Die Jungfrauen Sammelband

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Maddox

Cassie war an meiner Seite, ihre gescheckte Stute—sie hatte mir den Unterschied zwischen unseren Tieren erklärt—lief ruhig und sicher neben meinem Wallach, als wir Richtung Westen durch die Prärie ritten, zu meinem Schiff und damit in Sicherheit. Wir folgten denselben Koordinaten, die ich auf dem Weg zu ihr genommen hatte und je eher sie in unserem Schiff war, desto eher konnte ich unsere Technologie zu ihrer Verteidigung nutzen. Neron hatte keinen Zugang zum Schiff und keine seiner Waffen, ob nun von der Erde oder von Everis, konnte dem Schiff schaden.

Ich behielt ständig den Horizont im Auge, meine Ionenpistole war griffbereit und ich wollte schneller vorankommen, um uns so bald wie möglich im Schutze der Everianischen Technologie zu wissen.

Sie zeigte mir, wie man das Tier schneller ritt, aber das war alles andere als leicht. Während ich bemüht war mich im Sattel zu halten, fragte ich mich, wie ihr Everis wohl gefallen würde; der zart violette Himmel dort und die altertümlichen, aus Steinen errichteten Städte, ähnlich den Pyramiden hier auf der Erde. Mein Bruder würde sich für mich freuen; seine Partnerin würde sich bestimmt um Cassie kümmern und ihr alles Nötige beibringen, damit sie in meiner Familie und auf unserem Planeten ihren Platz fand.

Eine würdige Partnerin. Anständig. Sauber. Genau so, wie ich es selber nie gewesen war.

“Also, Maddox, erzähl mir von deiner Welt. Überzeuge mich, dass du die Wahrheit sagst.” Cassie starrte auf das Mal in ihrer Handfläche, während sie sprach. Ihre Aufforderung schockierte und erfreute mich zugleich. Vielleicht hatte sie einfach etwas Zeit gebraucht, um die Wahrheit zu akzeptieren.

“Mein Plantet ist der Erde gar nicht so unähnlich. Er heißt Everis. Wir haben zwei kleinere Sterne und einen violetten Himmel, der leuchtend rot wird, sobald der erste Stern am Horizont verschwindet.”

“Sterne? Aber die sind doch so weit weg.”

“Eure Sonne ist ein Stern. Wir haben zwei kleinere Sonnen am Himmel.”

“Zwei?” Sie klang völlig erstaunt von der Idee. Sie kannte nur die Erde, also war sie vielleicht wirklich erstaunt.

Sie seufzte und klemmte sich eine lange, helle Strähne hinters Ohr. “Was ist mit deiner Familie? Hast du eine?”

“Meine Familie ist mächtig, seit Jahrhunderten haben wir einen Sitz im höchsten Regierungssitz des Landes, dem Rat der Sieben inne. Mein Bruder dient jetzt dort, denn mein Vater ist seit dem Mord an meiner Schwester nicht mehr in der Lage dazu.”

“Maddie?”

“Ja.”

“Hast du sie geliebt?”

Ich verkrampfte mich bei dieser ungewöhnlichen Frage und mein Pferd zog unter mir zur Seite. Ich beruhigte das Tier, indem ich seinen Hals rubbelte. “Natürlich. Was für eine Frage?”

Sie zuckte die Achseln, als ob das nichts zu bedeuten hatte, aber ich wusste es besser.

“Cassie?”

Sie seufzte und blickte zu einem hochfliegenden Vogel auf, der über uns auf der Windströmung glitt. Als ich Cassie mit ihren im Wind wehenden Haaren und sonnengeküssten Wangen betrachtete, passte sie einfach in diese zerklüftete Landschaft mit ihrer unkomplizierten Art und ihren ungebändigten Lüften. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie sich vor den Sieben verneigte, um ihnen unser neugeborenes Kind zu präsentieren und konnte es mir einfach nicht ausmalen.

“War nur eine Frage. Nicht alle Kinder werden geliebt.” Der Wind schien ihr ins Ohr zu flüstern. Das Pferd folgte ihrer Führung, als ob sie miteinander vereint waren. Da lag etwas Wildes in ihrem Blut, etwas, das bei der Highsociety auf Everis gut ankommen würde.

“Sie war meine Zwillingsschwester und wir waren unzertrennlich. Neron war … wie besessen von ihr. Nicht alle Paare müssen markierte Partner sein, um zusammenzufinden. Die meisten Partnerschaften entstehen aus Wahl, nicht des Schicksals wegen. Aber Nerons Vater hat gegen das Gesetz verstoßen, er hat einem anderen Mitgliedsplaneten illegale Waffen angeboten.”

“Aber das war sein Vater. Was hat er verbrochen?”

Das hatte ich mich schon oft gefragt. Was hatte Neron getan, um das zu verdienen? Nichts. Sein Hass war gar nicht so schwer zu verstehen. “Er wurde in die falsche Familie hineingeboren. Als sein Vater seinen Platz im Rat der Sieben aufgeben musste, hat seine Familie alles verloren.”

“Das ist unfair. Und ich dachte, du sagtest, dass er Maddie ermordet hat. Warum?”

“Das hat er. Nachdem sie alles verloren hatten, hat Maddie die Verlobung aufgelöst. Mein Vater hat das Match verboten und er fürchtete sich vor Neron und seiner Familie. Zu Recht.”

Cassie schüttelte den Kopf. “Also hat sie ihm das Herz gebrochen und er hat sie umgebracht.”

Das fasste es so ziemlich zusammen. “Ja.”

“Das ist so traurig.”

“Passieren solche Dinge denn nicht auch auf der Erde?” Wäre ich einfach nur ein Krieger, ein Jäger aus den äußeren Gebieten wie Jace und Flynn, dann würde es mich wohl kaum interessieren, wie sie mit ihrem neuen Leben zurechtkommen würde. Deren Frauen waren genauso wild wie die Männer und komplett frei. Nur in den steinernen Städten wurden die alten Lebensweisen befolgt.

Unsere Gesellschaft war strikt und traditionell, aber die Frauen hatten große Macht inne und wurden über alles wertgeschätzt und beschützt. Und ich hatte das Verlangen gesehen, das in ihren Augen aufgeflackert war, als ich gedroht hatte, ihr den Arsch zu versohlen, und sogar mehr noch, als ich sie festgehalten und mit den Fingern gefickt hatte. Sie würde sich hervorragend anpassen. Wir waren eine alte Rasse, eine altertümliche Zivilisation, die sicherstellte, dass niemand hungern musste oder obdachlos war. Unsere Politik war bodenständig und unsere Kriege begrenzten sich auf den universellen Kampf gegen die Hive, der in den Tiefen des Weltalls tobte.

Und Cassie war jung, sie war jung und unschuldig und so schön, dass allein ihr Anblick sowohl mein Herz als auch meinen Schwanz vor Sehnsucht schmerzen ließ.

Sie nahm sich Zeit, meine Frage zu beantworten, aber ich geduldete mich, damit sie in Ruhe überlegen konnte. Ich wusste nichts über die Paarungsgepflogenheiten auf der Erde oder was meine Partnerin wohl von mir erwartete. Glaubten sie etwa nicht an die Liebe? An für immer und ewig?

“Ja. Es kommt immer wieder vor, dass die Leute aus Liebe durchdrehen.” Sie klang so traurig, so resigniert und ich versuchte zu berücksichtigen, dass sie eben den Vater ihres verstorbenen Ehemanns verloren hatte und gezwungen war ihr Zuhause hinter sich zu lassen. Es war schwer ihren Herzschmerz mit der Freude in Einklang zu bringen, die ich verspürte, sobald ich einen Blick auf sie erhaschte, sobald ich den lieblichen Duft nach Rosen und Sonnenschein einatmete und mich an das zarte Gefühl ihrer Haut unter meinen Händen und meinem Mund erinnerte. Mein Job bestand ebenso sehr darin, ihren Kummer zu vertreiben wie ihren Körper zu verwöhnen.

“Und bist du je vor Liebe durchgedreht? Für deinen Ehemann vielleicht?”

Sie war schonmal verheiratet gewesen und trotzdem wollte ich, dass ihre Antwort nein lautete. Ein tiefer, ursprünglicher Teil von mir wollte der einzige Mann sein, den sie je lieben würde. Ich versuchte mich davon zu überzeugen, dass sie jetzt wenigstens an meiner Seite war und dass ich Zeit hatte, sie für mich zu gewinnen, aber das schmerzende Organ in meiner Brust wollte einfach nichts davon wissen.

Ihr trauriges Lächeln bewirkte, dass ich die Pferde stoppen und sie auf meinen Schoß ziehen wollte, um die Trauer aus ihren Augen zu küssen. “Nein. Meine Ehe mit Charles war … zweckmäßig. Er war sechs Jahre älter als ich und wir sind im selben Haushalt aufgewachsen. Als ich achtzehn wurde, schien es … das einfachste zu sein, ihn zu heiraten. Wir kannten uns und wir beide wollten in der Pension helfen. Ich habe mich mit ihm wohlgefühlt, aber es war keine Liebe. Ob ich je vor Liebe den Verstand verloren habe? Das einzige Mal war hinterm Hühnerstall. Mit dir.”

Die Erinnerung an ihre nasse Pussy unter meiner Zunge, dem Aroma ihrer Erregung auf meinen Lippen, als sie winselnd nach mehr flehte und sich in meinen Haaren vergriff, ließ mich umgehend steif werden.

Ich wollte das noch einmal. Jetzt sofort. Ich hatte mir nur selten ausgemalt, wie es werden würde, wenn ich meine markierte Partnerin finden würde und wenn ich es doch gewagt hatte, dann hatte ich mir vorgestellt, wie sie mir willig ihren nackten Leib anbieten würde, wie sie mich mit ihren Augen und Worten verführen und darum betteln würde von mir genommen zu werden, sie zu ficken, auszufüllen und zu erobern. Markierte Partner waren sofort scharf aufeinander, sofort darauf aus, die Verbindung mit Sex zu besiegeln—sobald die Markierungen zueinanderfanden, war die sexuelle Erfüllung garantiert—und es würde schnell vonstattengehen. Die meisten markierten Partner fanden noch am selben Tag zusammen. Sie wussten es einfach.

Die Markierungen waren der Wegweiser, das Bindeglied, die Verbindung.

Darauf musste ich mich unweigerlich fragen, zwischen wie vielen markierten Paaren wohl unüberbrückbare Entfernungen lagen.

Ich wusste, dass die Everianer vor Äonen weit entfernte Planeten kolonisiert hatten, aber die Erde hatte selbst meine Erwartungen übertroffen. Was Cassie anging, so übertraf ich wohl auch ihre Erwartungen bei Weitem. Sie war verheiratet gewesen, aber der Mann war gestorben. Ihrem überraschten Ausdruck nach zu urteilen, als sie auf meine Berührungen reagiert hatte, hatte der Mann sie wohl nicht so verwöhnt, wie sie es verdiente. Ihren Worten nach zu urteilen hatte er sich ebenso wenig ihr Herz verdient. Aber das war kaum überraschend.

 

Er war nicht ihr markierter Partner. Ich war es.

Was auch immer sie mit ihrem Ehemann gehabt hatte, war nur vorübergehend gewesen, bis ich sie finden konnte. Ich war dem toten Mann dankbar dafür, dass er sie beschützt hatte.

Jetzt … jetzt würde alles anders werden. Ich würde nicht nur ihre Markierung auflodern lassen, sonders all ihre düsteren Wünsche und Fantasien. Und ich würde sie erfüllen. Jede. Einzelne. Davon.

Als Witwe war sie verletzlich. Ich war überrascht, dass sie noch keinen anderen Mann gefunden hatte, immerhin hatte sie nicht das Geringste von ihrer Markierung oder ihrer Abstammung geahnt. Bei ihrer Schönheit, ihrem temperamentvollen Auftreten und ihrer soliden Arbeitsmoral musste die Erdenmänner bestimmt nur so Schlange stehen. Männer, die ihrer Aufmerksamkeit sehr viel mehr verdient hatten als der Mistkerl, der ihr die Hand auf den Arsch gelegt hatte.

Der bloße Gedanke an den arroganten Schweinehund bewirkte, dass ich am liebsten umdrehen und ihn erwürgen wollte, aber dann wäre ich kaum besser als Neron. Ich war es einfach nicht gewohnt, dass man Frauen so miserabel behandelte, voller Missachtung und ohne jeden Respekt. Aber das hier war die Erde, ein ziemlich rückständiger und primitiver Ort. Sie waren bei Weitem nicht so fortgeschritten wie Everis. Und das brachte mich wieder zu Cassie und ihrer Markierung zurück.

Sie sollte eigentlich mir gehören, meine ausgewählte Partnerin, die einzige Frau im gesamten Universum, die für mich bestimmt war. Ich hatte unsere Hände aufeinander gepresst, unsere Markierungen vereint und zugelassen, dass die Hitze unserer Verbindung frei zwischen uns fließen konnte. Mein Schwanz war bis zum Platzen angeschwollen und meine Haut hatte sich angefühlt, als ob sie in Flammen stünde. Ich sah die Hitze und die Erkenntnis in ihren Augen, aber sie weigerte sich, es zu glauben. Stattdessen hatte sie mir einfach in die Augen geblickt und mir seelenruhig erklärt, dass sie mich nur begleiten würde, bis Neron beseitigt war und dass ich sie nicht anrühren sollte.

Nie hätte ich gedacht, dass sie meinen Anspruch auf sie bezweifeln oder meine Berührungen verweigern würde. Mein Körper war ganz verrückt nach ihr, bereit sie auszuziehen und zu erobern. Aber ich würde sie erst nehmen, wenn sie einverstanden war, sobald sie mich genauso verzweifelt wollte wie ich sie. Nein, ich würde sie erst nehmen, wenn sie mich genauso verzweifelt brauchte wie ich sie.

Ich konnte praktisch schon Thorns Gelächter hören. Dem arroganten Arsch lagen die Frauen auf Everis regelrecht zu Füßen und doch hatte er an keine davon sein Herz vergeben. Er kam aus einer mächtigen Familie, genau wie ich. Und genau wie ich war er nicht der Erstgeborene und würde weder Titel noch einen Platz bei den Sieben erben. Mit Frauen aber hatte er Talent. Er hatte nie Probleme mit ihnen und war seinen eigenen Worten nach zu gut mit seinem Schwanz, als dass den Frauen noch Luft zum Streiten blieb.

Die Vorstellung, Cassie in die Unterwerfung zu ficken war in der Tat verlockend, schließlich wusste ich nicht wirklich, wie ich sie sonst überzeugen konnte, dass ich die Wahrheit sagte. Ich konnte sie nur zum Schiff bringen, damit sie es mit eigenen Augen sah. Ich konnte ihre Träume teilen und sie wieder und wieder besinnungslos vögeln, aber dadurch würde sie mir auch nicht wirklich glauben.

Ein Traum konnte mühelos verworfen oder als Fantasie abgetan werden. Ein kaltes, hartes Schiff aber, mit Sonarkanonen und Antigravitätsmotoren, war sehr viel schwieriger zu ignorieren.

Cassie überraschte mich immer wieder und das freute mich zutiefst. Sie hatte ihr Pferd gesattelt und die Stute startklar gemacht, noch ehe ich meinem nervösen Tier die Decke auf den Rücken legen konnte. Worauf sie mich prompt beiseite geschoben und es selber gemacht hatte, und zwar in weniger als der Hälfte der Zeit, die ich benötigt hätte. Die Pferde waren ihr fügsam aus dem Stall gefolgt, wie trainierte Haustiere, nicht wie übergroße Bestien. Sie hatte ein paar Habseligkeiten in ihre Satteltasche gestopft, das Gewehr von der Küchentür hinzugefügt und war dann auf ihre Stute aufgestiegen, sodass sie wie eine Königin auf ihrem Thron auf mich herabgeblickt hatte. Selbst jetzt beobachtete ich ihre Art sich zu bewegen und versuchte das geschmeidige Gleiten ihres Körpers im Satteln nachzuahmen. Und meine Cassie holperte und rutschte auch nicht wie ich aus ihrem Sattel raus. Sie schien sich zusammen mit dem Pferd zu bewegen, als ob die beiden miteinander verbunden war, wie ein einziger Leib.

Scheinbar mochte sie das verdammte Tier mehr als mich.

Der Gedanke war irrational und kindisch, aber es war mein Herz, das da sprach und nicht mein Verstand. Sie gehörte mir. Mir. Und sie dürfte mich eigentlich nicht abweisen oder verlangen, dass ich mich als würdig bewies. Das göttliche Schicksal hatte uns diese Entscheidung bereits abgenommen. Nie hätte ich erwartet, dass ich es mit einer Frau zu tun hätte, die nichts über die Markierung oder über Everis wusste. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich ihr das Leben retten und gleichzeitig versuchen müsste, sie zu umwerben. Wenn sie über das Match Bescheid gewusst hätte, dann wäre sie freiwillig mitgekommen.

Stattdessen hatte ich mir ausgemalt, wie ich sie eines Tages auf Everis treffen würde, wie ihre Markierung nach meiner rufen würde, während ich sie zu einem ruhigen Ort tragen, ihren Rock hochheben, sie hart und schnell durchficken und mit meinen Küssen ihre Lustschreie ersticken würde. Und dann?

Übers Ficken hinaus hatte ich nie nachgedacht, denn mein williger Schwanz hatte alle anderen Gedanken ausgeblendet. Vielleicht war das auch jetzt mein Problem. Mein Schwanz hatte mich zu Cassie geführt und die Gefahr war mir gefolgt.

Ich war nicht besonders talentiert im Schmeicheln und Überreden und machte mir Sorgen, weil ich gezwungen war, ihr Angst zu machen—berechtigte Angst—, um sie zu überzeugen mitzukommen. Ihr klarzumachen, dass sie in Lebensgefahr schwebte, war das einzige, was funktioniert hatte. Allerdings kannte ich sie erst seit einem Tag und ich hatte den Mund auf ihre Pussy gelegt und meine Finger in ihre feuchte Hitze gesteckt. Wenn ich ein paar Tage mehr gehabt hätte, dann hätte ich sie endgültig verführen und überzeugen können und sie wäre von selbst mitgekommen.

Aber wegen Neron blieb keine Zeit, um sie zu gebührend zu umwerben und zu verführen. Noch ein Vergehen, für das er büßen würde.

Wir waren seit einer Stunde unterwegs und ich ließ sie erstmal in Ruhe nachdenken. Bestimmt hatte sie noch mehr Fragen, aber ich würde abwarten bis sie so weit war. Allerdings hatte ich auch Fragen.

“Was ist mit deinem Vater?”

Bei diesen Worten drehte sie sich um Sattel zu mir um. Ihr Antlitz lag im Schatten; der breitkrempige Hut, den sie für die Reise aufgesetzt hatte, schirmte ihr Gesicht vor der grellen Sonne ab. Die Sonnenstrahlen waren warm und eindringlich und der Schweiß stand mir auf der Haut. Es war anders als auf Everis, wo das Licht aus größerer Entfernung kam; unser größter Stern war uralt und schenkte dem Planeten eine konstante, wohlige Wärme. Unser zweiter Stern war näher am Planeten, er war klein aber sehr hell. Seine wilden Energien und unvorhersehbaren Eruptionen verursachten viele Stürme. “Mein Vater?”

Ich nickte. “Du hast erwähnt, dass deine Mutter gestorben ist. Was ist mit deinem Vater?”

Mein Pferd schnaubte und schwenkte seinen Schweif.

“Ich habe ihn nie kennengelernt. Als meine Mutter ihm von mir erzählt hat, hat er sie verlassen. Meine Mutter hat ihn nie erwähnt, außer, dass er jung und gutaussehend war und aus einer wohlhabenden Familie stammte.”

“Deine Mutter war nicht wohlhabend?”

Cassie schüttelte den Kopf. “Nein. Sie war ihre Hausmagd. Als er erfahren hat, dass sie schwanger war, hat er das Zugticket bezahlt um uns beide loszuwerden.”

Ich bedauerte den Schmerz in Cassies Stimme, und den törichten Mann, der solche Schätze einfach weggeworfen hatte. “Und deine Mutter ist gestorben, als du vier warst?”

“Ja. Lungenentzündung hat der Arzt gesagt. Aber ich kann mich nur daran erinnern, dass sie immer traurig war. Ich habe jahrelang geglaubt, dass sie an einem gebrochenen Herzen gestorben ist.”

“Das erklärt, warum du nichts über die Markierung weißt.”

“Du nennst es eine Markierung.” Sie seufzte und hob ihre Hand, um die verräterischen Wirbel auf ihrer Haut zu betrachten, die sie als meine Partnerin markierten. “Mein Leben lang habe ich geglaubt, dass es sich nur um ein Geburtsmal handelt. Dann hat es vor einigen Tagen angefangen zu kribbeln und ist warm geworden. Als du in der Pension angekommen bist, ist es heiß geworden, fast unerträglich heiß.”

“Ja, bei mir war es genauso.”

Darauf lächelte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. “Dann musst du mir das erklären.”

Wo sollte ich anfangen? Ich überließ meinem Pferd die Führung, als wir ins felsige Gebiet am Fuße der Berge vorstießen. Wir ließen die sanften Hügel der Prärie hinter uns und navigierten jetzt durch die Serpentinen und schmalen Pfade, die zu unserem Schiff führten. Das hohe Gras verschwand und wurde von kümmerlichen Büschen und dunklen Nadelbäumen mit scharfen, spitzen Dornen als Blätter ersetzt. Sie ähnelten der Fauna auf Everis. Die Erde war meinem Planeten tatsächlich ziemlich ähnlich, vom Geruch des Bodens zu den bauschigen weißen Wolken, die am Himmel schwebten. In einer Sache aber unterschieden wir uns von den Menschen.

“Alle Everianer werden mit einer Markierung geboren, aber bei den meisten schlummert sie ewig. Den markierten Partner zu finden ist zwar nicht unbekannt, aber es ist sehr selten. Nur einem von hundert wird dieses Glück zuteil.”

“Aber deine Markierung schlummert nicht?” Sie rieb ihre Hand an ihrem Oberschenkel, als ob sie sich daran störte.

“Nein. Nicht, seit ich hierhergekommen bin. Nicht, seit ich dich gefunden habe.”

“Aber ich stamme nicht von deiner Welt. Ich bin nicht wie du.”

“Doch, Cassie, das bist du. Vor vielen tausend Jahren ist mein Volk ausgezogen, um die Galaxie zu kolonisieren. Einige davon müssen zur Erde gekommen sein, um sich hier niederzulassen.”

“Was willst du damit sagen? Dass nicht nur du von einem anderen Planeten kommst, sondern ich auch? Das ist absurd.”

“Es ist die Wahrheit.”

“Und das soll bitte was heißen? Dass ich mich Hals über Kopf in dich verlieben soll?”

Die Götter mochten mir Geduld schenken. Worauf wollte sie damit hinaus? “Ja. Wir sind füreinander bestimmt.”

“Und wie genau soll das vonstattengehen? Ich gehe mit dir ins Bett und du reitest in den Sonnenuntergang zu deinem tollen Schiff zurück und verschwindest wieder nach Everis?”

“Nein, Cassie. Ich würde niemals ohne dich gehen.”

“Oh, also jetzt soll ich auch noch mit dir auf einen anderen Planeten kommen?”

“Ja. Du wirst mich nach Everis begleiten, wo du als Mitglied meiner Familie in die Gesellschaft eingeführt wirst.”

Sie prustete. “Das ist lächerlich. Dabei hätte ich dir schon fast geglaubt.”

“Du wirst ein hohes Mitglied unserer Gesellschaft sein, Cassie. Und ich werde dir alles beibringen, was du wissen musst. Dich beschützen.” Ihre Sturheit machte mich langsam wütend.

“Ich bin eine Waise aus Philadelphia. Ein hohes Mitglied der Gesellschaft? Das denke ich nicht.” Sie schüttelte den Kopf und führte ihr Pferd am Rand eines steilen Flussufers hinunter. Ich hatte keine Kraft mehr um mit ihr zu streiten, als mein eigenes Pferd folgte.

Das Pferd scheute, es war nervöser als ich. Die vorherigen Untergründe hatte es zwar mühelos bewältigt, aber dieser Abfall ins trockene Flussbett war steiler als die anderen und vom grasigen Flachland in den sandigen Grund waren es etwa drei Meter. Mit einem Huf seitwärts nach unten gerichtet blieb das Pferd stehen und stellte wohl seine Sicherheit infrage, dann ging es zurück und plötzlich sprang es mit überraschendem Tempo den steilen Hang hinunter und warf mich dabei vom Sattel.

Ich flog durch die Luft und machte eine harte Landung, ich landete mit der Schulter voran und meine Flanke rammte einen Felsen. Es musste ein ziemlich großer Felsen sein, denn ich spürte das schmerzhafte Stechen meiner Rippen, ehe ich einmal, zweimal auf den Rücken rollte.

Da lag ich und starrte in den strahlend blauen Himmel, fassungslos, und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Meine Flanke stand in Flammen und das Atmen war die reinste Qual. Der Boden war erstaunlich weich, wenn man bedachte, wie hart ich gelandet war. Ich drehte den Kopf zur Seite und blickte auf den verfluchten Felsen, der mir definitiv die Rippen gebrochen hatte.

 

“Maddox!”

Cassies Stimme war schrill und ich hörte die Hufe ihres Pferdes, als sie auf mich zugeeilt kam. Ich sah Staub aufwirbeln und dann erblickte ich den Saum ihres Kleides, bevor sie neben mir auf die Knie fiel und ihr langes Haar über die Schulter warf.

“Was ist passiert?” Sie war genauso außer Atem wie ich. Ihr heller Blick wanderte über mich und ihre Hände zitterten.

Ich bekam nicht genug Luft, um ihr das Offensichtliche zu erklären.

“Wo … wo bist du verletzt?”

“Seite. Rippen,” keuchte ich.

“Darf … darf ich nachschauen?”

Ich hob mein Kinn und biss die Zähne zusammen.

Sie tastete sich heran, knöpfte mein Hemd auf und breitete es aus, dann keuchte sie voller Entsetzen, als sie meinen Torso betrachtete. “Der Felsen, er hat dir die Rippen gebrochen. Der Bluterguss ist bereits sichtbar.” Sie biss ihre Lippe und riss panisch die Augen auf. “Ich kann deutlich den Bruch sehen. Oh Gott.”

Sie blickte auf und sah sich um, als ob wie durch ein Wunder irgendjemand auftauchen würde. Sie hatte kein Kommunikationsgerät, keine Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Ich allerdings schon, aber ich brauchte nicht Thorn oder Jace oder Flynn zu holen. Es würde Stunden dauern, Tage sogar, abhängig davon, wo sie gerade auf Jagd waren. Ich brauchte nur den ReGen-Stab.

“Ich kann es verbinden, aber ich kann dir nicht beim Aufstehen helfen und erst recht nicht wieder aufs Pferd. Ich kann zur Stadt reiten und Hilfe holen, aber—”

“Cassie,” zischte ich hervor.

Ihr Blick sprang zurück zu mir.

“Meine Tasche. ReGen-Stab.”

“Was?” entgegnete sie.

“Hol den ReGen-Stab aus meiner Tasche.”

Sie drückte sich hoch, blieb aber weiter neben mir hocken. “Ich … ich weiß nicht, was das ist.”

Ich neigte mein Kinn und rührte mich, dann aber hisste ich, als ich einen stechenden Schmerz verspürte. “Metallobjekt, unten schwarz, oben blau. Passt in deine Hand.”

Sie nickte und ging herüber zu meinem Pferd, das längst wieder angehalten hatte und jetzt an einem grünen Büschel knabberte. Die Zügel fielen über seinen Kopf zu Boden und er war überglücklich, dass ich nicht mehr auf seinem Rücken saß. Ich hätte auf die Bestie sauer sein sollen, weil sie mich abgeworfen hatte, aber ich war selbst schuld daran. Vor meiner Ankunft auf der Erde hatte ich noch nie auf dem Rücken eines Tieres gesessen und irgendwie wusste das Tier, dass ich unerfahren war.

Cassie durchwühlte meine Tasche und fand mühelos den ReGen-Stab. Abgesehen vom Proviant hatte ich nur ein paar Anziehsachen von der Erde und eine Decke eingepackt. Es fiel mir schwer die Geduld zu wahren, schließlich lag ich in der sengenden Sonne, während sie erstmal das Behandlungsgerät studierte.

“Cassie,” stöhnte ich. Das Atmen fiel mir immer schwerer und ich wollte nur noch diese Schmerzen loswerden.

Als sie sich wieder an mich erinnerte, eilte sie an meine Seite und hielt mir den befremdlichen ReGen-Stab hin.

Unsere Finger streiften sich, als ich ihn ihr abnahm und den schwarzen Griff umpackte. Ich betätigte den Knopf und die Heilungsenergie der ReGen-Spulen an der Spitze leuchteten blau auf. Ich stöhnte bei jeder Bewegung und fuhr mit dem Stab über meine Rippen.

“Was machst du da?” fragte sie und runzelte verwirrt die Stirn.

“Ich heile.”

Ich konnte spüren, wie die Knochen sich wieder zusammenfügten und stöhnte. Es war nicht schlimmer als der stechende Schmerz, wenn ich mit gebrochenen Rippen atmete, aber besonders angenehm war es auch nicht.

“Ich … ich verstehe nicht. Du brauchst einen Arzt. Bettruhe.”

“Nein,” erwiderte ich, als der Schmerz nachließ. Der ReGen-Stab würde mich in wenigen Minuten wiederherstellen. Ich konnte bereits wieder richtig durchatmen. “Das ist eine leichte Verletzung.”

“Leicht?” konterte sie. “Es wird Wochen dauern, bis das wieder verheilt ist, solange du keinen Lungenriss hast. Ich weiß nicht, wie ich mich um dich kümmern soll. Es gibt hier kein Essen, kein Feuerholz. Nicht genügend Wasser.”

“Cassie,” sprach ich erneut, diesmal war meine Stimme wieder schmerzfrei. “Das ist ein Behandlungsstab. Ich muss ihn nur über die Verletzung halten und er wird den Schaden reparieren.”

Trotz geneigtem Kopf konnte ich die Verletzung kaum sehen, aber so, wie sie die Augen aufriss musste ich davon ausgehen, dass der Bluterguss, den sie erwähnt hatte, schnell wieder verschwand.

“Wie … ich … ich verstehe nicht.”

Darauf rührte ich mich und verspürte keinen Schmerz, nur ein unangenehmes Zwicken. Während ich weiter sprach, wedelte ich mit dem Stab hin und her und dann weiter oben über meiner Schulter. Sie war zwar nicht ausgekugelt, tat aber trotzdem weh.

“Auf Everis ist das ein normaler Haushaltsgegenstand, wie auf den meisten Planeten des Universums. Er heilt schnell und unkompliziert alle kleineren Verletzungen. Für größere, schwerwiegendere Wunden benötigt man einen Ganzkörpertank.”

“Einen Tank? Du hättest Herrn Anderson heilen können!”

Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und ich hielt inne. “Oh, Cassie, nein. Auf unserem Schiff haben wir einen ReGen-Tank. Er kann ernste Verletzungen heilen, aber er ist nicht tragbar. Der Stab ist zwar mobil, kann aber nur leichte Wunden behandeln, keine schwersten Verletzungen wie Neron sie deinem Schwiegervater zugefügt hat. Und er war bereits tot. Unsere Technologie kann zwar heilen—” ich hielt den Stab hoch, “—, aber sie kann keine Toten zurückbringen.”

Sie ließ die Schultern hängen und beäugte meine Verletzung. “Und doch geht es dir besser?” fragte sie zögerlich.

“Ja, ein Sturz vom Pferd ist einfach zu beheben. Auf Everis gibt es allerdings keine Pferde, also war das eine Premiere.”

Sie setzte sich und lauschte voller Neugierde.

“Er ist so klein. Wie kann er das alles machen? Und wenn dein Volk zur Erde gekommen ist, warum haben wir dann nicht auch solche Stäbe?”

“Ich weiß nicht, was aus den Siedlern geworden ist, aber du bist ihr Nachkomme, also müssen einige von ihnen überlebt haben. Im Moment wird die Erde als eine primitive Zivilisation angesehen. Abgesehen von den Vögeln ahnt euer Volk nicht einmal, dass es Dinge gibt, die durch die Luft fliegen können. Es gibt keine Raumschiffe, nicht einmal einfache Fluggeräte. Eure Technologie ist unserer weit unterlegen, tausende Jahre im Rückstand. Niemand hier würde das verstehen.”

Darauf lachte sie, aber eher aus fassungslosem Staunen als aus Humor. “Ich verstehe das nicht. Ich verstehe kaum etwas von den Dingen, die du eben erzählt hast.” Ihre Augen blickten auf mich und zum ersten Mal sah ich in ihnen keine Feindseligkeit oder Zweifel, sondern Verwunderung. “Du musst mich für dumm halten.”

Daraufhin rührte ich mich, ich stützte mich auf den Ellbogen hoch und dann auf die Hand, damit ich ihr in die Augen blicken konnte. “Ich halte dich für alles andere als dumm. Sondern mutig, widerstandsfähig, loyal. Liebenswert.”

Sie blickte runter auf meine Brust. Es war das erste Mal, dass sie außerhalb eines gemeinsamen Traumes meinen Körper sah. “Dann bist du wieder völlig gesund?”

Ich drückte mich hoch und setzte mich auf, dann ging ich auf die Knie. Ich zog mein Hemd aus dem Hosenbund und fuhr mit der Hand über die Stelle, an der die Verletzung gewesen war. Keine Blutergüsse waren zu sehen, keine Spuren auf meiner Haut, keine Muskelverletzungen oder Risse in den Rippen darunter.

“Willst du ihn ausprobieren?” Ich hielt ihr den Stab hin.

Sie entnahm ihn mir, als wäre er zerbrechlich. “Was soll ich tun?”

“Du hältst ihn einfach über eine Verletzung.”

Sie führte ihn an meine Stirn. Ich blickte skeptisch.

“Du hast da einen kleinen Schnitt.”

Ich hatte die Wunde nicht gespürt, aber jetzt als meine Rippen geheilt waren, spürte ich ein leichtes Brennen und ein feuchtes Rinnsal dort.