Für immer sein

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Z serii: Für immer #2
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Kapitel 4

Wieder wurde Jamie vor Chad wach. Er entschied, sich lieber noch etwas länger wie ein Hund zu verhalten und Chad glauben zu lassen, dass er wirklich nur geträumt hatte. Den Kopf auf die Pfoten gelegt beobachtete er Chad beim Schlafen und seufzte. Jamie musste seinem Gefährten die Wahrheit sagen, wenn er wieder richtig sprechen konnte. Er wollte keine zwanzig – tausend – Fragen beantworten müssen, um es erklären zu können. Vor allem, da er sich nicht verwandeln konnte, um es zu beweisen.

Die nächste Nacht sollte die letzte sein, in der er vom Vollmond beeinflusst wurde. Wenn der Mond also am nächsten Morgen unterging, müsste er sich wieder verwandeln können. Und endlich reinen Tisch machen.

Ohne eine vernünftige Idee, wie er das tun sollte, versuchte Jamie sich darüber allerdings noch keine Sorgen zu machen. Er hatte noch vierundzwanzig Stunden zu überstehen. Die vielleicht letzten vierundzwanzig Stunden, die er mit seinem Gefährten hatte, bevor Chad die Wahrheit erfuhr und ihn möglicherweise nicht mehr wollte.

Chad regte sich und schlug die Augen auf. Eine Weile starrte er ihn an und Jamie hielt erwartungsvoll den Atem an, wartete darauf, was Chad sagte. »Guten Morgen, Großer. Was hältst du von Kaffee?«

Jamie atmete aus. Er war sich nicht sicher, was das zu bedeuten hatte, aber er konnte auch nicht wirklich widersprechen. Stattdessen stand er auf und streckte sich, bevor er vom Bett sprang und sich kräftig schüttelte. Er bellte, bis Chad aufstand, dann lief er zur Apartmenttür und kratzte daran.

»Ganz ruhig. Ich geh gleich mit dir raus«, grummelte Chad.

Jamie wartete auf das Geräusch der Toilettenspülung und Chads Schritten, der nur mit Shorts bekleidet zurückkam. Sonst nichts.

Demonstrativ wandte Jamie den Blick ab, während er die Tür anwinselte. So dringend musste er zwar nicht, versuchte aber – hoffentlich nicht zu offensichtlich – weiter so zu tun, als wäre er ein Hund.

Chad schnappte sich die Leine und öffnete die Tür. Mit einem Bellen rannte Jamie los, durch den Hausflur und die Treppe hinunter, dann setzte er sich vor die Haustür. Er wedelte mit dem Schwanz, bis Chad zu ihm aufschloss.

»Was ist denn in dich gefahren?«, fragte er mürrisch.

Ohne darauf zu reagieren, rannte Jamie bellend zum Gartentor. Nachdem Chad das Tor geöffnet hatte, rannte Jamie in den Garten, drückte seine Nase auf den Boden und schnupperte ausgiebig. Allerdings musste er genauso wenig nach einer geeigneten Stelle suchen, wie er sich erleichtern musste. Es war ihm egal, wohin er machte.

Zurück im Apartment legte sich Jamie unter den Küchentisch, während Chad die Kaffeemaschine anschaltete und Pfannen, Schinkenspeck und Eier rausholte. Er versuchte, seinen knurrenden Magen zu ignorieren, wobei er überlegte, ob er auf einer Zeitung oder einem Schuh herumkauen sollte, um sein Schauspiel aufrechtzuerhalten. Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, stellte Chad eine Schüssel Kaffee vor ihn auf den Boden.

Jamie konnte nicht verhindern, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Er hob den Blick und sah, dass Chad schief grinste.

»Mach schon, trink. Ich habe das nicht geträumt. Sei so viel Hund, wie du willst, aber ich weiß, dass du mir geantwortet hast.«

Jamie blinzelte ihn an, dann sah er zum Kaffee.

»Was? Trinkst du ihn normalerweise mit Zucker, oder was?«

Bevor er sich davon abhalten konnte, schnaubte Jamie.

»Siehst du?«, fragte Chad.

Shit. Jamie steckte seine Schnauze in die Schüssel und trank.

Chad beließ es dabei und ging wieder an den Herd. Aus dem Augenwinkel beobachtete Jamie ihn, um zu sehen, ob Chad zu ihm rübersah, doch offensichtlich hatte dieser sich aufs Kochen konzentriert. Jamie hatte nichts dagegen, denn er war hungrig.

Nur noch ein Tag. Als er den Kaffee ausgetrunken hatte, legte er sich wieder hin und beobachtete Chad. Der Hintern seines Gefährten sah in dieser kurzen Sporthose wirklich gut aus. Jamie fragte sich, wie er sich wohl anfühlte.

Er verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Noch eine Erektion konnte er sich nicht leisten.

Zum Glück stellte Chad ein paar Minuten später einen großen Teller mit Schinkenspeck und Eiern vor ihn auf den Boden. »Tut mir leid, dass es keine Abwechslung gibt«, sagte er grinsend. »Aber wenigstens ist es kein Trockenfutter, hm?«

Jamie beschloss, nicht darauf zu antworten. Mit ein wenig Glück würde Chad bis morgen nicht plötzlich entscheiden, echtes Hundefutter zu kaufen, sodass ihm das Trockenfutter erspart bliebe. Bei dem Gedanken versuchte er, nicht sichtbar zu erschaudern, und machte sich lieber über den köstlichen Speck und die Eier her.

Er war lange vor Chad fertig, wobei er sogar den Teller ableckte. Anschließend holte er den Schinkenknochen hervor, den er am Tag zuvor noch nicht ganz abgenagt hatte, und legte sich neben Chads Füße. Jamie hoffte, dass mit dem Knochen zu spielen, vielleicht helfen könnte, Chads Zweifel teilweise auszuräumen.

Davon abgesehen mochte er den Geschmack.

Chad beendete sein Frühstück und verließ die Küche. Jamie tat so, als wäre er zu sehr mit dem Knochen beschäftigt, um dem Beachtung zu schenken. Allerdings wusste er, dass er dabei nicht besonders erfolgreich war, denn beim Hinausgehen lachte Chad leise.

Ein paar Türen weiter hörte er die Dusche, dann Chads Schritte im Schlafzimmer und dem Flur.

»Komm, Murray. Wir sind mit jemandem verabredet«, sagte Chad von der Türschwelle aus.

Jamie sah auf. Sein Gefährte trug eine bequeme Jeans und ein helles Hemd. Gott, ist er scharf. Er stand auf und schüttelte sich, dann ging er zu Chad, der die Leine in der Hand hielt. Als er näher kam, bemerkte er eine Beule am Bund von Chads Jeans und wunderte sich darüber. Erst als Chad sich bewegte und das Hemd hochrutschte, erkannte er, dass es ein Holster war. Hm. Das ist ja interessant. Unten auf der Straße wandte sich Chad in eine andere Richtung, als Jamie erwartet hatte.

Chad führte Jamie zu dem geilsten Auto, das er je gesehen hatte. Er fragte sich, ob es tatsächlich dunkelgrau war oder ob es nur an seiner derzeitigen Sicht lag. Jede Wette lag es nicht ausschließlich an seiner Sicht und wenn er damit nicht falschlag, würde es nachts beinahe unsichtbar sein, wenn Chad nicht gesehen werden wollte. Etwas sagte Jamie, dass es Momente gab, in denen dies der Fall war.

Da es ein Zweitürer war und er SRT auf dem Heck und supercharged auf der Seite lesen konnte, wusste er, dass es ein Challenger war. Jamie hatte diese Autos schon mehr als einmal bewundert. Er sah zu Chad auf, der ihn beobachtete.

»Gefällt er dir?«

Jamie schnaubte verärgert über sich selbst, weil er beim Anstarren des Autos erwischt worden war.

»Ich brauch dir wohl nicht zu sagen, dass du nicht auf den Sitz pinkeln darfst. Ich bin mir sicher, dass du das nicht tust. Ich wette um den Preis dieses Autos, dass du ganz genau weißt, was das ist.«

Was zum Teufel sollte das bedeuten? Wie konnte er deswegen nur so ruhig bleiben?

Jamies Frust wuchs, als Chad die Tür für ihn öffnete und er auf den Vordersitz sprang.

»Sicherheitsgurt«, sagte Chad, während er diesen um Jamie und über seine Hinterbeine zog. »Ich weiß, dass das nicht bequem sein kann, aber selbst wenn ich auf mich aufpassen kann, gibt es zu viele unsichere Fahrer da draußen.«

Verdutzt blinzelte Jamie, während Chad ums Auto ging und auf den Fahrersitz rutschte.

»Was? Guck mich nicht so an. Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, Murray, aber das kriege ich irgendwann noch raus. In der Zwischenzeit werde ich nicht zulassen, dass du verletzt wirst.«

Jamie gab nicht mehr als ein Schnaufen von sich. Stattdessen sah er aus der Windschutzscheibe und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Wusste Chad über Gestaltwandler Bescheid? Das ergab keinen Sinn. Wenn er es täte, hätte er ihn danach gefragt, oder?

Daher war er sich vielleicht nur sicher, dass es da draußen noch irgendetwas anderes gab.

»Wenn ich dir Fragen stelle, beantwortest du sie dann?«

Bevor er sich davon abhalten konnte, seufzte Jamie. Er sah zu seinem Gefährten rüber und legte den Kopf schief.

Chad lachte auf. »Du musst nicht so tun, als wärst du ein Hund.«

Jamie wusste, dass er in diesem Moment so verwirrt aussah, wie er sich fühlte.

Chad hob die Augenbrauen. »Sieh mal, ich hab bereits herausgefunden, dass du zu clever bist, um nur ein Hund zu sein. Ich weiß, dass du kein reiner Haushund bist. Nicht zuletzt bist du zu groß. Da ist entweder ein Teil Wolf in dir oder ich habe absolut keine Ahnung von Tieren. Ich bin gewillt zu glauben, dass es Dinge gibt, die wir nicht erklären können. Dafür habe ich selbst in meiner kurzen Zeit in der Einheit zu viel gesehen.«

Sein Gefährte war Polizist gewesen. Das war interessant. Und es erklärte die Waffe. Jamie sah zu ihm rüber.

»Und seit ich die Einheit verlassen habe und als Privatdetektiv arbeite, habe ich sogar noch mehr gesehen. Es gibt da draußen ziemlich verrücktes Zeug. Für dich gibt es auch eine Erklärung. Ich habe sie nur noch nicht.« Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad, während er in die Parkway East einbog. »Es mag etwas dauern, aber ich finde es noch raus. Bis dahin musst du mir nichts vorspielen. Nichtsdestotrotz...« Er verstummte, um sich auf den Verkehr zu konzentrieren.

Jamie war beeindruckt davon, wie gut Chad das Auto durch die Straßen manövrierte. Er lenkte es geschmeidig auch durch die engsten Stellen hindurch. Als Chad beinahe mühelos beschleunigte, konnte Jamie die Kraft unter der Motorhaube spüren. Er hoffte, dass sein Gefährte ihn noch wollte, sodass er das Auto auch mal würde fahren dürfen.

 

Er schnaubte angesichts seiner eigenen Gedanken und sah zu Chad rüber.

»Nichtsdestotrotz«, sagte Chad wieder. »Der Mann, den wir gleich treffen, darf nicht wissen, dass du mehr als nur ein Hund bist. Er ist ein alter... Freund aus der Einheit, der mir... Gefallen tut. Er ist gerissen, doch was immer du bist, ich bin mir sicher, dass du nicht willst, dass er es weiß. Benimm dich also weitestgehend wie ein Hund, während wir mit ihm zusammen sind, okay?«

Jamie überlegte, nicht zu antworten, erkannte aber, dass es keinen Grund dafür gab. Er nickte.

»Gut. Beantworte keine Fragen, guck nicht angepisst oder wie auch immer. Versuch, so überzeugend wie möglich ein Hund zu sein.« Er nahm die Auffahrt Richtung North Side, wobei das Auto nahezu über die Brücke flog. Einige Minuten später hielt er bei einem Park und stellte den Motor ab. »Ich kann die Leine hier abmachen. Lauf aber nicht zu weit weg.«

Jamie bellte zustimmend und wartete darauf, dass Chad ihm die Tür öffnete und den Sicherheitsgurt löste. Nachdem er vom Sitz gesprungen war, streckte und schüttelte er sich, bevor er neben Chad her in den Park lief. Sobald sie auf der Wiese waren, machte Chad die Leine ab, doch Jamie blieb bei ihm.

Sie gingen auf einen Mann zu, der für Juni nicht weniger unpassend gekleidet auf einer Parkbank hätte sitzen können. Jamie war vielleicht farbenblind, aber er bezweifelte nicht, dass der Trenchcoat des Mannes beige war. Einfache Halbschuhe zierten dessen Füße und zweifellos schaute eine Khakihose unter dem Mantel hervor. Eine Sonnenbrille hatte er auch noch auf. Im Schatten. An einem bewölkten Tag.

Jamie brauchte keinen Abschluss in Kriminalwissenschaften, um zu wissen, dass dieser Typ etwas vorhatte. Er sah zu Chad auf, der zu ihm hinuntersah. Er schnaubte, als würde er Echt jetzt? sagen wollen und Chad lachte leise.

»Ja, ich weiß. Aber jetzt denk dran – Hund«, murmelte er, ohne den Mund zu bewegen. Sie gingen zur Bank und Chad setzte sich neben den Typen. »Hallo, Reid. Wie geht's?«

»Schhh!«, sagte Reid und blickte sich dabei um.

Wegen diesem Kerl sollte ich mir Sorgen machen?

Chad verdrehte die Augen. »Wirklich, du bist kaum zu übersehen. Und es ist nicht das erste Mal, dass wir uns treffen. Herrgott.« Er schüttelte den Kopf. »Also, hast du was rausgefunden?«

Erst jetzt schien Reid Jamies Anwesenheit zu bemerken. »Hast du einen Hund?«

Jamie fiel es schwer, nicht beleidigt zu sein. Er entschied, sich stattdessen mit dem Hinterfuß am Ohr zu kratzen.

Chad sah ihn belustigt an, dann wandte er sich wieder an Reid. »Das ist Murray. Wir haben uns neulich in Oakland gewissermaßen gefunden.« Er wandte sich an Jamie. »Hey, Murray. Komm und sag hallo.« Er hielt ihm eine Hand hin.

Jamie tat so, als würde er an Chads Hand schnuppern, dann steckte er seine Nase in Reids Schritt. Es war nicht das Frischeste, was er je gerochen hatte, aber der Kerl stank wenigstens nicht. Was er allerdings roch, war eine Menge Schweiß, wobei Jamie sich jedoch nicht sicher war, ob der von Nervosität herrührte oder weil der Typ für Juni zu warm angezogen war. Er sah zu Chad hinauf, der sich ein Lachen verkniff.

»Ey, äh, hi. Könnte er seine Nase nicht, na, du weißt schon, an meinen Schwanz halten?« Reid drückte Jamie von sich weg, bis er sich zurückzog.

Chad grinste ihn an. »Murray, sei brav. Komm her und mach Sitz.«

Jamie tat, wie ihm geheißen, und setzte sich neben Chad. Er rollte sich zusammen und begann, sich die Eier zu lecken. Als Chad ihn daraufhin anstupste, hob Jamie den Kopf und Chad verdrehte die Augen. Jamie streckte die Zunge raus, sodass es für das unwissende Auge aussah, als würde er hecheln, doch er wusste, dass Chad es verstand.

»Also, hast du ihn einfach zu dir genommen? Einfach so? Was, wenn er einen Besitzer hat?«

»Ich habe die Tierheime angerufen und achte auf Anzeigen, ob jemand einen Hund vermisst. Aber ich habe das Gefühl, dass er keinen hat.« Chad sah zu Jamie, der sich zusammenrollte und weiter seine Hoden leckte. »Ich meine, er ist gesund, soweit ich das beurteilen kann. Aber er lief ohne Halsband oder Marke durch Oakland und er hat keinen Chip, also...«

»Hm. Er ist riesig. Was ist er?«

»Keine Ahnung. Mischling, denke ich. Er braucht wirklich ziemlich viel Platz in meinem Apartment. Aber er ist brav. Stubenrein, obwohl er Essen klaut. Und Kaffee. Komischer Hund.«

Jamie schnaubte.

Chad stieß ihn erneut an.

»Na dann, Glückwunsch… oder so.«

»Danke«, sagte Chad lächelnd. »Ich mag ihn. Er leistet mir Gesellschaft. Wie läuft's auf dem Revier?«

Jamie versuchte, nicht zu viel in Chads Worte hineinzuinterpretieren.

Reid zuckte mit den Schultern. »Jeden Tag der gleiche Scheiß. Dieselben Arschlöcher bringen dieselben dummen Sprüche. Deeks ist befördert worden.«

Chad verzog das Gesicht. »Das Arschloch hat es zum Captain gebracht?«

»Ja«, sagte Reid schnaubend. »Ich weiß auch nicht warum.« Er hob eine Schulter. »Der Rest ist so wie immer. Die Abteilung für interne Angelegenheiten ist mal wieder da gewesen.«

»Lass mich raten«, sagte Chad mit vor Spott triefender Stimme. »Sie haben nichts gefunden.«

»Natürlich nicht.«

Chad seufzte. »Das werden sie auch nie.«

»Du weißt das und ich weiß das. Aber sie müssen diesen Zirkus veranstalten.«

Aufmerksam lauschte Jamie der Unterhaltung, obwohl er sich nicht alle Namen merken konnte, als sie über Ehefrauen, Partner und andere Leute sprachen. Er bemerkte, wann sich Chads Stimme bei der Erwähnung bestimmter Menschen veränderte, und versuchte, sich diese Namen einzuprägen. Wenn die Dinge gut liefen und Chad nicht schreiend das Weite suchte, wenn er von Gestaltwandlern erfuhr, würde Jamie ihn nach diesen Leuten fragen.

Es schien, als würde Reid jedes Mal, wenn Chad versuchte, ihre Unterhaltung zurück zum eigentlichen Punkt zu lenken, ein anderes Thema finden. Doch offensichtlich gab es nichts mehr, was er als Verzögerung nutzen konnte.

»Hier«, sagte Reid, während er Chad einen gelben Umschlag reichte. »Das ist alles, was wir über ihn haben.«

Chad nahm den Umschlag, ohne hineinzusehen.

Unauffällig sog Jamie die Luft ein, als er eine Veränderung in Reids Stimmlage wahrnahm. Oh ja, der Schweißgeruch wurde gerade stärker. Jamie hörte genauer hin und auch Reids Herz schlug schneller. Hm. Interessant.

»Danke Reid. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«

»Nicht der Rede wert. Echt jetzt.« Unruhig sah Reid sich um.

»Natürlich nicht, Reid. Herrgott.« Chad schüttelte den Kopf, doch etwas in seiner Stimme ließ Jamie aufhorchen. Chad wirkte nervös und Jamie fragte sich, was der Grund dafür war.

»Also, äh, Chad–«

Chad seufzte und Jamie hatte das Gefühl, dass Chad nicht hören wollte, was als Nächstes kommen würde.

Er entschied, seinem Gefährten zu helfen. Er setzte sich auf, legte den Kopf schief und stellte die Ohren auf, während er in die Ferne sah, als gäbe es dort etwas Interessantes. Nach einem kurzen Bellen rannte er los.

»Shit. Ich muss weg. Bis bald, Reid! Murray!«

Jamie rannte auf den See zu, der sich in der Mitte des Parks befand, dann lief er rechts daran entlang und hinter eine Statue. Auf der anderen Seite blieb er stehen und wartete, dass Chad ihn einholte.

Einen Moment später umrundete Chad die Statue lachend. »Danke, Großer. Er war kurz davor, mich um einen Blowjob zu bitten. Ich schwöre dir, der Mann lebt so tief im Schrank, dass er regelmäßig Ausflüge nach Narnia macht.« Er schüttelte den Kopf, wobei sich sein Lächeln in ein Stirnrunzeln verwandelte. »Will sich nicht outen, hat aber nichts gegen einen Blowjob in einer Gasse. Das Arschloch tut so, als würde er mir einen Gefallen damit tun, dass ich seinen Schwanz lutschen darf. Kannst du dir das vorstellen?«

Pfui! Jamie schnaubte und Chad nickte.

»Genau. Komm, lass uns nach Hause fahren. Da wartet Arbeit auf mich.«

Zurück am Auto sprang Jamie auf den Sitz, nachdem Chad die Tür geöffnet hatte. Er wartete, bis Chad ihm den Sicherheitsgurt angelegt hatte, dann machte er es sich bequem.

Chad steckte den Umschlag hinter die Sonnenblende auf der Fahrerseite, dann startete er das Auto.

Jamie sah zu Chad auf und seufzte. Sein Gefährte war so umwerfend. Er war so erleichtert zu hören, dass Chad schwul war, doch er fragte sich, ob Chad ihn als Mensch attraktiv finden würde. Über diesen Gedanken schüttelte er den Kopf. Das war seine geringste Sorge. Erst mal musste er sehen, ob Chad die Tatsache, dass ihm einmal im Monat Fell wuchs, akzeptieren konnte.

Während der Fahrt schaltete Chad das Radio an. Jamie blickte zum Display und sah, dass es der Sender Pandora '80s war. Sammy Hagars Stimme ertönte aus den Lautsprechern und beschwerte sich darüber, dass er nicht schnell fahren konnte. Jamie schnaubte.

»Was? Kein Sammy Hagar-Fan?«

Jamie schnaufte erneut und schüttelte den Kopf.

»Was dann?«

Er hob den Kopf und deutete mit der Schnauze auf das Display.

»Oh, das Lied!« Chad lachte. »Also kannst du auch lesen?«

Jamie nickte.

Chad schüttelte den Kopf. »Es bringt mich um, dass ich noch nicht herausgefunden habe, was du für einer bist, Murray.«

Die Erwähnung seines neuen Namens ließ Jamie schnauben. In Wahrheit jedoch mochte er ihn. Ihm gefiel die Idee, dass Chad sich wirklich Gedanken gemacht hatte, als er ihn ausgesucht hatte.

Er hörte, wie Sammy Hagar in ZZ Top überging und dann The Police gespielt wurde. Das war alles vor seiner Zeit gewesen und er wunderte sich über Chad, der nicht so alt aussah, dass er die Lieder gehört haben konnte, als sie zum ersten Mal gespielt wurden. Das war noch eine Sache, die er über seinen Gefährten nicht wusste. Chad sang jedoch fast jeden Song mit – zum Glück in halbwegs ordentlicher Tonlage.

Er seufzte frustriert. Er wollte in seine menschliche Gestalt zurück. Das hier machte ihn, verdammt noch mal, völlig verrückt. Wenn er nur mit Chad reden könnte.

Nach einem Umweg über Wendy's, wo Chad für Jamie einen riesigen Cheeseburger kaufte, fuhren sie zum Apartment zurück. Chad aß vor dem Computer und las dabei die Informationen aus dem Umschlag. Jamie versuchte währenddessen, seinen Burger nicht zu inhalieren, und scheiterte dabei kläglich.

Chad schnaubte. »Ich hole dir nicht noch einen.«

Jamie leckte über Chads Hand, dann legte er den Kopf auf seine Pfoten und versuchte, nicht zu viel nachzudenken. Das Einzige, worum seine Gedanken kreisten, war, wie Chad die Offenbarung seiner wahren Natur aufnehmen würde. Erst machte er sich Sorgen darüber, dann sagte er sich, dass er den Gedanken loslassen musste und Chads Gesellschaft genießen sollte, und dann ging es wieder von vorne los.

»Humbug! Ich brauche Musik. Das ergibt kaum Sinn.« Chad ging ins Wohnzimmer und drückte den Knopf für die Stereoanlage. Die letzten Takte eines Songs, den Jamie nicht erkannte, ertönten. Den Sänger kannte er jedoch. Bob Seger sang irgendwas darüber, dass der Mond geisterhaft weiß war. Er konnte dem jedoch nicht viel Aufmerksamkeit schenken, da Chad gerade ins Schlafzimmer ging und Jamie zu sehr damit beschäftigt war, den Hintern seines Gefährten anzustarren.

Ein neues Lied dröhnte aus den Boxen und selbst er erkannte die ersten Klavierakkorde. Ein paar Sekunden später schlitterte Chad mit nichts als Unterwäsche, weißen Socken und seinem Hemd bekleidet über den Holzfußboden. Er hatte eine Haarbürste, keinen Kerzenständer, in der Hand, doch Jamie wusste, was Chad da tat. Er schnaubte belustigt. In Wolfsgestalt konnte er nicht wirklich lachen, aber schnaufen und schnauben waren eine gute Alternative.

Es wurde nur noch schlimmer, als Chad sich umdrehte und dessen Hemd halb offen stand. Sein Gefährte war sehr viel besser gebaut als Tom Cruise – vor allem in diesem Film –, doch er konnte ein weiteres Schnauben nicht unterdrücken, angesichts Chads absurder Showeinlage.

Dann begann Chad mitzusingen und Tom Cruises Bewegungen aus dem Film zu imitieren. Jamie ließ sich auf den Bauch fallen und schüttelte den Kopf. Das leichte Wackeln mit dem Hintern entschädigte ein wenig dafür, wie albern Chad war. Als dieser die Haarbürste wegwarf und auf ihn zeigte, legte Jamie sich die Pfoten über die Augen. Er konnte sich das nicht noch länger ansehen.

Lange hielt er es jedoch nicht aus und schielte zwischen seinen Klauen hervor, um zu sehen, dass Chad immer noch mitsang, wobei er an den richtigen Stellen Luftgitarre spielte. Er musste zugeben, dass er beeindruckt war, als Chad dieses Ding machte, bei dem er wie ein Rockstar auf dem Boden kniete und sich nach hinten lehnte. Natürlich stellte sich Jamie dabei vor, wie er in dieser Position auf Chads Schoß saß – kein Bild, an dem er sich in diesem Moment erfreuen wollte. Er wollte wirklich nicht noch einmal in Wolfsgestalt einen Ständer kriegen. Schnell schlug er sich die Pfoten wieder über die Augen.

 

Als einen Moment später die Lautstärke runtergedreht wurde, schnaubte Chad. »Immer sind alle so kritisch. Du musst zugeben, dass ich besser aussehe als Tom Cruise damals.«

Schnaubend streckte Jamie die Zunge raus.

Chad verschwand mit einem Lachen im Schlafzimmer. Als er herauskam, trug er eine kurze Sporthose und ein T-Shirt mit dem Logo der Ghostbusters darauf. Er ging wieder zu seinem Schreibtisch und setzte sich. »So. Irgendeinen Sinn muss dieses Zeug doch ergeben.«

Jamie holte den Rest des Schinkenknochens unter dem Küchentisch hervor und streckte sich neben Chads Füßen aus.

Wenn Chad in seine Arbeit vertieft war, schien er anderen banalen Dingen, wie seinen Hund zum Pinkeln rauszulassen oder etwas zu essen zu machen, keine Aufmerksamkeit zu schenken. Jamie musste an Chads Hose zerren und sie beinahe zerreißen, damit er reagierte.

»Was?«

Jamie seufzte, ging ins Wohnzimmer und setzte sich neben die Tür.

»Oh, tut mir leid, Murray«, sagte Chad kleinlaut. »Ich war hier irgendwie, ähm… vertieft.« Er schnappte sich die Leine und öffnete die Tür. »Auch wenn du kein gewöhnlicher Hund bist, musst vermutlich mal raus, hm?«

Jamies Antwort war ein schlichtes Schnauben, bevor er endlich in den Garten durfte. Nachdem er sein Geschäft schließlich erledigt hatte, gingen sie wieder nach oben, wo sich Jamie vielsagend vor den Kühlschrank setzte.

»Hunger hast du auch, ja?«, fragte Chad leise lachend.

Jamie bellte.

»Okay, okay – verdammt, ich habe gar nicht auf die Zeit geachtet. Kein Wunder, dass du hungrig bist. Sorry, Großer.«

Jamie warf einen Blick auf die Küchenuhr und stellte fest, dass es bereits nach acht Uhr abends war. Wie gewöhnlich bemerkte er als Wolf nicht, wie die Zeit verging. An diesem Abend war es noch schlimmer, da der Mond nun vollständig aufgegangen war. Sein Wolf war sehr viel präsenter. Genau genommen war der Drang, rauszugehen und zu jagen, übermächtig. Das würde etwas nachlassen, wenn er etwas gefressen hatte, aber er fragte sich, ob er Chad zumindest dazu bewegen konnte, mit ihm zu rangeln oder zu spielen. Er musste sich heute Abend irgendwie körperlich betätigen und da er weder vögeln noch laufen oder jagen konnte, war das die nächstbeste Alternative.

Chad holte Hackfleisch aus dem Kühlschrank, formte es auf der Arbeitsfläche zu Burgern und legte sie in die Bratpfanne.

Jamies Magen knurrte, doch er tat sein Bestes, es zu ignorieren. Stattdessen trank er etwas Wasser, um ihn ruhigzustellen, dann legte er sich hin und wartete so geduldig, wie er nur konnte.

Chad war jedoch ziemlich schnell und schon kurze Zeit später stand ein Teller mit Burgern auf dem Fußboden vor ihm. Dankend bellte Jamie und machte sich gierig über das Essen her, wobei er den ersten Burger beinahe inhalierte. Beim Zweiten ließ er sich mehr Zeit und den Dritten genoss er sogar. Glücklicherweise fühlte er sich besser, nachdem er alle verputzt hatte. Der Drang zu jagen war nicht mehr so stark, obwohl er dennoch irgendwas tun musste.

Als Chad ebenfalls aufgegessen hatte und die Teller in die Spüle stellte, stieß Jamie ihm mit dem Kopf gegen die Kniekehlen.

»Was?« Chad sah zu ihm hinunter.

Jamie stupste ihn wieder an, dann zupfte er an Chads Hose. Er war sich nicht sicher, wie er mitteilen sollte, was er wollte.

»Was versuchst du mir zu sagen? Musst du noch mal raus?«

Jamie dachte darüber nach, doch der Garten war zu klein, um irgendwas damit anfangen zu können. Er schüttelte den Kopf und stieß Chad wieder an, dann sprang er an ihm hoch und lehnte sich gegen dessen Brust.

Chad lachte. »Ich glaube, du willst spielen, oder?«

Oh Gott sei Dank, ja. Jamie nickte und bellte.

»Im Wohnzimmer. Hier ist nicht genug Platz. Und… Moment.« Er ging ins Schlafzimmer und Jamie hörte, wie eine Schublade geöffnet und geschlossen wurde. Einen Moment später kam Chad mit einer verknoteten Socke wieder. »Wie wäre es damit?«

Jamie wedelte mit dem Schwanz und biss in ein Ende der Socke.

Sie rangelten eine Weile. Jamie war beeindruckt, wie lange Chad durchhielt. Sie spielten Tauziehen, bis Chad die Socke so weit warf, wie das Apartment es erlaubte – was nicht so schlecht war, immerhin den ganzen Flur hinunter –, und Jamie brachte sie zurück. Es war kein Rennen oder Jagen, aber als Chad um Gnade bettelte, fühlte sich Jamie dennoch besser.

Nachdem Chad wieder auf seinem Schreibtischstuhl saß, legte sich Jamie auf den Boden zu seinen Füßen. Es war noch ein winziges bisschen vom Knochen übrig, auf dem er herumkauen konnte, daher holte er ihn vor und machte es sich bequem. Er schlief dort sogar ein.

Als Jamie am nächsten Morgen erwachte und bemerkte, dass er sich noch immer nicht verwandelt hatte, war er sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Er sah auf die Uhr und anschließend zum Fenster, wusste aber nicht, wo der Mond stand und da die Sonne schien, konnte er ihn nicht sehen. Er wusste nicht recht, ob er darüber erleichtert sein sollte, dass er vielleicht gehen und sich verwandeln und später zurückkommen konnte, oder ob er enttäuscht war, dass er sich noch nicht verwandelt hatte. Obwohl er sich nicht vorstellen konnte, dass Chad es gut fände, neben einem fremden, nackten Mann in seinem Bett aufzuwachen.

Das Handy auf dem Nachttisch piepte und Chad rollte sich gähnend herum, um es in die Hand zu nehmen. »Oh, gut«, sagte er, während er aufstand. Er lief in die Küche und Jamie folgte ihm gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Chad eilig etwas in den Computer eingab.

Jamie wartete geduldig, ob Chads Aufmerksamkeit dem Computer noch lange gelten würde, aber als er, laut der Uhr an der Wand, zehn Minuten später immer noch keine Anstalten machte, sich zu bewegen, begann Jamie, unruhig zu werden.

Er musste mal pinkeln.

Mit einem leisen Winseln stieß er gegen Chads Bein.

»Gleich, Großer. Ich lasse dich gleich raus. Panther hat endlich geantwortet.«

Jamie setzte sich und versuchte, geduldig zu sein. Doch weitere zehn Minuten später begann seine Blase regelrecht wehzutun. Er wimmerte lauter.

»Wirklich, Murray. Nur noch eine Minute. Ich versprech's.«

Jamie verlagerte sein Gewicht, bedacht darauf, keinen Druck auf seine Blase auszuüben, doch es funktionierte nicht. Er konnte ein weiteres Winseln nicht unterdrücken.

»Gleich, Murray«, sagte Chad genauso abgelenkt wie bei den letzten beiden Malen.

Jamie sah Richtung Flur, dann zu Chad zurück. Wenn er noch länger versuchte, es zurückzuhalten, würde er am Ende noch auf den Boden pinkeln. Auf gar keinen Fall würde er das tun.

Unruhig verließ er den Raum, ohne dass Chad es bemerkte. Mit ein wenig Glück konnte er tun, was er tun musste, und Chad musste es nicht mal wissen. Den Flur runter und ins Badezimmer. Jamie sah zur Toilette, dann zur Wanne und zurück zur Toilette. Er hatte noch nie versucht, in Wolfsgestalt eine Toilette zu benutzen, aber wenn er vorsichtig war, würde er wahrscheinlich gut genug zielen können.

Er hob die Toilettenbrille mit der Schnauze hoch – da wollte er wirklich nicht draufmachen – dann stellte er sich auf die Hinterbeine, während er sich mit den Vorderpfoten auf dem hinteren Teil der Toilette abstützte. Nach ein wenig Herumrutschen und in die Hocke gehen glaubte er, richtig zu zielen, und ließ es laufen. Er war froh, als er sah, dass er richtiglag, und die Erleichterung ließ ihn beinahe schwindelig werden.

Gerade als er fertig wurde und überlegte, wie er abschütteln sollte, ohne überall Urin zu verteilen, hörte er ein Lachen hinter sich. »Also, ich wusste ja, dass du intelligent bist, aber ich hätte nicht gedacht, dass du aufs Klo gehen kannst.«

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