Für immer sein

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Z serii: Für immer #2
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Für immer sein
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Deutsche Erstausgabe (PDF) September 2016

Digitale Neuauflage (PDF) Februar 2022

Für die Originalausgabe:

© 2016 by Grace R. Duncan

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Patience«

Published by Arrangement with Grace Duncan

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2022 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Lektorat: Anne Sommerfeld

ISBN-13 (Print): 978-3-95823-606-6

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


Aus dem Englischen

von Jessica Hartmann

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Werwolf Jamie Ryan hat sich damit abgefunden, niemals seinen vom Schicksal auserwählten Gefährten zu finden. Gefährten sind selten und einen gleichen Geschlechts zu finden, ist praktisch aussichtslos. Doch dann zwingt ihn der Stress zum Semesterende dazu, sich frühzeitig zu wandeln, und er bleibt in seiner Wolfsgestalt stecken. Als er vor Hundefängern fliehen muss, läuft er direkt in die Arme von Privatdetektiv Chad Sutton. Sofort erkennt er in ihm seinen Gefährten, doch Chad ist ein Mensch. Kann eine solche Beziehung funktionieren? Oder hat sich das Schicksal einen schlechten Scherz erlaubt und Jamie einen Gefährten zugeteilt, den er nicht haben kann?

Für meine Leser, die sich nach Jamies Geschichte gesehnt haben, danke schön.

Ich hoffe, dass er und Chad eure Erwartungen erfüllen.

Kapitel 1

Jamie kippte einen weiteren Drink hinunter und stellte das Glas auf die Bar. Es waren Tage wie dieser, an denen er sich wünschte, sein Stoffwechsel wäre nicht so verdammt schnell. Dank seines Wolfes, konnte er jedoch nicht viel dagegen machen. Sein Körper baute Alkohol beinahe so schnell ab, wie er ihn trinken konnte.

Es half nicht, dass er sich den ganzen Tag schon nicht gut gefühlt hatte. Nach seiner letzten Prüfung hatte er seine restlichen Sachen aus seinem Zimmer im Studentenwohnheim in sein Auto geladen. Dabei hatte er sich die ganze Zeit über... seltsam gefühlt. Er konnte es gar nicht erwarten, wieder auf Rudelgebiet und zu Tanners und Finleys Haus zu kommen. Sie bestanden beide darauf, dass er in einem der Gästezimmer wohnte, wenn er nicht auf dem Campus war.

Anfangs hatte er das nicht gewollt. Er war sich nicht sicher gewesen, ob er herumsitzen und Finleys und Tanners liebevollen Gesten und ihre Berührungen mit ansehen wollte. Es lag nicht daran, dass er noch Gefühle für Finley hatte. Die waren Gott sei Dank Geschichte. Es war eher eine andere Art von Eifersucht. Jetzt, da er gesehen hatte, was es hieß, einen Gefährten zu haben, wollte er selbst einen – dringend.

Tanner und Finley hatten versucht, ihn mit ihrem Freund Miles, dem Arzt des Rudels, zu verkuppeln. Auch wenn Jamie zugeben musste, dass Miles mit seinem langen, roten Haar und dem schlanken Körper heiß aussah, war er einfach nicht sein vorbestimmter Gefährte. Sie verstanden sich gut, aber er fühlte sich zu Miles nicht einmal annähernd so hingezogen wie zu Finley. Zu ihrem Glück sah Miles das genauso. Sie hatten gelegentlich miteinander gevögelt und waren gute Freunde geworden, aber mehr war nicht drin.

Gott sei Dank waren Finley und Tanner nicht so schlimm, wie er angenommen hatte. Den Großteil ihres Körperkontakts hoben sie sich für ihr Schlafzimmer auf und küssten oder berührten sich nur hin und wieder in seiner Gegenwart. In den Ferien oder während der langen Wochenenden bei ihnen zu sein, war nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte.

Jetzt wollte er nichts dringender, als auf die Straße zu kommen und die eineinhalbstündige Fahrt hinter sich zu bringen. Sein Wolf hatte ihn schon eine Weile gedrängt und er musste sich verwandeln, laufen und ihn rauslassen.

Jamie versuchte sich an das letzte Mal zu erinnern, als er sich abgesehen vom Vollmond verwandelt hatte. Als ihm bewusst wurde, dass er sich nicht sicher war, ergab seine Ruhelosigkeit plötzlich Sinn. Eigentlich war er schon überrascht, dass er nicht angefangen hatte, den Postboten die Straße runter zu jagen oder auf den Hausschuhen seines Mitbewohners herumzukauen. Ihre Spezies hatte bedauerlicherweise den Hang – auch in menschlicher Form –, schrecklich hundeartiges Verhalten an den Tag zu legen, wenn sie sich nicht oft genug verwandelten. Der schlimmste dieser Nebeneffekte war das Aufmerksamkeitsdefizit. Wenn man bedachte, dass er sich am Ende seines vorletzten Jahres am College befand und gerade so die Prüfungen hinter sich gebracht hatte, schätzte sich Jamie glücklich, es ohne derartige Probleme geschafft zu haben.

Das Drängen war zweifellos der Grund, warum er sich so seltsam fühlte. Sein Wolf schlich knapp unter der Oberfläche herum und er zog in Erwägung, sich einfach von seinen Freunden zu verabschieden und zu gehen.

»Komm schon, Mann! Du bist heute eine echte Spaßbremse«, sagte sein Mitbewohner Dwayne, während er ihm einen weiteren Drink rüberschob. »Normalerweise trinkst du uns doch alle unter den Tisch.«

»Alter! Ich muss noch nach Hause fahren«, entgegnete Jamie. Er hatte nicht vor, zu erklären, dass es egal war, wie viel er trank, denn er wäre in null Komma nichts wieder nüchtern und könnte immer noch fahren.

»Kannst auf meiner Couch pennen«, bot Troy an.

Kopfschüttelnd wandte sich Jamie an seinen Freund. »Nee, ist schon okay. Ich denke, ein paar schaffe ich schon noch.«

Er nahm ein weiteres Glas und hob es an seine Lippen, doch als er die dünnen Härchen, die gar nicht mehr so dünn waren, auf seinem Handrücken sah, hielt er inne. Verwirrt blinzelte er, da seine Sicht immer noch normal war.

Kurz darauf wich alle Farbe aus seiner Umgebung und er sah schwarz-weiß. Jamie leerte schnell das Glas und schloss die Augen, während er so tat, als hätte er Probleme, den Schnaps runterzuschlucken. In Wahrheit kämpfte er jedoch damit, seinen Wolf zurückzudrängen.

Noch nicht. Nur noch ein klein wenig länger.

Als er seine Augen wieder öffnete, war die Farbe zurück, doch sein Wolf befand sich noch dichter unter der Oberfläche. Er warf einen Blick auf seine Uhr – eine digitale, die zur Sicherheit die Mondphasen anzeigte –, doch Vollmond war erst in zwei Tagen. Das Datum schien jedoch keine Rolle zu spielen. So langsam verlor Jamie den Kampf gegen seinen Wolf und er musste hier raus – schnell.

»Hey, Kumpel. Geht's dir gut?«, fragte Troy und blickte ihn von der Seite her an.

Dwayne grinste über das ganze Gesicht. »Ich glaube, er hatte jetzt doch einen zu viel.«

Jamie nutzte diese Ausrede zu seinem Vorteil. »Ähm, ja. Irgendwas war mit dem letzten Kurzen. Brauch frische Luft. Sorry.« Mit diesen Worten rannte er raus auf die Straße und atmete tief ein.

Leider war die Forbes Avenue im Herzen Oaklands – Pittsburghs College-Viertel – nicht der beste Ort für frische Luft. Alles, was er für seine Mühen bekam, waren zwei Lungen voll Abgase und eine brennende Nase. Er hätte es besser wissen müssen – er kämpfte seit zwei Jahren mit dem Gestank der Stadt – und verfluchte sich selbst dafür, dass er es trotzdem getan hatte.

Über sich selbst den Kopf schüttelnd, lief er an einem Dunkin' Donuts und der Tür zum The O vorbei, bog dann um die Ecke und sah sich hektisch nach einem ruhigen Platz für ein Versteck um. Seine Sicht wurde wieder schwarz-weiß und er kämpfte darum, seinen Wolf zumindest so lange unter Kontrolle zu halten, bis er sich verstecken konnte.

Jamie tauchte in eine Gasse direkt hinter dem Gebäude ab und atmete aus.

Bevor er darüber nachdenken konnte, wie er die Situation bewältigen sollte, übernahm sein Wolf die Oberhand und zwang Jamie zur Verwandlung. Sein Zahnfleisch juckte, als seine Fangzähne durchbrachen, während seine Klauen wuchsen und das Fell aus seiner Haut spross. Seine Knochen und Muskeln verlagerten sich und Sekunden später landete er auf vier Pfoten.

Jamie schüttelte sich kräftig und genoss es für einen Moment, wieder in seinem Fell zu sein. Aber das war nicht der richtige Ort, um in Wolfsgestalt zu bleiben. Er war zu weit weg vom Schenley Park oder eigentlich auch irgendeinem Park. Ganz zu schweigen davon, dass Wölfe nicht durch Stadtparks streiften. Sie waren in dieser Region nicht einmal heimisch und wurden noch viel weniger mitten im Stadtpark gesichtet.

Er drängte seinen Wolf, versuchte, ihn zurückzuschieben, sodass er seine menschliche Gestalt wieder annehmen konnte. Sein Wolf weigerte sich jedoch, die Kontrolle abzugeben. Jamie stritt mit ihm, versuchte, ihm klarzumachen, dass er als Mensch nach Hause zum Wald fahren und sich dort für eine Weile verwandeln konnte. Sein Wolf wollte es nicht hören. Langsam begann er sich wirklich Sorgen zu machen, als seine menschliche Seite seine wölfische nicht zurückpfeifen konnte.

 

Egal was er tat, er schien keine Kontrolle zu bekommen. Schnaubend setzte sich Jamie und wägte seine Möglichkeiten ab, auch wenn es nicht viele waren. Er könnte weiter versuchen, sich zurückzuverwandeln, vermutete aber, dass es ein fruchtloses Unterfangen wäre. Er könnte versuchen, zu seinem Auto zu kommen... außer, dass er die Tür nicht würde öffnen können, selbst wenn er es unbemerkt die Straße runter und ins Parkhaus schaffen würde.

Mit der Nase voran wühlte er sich am Boden durch die Jeansfetzen, die mal seine Hose gewesen waren. Es gelang ihm, mit dem Maul sein Handy hervorzuholen, doch der Bildschirm erkannte die Berührung durch seine Pfote nicht.

Nicht, dass er überhaupt gewusst hätte, was er tun sollte. Finley anrufen, vielleicht. Aber das war offensichtlich keine Option.

Jamie blickte in Richtung Straße, wusste jedoch, dass es eine blöde Idee war, egal wie gern er hier wegwollte. Bis er wieder ein Mensch war, würde er das Risiko, die Gasse zu verlassen, nicht eingehen. Daher blieb nur die andere Richtung übrig.

Jamie warf einen letzten Blick auf seine Klamotten, dann ließ er sie liegen, um die kurze Strecke bis zur hinteren Wand zu erkunden. Er fand Milchkartons, eine riesige Müllpresse, das derzeit hochgeklappte Ende einer Feuerleiter, eine paar Abfalltonnen und das war es dann auch schon. Eine Tür, die wahrscheinlich in die Küche des The O führte, befand sich in der Wand zu seiner Rechten. Am Ende der Gasse führte eine L-förmige Abbiegung zu einem winzigen Parkplatz, von dessen Existenz Jamie nichts gewusst hatte.

Er entschied, dass es an dieser Stelle das Beste war, sich in eine Ecke zu verkriechen und zu warten. Glücklicherweise war es dunkel genug, sodass niemand ihn sehen konnte. Hoffentlich würde sein Wolf, nach ein wenig Ruhe und Zeit in dieser Gestalt, nachgeben, damit er sich wieder in einen Menschen verwandeln konnte.

Vorher schob er eine der Abfalltonnen mit der Nase auf und deponierte Kleidung, Schuhe, Uhr, Telefon und Geldbörse darin. Selbst wenn sie irgendwo auf einer Deponie endeten, wollte er sie nicht einfach so offen auf dem Boden rumliegen lassen, wo jemand sie würde stehlen können. Wenn er erst mal wieder ein Mensch war, konnte er alles rausfischen, aber bis dahin waren seine Habseligkeiten wenigstens außer Sichtweite.

Unter der Feuertreppe fand er ein ruhiges Plätzchen, an dem er sich niederlassen konnte. Seufzend legte er den Kopf auf seine Pfoten und wartete.

Er hatte nicht vorgehabt einzuschlafen. Als Jamie erwachte und die Gasse nicht mehr im Dunkeln lag, geriet er in Panik. Vor allem, als ihm bewusst wurde, dass er noch immer in seinem Fell steckte.

Warum bin ich weiterhin ein Wolf?

Innerlich stupste er seinen Wolf an, doch diese Seite von ihm war noch nicht bereit nachzugeben. Jamie erkannte, dass der Vollmond noch näher gerückt war und er möglicherweise in dieser Gestalt festsaß, bis er vorüber war. Verdammt. Das könnten drei, vielleicht mehr Tage sein! Er erinnerte sich daran, was seine Uhr in der Nacht zuvor angezeigt hatte. Noch zwei Tage. Das hieß, dass der Vollmond spätestens in der nächsten Nacht sowieso angefangen hätte, auf ihn zu wirken. Was wiederum bedeutete, dass er zumindest während der nächsten vier Tage nicht damit rechnen konnte, seine menschliche Gestalt anzunehmen, da sie gewöhnlich in den zwei Tagen um den Vollmond herum als Wölfe unterwegs waren. Verdammt.

Schnaubend überlegte Jamie, was er tun sollte. Ärgerlicherweise machte seine Blase genau zu diesem Zeitpunkt auf sich aufmerksam, sodass er sich schnüffelnd einen angenehmen Platz aussuchte, um sich zu erleichtern. Als ihm bewusst wurde, was er getan hatte – wie typisch hundeartig er sich verhalten hatte –, verdrehte er über sich selbst die Augen und ging zu seinem Schlafplatz zurück.

Da er sich nicht zurückverwandeln würde, versuchte er herauszufinden, was er als Nächstes tun sollte. Hier konnte er definitiv nicht bleiben, nicht für weitere drei oder vier Tage. Zunächst einmal brauchte er etwas zu essen und er würde dabei nicht den Abfall des The O nach Essensresten durchwühlen.

Jamie kroch zum Ende der Gasse und riskierte einen Blick. Es war offenbar sehr früh, denn ein Großteil von Oakland schien noch zu schlafen. Natürlich war das an einem Samstagmorgen im Sommer keine große Überraschung.

Sein Blick wanderte die Bouquet Street hinauf Richtung Fifth Avenue, dann hinunter in die andere Richtung. Er war nicht weit vom Schenley Park entfernt – höchstens anderthalb Kilometer. Wenn schon nichts anderes, dann könnte er vielleicht Eichhörnchen jagen und außer Sichtweite bleiben, bis er sich zurückverwandeln konnte.

Außer, dass er die Forbes Avenue überqueren, an der juristischen Bibliothek und mindestens zwei weiteren Gebäuden der Uni vorbeikommen und das Gewächshaus umgehen müsste, bevor er sich halbwegs frei bewegen könnte. Unschlüssig schnaubte er und setzte sich wieder. Was zum Teufel sollte er tun?

Während er versuchte, eine Lösung zu finden, bog das wirklich allerletzte Auto, das er sehen wollte, von der Fifth Avenue in die Bouquet Street ein. Jamie war vielleicht nicht in der Lage, Gold von Weiß zu unterscheiden, aber auf der Seite des Transporters konnte er deutlich Animal Care & Control lesen. Statt hektisch die Flucht zu ergreifen, zog er sich langsam zurück und hoffte, dadurch keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Als der Transporter der Tierschutz- und Tierrettungsorganisation an der Gasse vorbeifuhr, atmete er erleichtert aus, versteifte sich jedoch, als dieser ein Stück die Straße runter langsamer wurde und rechts ranfuhr. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.

Jamie hatte ganz und gar nicht vor, sich einfangen zu lassen. Er wusste genau, wie es in diesen Tierheimen ablief. Zuerst würden sie ihm mit Spritzen auf den Leib rücken – wovon er definitiv kein Fan war. Anschließend würden sie ihm die Eier abschneiden und Jamie mochte sie ganz genau da, wo sie waren.

Er sah wieder die Straße hinauf, dann zum Transporter, dessen Tür nun offen stand. Während er sich Richtung Gasse umwandte, war ihm klar, dass er sich dort nirgendwo würde verstecken können. Konnte er über den Parkplatz entkommen? Wohin dann?

Mittlerweile war der Officer ausgestiegen und kam mit einer langen Stange, an deren Ende sich eine Schlaufe befand, auf ihn zu. Jamie selbst hatte diese noch nie zuvor gesehen, aber er wusste, wofür sie war. Er drehte sich um, rannte die Gasse entlang und auf den winzigen Parkplatz, bevor er einen Blick zurück riskierte, um zu sehen, ob der Officer ihm folgte. Als der Mann in der Gasse auftauchte, rannte Jamie ans andere Ende des Parkplatzes und den Euler Way hinunter Richtung Bouquet Street.

In dieser Situation musste er versuchen, den Park zu erreichen. Es war seine einzige Chance, den Officer loszuwerden. Jamie erreichte die Straße und sah die Gasse hinunter, wo der Mann gerade auf den Parkplatz abbog. Jamie wartete nicht länger und rannte zur Straßenecke.

Die Ampel war natürlich rot und selbst zu dieser Tageszeit herrschte viel zu viel Verkehr, um die Forbes Avenue einfach so zu überqueren. Er wandte sich um und sah die Straße hinauf. Der Officer kam gerade aus der Gasse.

Jamie kämpfte gegen die aufkeimende Angst an. Er musste hier weg. Er durfte nicht eingefangen werden. Angespannt sah er die Straße hinunter in der Hoffnung, der Verkehr würde wenigstens etwas nachlassen, als ihm ein atemberaubender Duft in die Nase stieg. Gras, Leder und etwas schlichtweg Reines.

Gerade als er sich in die Richtung wandte, aus der der Geruch kam, sah er einen Mann aus dem Dunkin' Donuts kommen. Jamie konnte von seiner Position aus dessen Größe oder Statur nicht genau einschätzen, aber der Mann hatte dunkle Haare und Augen und trug eine Jeans sowie ein schlichtes dunkles T-Shirt. Als er in Jamies Richtung sah, begegneten sich ihre Blicke. Jamie spürte, dass ihn etwas zu diesem Mann hinzog und sie miteinander verband. Er war absolut überwältigt, als ihm klar wurde, wen er sah und roch und woher diese Gefühle kamen.

Dieser Mann war sein Gefährte.

Jamie starrte ihn kurz an. Er schnupperte wieder, doch seine Sinne täuschten ihn nicht. Es war ganz gewiss sein Gefährte und dazu noch ein Mensch! Er hatte noch nie von Menschen als vorbestimmte Gefährten gehört, obwohl er annahm, dass es möglich war.

Jetzt war jedoch nicht direkt der richtige Zeitpunkt, um diesen Mann zu treffen oder weiter darüber nachzudenken. Er sah zwischen seinem Gefährten und dem Officer hin und her und traf eine Entscheidung, wobei er zu allen Göttern betete, dass das Schicksal ihm einen pfiffigen Gefährten geschenkt hatte.

Er rannte auf den Mann zu, ließ seinen Hintern auf den Bordstein plumpsen und bellte.

Sein Gefährte blieb stehen und sah blinzelnd zu ihm hinunter. »Äh, hallo.«

Jamie bellte wieder, dann sah er über seine Schulter zu dem Officer, der gerade um die Ecke bog. Winselnd sah er seinen Gefährten an.

»Hey! Hey! Komm zurück!«, rief der Officer, während er mit der Stange wedelte.

Jamie huschte hinter seinen Gefährten, spähte vorsichtig zwischen dessen Beinen hindurch und stieß dabei ein leises Wimmern aus.

Sein Gefährte sah zu ihm herunter, dann zurück zum Officer, der schließlich vor ihnen stand.

»Ist das Ihr Hund, Sir?«

Jamie setzte seinen mitleiderregendsten, süßesten Blick auf, als sein Gefährte ihn kurz ansah. »Ja, ist er. Gibt es ein Problem?«, fragte er grinsend.

»Nun, zuerst einmal trägt er kein Halsband und keine Hundemarke und ist nicht angeleint. Außerdem ist er in der Gasse dort hinten rumgerannt«, erwiderte der Officer und deutete mit dem Daumen über seine Schulter.

Kopfschüttelnd sah sein Gefährte Jamie an. »Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du draußen neben der Eingangstür warten solltest.«

Jamie ließ seinen Schwanz und die Ohren hängen. Er winselte leise, als eine Art Entschuldigung.

»Und wo ist denn dein Halsband? Hast du das wieder abgemacht?«

Diesem Mann würde er einen riesigen Gefallen schulden. Er winselte noch einmal.

Sein Gefährte schüttelte wiederholt den Kopf und wandte sich an den Officer. »Es tut mir leid.«

Der Officer hatte seinen Notizblock hervorgeholt und schrieb bereits etwas auf. »Ich werde es bei einer Verwarnung und einer Strafe für die fehlende Marke belassen, aber stellen Sie sicher, dass Sie ihn sofort anleinen. Name?«

Jamies Gefährte warf ihm einen Blick zu, durch den Jamie sich wirklich mies fühlte. Ihre kleine Scharade würde seinen Gefährten nun Geld kosten. Er ließ den Kopf hängen. »Chad Sutton«, antwortete er.

Der Name meines Gefährten! Obwohl er sich schlecht fühlte, weil er Chad hineingezogen hatte, freute er sich über dieses Wissen.

Der Officer sah auf, dann wieder auf seinen Block. »Anschrift?«

Chad seufzte und warf Jamie erneut einen bösen Blick zu. »Vierzig, einundvierzig Bigelow Boulevard, 15213.«

Der Officer notierte noch ein paar Kleinigkeiten, ehe er den Strafzettel abriss und Chad übergab. Nachdem er ihn sich kurz angesehen hatte, faltete er ihn zusammen und steckte ihn in seine Tasche. »Ähm, ich muss erst mal los und ihm ein neues Halsband und eine Leine kaufen, da er seine anscheinend verloren hat. Wieder mal.«

Der Officer nickte. »Wenn Sie auf einen Kollegen treffen, zeigen Sie ihm den Strafzettel. Aber das gilt nur für heute«, warnte er.

»Danke«, sagte Chad, während sie dem Officer nachsahen. Als dieser die Bouquet Street überquert hatte, blickte Chad auf Jamie hinunter. »Also, was zum Teufel soll ich jetzt mit dir machen?«

Jamie hatte keinen blassen Schimmer und zog daher sogar in Betracht, einfach wegzulaufen. Wenn sein Gefährte heute hier war, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Jamie ihn auch als Mensch hier wiederfinden würde. Vor allem, da er den Namen und die Adresse seines Gefährten kannte und sich seinen Geruch eingeprägt hatte. Er sah über die Forbes hinweg zur juristischen Bibliothek und zur Straße dahinter, die Richtung Park führte.

»Oh nein. Du haust nicht ab und lässt mich mit einem Strafzettel zurück.« Seufzend schüttelte Chad den Kopf. »Wenn du ein Haushund bist, bin ich der Kaiser von China.«

Verwundert neigte Jamie den Kopf. Sein Gefährte wusste, dass er kein Hund war? Er wusste, dass sein helles Fell für einen Wolf ungewöhnlich war, und ging davon aus, dass er dadurch als Malamute oder eine ähnliche Rasse gehalten wurde. Waren es die Augen? Sie waren dunkler als bei den meisten Hunden, mehr schwarz als braun. Selbst wenn, waren das eher Kleinigkeiten.

 

»Wo gehörst du hin?«, fragte Chad, als ob Jamie tatsächlich würde antworten können. »Du bist nicht von hier, oder?«

Jamie seufzte und schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Auf keinen Fall wollte er Chad Probleme bereiten – mehr Probleme, vor allem, da Chad sein Gefährte war –, aber er konnte auch nicht einfach nach Hause gehen.

»Nun, wir können nicht den ganzen Tag hier rumstehen. Erst mal kommst du mit mir. Ich muss ein Taxi rufen, weil ich mein Auto nicht hier habe und sie dich nicht in den Bus lassen würden.« Wieder schüttelte er den Kopf und zog sein Handy hervor.

Während Chad wählte, setzte sich Jamie und überlegte, ob er vielleicht durch diesen Mann mit Finley in Kontakt treten könnte. Wenn ja, könnte er so vielleicht Hilfe bekommen. Er wusste nicht wie, aber im Moment war sein Gefährte noch die beste Wahl.

»Komm. Wir setzen uns zum Warten auf die Mauer«, sagte Chad, während er die Forbes hinaufsah. Als die Ampel umschaltete, ging er zwischen zwei Autos entlang und Jamie folgte ihm über die Straße.

Er fragte sich, ob Chad anzunehmen schien, dass Jamie ihn gut genug verstand, um ihm einfach zu folgen. Vielleicht hatte er zu viel Intelligenz gezeigt? Da er jedoch nicht wusste, wie er es unterdrücken sollte, versuchte er es erst gar nicht.

Chad setzte sich auf die niedrige Mauer vor der juristischen Bibliothek der Uni und sah zu ihm hinunter.

Jamie versuchte, niedlich auszusehen, während er mit dem Schwanz wedelte. Er legte den Kopf auf Chads Knie und sah ihn mit seinem besten Hundeblick an.

»Jetzt brauchst du auch nicht mehr versuchen, süß auszusehen. Ich hab dich vor dem Tierschutz gerettet und ich werde sie nicht zurückrufen – es sei denn, du verwandelst dich in einen Höllenhund oder so was, was ich bezweifle. Mir ist aufgefallen, dass du noch nicht kastriert worden bist, daher hast du vielleicht gar keinen Besitzer.«

Jamie konnte ein mitleidserregendes Winseln nicht unterdrücken.

»Ja, stimmt. Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich würde auch nicht wollen, dass man mir die Eier abschneidet. Gehörst du zu irgendwem?«

Wie sollte Jamie das beantworten? Nicht, dass Chad wirklich eine Antwort erwartete. Und in Wahrheit gab es nur eine Antwort, die er geben könnte. Wenn er zu jemandem gehörte, dann zu dem Mann vor ihm.

Schweigend trank Chad den Kaffee, den er vom Donutladen mitgebracht hatte. Jamie war dies in der Aufregung mit dem Officer gar nicht aufgefallen. Der angenehme Geruch erinnerte Jamie daran, dass er heute noch keinen Schluck Kaffee hatte – und nachdem er in Oregon bei Starbucks gearbeitet hatte, war er daran gewöhnt, so ziemlich jeden Tag Kaffee zu trinken.

Als Chad begann, ihn zu streicheln, befürchtete Jamie, dass er am Ende einen Wolfsständer bekam. Es fühlte sich wirklich gut an, besonders, als Chad ihn hinter dem Ohr kraulte. Zu seiner größten Demütigung begann sein Hinterbein, auf den Boden zu klopfen.

Was zum Teufel? Reiß dich zusammen! Du bist ein Wolf, kein Hund!

Chad lachte leise und streichelte ihn wieder. »Dein Fell ist so weich. Was bist du? Zumindest zum Teil ein Wolf oder meine Beobachtungsgabe ist für die Tonne.«

Jamie reagierte darauf nicht. Er hatte keine Ahnung, wie er Chad irgendwann sagen sollte, was er war. Wusste Chad, dass Gestaltwandler existierten? Sein Geruch deutete nichts an und Jamie frustrierte die Raterei. Es schien ihm aber nichts auszumachen, dass Jamie zumindest zum Teil ein Wolf war.

Ein paar Augenblicke später hielt das Taxi neben ihnen und Chad ging hinüber. Sobald die Tür offen war, hörte Jamie den Fahrer sagen: »So einen großen Hund nehme ich nicht mit.«

Chad sah Jamie an. »Du machst nichts kaputt, oder?«

»Darüber mache ich mir keine Sorgen«, grummelte der Fahrer, bevor Jamie etwas tun konnte. »Er wird auf meine Sitze pinkeln.«

Chad hob eine Augenbraue, während er Jamie weiterhin ansah. »Wirst du nicht, oder?«

Jamie schüttelte den Kopf. Sollte Chad doch hineininterpretieren, was er wollte.

»Sehen Sie?«, sagte Chad an den Fahrer gewandt.

Der Fahrer verdrehte die Augen. »Netter Trick. Wenn er auf den Sitz pinkelt, kommen Sie dafür auf.«

»Wird er nicht«, sagte Chad mit einer Überzeugung, die Jamie überraschte. Nachdem Chad eingestiegen war, sprang Jamie hinterher und legte seinen Kopf auf Chads Bein, während dieser die Tür schloss. Chads Hand landete augenblicklich in Jamies Nacken.

»Wohin?«

Grinsend sah Chad auf Jamie hinunter. »Äh... Ich brauche eine Tierhandlung. Wie wäre es mit PetSmart in East Liberty?«

Der Fahrer zuckte mit den Schultern. »Okay.« Er fuhr los und auf die Forbes Avenue.

»Wehe, du machst auf den Sitz«, flüsterte Chad ihm zu. »Dann lass ich dir die Eier abschneiden.«

Jamie winselte und legte sich die Pfoten übers Gesicht.

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