Heiße Colts und wilde Girls: Alfred Bekker präsentiert 8 Western

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32

Cunningham hatte seine dreißig Krieger in drei Gruppen aufgeteilt. Sechs Indianer mit zwölf Gewehren und reichlich Munition bezogen auf der Ostseite des Armeelagers Stellung. In sicherer Entfernung. Sie sollten weiter nichts als Verwirrung stiften.

Fünfzehn Krieger lagen auf der Westseite in der Deckung des kniehohen Grases. Sie hatten ein paar Gewehre bei sich. In erster Linie aber waren sie mit Speeren und Pfeil und Bogen bewaffnet.

Cunningham selbst leitete den heikelsten Teil des Überraschungsangriffes. Mit neun Cheyenne schlich er sich im Schutze der Dunkelheit an das Lager heran. Und zwar von der Seite, auf der acht Ochsenwagen mit Proviant und Waffen zu einer Wagenburg zusammengefahren standen.

Stundenlang lagen sie in Rufweite der Kavalleristen auf der Lauer. Erst als es ruhig wurde im Armeelager und die Lagerfeuer nur noch vor sich hinglühten, gab Cunningham das Zeichen zum Angriff.

Lautlos robbten sie auf die Ochsenwagen zu. Vier Krieger lösten sich aus dem Stoßtrupp, nachdem die Positionen der Wachen ausgespäht waren.

Einige Gesichter seiner ehemaligen Kameraden erschienen vor Cunninghams innerem Auge, als er die Schatten der Indianer über die Wachen herfallen sah. Cunningham war nie der Mann gewesen, der kaltblütig über Leichen gehen konnte. Aber es war Krieg. Und er hatte sich für die Cheyenne entschieden.

Nachdem die Wachen ausgeschaltet waren, schlichen sie unter den Wagen hindurch. Sie spannten Pferde vor fünf mit Proviant beladenen Wagen. Alles ging in gespenstischer Ruhe vor sich. Sie fanden Fässer mit Whisky und gossen ihn in allen acht Wagen aus. Drei der Krieger entzündeten Fackeln und setzten die Wagen in Brand.

"Feuer!", schrie eine Wache auf der anderen Seite des Lagers.

"Feuer!", kam es bald von allen Seiten.

Je zu zweit sprangen sie auf einen Wagen. Sekunden später donnerten fünf brennende Wagen durch das Lager. Gleichzeitig hörte man vom Osten her Gewehrfeuer. Cunningham hatte seinen Leuten eingeschärft, dass immer drei Männer nachladen und drei schießen sollten. Es hörte sich an, als würde eine ganze Kavallerieabteilung angreifen.

Die Cheyenne lenkten die Wagen auf die Rinderkoppel zu. Die Tiere stoben in panischer Furcht auseinander und durchbrachen die Koppel.

Die ersten Schüsse durchschlugen die Planen der brennenden Wagen. Cunningham zog sein Gespann herum und hielt auf die Pferdekoppel zu. Die anderen folgten. Wachen stellten sich ihnen in den Weg und eröffneten das Feuer. Der Krieger auf dem Bock neben Cunningham schoss zurück.

Die Pferde vor den Wagen gerieten außer sich und fielen in gestreckten Galopp. Als wollten sie dem Feuer entfliehen, dass sie doch hinter sich her zogen. So donnerten die rollenden Feuersbrünste unter die fast fünfhundert Pferde der Kavalleristen. Zu einer dunklen Woge zusammengepresst schob sich die Herde in das nächtliche Grasland hinein.

Als würde ein Erdbeben den Boden aufreißen wollen, trommelten die Hufe der Armeepferde über den harten Grasboden. Dann riss die Herde auseinander - in alle Richtungen flohen die Tiere. Der weitaus größte Teil nach Westen - wo sie die Speere und Pfeile der Cheyenne erwarteten.

Erst als sein Rücken vor Hitze glühte, gab Cunningham das Zeichen zum Abspringen. Sie ließen sich von den brennenden Wagen fallen und spurteten in die Dunkelheit.

Zwei Stunden später trafen sie sich bei ihren Pferden. Kein einziger Krieger hatte den Überfall mit seinem Leben bezahlen müssen.

33

Rooster tobte. Wie ein Wahnsinniger wütete er. Sherman und seine Offiziere konnten ihn nur mit Mühe davon abhalten, die vier für die Wachen verantwortlichen Unteroffiziere zu erschießen.

Sie brauchen fast den ganzen Tag, um die überlebenden Rinder und wenigstens einen Teil der Pferde wieder einzufangen. Fast dreihundert Pferde waren entweder tot, verletzt oder in den Weiten des Graslandes verschwunden.

Sämtliches Proviant waren verbrannt, die Wagen mit den Waffen und der Munition explodiert. Ein ganzer Tag war verloren. Schlimmer hätte es nicht kommen können.

Als Rooster sich wieder leidlich im Griff hatte, ließ er die Pferde zählen. Zweihundertzwölf Tiere wurden ihm gemeldet. Er schickte eine Abteilung aus zwölf Kavalleristen in Richtung Sioux City. Dass sie dort eine Telegraphenstation finden würden, von der aus man die Armeeführung um Hilfe bitten konnte, war sicher.

Zwanzig Tiere verblieben im Lager. Am frühen Abend ließ Rooster hundertachtzig Mann aufsitzen und setzte mit ihnen die Verfolgung der Cheyenne fort. Sherman musste ihn begleiten.

34

Blizzard hieß der Krieger, der die Kavalleristen zwei Tage nach ihrem nächtlichen Husarenstück als erster sichtete. Aus sicherer Entfernung beobachteten sie die lange Reihe der Reiter am Horizont.

Cunningham schätzte, dass es etwa drei Schwadronen waren, die dort dem Missouri entgegenritten. Nur noch die Hälfte der ursprünglichen Truppenstärke. Aber immer noch genug, um die Cheyenne zu vernichten.

"Es ist hoffnungslos", sagte ein Cheyenne, den sie Singendes Messer nannten.

"Wir haben dem Häuptling immerhin einen Tag Zeit verschafft." Cunningham spürte, dass die jungen Indianer dabei waren, den Mut zu verlieren.

"Es waren einfach zu viele Pferde", sagte Blizzard.

"Zu viele Pferde und zu viele Soldaten", unterstrich ein anderer. Auch seine Stimme klang alles andere als zuversichtlich.

"Aber sie haben nur einen Kommandanten", sagte Cunningham.

Die anderen sahen ihn verblüfft an. "Was meinst du damit?"

"Nichts." Er gab seinem Pferde die Sporen. Ein Gedanke hatte sich in sein Hirn gebohrt, der sein Blut gefrieren ließ. Er wehrte sich gegen ihn, versuchte ihn beiseite zu schieben - aber der Gedanke stand übermächtig in seinem Bewusstsein.

Sie ritten in die gleiche Richtung wie die Schwadronen Roosters. Immer in einer Entfernung, dass die Kolonne der Kavallerie gerade noch als dunkler Strich am Horizont wahrnehmbar blieb.

Kurz vor Sonnenuntergang zerstreute sich der Strich am Horizont zu vielen kleinen Punkten. Rooster ließ das Nachtlager aufschlagen.

Fieberhaft dachte Cunningham nach. Little Bear würde nicht vor morgen Mittag den Missouri erreichen. Und dann brauchte er noch einen Tag Zeit, um Flöße zu bauen und über den Fluss zu setzen.

Spätestens morgen Nachmittag aber würden Roosters Einheiten am Ufer des Missouri erscheinen...

Cunningham ließ zwei Späher an das Lager heranschleichen. Sie kamen kurz nach Sonnenuntergang zurück. "Der Rote Hund hat Kundschafter ausgeschickt. Acht Männer."

Cunningham schwang sich auf sein Pferd. "Holen wir sie uns."

Trotz der einsetzenden Dunkelheit fanden sie die Fährte der Kundschafter. Nach zwei Stunden hörten sie vor sich den Hufschlag ihrer Pferde. Cunningham ließ von drei Seiten angreifen. Es war ein ungleicher Kampf. Die Kavalleristen verloren vier Männer und streckten die Waffen.

Die Cheyenne brachten vier entwaffnete und gefesselte Soldaten zu Cunningham. Es war dunkel, aber die lange, schlaksige Gestalt Tom Shermans erkannte er sofort.

Sherman riss die Augen auf, als er seinen alten Freund vor sich auftauchen sah.

"Verflucht noch mal, Dave!", keuchte er. "Du kämpfst auf der falschen Seite..."

"Was ist das - die falsche Seite?" Cunningham klopfte ihm auf die Schulter. "Oder was ist die richtige Seite? Jeder steht auf der Seite, auf die er gehört. Hab' ich recht?"

"Du bist Amerikaner, Dave...", krächzte Sherman.

"Ich bin ein Mann, Tom - und bei den Cheyenne wartet eine Frau auf mich..."

Er wandte sich an die Cheyenne-Krieger. "Dieser Mann ist mein Freund. Ich möchte, dass er unverwundet nach Hause reitet, wenn alles vorbei ist." Die Indianer sahen sich an. Er merkte, dass sie zögerten. Aber schließlich nickten sie. "Und die anderen drei ebenfalls. Selbst wenn ich sterben sollte - lasst sie frei, sobald ihr den Fluss überquert." Wieder nickten die Indianer.

"Was hast du vor, Gelbnacken?", wollte Blizzard wissen.

Cunningham schritt um die Gefangenen herum. Das Licht des Mondes enthüllte die Angst auf ihren Gesichtern. Einer von ihnen schien seine Größe und Statur zu haben. "Zieht ihm die Uniform aus."

Die Indianer taten, was er verlangte. Cunningham streifte sein Lederzeug ab und schlüpfte in die Uniform.

"Beim großen Geist!", rief Blizzard. "Was hast du vor?!"

"Wie lautet die Tagesparole?", fragte Cunningham den Mann, dessen Uniform er anzog. Der blieb zunächst stumm. Cunningham ging vor ihm in die Hocke. "Ich war Soldat, Kamerad. Und jetzt bin ich ein Krieger der Cheyenne." Er drückte seinen Revolver an die Schläfe des Gefangenen und spannte den Hahn. "Ich werde dich töten, wenn du nicht redest. Wie heißt die Parole!"

"Toter Cheyenne", sagte der Mann kleinlaut.

Cunningham erhob sich.

"Wartet hier", sagte er zu den Indianern. "Wenn ich bis zum Morgengrauen nicht zurück bin, reitet zum Fluss und versucht dort die Kavallerie aufzuhalten." Er schwang sich in den Sattel von Tom Shermans Pferd.

"Tu das nicht, Dave." Shermans Stimme klang leise und eindringlich. "Er wird dich auf der Stelle erschießen lassen."

Cunningham antwortete nicht. Er gab dem Wallach die Sporen. Die Dunkelheit verschluckte ihn.

35

"Toter Cheyenne."

Rooster fuhr aus dem Schlaf hoch. Ein Sergeant kniete neben seinem Lager. Der Soldat drückte ihm einen Revolver gegen die Stirn. Rooster riss die Augen auf - der Mann in der Uniform eines Sergeant war Dave Cunningham.

 

"Es ist so, Colonel", flüsterte Cunningham. "Wenn wir gleich aus dem Lager reiten, können Sie natürlich um Hilfe schreien. Und man wird mich gefangen nehmen und hängen. Aber Sie werden nicht mehr leben, wenn man mich aufknüpft."

Rooster starrte ihn an wie eine böse Erscheinung.

"Was wollen Sie, Cunningham?", krächzte er.

"Wir sind noch nicht fertig miteinander, wenn ich Sie recht verstanden habe. Ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, mich zu töten." Er richtete sich auf, ohne die Waffe herunterzunehmen. "Ziehen Sie sich an, Rooster. Wir reiten aus."

Der Colonel stand auf und schlüpfte in seine Uniform. Er band sich den Säbel um und setzte seinen breitkrempigen Armeehut auf. Cunningham schüttelte die Patronen aus Roosters Revolver und steckte ihm die Waffe ins Halfter.

Seite an Seite verließen sie das Zelt. Sie liefen durch die Zelte und die Reihen der schlafenden Kavalleristen zu den Pferden. Die beiden Wachen dort blickten ihnen entgegen.

"Ich weiß, dass Sie an Ihrem bisschen Leben hängen wie ein Hund an dem Knochen, den er neben dem Misthaufen verscharrt hat", zischte Cunningham dem Colonel ins Ohr. "Nur ein falsches Wort, und ich werde Sie erschießen."

Rooster nickte.

"Halt, wer da?", rief eine der Wachen.

"Toter Cheyenne", sagte Cunningham. Die Männer erkannten ihren Colonel und legten grüßend die Hände an die Hutkrempen.

Rooster sattelte sein Pferd, und gemeinsam ritten sie aus dem Lager. Nachdem sie die letzte Wache passiert hatten, registrierte Cunningham, dass er schweißnass war.

Es war noch Nacht, als sie nach drei Stunden die Cheyenne und die gefangenen Kavalleristen erreichten. Die Indianer sahen den Colonel und wollten in Jubel ausbrechen. Doch Cunningham hob die Hand und brachte sie zum Schweigen.

"Reitet zum Missouri und bereitet euch auf einen Angriff vor", befahl er den Kriegern. "Wenn sie merken, dass ihr Kommandant verschwunden ist, werden sie mindestens einen halben Tag brauchen, um sich über ihre weiteren Pläne einig zu werden."

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf Rooster. "Er und ich haben etwas zu besprechen, was man nur von Mann zu Mann besprechen kann."

Die Indianer akzeptierten, was er sagte, und stiegen auf ihre Pferde.

"Falls ich nicht zurückkomme, sagt Bluebird, dass ich bis zuletzt an sie gedacht habe."

Blizzard nickte stumm. Sie ritten davon.

Cunningham hockte sich ins Gras. "Jetzt sind wir ganz allein, Rooster." Der Colonel saß noch immer auf seinem Pferd. Es war zu dunkel, um seine Gesichtszüge erkennen zu können. Aber Cunningham spürte seinen Hass. "Steigen Sie einfach ab und machen Sie es sich bequem."

Der Colonel ließ sich aus dem Sattel gleiten. Ein paar Schritte vor Cunningham setzte er sich ins Gras. "Und nun?"

"Nun warten wir, bis die Sonne aufgeht. Für einen von uns beiden wird es der letzte Sonnenaufgang sein."

Schweigend hockten sie sich gegenüber. Irgendwann griff Rooster unter seine Uniformjacke. Cunningham riss seinen Revolver aus dem Halfter und richtete ihn auf den Colonel. Der hob beschwichtigend die Linke. Mit der Rechten zog er ein Päckchen Zigarillos aus der Jacke.

"Sie auch?" Er streckte Cunningham die Blechschachtel entgegen. Mit gezogener Waffe stand Cunningham auf und nahm sich eine.

Schweigend rauchten sie.

Eine Stunde oder mehr verstrich. Am östlichen Horizont schimmerte ein rötlicher Streifen. Quälend langsam wucherte er in den Nachthimmel hinein. Ein paar Grillen zirpten. Die Pferde rupften das Gras ab, und ihre Zähne schlugen gegeneinander, während sie kauten. Sonst war es vollkommen still um sie herum.

Rooster ließ sich rücklings ins Gras fallen und starrte in den allmählich erbleichenden Himmel.

Dann schob sich der rotglühende Sonnenball hinter dem Horizont in den Himmel.

"Geben Sie mir Ihren Revolver", sagte Cunningham. Rooster richtete sich auf und warf ihm die leere Waffe vor die Füße. Cunningham fischte sie aus dem Gras und ließ die Trommel herausspringen. Er zog eine Patrone nach der anderen aus seinem Gürtel und steckte sie in die Trommel.

"Was ich Ihnen noch sagen wollte, Rooster: Ich war nicht der Einzige, der es mit ihrer Frau getrieben hat. Ich an Helenas Stelle hätte auch nur den Namen des letzten genannt."

Rooster sprang auf.

"Sie sind ein verdammter Lügner, Cunningham!", rief er erregt.

"Schon gut." Cunningham ließ die Trommel einrasten und drehte sie ein paarmal. "Ich wollte es Ihnen nur gesagt haben. Aber es kommt sowieso nicht mehr darauf an."

Die Sonne löste sich jetzt vom Horizont. Immer noch stand Rooster breitbeinig im Gras. Cunningham registrierte, dass seine Knie zitterten. "Im Lager wird man jetzt zum Wecken blasen - was glauben Sie, was Ihre Leute tun werden, wenn Sie nicht in ihrem Zelt zu finden sind?"

Rooster presste die Lippen zusammen und blieb stumm.

"Okay, Sie haben recht: Lassen wir uns überraschen." Er erhob sich. "Einer von uns beiden wird es ja erleben." Den Rücken dem Colonel zugewandt, entfernte er sich etwa zehn Schritte. Dann drehte er sich um und warf Rooster den Armeerevolver vor die Stiefelspitzen. Rückwärts ging er noch einmal zwanzig Schritte weit. "Ich halte Sie übrigens für ein Schwein, Rooster. Aber das wissen Sie sicher."

Langsam bückte sich der Colonel nach dem Revolver. Noch während er sich aufrichtete, spannte er den Hahn und blickte zu Cunningham. Der stand wie aus Holz geschnitzt im Gras. Blitzartig riss Rooster den Revolver hoch und drückte ab.

Cunningham warf sich zu Boden. Im Fallen feuerte er zweimal. Rooster drehte sich langsam um sich selbst und schlug lang hin.

36

Sie ließen bereits die Flöße ins Wasser, als Cunningham den Missouri erreichte. Bluebird sank stumm in seine Arme.

Einen halben Tag und länger brauchten sie, bis sämtliche Mitglieder des Stammes, alle Tiere und die Tipiplanen am Nordufer angekommen waren.

Zusammen mit dem greisen Mountainman nahmen Cunningham und Bluebird das letzte Floß. Von der Kavallerie bekamen sie nichts mehr zu sehen.

Am Morgen des nächsten Tages führte Kleiner Bär seinen Stamm über die kanadische Grenze. Einer neuen Zukunft entgegen...

ENDE

Poker mit dem Gnadenlosen

Western von Heinz Squarra

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Hinter Johnny Wister knarrte eine Diele. Als er herumfahren wollte, bohrte sich eine Revolvermündung in seinen Rücken. Johnny hörte ein kaltes Lachen, dann krachte der Schuss. Johnny war tot, ehe er zu Boden stürzte. Eine Stiefelspitze klemmte sich unter seinen Leib und wälzte ihn herum. Die Augen Johnnys blickten glasig und gebrochen zur Decke. Der Mörder nahm

die Satteltasche des Toten an sich und verließ das Hotelzimmer …

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

1

Matt Wister war ein großer, breitschultriger Mann. Er hatte ein schmales, energisches Gesicht, und Tränen standen in seinen Augen, als er auf den Grabhügel und auf das schiefe Holzkreuz blickte.

„Tut mir leid, Wister“, murmelte der Marshal neben ihm. „Das war vor acht Wochen. Als wir Ihren Bruder fanden, war er mindestens zehn Stunden tot. Der Rancher, gegen den Ihr Bruder mit seinem Partner gepokert hatte, wollte Revanche. Vielleicht hätten wir ihn sonst noch später gefunden.“

„Wie viel hatten die beiden gewonnen, Marshal?“, fragte Matt.

„Achttausend Dollar, Wister. Eine Menge Geld, denke ich. Aber Maron muss gewusst haben, dass es für zwei Männer am Ende doch nicht viel ist, wenn man etwas damit anfangen will. Kennen Sie Maron?“

„Ich habe den Namen nie gehört.“

„Er hat eine Schmarre links auf der Wange, dicht neben der Nase. Und einen Goldzahn. Ich habe ihn mir genau angesehen, weil er mir nicht gefiel. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann.“

„Haben Sie nicht versucht, ihn zu stellen?“

„Nein, Wister. Ich sagte Ihnen doch, dass bereits zehn Stunden vergangen sein mochten. Es wäre sinnlos gewesen. Wahrscheinlich nennt er sich auch längst nicht mehr Maron.“

„Wahrscheinlich.“ Matt Wister spürte die Hand des Marshals kurz auf seiner Schulter, dann hörte er, dass sich die Schritte des Mannes entfernten.

Plötzlich verklangen die Schritte.

„Wister, da ist noch etwas!“, rief der Marshal.

Matt wandte sich um.

„Da war ein Tanzmädchen hier. Lily nannte sie sich. Ich sah sie oft mit Maron zusammen. Kurz nachdem er verschwunden war, fehlte auch sie. Der Saloonkeeper sagte mir, sie würde Lily Creede heißen und wäre in einschlägigen Kreisen sehr bekannt. Vielleicht nützt Ihnen das etwas.“

„Wohin sie sich gewandt hat, wissen Sie nicht?“, rief Matt ihm zu.

„Doch“, erwiderte er. „Sie nahm die Postkutsche nach Nebraska. Sie soll ein Ticket bis Niobrara gelöst haben. Mehr weiß ich wirklich nicht, Wister.“

2

Das Mädchen hatte ein bleiches, von scharfen Linien durchzogenes Gesicht und dunkle Ringe unter den grünen Augen. Ihr rotes Haar schien im Lampenlicht zu brennen, und Matt Wister wusste, dass sie auf die Männer dieses rauen Landes noch immer anziehend wirkte.

„Das ist schon über ein halbes Jahr her“, sagte Lily Creede.

„Ich weiß. Es war nicht sehr einfach, Sie zu finden.“

„Sie hätten mich vermutlich nie gefunden, wenn Maron ein Gentleman wäre. Aber er ist keiner, und jetzt bin ich froh darüber.“

„Können Sie mir das nicht näher erklären?“, fragte Matt Wister und beugte sich über den Tisch.

Ein Waiter näherte sich lautlos und stellte eine Flasche auf den Tisch.

Matt gab ihm Geld und winkte ab, als der Mann in die Tasche griff. Der Waiter entfernte sich. Matt füllte die Gläser.

Das Mädchen trank ihm zu und sagte: „Vorzüglich, Matt. Sie lassen sich die Auskunft etwas kosten. Dabei hätte ich sie umsonst gegeben. Ich hasse ihn!“

Matt sah, wie sich ihr Gesicht veränderte, wie es noch schmaler und hart wurde und wie die Puderschicht auf ihren Wangen zu platzen drohte.

„Sie wussten also, wohin er sich gewandt hatte?“

„Natürlich. Wir waren doch früher schon in verschiedenen Städten zusammen gewesen. Eine Zeitlang fuhren wir zusammen immer weiter, und einmal kamen wir durch ein Tal, das ihn faszinierte. Am Big Sioux River, Matt. In der Nähe der kleinen Stadt Watertown.“

„Sie waren dort?“

„Ja, ich war dort. Vor zwei Monaten. Ich wollte ihm nicht mit der Tür ins Haus fallen. Aber ich kam ihm trotzdem ungelegen. Er hatte ein hübsches Mädchen kennengelernt. Eins von anderer Art. Sie verstehen?“

„Ja.“

Lily zuckte die Schultern und lächelte. Sie trank und fuhr fort: „Wir haben nur einmal zusammen gesprochen. Er sagte, ich sollte schleunigst verschwinden und nur nicht auf dumme Gedanken kommen. Er würde mich dann zu finden wissen. Er nennt sich Alan Troger.“

Matt trank einen Schluck. Der Whisky war warm und schmeckte ihm nicht.

„Und das haben Sie gemacht?“, fragte er halb feststellend.

„Ja, Matt, das habe ich gemacht. Mir waren inzwischen Zweifel gekommen. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, dass das Leben auf einer Ranch dem entsprach, was ich mir früher darunter vorgestellt hatte. Und dann war da noch etwas. Ich hatte auch Ihren Bruder gekannt. Ehrlich gesagt, er hat mir sogar gefallen. Er war nur zu jung, zu wild und unbelehrbar. Ich wusste, dass er nicht lange leben würde, und deshalb hörte ich mir nicht an, was er mir sagen wollte. Vielleicht war das der Hauptgrund, dass ich wieder fortging, denn immer, wenn ich Maron anschaute, musste ich an den hinterhältigen Mord denken.“

 

„Ehrlich gesagt, ich verstehe Sie nicht, Lily“, bekannte Matt.

Das Mädchen trank das Glas aus und stellte es hart auf den Tisch zurück.

„Sie meinen, weil ich nicht nach Kansas ging und dem Marshal in Abilene erzählte, was ich herausgefunden hatte?“

„Ja.“

Sie beugte sich so weit vor, dass ihr Gesicht dem seinen sehr nahe war und er ihren Atem spürte.

„Vielleicht verstehen Sie mich besser, wenn ich Ihnen sage, dass ich in Dodge City meinen Sohn von einer alten Frau großziehen lasse, und dass der Vater dieses Jungen einmal Alan Maron hieß!“

Sie lehnte sich zurück. Ihr Gesicht sah nun so weiß aus, dass Matt peinlich berührt war.

„Ach so“, murmelte er und blickte auf die Tischplatte.

„Ich konnte den Vater meines Sohnes nicht dem Henker überliefern“, sagte die Frau leise. „Irgendwann hätte ich es ihm vielleicht erklären müssen. Alan wusste, dass ich das nicht kann. Ich war ihm überhaupt nur des Jungen wegen gefolgt.“

Matt stand auf. „Ich danke Ihnen, dass Sie es mir erzählt haben“, sagte er. „Ich glaube, ich kann Sie verstehen, Lily.“

„Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mich zu suchen. Vielleicht klingt das alles ziemlich verdreht.“

„Durchaus nicht, Lily.“

„Bis zum Big Sioux River sind es fast vierhundert Meilen“, fuhr sie fort. „Das können Sie vor dem Winter nicht mehr schaffen.“

„Ich werde es versuchen, Lily.“

Als Matt Wister an die Stepwalkkante trat und das Leben der Stadt an ihm vorbeiflutete, spürte er den kalten, nach Schnee riechenden Wind im heißen Gesicht. Vielleicht würde er es vor dem Winter wirklich nicht mehr schaffen. Aber er war nun sicher, auch im Frühjahr noch nicht zu spät zu kommen.