Im Weihnachtswunderland

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Brillen gab es damals noch keine, Minkie«, erklärt der Großvater geduldig. »Es war eine bittere Zeit, damals.« Großvater Aram wischt sich die Tränen von den Wangen. »Zudem hatte die Magdalena eine außergewöhnliche Augenkrankheit.«

»Eine außergewöhnliche Augenkrankheit?«, ruft Minkie aus.

»Was denn für eine, Opa?«

Pinkie gibt seiner Schwester einen Puff in die Rippen. Der Großvater erzählt weiter. »Meine liebe Schwester schielte, aber nicht nach außen wie normale Gespenster, sondern nach innen. So sah sie alles doppelt.«

»Ach?«, staunt Minkie. »Na so was! Das habe ich ja noch nie gehört.«

»Magdalena rutschte über einer nassen Walnuss aus«, erzählt der Großvater weiter, sie wollte in den Keller um Kartoffeln zu holen. Für den Kartoffelsalat. Sie wollte Eier dazu braten und …«

Minkie hält sich die Hände vor den Mund und kichert. »Wie kann man nur so blöd sein und über eine Walnuss stolpern?«

Der Großvater starrt mit weit offenen Augen in das Kaminfeuer, nippt immer wieder an seiner leeren Teetasse. Dann flüstert er: »Sie purzelte die gesamten dreiunddreißig Kellerstufen herunter, blieb leblos auf der untersten Stufe liegen und wachte nicht mehr auf.«

»Oh je«, murmelt Minkie kleinlaut. »Das tut mir aber leid, Opa.«

Großvater Aram liebte seine einzige Schwester sehr. Mit Magdalena konnte er die besten Streiche der Welt machen. Gemeinsam sind wir stark, war das Motto des Geschwisterpaares. Und sie machten alles zusammen. Sie besuchten zusammen den Kindergarten, die Schule, den Musikunterricht, arbeiteten gemeinsam auf dem Feld, versorgten gemeinsam die zahlreichen Nutztiere wie Kühe, Hühner, Schweine, Kaninchen, Tauben. Und in der Freizeit spielten sie miteinander Fußball, Federball, Tischtennis oder Wasserball. Magdalena war verrückt nach Ballspielen. Und an einem Tag im Jahr zauberten sie zusammen, an ihrem Geburtstag, am Nikolaustag. Sie nannten den Tag ‚Magdalena-Aram-Zaubertag’.

Die Geschwister hatten ihre eigenen Zaubersprüche. Und genau in diese Magdalena-Aram-Zaubersprüche sollten Minkie und Pinkie vom Großvater eingeweiht werden. Am zehnten Geburtstag aber erst. Sie waren damals noch zu jung dafür, waren erst fünf Jahre, fünf Monate, fünf Wochen, fünf Tage und fünf Stunden alt.

Minkie kann es kaum abwarten, die Magdalena-AramZaubersprüche zu erfahren. »Ach bitte, bitte, du liebster, du bester, du gütigster, du schönster aller Gespensteropas. Gib mir doch bitte, bitte einen Zauberspruch preis, nur einen. Ich bin doch jetzt schon sechs, Opa«, quengelt sie ein paar Tage nach ihrem sechsten Geburtstag.

»Abrakadabra«, lacht der Opa. »Und mehr erfährst du heute nicht, da musst du schon bis zu deinem zehnten Geburtstag warten.

»Ach bitte, bitte, mein herzallerliebstes, bestes, schönstes, gütigstes Opilein …«

»Ihr müsst erst die Regeln für Gespensterzauberer lernen«, sagt der Großvater in ernstem Ton. »Es kann nicht jedes Gespensterkind einfach so draufloszaubern, Minkie. Ohne Regeln, wie stellst du dir denn das vor, Kind, wo kämen wir denn da hin?«

»Dann fangen wir doch gleich mal mit den Regeln an, Opa«, kontert die vorwitzige Minkie.

»So einfach, wie du dir das vorstellst, funktioniert das mit der Zauberei wirklich nicht«, mahnt der Großvater. »Dazu brauchen wir Zauberstäbe, Nüsse, Schlangeneier, Fliegendreck. Zauberhüte, Zauberkugeln und …«

»Bitte, bitte, Opa.«

»Und vor allen Dingen müssen wir den richtigen Zeitpunkt abwarten.«

»Den richtigen Zeitpunkt?«

»Im Leben gibt es für alles den richtigen Zeitpunkt«, brummt der Großvater vor sich hin. »Für alles! Zudem müsstet ihr erst einmal das Gespenstereinmaleins beherrschen, Kinder.«

»Dann fangen wir doch gleich mal mit dem Gespenstereinmaleins an, Opa«, sagt Minkie. Sie fängt zu zählen an. »Eins, zwei, drei, Kartoffelbrei, Hexenei, so einfach geht die Zauberei.«

Der Opa schüttelt den Kopf, mahnt »Minkie!« Doch Minkie lässt sich nicht beirren und plappert munter weiter: »Vier, fünf, sechs und sieben, lasst euch nicht betrügen, ihr Lieben.«

»Miinkie!«, mahnt der Großvater.

Minkie beachtet den Großvater nicht weiter. Sie hüpft von einem Fuß auf den anderen, trällert: »Acht, neun, zehn, ihr werdet es sehen, der Zauber wird schon gehen. Elf, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn. «

»Du nervst, Schwester«, rügt Pinkie. »Sehr sogar! Nein heißt nein, beim Opa. Hast du das immer noch nicht kapiert?«

»Verrate mir nur noch einen Zauberspruch, bitte, Opa.«

»Simsalabim«, lacht der Opa. Und noch mehr erfährst du heute wirklich nicht, da musst du schon bis zu deinem zehnten Geburtstag warten, so wie dein lieber Bruder auch.«

»Du bist ja so gemein, Opa«, schmollt Minkie. Sie trinkt die Tasse mit dem Kräutertee leer, stampft mit den Füßen auf den Boden und marschiert beleidigt aus dem Kaminzimmer. Als sie an Pinkie vorbeiläuft, streckt sie ihm mit einem lauten »bäh« die Zunge raus.

»Hokuspokus Fidibus, dreimal schwarzer Kater«, flüstert da der Opa. »Meine Enkeltochter soll zehn Stunden lang schlafen.«

Und kaum hat der Opa ausgeflüstert, liegt Minkie schlafend auf dem Fußboden. Der Großvater trägt seine Enkeltochter über den Flur ins Kinderzimmer und legt sie ins Bett. Er deckt sie liebevoll bis zur Nasenspitze hin zu, sagt lächelnd: »Gute Nacht, mein kleines Naseweismädchen.«

»Aha«, murmelt der aufmerksame Pinkie vor sich hin. »Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater!« Er wühlt in seiner Schreibtischschublade, findet nach langem Suchen endlich seinen Papierblock und einen zur Hälfte abgebrochenen Bleistift. »Hokuspokus Fidibus«, flüstert er vor sich hin, als er die magischen Worte zu Papier bringt. »Drei Mal schwarzer Kater.« Er reißt den Zettel vom Block ab, macht eine Kugel daraus und versteckt ihn im Kleiderschrank, ganz hinten, unter dem Ballen weißen Stoff für sein erstes Gespenstermännerfestgewand. Dann legt auch er sich ins Bett, kuschelt sich eng an seine tief schlafende Schwester Minkie, flüstert »gute Nacht Schwesterchen«, und auch Pinkie ist in Sekundenschnelle eingeschlafen.

Aber in der Nacht suchen ihn wilde Träume heim. Er träumt von Zauberstäben, Zauberhüten, von Zauberkugeln, von Spukschlössern, von böse kichernden Hexen. Er wird von Fabelwesen mit Riesenschwertern in den Händen auf Riesenpferden verfolgt, von Wölfen, Eisbären, Klapperschlangen. Schweißgebadet wacht er auf, versucht Minkie zu wecken, aber sie schläft tief und fest, exakt zehn Stunden lang.

»Du hast Geheimnisse vor mir, kleiner Bruder!«, beschwert sich Minkie. Sie krabbelt aus dem Schrank heraus und hält den zerknautschten Zettel mit dem Zauberspruch hoch in die Luft. »Was sind denn das für neue Sitten, kleiner Bruder?«, motzt sie. Pinkie mag es nicht leiden, wenn Minkie in seinen Sachen rumschnüffelt. Und er mag auch nicht leiden, wenn seine Schwester ihn kleiner Bruder nennt. Pinkie verdreht die Augen. »Antwort«, fordert Minkie und klopft den Zettel auf den Schreibtisch. »Gib her, Minkie«, fordert Pinkie. »Das hättest du wohl gerne, Brüderchen«, ruft Minkie und rennt aus dem Zimmer, den Flur entlang, aus der Haustür über die Felder. Sie peilt den Weg zum Engelstimmensee an. Manchmal bleibt sie stehen, winkt Pinkie zu und brüllt: »Du kriegst mich nicht, kleiner Bruder, du kriegst mich nicht!«

»Und ob ich dich kriegen werde, du kleines Biest«, brüllt Pinkie zurück. Er hetzt der Schwester hinterher, holt sie keuchend ein und erwischt sie am Ende des Jackenärmels. Pinkie lacht freudig auf. »Ich hab dich, du Zicke!«

Mit einem Ruck kann Minkie sich befreien und sie springt kurzerhand in den See, wohl wissend, dass Pinkie nicht hinterher springen wird. Sie macht ihm eine lange Nase, schlägt Purzelbäume im Wasser, ruft: »Spring doch rein, du Angsthase.« Prustend fängt sie zu singen an.

»Mein Bruder ist ein Hasenfuß, ein Hasenfuß, ein Hasenfuß.« Sie spritzt Pinkie nass und lacht höhnisch: »So spring doch du Feigling! Mein kleiner Bruder ist ein Feigling, ein Feigling, ein Feigling.« Und irgendwann wird Pinkie wütend. Sehr wütend. So wütend wie noch nie in seinem Leben. Und er zischt: »Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater, Schlangenei, und ab geht’s mit meiner Schwester nach Shanghai.«

Und kaum hat das letzte Wort Pinkies Mund verlassen, landet er auch schon mit einem lauten Plumps auf dem harten Steinboden im Keller eines Hochhauses. Die klatschnasse Minkie eine Sekunde später, direkt neben ihm. Sie schauen sich erstaunt an. Im Keller ist es dunkel. Die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch, die Kinder können kaum atmen. Und es ist fürchterlich laut. »Umdeshimmelswillen«, stöhnt Pinkie entsetzt. »So habe ich das doch nicht gemeint.«

Minkie reibt sich die Pobacken, die Landung war sehr unsanft.

»Gibt es hier auch Licht?«, fragt sie verzagt. Minkie hatte, obwohl sie ein sehr vorwitziges Gespensterkind ist, schon immer Angst im Dunklen. »Woher soll ich das wissen«, fragt Pinkie zurück.

»Du weißt doch sonst auch immer alles besser als ich, große Schwester.«

»Du hast uns doch in diese Misere gebracht«, schimpft Minkie.

»Ich bin nur ganz friedlich im See geschwommen und habe …«

»Hättest du nicht in meinem Schrank herumgeschnüffelt und den Zauberspruch geklaut, dann wären wir jetzt nicht hier«, schimpft Pinkie zurück. Minkie reibt sich das Gesäß, stöhnt:

»Aua, das wird sicherlich einige blaue Flecken geben.« Dann steht sie auf und schaut aus dem mit Eisen vergitterten Fenster. »Wo sind wir hier denn eigentlich?«

»In Shanghai«, sagt der alte Spinnenopa zwischen den unzähligen toten Fliegen auf dem Fenstersims. »In einem Hochhaus.«

»In Shanghai?« fragen Minkie und Pinkie zu gleicher Zeit erstaunt. »In Shanghai«, bestätigt der alte Spinnenmann. »In einem Hochhaus. Um genau zu sein, im größten Hochhaus der Stadt.«

 

»»Ach du liebe Scheiße«, stöhnt Minkie laut auf.

Der alte Spinnenmann lacht. »Ich bin ganz froh, dass ihr beiden da seid, ich habe mir schon lange Gesellschaft gewünscht. Im Keller gibt es nur ein paar Mäusekinder, deren Eltern von der Nahrungssuche nicht mehr heimgekehrt sind. Einen kleinen, grünen Grashüpfer. Er war im Sommer den Sonnenstrahlen hinterher gehüpft und hatte den Weg nach draußen nicht mehr gefunden. Eine alte, blinde Ratte …«

»Und was machen wir jetzt?«, fragt Minkie.

»Zurückzaubern natürlich«, antwortet Pinkie entschlossen.

»Was sollen wir denn in Shanghai? Hier kennen wir doch niemanden.« Er stellt sich in eine der mit Spinnweben überzogenen Kellerecken und flüstert: »Zauberkugel wohlgemut, Zauberstab und Zylinderhut, Zaubergeister, helft jetzt gut. Hasenfuß und Hühnerei, Zaubergeister fliegt herbei, bringt uns zurück an den Ort, von dem wir geflogen sind, fort.«

Aber nichts geschieht.

»Ich bin ganz froh, dass ihr hier seid, Kinderchen«, seufzt der Spinnenopa zum wiederholten Mal. »Endlich, endlich habe ich jemanden zum Reden. Ich bin alt, ich weiß viele Geschichten.

Und er fängt traumverloren zu erzählen an. »Seit langer, langer Zeit spinne ich in diesem Keller meine Kunstwerke. Wie lange schon, das weiß ich nicht. Ich habe keine Uhr und alle Zeit der Welt. Jede Ecke des Kellers habe ich mit meinen Kunstwerken ausgeschmückt«, sagt er stolz. »Aber es ist keiner da, der meine Arbeit bewundert, keiner, der mit mir spricht. Ich möchte gerne Freunde haben, meine Freude und meinen Kummer teilen können.«

Minkie und Pinkie nicken. Das verstehen sie gut. Es ist nicht schön, ohne Freunde und Verwandte zu leben.

»Einmal im Monat kommen Menschen mit Besen und Sprays in den Keller. Sie zerstören meine ganze Arbeit. Und ich muss immer wieder von Neuem anfangen. Das ist sehr traurig. Aber aufgeben tue ich nicht!«

Minkie und Pinkie nicken. Der Spinnenopa lächelt. »Ich habe lange auf Freunde gewartet. Und jetzt endlich ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen. Ihr werdet für immer hier bei mir im Keller bleiben. Ihr könnt für mich sorgen, kochen, putzen, aus der Zeitung vorlesen.«

Pinkie und Minkie sehen sich erschrocken an. Sie wollen nicht in diesem Keller bleiben. Keinen einzigen Tag lang. Pinkie verzieht sich wieder in die Kellerecke und probiert sein Glück mit einem anderen Zauberspruch. Er flüstert: »Zauberlist und Zauberei, was verschwunden ist, flieg herbei, sofort, genau an diesen Ort.« Und kaum hat er ausgesprochen, steht sein Bett vor ihm, sein Schreibtisch, sein Kleiderschrank. »Umdeshimmelwillen, so habe ich das doch nicht gemeint«, ruft Pinkie entsetzt aus. »Ich will doch nicht in diesem dunklen, stickigen Keller wohnen bleiben. Ohne meine Mama, ohne meinen Papa, ohne die Großeltern und Verwandten. Ich will nach Hause! Ich will zurück in meinen Gespensterwald. Zu meinen Freunden. An den Engelstimmensee ….«

Minkie legt den Arm um die Schultern des schluchzenden Bruders. »Ach Brüderchen«, tröstet sie. »Ich versuche es Mal mit Zaubern. Vielleicht klappt es bei mir ja besser.« Und mit kräftiger Stimme legt sie los: »Simsalabim, Abrakadabra, Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater. Hollerie und Hotzenplotz, Mäusespeck und Katzenbuckel, Schlangenei und Krötendreck, bring uns von hier weg.«

Aber auch Minkies Zaubersprüche bleiben ungehört.

»Wir können das Gespenstereinmaleins noch nicht«, sagt Minkie kleinlaut. »Deshalb funktionieren unsere Zaubersprüche auch nicht.

»Da könntest du Recht haben, Minkie.«

»Wir haben ein Unrecht getan, große Schwester!«

»Ja«, flüstert Minkie. »Das haben wir!«

»Jetzt wird es aber allmählich Zeit, die Kinder wieder zurückzuzaubern«, sagt die Großmutter zur gleichen Zeit zu Großvater Aram. »Lass die beiden ruhig ein bisschen schmoren«, antwortet der Opa. »Aus Erfahrung wird man am klügsten!« »Übermorgen ist Weihnachten«, protestiert Oma Lea. »Und die Kinderchen haben doch Geburtstag!«

»Ich weiß«, erwidert der Großvater. »Sie haben aber schwer gefehlt und …«

»Der liebe Gott verzeiht auch Sündern«, kontert die Großmutter. »Denke mal daran, wie es war, als du ...«

»Ja«, sagt da der Opa leise. »Du hast Recht, Lea. Ich geh’ dann mal ins Haus und zaubere unsere Enkelkinderchen wieder zu uns zurück.«

Was waren Minkie und Pinkie doch froh, wieder zuhause im Gespensterwald zu sein. »Nie wieder will ich ungeduldig sein«, erklärte Minkie der Familie. »Und nie wieder wütend«, flüsterte Pinkie kleinlaut.«

»Na das wollen wir einmal sehen«, lacht die Großmutter.

Minkie und Pinkie baten den Großvater, den alten Spinnenopa aus dem Hochhauskeller in Shanghai herzuzaubern, auch den kleinen, grünen Grashüpfer und die vier kleinen Mäusekinder.

»Sie sollen nicht länger ohne Artgenossen in dem stinkenden, lauten Keller sein müssen«, erklärte Pinkie. »Bei uns im Wald wird es ihnen gefallen.« Und Opa Aram nickte.

Zwei Tage später fand im Gespensterwald das größte und schönste Weihnachtsfest aller Zeiten statt. Alle Gespensterfamilien des Waldes waren anwesend und selbst von weit außerhalb der Landesgrenzen waren Angehörige angereist. Sie kamen aus Amerika, Afrika, Polen, Griechenland, Spanien, aus Russland, Kroatien und vielen anderen Ländern. Und der Gespensterwald glich einem Weihnachtswunderwald. Allüberall in den Tannenspitzen sah man Tausende goldene Lichtlein sitzen, Tausende von Wunderkerzen versprühten Funken. Alle Bäume und Sträucher und Büsche waren geschmückt mit Lebkuchenherzen, Lebkuchenweihnachtsmännern, Äpfel, mit rotem und weißem Zuckerguss überzogen. An allen Wegbiegungen leuchteten 101 Meter hohe Freudenfeuer. An allen Büschen und Sträuchern hingen bunte Glaskugeln. Und auf jeder der Kugeln stand Happy Birthday zum 10. Geburtstag.

Die Verwandten haben Festtagstrachten angelegt, und nach der feierlichen Geburtstagszeremonie in der freien Waldkirche unter den Tannenbäumen soll gegessen, getrunken, gesungen, getanzt und gelacht werden. Es soll das größte und schönste Fest werden, das jemals stattfand im Gespensterwald. Und es sollte allen Geladenen bis ans Ende des Lebens in märchenhafter Erinnerung bleiben.

Rund um den Engelstimmensee funkelte und glitzerte es, so weit die Augen schauen konnten. Die Schwäne zogen Bahnen. Sie trugen Kränze aus weißen Lilien um den Hals, die Fische hüpften freudig in die Luft, schlugen Purzelbäume und verschwanden wieder im See. Man konnte das freudige Lachen der Tiere meilenweit hören. Die dicke Unke hatte sich zu Ehren von Minkie und Pinkie in ihr Hochzeitskleid gequetscht. Sie trug einen Strauß mit weißen und roten Rosen in den Händen, stöhnte laut: »Aua, jetzt hab ich mich gestochen.«

Und auf der Bank neben dem wohlriechenden Holunderbusch, genau da, wo Minka und Jakob einst saßen, saßen vier Engelchen in langen schneeweißen Kleidern, weißen Strümpfchen und weißen Lackschühchen, Margeritenblütenkränzen in den goldenen Haaren. Sie spielten mit leuchtenden Augen auf der Harfe. Dazu sangen sie mit glockenreiner Stimme ‚Großer Gott wir loben Dich.’

Oma Lea hatte das ganze Jahr über schon für diese ganz besondere Feier gebacken, in jeder freien Minute. Es gab Lebkuchen und Butterkekse, wie immer. Aber auch spanische Kartoffel-Mandel-Kekse, türkischen Honig, russische Schnitten, Chocolate-Chips-Cookies, gefüllte Haselnuss-Orange-Plätzchen, griechische Buttermandelkekse, polnische Ausstechernikoläuse mit Schokoladenüberzug, teilweise mit Erdbeermarmelade aus dem eigenen Garten gefüllt, Nigeranische Kokosplätzchen und viele andere Weihnachtsplätzchensorten. Die Zugvögel hatten Oma Lea Rezepte aus der ganzen Welt mitgebracht. Und für die Tiere des Gespensterwaldes gab es wie jedes Jahr am Heiligen Abend, die beliebten ‚Woodys Weihnachtsknochen’. Und so ging es Jahr um Jahr weiter. Die Traditionen wurden aufrecht erhalten. Und dass, das immer so bleibt, gibt es hier das Originalrezept. Viel Spaß beim Nachbacken.

Rezept Woodys Weihnachtsknochen (ergibt fünf Tierportionen)

200 Gramm dunkles Mehl, vorzugsweise Dinkelmehl.

200 Gramm Karotten 15 Gramm frischen Ingwer

Wasser nach Bedarf

Zubereitung

1. Schritt

Karotten abkochen, mit Ingwer und Wasser im Mixer fein pürieren. Mit dem Mehl und dem Öl mischen und so viel Wasser zugeben, dass ein formbarer Teig entsteht. Dabei ist zu murmeln.

»Krummel, krummel, Kleister, wir sind gute Geister.« Drei Mal hintereinander.

2. Schritt

Knochen formen und auf ein Backpapier legen. Bei 150 C Umluft 2-3 Stunden backen, bis die Knochen hart geworden sind. Dann drei bis vier Stunden auskühlen lassen. Das ist sehr wichtig, sonst bekommen die Tiere Bauchschmerzen.

Und jetzt will ich euch noch rasch erzählen, was aus Minkie und Pinkie geworden ist.

Minkie wurde Frauenärztin, Pinkie Arzt für innere Medizin. Das Geschwisterpaar betreibt gemeinsam eine Praxis im Gespensterwald, direkt unter der großen Eiche. Sie haben sehr viel Freude daran, Artgenossen helfen zu können. Am meisten erfreut es sie aber, wenn sie einem Gespensterbaby auf die Welt helfen dürfen. Oft schauen aber auch Rehe und Hirsche in der Praxis von Minkie und Pinkie vorbei, zum Beispiel, wenn sie Bauchkrämpfe vom Überfressen bekommen haben oder ihnen das Fell juckt. Auch Schmetterlinge flattern des Öfteren in die Waldpraxis, wenn sie wieder einmal an einem Ästchen ihre Flügelchen verletzt haben, oder einfach auch nur, weil sie hungrig oder durstig sind. Und allen wird gern geholfen.

Die Eltern Jakob und Minka haben die Büroarbeit in der Praxis, die Putzund Aufräumarbeiten sowie das Verteilen der Heilkräuter mit dem Leiterwagen übernommen. Die Großmutter Lea versorgt nach wie vor und immer noch mit großer Begeisterung die Familie: mit gesundem Essen, frischer Wäsche und immer guter Laune. Nur Opa Aram pflegt den Müßiggang. Am liebsten sitzt er in seinem alten Wellnessstuhl unter dem Fenster im Kaminzimmer, trinkt mit Waldhonig gesüßten Lindenblütentee, knabbert an Halbmondkeksen und schaut den fliegenden Wolkenfetzen hinterher. Und wenn er gerade nicht mit Wolkengucken und Halbmondkeksen knabbern beschäftigt ist, und so Gott will, erzählt er noch viele Tausend Jahre lang Geschichten aus seiner Jugendzeit.

Und hier verrate ich euch das Rezept für Opa Arams geliebte Halbmondkekse. Backt es nach, Ihr lieben Kinder, mit Euren Müttern und Großmüttern. Mit den Papas und Omas vielleicht. Dazu nehmt ihr:

500 Gramm Mehl

1 Teelöffel Backpulver

250 Gramm Staubzucker

1 Messerspitze Meersalz

1 Messerspitze gemahlener Zimt

1 Teelöffel gemahlener Kardamon 1 Messerspitze Muskatnuss

1 Messerspitze gemahlene Nelken 2 Eier

250 Gramm Butter

200 Gramm gemahlene Haselnüsse 200 Gramm Zartbitterschokolade

Zubereitung:

1. Schritt

Das Mehl mit dem Backpulver in eine Rührschüssel geben, gesiebten Staubzucker, Salz, Zimt, Kardamon, Muskatnuss, Nelken und Eier dazugeben. Die Butter in Stücke schneiden und mit den Haselnüssen hinzufügen. Dann die Zutaten 22 Minuten lang durchkneten und zu einer Kugel formen. Dabei muss geflüstert werden: Zauberkugel, Zaubernuss, Zimt und Zuckerguss, das Gebäck gelingen muss. Fünf Mal hintereinander! Danach muss der Teig 33 Minuten lang kaltgestellt werden.

2. Schritt

Nach 33 Minuten den Teig 4,4 Millimeter dick ausrollen und Halbmonde ausstechen. Nicht vergessen, die Backfläche vorher mit Mehl einzustäuben, sonst bleiben die Kekse an der Arbeitsfläche. Monde im vorgeheizten Backofen 9,9 Minuten lang bei 177 Grad backen, dann 11,11 Minuten abkühlen lassen.

3. Schritt

Nach 11,11 Minuten werden die Enden der Halbmonde in die erhitzte Schokolade eingetaucht. Und wiederum müssen die Kekse abkühlen, 2,22 Minuten lang.

4. Schritt

Nach 2,22 Minuten sind die Halbmondkekse verzehrfertig. Ihr dürft sie jetzt in die Keksdose legen. Aber erst am ersten Advent essen, zum Nachmittagskaffee. Das ist alte Gespenstertradition. Und für den, der sich nicht daran hält, wird es kein gutes neues Jahr werden.

Plätzchen werden gebacken, Türchen geöffnet Kerzen angezündet

Wunschzettel geschrieben

Schneeflocken fallen, samt und weich.

Ein Zauber liegt in der Luft.

Vollmond und Sterne spiegeln sich im Teich.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?