo und Tanga. Hierauf wurden die von der Somaliküste auf vier Transportdampfern der P. & O. – Linie herangeführten indischen Sikks in der Stärke von 2500 Mann in Tanga an Land gesetzt, vor denen sich die Reste der deutschen Schutztruppe langsam ins Innere zurückziehen mußten. Am Tanganjika und am Viktoriasee fanden einige kleine Gefechte in den Hafenplätzen statt und Ende Juni wehte über fast allen Stationen in Deutsch-Ostafrika der Union Jack.

Nach dem erfolgreichen Kampfe der deutschen Schiffe vor Apia, der den Krieg eingeleitet hatte, nahte auch hier Ende April das Verhängnis. Die englischen und französischen Schiffe auf der australischen Station suchten nacheinander sämtliche deutsch-australischen Inseln ab, hißten überall die Flaggen der Verbündeten. Gegenüber vier englischen Kreuzern, darunter der große Kreuzer „Powerful“, waren „Thetis“ und „Cormoran“ vor Apia machtlos. Ein Gefecht von kurzer Dauer entschied über das Schicksal Deutsch-Samoas. Eine bittere Kränkung bedeutete es allerdings für Herrn Dr. Solf, Apias heldenmütigen Verteidiger, daß er an Bord des Kreuzers „Prometheus“ als Gefangener nach London gebracht wurde, wo er unter dem Geheul des Pöbels in einem offenen Wagen durch die Straßen gefahren, mehrfach insultiert und durch einen Steinwurf schwer verletzt wurde. Die kindische Wut der durch die Jingo-Presse aufgereizten Menge wandte sich in einer nachher auch von englischer Seite scharf getadelten, häßlichen Weise gegen den vermeintlichen Urheber des Krieges. Aber erst nachdem man der heulenden Bestie dieses Vergnügen gemacht, wies man Herrn Dr. Solf auf der Insel Wight ein Domizil an.

Von Windhuk nach Mafeking

In Südwest gebot die noch immer 12000 Mann starke deutsche Truppenmacht Vorsicht. Die Maßnahmen des Feindes beschränkten sich zunächst darauf, daß der von Kapstadt kommende Kreuzer „Crescent“ Tag für Tag einige Granaten nach Swakopmund hineinschoß. Da diese aber nur einige alte Hererodamen getötet, ein paar Wellblechdächer zerschlagen, sonst aber außer großen Staubwolken keinen Schaden angerichtet hatten, so verschwand die „Crescent“ wieder und blieb eine Zeitlang vor der Walfischbai vor Anker liegen. Auf eine Landung der Marinetruppen und einen Vormarsch auf Swakopmund verzichtete man aus guten Gründen. England benutzte ein ihm altvertrautes Mittel und bewaffnete unter Verleugnung des natürlichen Solidaritätsgefühls der weißen Rasse wiederum die Hottentotten und Hereros gegen die Deutschen. Schon Wochenlang vor Ausbruch des Krieges – auch ein Beweis, daß England ihn gewollt und vorbereitet hatte – gingen englische Agenten und reichliche Waffensendungen über die deutsche Grenze. Und als am 24. März die „Crescent“ die ersten Schüsse auf die weißen Häuser von Swakopmund abgab, sahen sich die Deutschen bereits von der doppelten Gefahr eines englischen Einmarsches und eines neuen Eingeborenenaufstandes bedroht. Die Nachrichten aus dem Süden lauteten trostlos und in den einzelnen Orten wie Keetmanshoop vermochten sich die deutschen Garnisonen kaum des Andranges der Hottentotten zu erwehren. Wurden deren Banden nun noch durch kapländische Truppen und durch Artillerie verstärkt, so war das Schicksal der Stationen besiegelt. Wollte man nicht die einzelnen deutschen Abteilungen zwecklos nach einander aufopfern, so galt es rasche Entschlüsse zu fassen.

Da die Kolonie, die sich kaum von der furchtbaren Erschütterung durch den zweijährigen Eingeborenenkrieg zu erholen begann, bei weitem außer stande war, die Lebensmittel für die verhältnismäßig starke Truppenmacht zu liefern, und die englische Blockade nicht eine Konservenbüchse ins Land ließ, so war an der Menge der auf den Etappenstationen und in Windhuk, Swakopmund usw. lagernden Proviantvorräten die Dauer des Widerstandes fast bis auf den Tag genau zu berechnen. Der Hunger und das sicher bevorstehende Herannahen einer feindlichen Übermacht, waren die zwei Gewichte an der Uhr, deren Pendelschlag die Schicksalstunde Deutsch-Südwestafrikas ausmaß. Da galt es, wie gesagt, schnelle Entschlüsse zu fassen. Und gerade rechtzeitig noch zog der Gouverneur sämtliche Militärposten und sämtliche deutsche Farmer von Süden nach Norden zurück. Auf den schwerfälligen Ochsenwagen konnten die bedauernswerten Ansiedler, die nach zwei Jahren erzwungener Muße kaum erst wieder den Wirtschaftsbetrieb begonnen hatten, noch eben ihren Hausrat bergen; dann ging’s, gedeckt durch Reiterpatrouillen, mit den Viehherden nach Norden in der Richtung auf Windhuk. Verlassene Weideflächen, verschüttete Brunnen und verbrannte Farmen bezeichneten den Rückweg der deutschen Bewohner des Schutzgebietes. So ward ein breiter Gürtel wüsten Landes, das dem Feinde nichts mehr liefern konnte, zwischen den Sammelplatz der Deutschen, den Windhuker Bezirk und die englische Grenze gelegt, eine Maßregel, die denn auch das Vorrücken des Feindes so erschwerte, daß es hier zu eigentlichen Kämpfen gar nicht kam.

Die Abschneidung der Lebensmittelzufuhr von der See her und der Aufstand der Eingeborenen im Süden konnten folgerichtig nur auf einen Weg weisen. Was man an der Küste nicht mehr erhalten konnte, mußte man sich auf der Landseite holen. Und so beschloß der deutsche Gouverneur selber einen Vorstoß in Feindesland in der Richtung auf Mafeking zu unternehmen. In Swakopmund und entlang der Bahnlinie bis Windhuk wurden überall kleine Garnisonen zurückgelassen. Dann begann der Bau der Feldbahn von Windhuk nach der englischen Grenze, wozu das vorhandene Material der Otavibahn und das erst vor Wochen für die Strecke Windhuk-Rehoboth eingetroffene verwendet wurde. An der Vormarschlinie wurden überall Etappenposten verteilt und an den Stationen feste Blockhäuser errichtet.

Die Kunde von dem deutschen Vormarsch traf erst Anfang Mai in Kapstadt ein, worauf sofort die englischen Truppen, die bereits Keetmanshoop erreicht hatten, zurückgerufen wurden. Man konzentrierte nämlich nunmehr alle verfügbaren Streitkräfte im Norden, in der Transvaalkolonie, schon um eine mögliche Burenerhebung im Keime ersticken zu können. Ein Aufstand im Betschuana- und West-Griqualande nötigte jedoch zur Detachierung mehrerer Regimenter, und die unruhige Haltung der Buren machte in den kleineren Garnisonen den britischen Besatzungen das Leben recht sauer, zumal man es schon nicht mehr wagte, jeder Unbotmäßigkeit mit voller Strenge zu begegnen. Es kamen täglich Raufereien mit englischen Soldaten auf den Straßen vor, auch hieß es, einzelne Militärposten seien von aufständischen Buren überwältigt worden. Der Nachrichtendienst und die Beweglichkeit der englischen Abteilung litt sehr unter der häufigen Zerstörung der Telegraphenlinien. Die Aufregung stieg ins Ungemessene, als Mitte Juni gemeldet wurde, die Deutschen seien in der Stärke von 7000 Mann im Anmarsch auf Mafeking. Unter unsäglichen Anstrengungen und Entbehrungen hatten diese den mühseligen Marsch durch die Wüste erzwungen. Bei einem Gefecht unweit Mafeking wurde am 20. Juni ein englisches Bataillon völlig vernichtet.

Da nunmehr die Burenbevölkerung den Engländern sämtliche Lieferungen an Lebensmitteln usw. verweigerte, und zu offenen Feindseligkeiten überging, so war es das Klügste, was der englische Höchstkommandierende tat, nämlich seine Truppen nach Süden zurückzuziehen, so lange er noch die Eisenbahnen in der Hand hatte. In einzelnen Städten hielten sich die englischen Garnisonen. Die Deutschen besetzten bei ihrem Vormarsch nach Süden zunächst Bloemfontein und machten dies zur Basis der weiteren Operationen. Es galt zunächst die Streitkräfte der ehemaligen Burenrepubliken zu organisieren, und es trat deshalb eine Pause in der Vorwärtsbewegung ein. Da sich verschiedene Mißhelligkeiten zwischen den Burengenerälen und der deutschen Heeresleitung ergaben, wurde der Einmarsch in die Kapkolonie immer wieder verzögert, bis man sich im Herbst von anderen Ereignissen überrascht sah.